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Sächsische Staalszckmg den Zreiftaat Sachsen Staatsan^eiger für Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Belage, Verkaufsliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum S5 Pf , die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 78 Pf., unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung auf Geschästsanzeigen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint WerltagS nachmittags mit dem Datum deS Erscheinungstages. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574, Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Verantwortlich sür die Redaktion: I. V.: vr. Fritz Klauber in Dresden. Nr. 131 Dresden, Donnerstag, I. Juni 1928 Steinwürfe auf die Berliner italienische Botschaft. Berlin, 7. Juni. Gestern wurden im Hause der italienischen Bot schaft in der Viltoriastraße von unbekannten Per sonen, die.in.einem Auto vorfuhren, fünf Fenster scheiben eingeworsen Schutz sür die Botschaft und für daS Konsulat ist sofort gestellt worden. Tie polizeilichen Ermittlungen sind eingeleitet. Die Ermittlungen ergaben bisher folgendes: Gegen ^22 Uhr kam ein Prwallraftwagen, in dem sechs bis sieben junge Männer von süd ländischem Typus saßen, vom Tiergarten her und dielt vor dem Botschaftsgebäude. Im selben Augen blick sprangen die Insassen des Autos heraus und waifen mitgebrachte Steine gegen die Fenster des Botschaftsgebäudes, worauf das Auto davonsuhr Nach der Bekundung eines Passanten soll sich auch eine Gruppe von fremdländischen Fußgängern, sämtlich mit grünen Hemden bekleidet, an den Steinwürfen beteiligt haben. Auch die Fußgänger entsernten sich eiligst in der Richtung nach dem Kemperplatz, so daß die inzwischen benachrichtigte Polizei keine Feststellungen treffen konnte. Ins- gesamt wurden fünf Fensterscheiben zertrümmert. Oer Reichswirtschaftsrat und die Novelle zum gewerblichen Rechts schutz. Berlin, 7. Juni. Ter wirtschaftspolitische Ausschuß des Reichswirtschaftsrates hat gestern die Novelle zu dem Gesetz über gewerblichen Rechts schutz in» Prinzip angenommen, lat aber einzelne Abänderungsvorschläge gemacht, u. a. soll, wenn die Erfindung in einem Betriebe gemacht und auf bestimmte Personen als Erfinder nicht zurückzusühren ist, derienige als Erfinder angesehen werden, für dessen Rech nung der Betrieb ver waltet w ird. Weitere Änderungsvorschläge beziehen sich auf das Ver- fahren vor dem Patentamt. Auf Beschluß einer Abteilung oder auf Antrag einer Partei soll bei der Beschlußfassung ein der Palentabteilung angehörendes rechtskundiges Mitglied mitwirken. Ferner wurde die Schaffung einer dritten Instanz im Erteilungsverfahren und deren Angliederung an das Reichsgericht beschlossen. Einstimmig angenommen wurden Entschließungen, wonach dem ReichSpatentanit die Stellung einer oberen Reichsbehörde eingeräumt werden soll. Palentanwälte sollen zur Vertretung in allen Streitigkeiten über gewerbliche Rechtsschutz- fragen zugelassen werden. Tie Gebühren sollen wie jolgt bemessen werden: Bei Anmeldung zum Erteilungs- Verfahren 15 M., nach dem ersten Vorbescheid 10 M. Tie Jahresgebühren sollen betragen für das 1. bis S. Jahr 20 M., für da« 7. bis 12. Jahr 50 M. und sür das 13 bis 18. Jahr 100 M. Für das EinspruchSoerfahren sollen 20 M. Gebühren er hoben weiden. Für den Gebrauchsmusterschutz für jedes Jahr der Schuf frist 10 M. Sofern die Kosten des Patentamtes durch diese Gebühren nicht voll gedeckt werden, sollen die Gebührensätze entsprechend erhöht werden. Oer Kongreß der «Ler/ourirsListes. Vor -er Klärung -er innerpolitischen Lage. Nie Sozialdemokratie übernimmt die Führung bei der Regierungsbildung. Köln, 7. Juni. Der sozialdemokratische Parteiausschuß, der gestern in Köln tagte, faßte nach mehrstündiger Beratung folgenden Beschluß: „In dem Ergebnis der Reichstagswahlen hat das deutsche Polk den Willen bekundet, daß die Sozialdemokratie die Führung der Regierungsbildung übernimm«. Der Parteiausschuß erklärt sich damit einverstanden, daß die Fraktion die notwendigen Verhandlungen hierfür einleitet." Über die Kölner Beschlüsse teilt der „Sozial- denlokzatische Pressedienst" u a. noch mit: Der Parteiausschuß verzichte darauf, seinen erwählten Führern irgendwelche Bin- düngen mit auf den Weg zu geben. Er verzichte ebenso einmütig auf die Ein berufung eines außerordentlichen Parteitages, und wenn Hermann Müller am Sonnabend vormittag dem Rufe des Reichs präsidenten zur Erörterung der politischen Lage folgt, so geschieht dies ohne gebundene Marschroute. Ter Verzicht aüf eine gebundene Marschroute bedeutet für die Sozialdemokratie natür lich zunächst nichi, daß sie ohne Voraussetzungen zu einer Koalitionsgemeinschaft mit anderen Parteien bereit ist. Es werden Erörterungen notwendig sein über die Frage der Arbeitszeit, der Reichs wehr, der Wahlreform, der Amnestie und viele andere Dinge. Ihr Ergebnis wird zeigen, ob letzten Endes ein gemeinsames Regierungsprogramm möglich ist und ob die Aussicht besteht, auf lange Sicht zu regieren. Aus diesem Programm muß unseres Erachtens klar und deutlich hervorgehen, daß ein neuer Kurs eingeschlagen wird und sich im Vergleich zu dem, was gestern war, tatsächlich etwas geändert hat und für die Zukunft noch vieles ändern soll. An einer Regierung, die von vornherein auch nur zuin geringsten Teile einen baldigen Zerfall in sich tragen würde, hat die Sozialdemokratie kein Interesse. Wie sich die Verhandlungen der Parteiführer im einzelnen ge stalten und entwickeln werden, ist noch völlig un bestimmt. Weder über die parlamentarische Basis der neuen Regierung, noch über deren personelle Zusammensetzung steht im Augenblick etwas fest. Immerhin ist für die Sozialdemokratie die Große Koalition keineswegs die einzig gegebene Lösung. Auch der sozial demokratische Parteiausschuß hat keinen Augenblick daran gedacht, sich sür die Große Koalition fest zulegen. Wir werden im gegebenen Augenblick alle Möglichkeiten einer Regierungsbildung sachlich prüfen und unsere Entscheidung davon abhängig machen, ob es möglich ist, dem am 20. Mai zum Ausdruck gekommenen Willen der Wähler schaft in ausreichendem Maße zu entsprechen oder nicht. * Nach der gestrigen Sitzung des sozialdemo kratischen Parteiausschusses in Köln ist der Weg für die offiziellen Besprechungen über die Regie rungsbildung freigelegt, die morgen mit dem Empfang der Parteiführer durch den Reichs präsidenten ihren Anfang nehmen. Das Problem der Besetzung des Reichslanzlerpostens wird voraus sichtlich so gelüst werden, daß der Führer der Sozialdemokratie Müller-Franlen zum Reichskanzler ernannt wird. Bisher bestand in sozialdemo kratischen Kreisen eine starke Abneigung gegen diese Lösung, da man ihn der politischen Führung der Partei erhalten wollte und die Hoffnung nicht aufgab, daß sich der preußische Ministerpräsident Braun doch noch bereitfinden würde, sein bis heriges Amt mit dem Reichskanzleramt zu ver tauschen. Braun hat aber, wie wir erfahren, in einer nochmaligen Besprechung der sozialdemo kratischen Führer gestern endgültig abgelehnt. Ta auch der frühere preußische Innenminister Severing das Amt des Retchsinnenministers dem Reichs kanzleramt vorzieht, wird der sozialdemokratischen Fraktion nichts anderes übrigbleiben, als der Kan didatur Müller-Franken ihre Zustimmung zu geben. Man rechnet damit, daß eine Eiiuguug zwischen den Sozialdemokraten und den Parteien der bürgerlichen Mitte biszum 12, Jun zustande kommen wird. Für die Besetzung der wichtigsten ReichSämter werden jetzt fol gende Namen genannt: Reichskanzler Müller- Franken, Reichsinnenminister Severing, Außen minister Stresemann, Reick)swehrminister Groener. Tie Sozialdemokraten verlangen außerdem noch zwei weitere Ministersitze. Schwierigkeiten dürsten die Verhandlungen zwischen Sozialdemokraten und Demokraten über das Portefeuille des Rejchs- finanzministers begegnen. Tie Demokraten haben für diesen Posten den früheren Reichsfinanzminister Reinhold vorgesehen. Tie Sozialdemokraten wünschen aber dieses Amt mit ihrem Finanzfachmann Hil ferding zu besetzen. Für die Stelle des Reichswirt- schaftsministers dürfte auch weiterhin vr. Curtius in Betracht kommen, obwohl die Sozialdemokratie auch hier einen Gegenkandidaten in der Person ^des Vorsitzenden deS Allgemeinen Gewerkschafts bundes Leipart vorgesehen hat. Sie dürste aber auf dieser Kandidatur nicht weiter bestehen. Da gegen verlangen die Sozialdemokraten energisch das Justizministerium für sich, für das der Abgeordnete Rechtsanwalt Landsberg in Aussicht genommen ist. Das Reichsverkehrsministerium dürfte dem Zentrum zufallen. Von Zentrumskandidaten sür Ministersitze werden Abgeordneter v. Guörard und der bisherige Reichsarbeitsminister vr. Brauns genannt. Bemerkenswert ist, daß heute von offiziöser volksparteilicher Seite Stellung gegen Äußerungen genommen wird, nach denen sich eine Annäherung zwischen den Demokraten und der Deutschen VolkSpartei vorbereite. LS wird erlläit, die Deutsche Vollspartet stehe diesen Bestrebungen fern und habe keine Veranlassung, von ihrem bis herigen Kurse abzuweichen. Dagegen wäre zu berücksichtigen, ob nicht die an der Großen Koalition beteiligten bürgerlichen Parteien gegenüber der Sozialdemokratie eine taktische Verbindung eingehen sollen, um zahlenmäßig der sozialdemokratischen Fraktion gewachsen zu sein. Eine solche taktische Verabredung müßte aber nicht nur die Demokraten und die Deutsche Volkspartei, sondern auch das Zentrum umfassen. Köln, 7. Juni. Ter gestrige zweite Verhandlungstag wurde mit einem Bericht über die Propagandatätig keit der F. I. I. eröffnet. Bon europäischen Ländern stehe der Eintritt Ungarns bevor, so daß nur noch Portugal übrigbleibe. Die Propaganda müsse sich jetzt hauptsächlich auf den Beitritt der gut ausgebauten Organisationen Nordamerikas richten. Einen weiteren Punkt bilde die Frage einer Untersuchung über die soziale Lage und Lie Arbeitsbedingungen sowie denArbeitS - vertrag des Journalisten. Hierzu berichtete Richter, Berlin, für Deutschland, daß das Durchschnittsgehalt des ' deutschen Redakteurs (allerdings einschließlich der oft hohen Bezüge vieler Chefredakteure) 600 M. moratlich betrage 63 Proz. der deutschen Journa ¬ listen hätten Universitätsbildung, 22 Proz. höhere und 15 Proz. Bolkkschulbilvung. In den Nachmittagsverhandlungen der F. I. I. wurde ein Bericht deS Generalsekretärs entgegengenommen, der sich mit dem Ver hältnis der F. I. I. zur Völkerbunds- kommission für geistige Zusammen arbeit befaßt, und ein weiterer, der die Gemeinschaftsarbeit mit der Inter nationalen Union der Presseverbände ietrifft. Hierauf folgte der Bericht über die inanzielle Lage der FSdSration. Ter Bericht >eS Vorsitzenden der Internationalen PresserechtS- ommission, vr. Häntzschel, stellt mit Genugtuung est, daß nunmehr daS Urheberrecht aller Staaten, ie ein solche- besitzen, non Ker Kommission zusammengestellt wurde. Mit Hilfe dieser ersten Arbeit der Kommission soll eine rechtsvergleichende Darstellung des Weltpresserechts herausgegeben werden unter dem Titel „Die Pressegesetze des Erdballs". Endzweck der Arbeit ist, die gesetzliche Gestaltung des Presse- und Journalisten rechts mehr als bisher der Stellung und der Bedeutung der Presse im öffentlichen Leben aller Staaten anzupassen. Darüber hinaus soll das Werk der Annäherung der Völker dienen und den Boden für innere Annäherung im Dienste internationaler geistiger Zusammenarbeit und Ver ständigung vorbereite». Peking. Historische Reminiszenzen. Von vr. Guido Hellmer. Tschangtsolin, der eiserne Marschall, „der Große", wie er voreilig von seinen Getreuen und seiner Gefolgschaft, der vielgenannten Nord armee, genannt wurde, ist totgesagt. Sein Werk, das er im vergangenen Jahre mit der Eroberung Pekings krönte, war bereits zusammengebrochen — dahin die Träume von selbstherrlichem Herrscher- tum innerhalb der Mauern der alten Kaiserstadt; das bewaffnete Eingreifen Japans in China dem er mit dem Aufruf zu einem allgemeinen National- lrieg zu begegnen gedachte, hatte ihm den Rest gegeben —: es blieb keine andere Möglichkeit mehr, als „friedliche Verständigung" mit seinen Gegnern im Lande, mit der Nanting-Regierung und der mächtiger und mächtiger vorstoßenden Süd- und Volksarmee zu suchen; der Erfolg dieser Verständigung war sür ihn die Aufgabe Peking- — auch mit den Waffen in der Hand hätte er die Stadt nicht mehr behaupten können. Tschangtsolin hatte Peking bereits verlassen, er befand sich auf der Flucht nach Mulden, als das Bombenattentat auf ihn verübt wurde. Inzwischen hat bereits d e Besetzung Pekings durch die siegreichen Heere de- Südens begonnen. Zunächst sind die Truppen der Provinz Schansi in die Vorstädte eingezogen. Di« Nanking-Regierung hat dem Gouverneur Ienhsischan von Schansi den Oberbefehl über die künftige Peünger und auch Tientfiner Garnison übertragen. General Jen hat bereits neue Verfügungen in den Vorstädten Pekings anschlagen lassen. In der Stadt selbst sorgt der noch von Tschangtsolin ein gesetzte Wohlfahrtsausschuß für die Aufrecht erhaltung von Ruhe und Ordnung. Er ließ die Tore schließen, da sich noch zahlreiche Plünderer in der Umgebung herumtreiben. Von den Truppe« des toten Marschalls, von den Heerscharen aus der Mandschurei, ist jedoch schon in und um Peking nichts mehr zu sehen. Nun suchen beträchtliche Teile der Nordarmee bereits Anschluß an den Sieger — die übliche Erscheinung eines jeden Bürgerkrieges —: der Erfolg hat recht, dem Erfolg laufen die Söld ner nach . . . Somit ist endlich wieder Peking cks kaeto die Hauptstadt des chinesischen Reiches: ein bedeutungs volles geschichtliches Ereignis in der ereignisreichen Historie dieser alten, seltsamen, langverschlossenen Stad«! Schon um das Jahr 1120 v. Chr. soll auf der Stelle des jetzigen Peking eine große Stadt ge standen haben, Ki mit Namen, die von 723 bis 221 v. Chr. die Hauptstadt des Fürstentums Jen war. Sie wurde in der Folgezeit, nach der Auf hebung der Lehnstaaten, der Hauptort einer Pro vinz, um im sechsten nachchristlichen Jahrhundert wieder zum Rang einer königlichen Hauptstadt, und zwar des kleinen tartarischen Königreiches Mujong, anzusteigen. Bis zum Jahre 900 war sie die Residenz eines militärischen Generalgouverneurs. Dann beginnen die Verwicklungen und die kriegerischen Ereignisse sich um Peking zusammen zudrängen. Schon im Jahre 937 hatten sich di« Khitan-Tungusen unabhängig von der chinesischen Herrschaft und das nachmalige Peking zu ihrer südlichen Hauptstadt gemacht. Tie Chinesen wurden in der Folgezeit gezwungen, ihnen Tribut zu zahlen. 1122 wurde ihr Reich mit Hilfe der Shutschi-Tungusen gestürzt, aber nun begründeten diese eine eigene Dynastie und begannen über den Hoang-Ho vorzudrängen. Im Jahre 1153 eroberte diese Kin-Dynastie Peking und machte sie zur mittleren, später nördlichen Hauptstadt ihres Reiche-. Jetzt suchte der Chinesen kaiser Hilfe bei den Mongolen, die damals unter Tschingis-Chan sich zu Herren der halben bekannten Welt machten. Tschingis-Chan nahm das Bündnis an und besiegte die Shutschi. Aber damit machte er nicht halt. Sofort kehrte er die Waffen gegen China selbst; im Jahre 12lb vermochte er Peking zu erobern. Man spricht von schaurigen Metzeleien, die damals stattgefunden haben sollen. Tie eigent liche Residenz der Mongolenkaiser wurde Kara korum, Der Enkel Tschingis Chans, der belühmte Kublai-Chan, unterwarf sich ganz China; er ver legte im Jahre 1267 die Residenz nach dem heu tigen Peking, da- damals den Namen Ta-tu — große Hauptstadt — empfing. Er ist der Be gründer der Jüan-Dynastie, mit der eine vorüber gebende Blütezeit über China heraufzog. Kublai