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Sächsische SlaalsMung Staatsaryeiger für den Zreiftaat Sachfen Erscheint Werktags nachmittags mit dem Datum d«S ErscheinungStageS. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 212S5 — Schriftleitung Nr. 11574, Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140, Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beckage, Berkausslistc von Holzpflanze» auf den Staatssorstrevieren. Verantivortlich für die Redaktion: Hauptschrislleiter Karl Bethke in Rähnitz-Hellerau. Nr. 4 Dresden, Donnerstag, S. Januar H2S Ankündigungen: Die 32 wm breite Grundzeile oder deren Raum 55 Pf, die 66 nun breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 70 Pf , unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung auf GeschästSanzeigeu, Familiennachrichten unv Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Senatspräsident Niedner nimmt seinen Abschied. Leipzig, 4. Jauuar. Der Präsiden» des 4. Strassenats beim Reichs gericht (de» politischen Senat») Riedner hat srin Abschiedsgesuch eingereicht. Er wird voraus, sichtlich am »1. Januar 1828 in den Ruhestand trete«. Präsident Riedner ist 63 Jahre alt und hat deshalb daS Recht, um Pensionieruug cin- zukommen, wen» seine Dienstattersgrente auch erst mit 67 Jahren erreicht gewesen wäre. Über die Frage des Nachfolger» besindet der Retchsrat, der diesen Rachsolger dem Reichspräsidenten zur Ernennung vorznschlagen hat. Wenn der Rach solger aus dem Richterkollegium deS Reichs- gcrichtS ernannt wird, waS aber durchaus noch nicht sicher ist, dürfte mit dem derzeitigen Stell vertreter deS Präsidenten Niedner ReichsgerichtS- rat Lorenz als Nachfolger zu rechnen sein. Thüringens Steuerverwattung geht auf das Reich über. Nach einer Meldung der „Deutschen Dages- zeitung" au» Weimar teilt die Staatliche Prcjsc- sleUe mit: Die Verhandlungen zwischen der thü ringischen Regierung und dem Rrlchofinanz- mintsterium über die Übertragung der Landrs- steuerverwaltung aus das Reich sind soweit ge fördert worden, daß man nunmehr damit rechnen kann, daß die ReichSsteuervehörde» die Verwaltung der Thnnngkr Grundsteuer, Gewerbe steuer und AuswertungSftener vom 1. April d. I. zu Bedingungen übernehmen, die den Interesse» des Landes in angemessener Weife Rechnung tragen. In dieser Maßnahme liegt der erste eutjcheidende Schritt der Thüringer VerwaltungS- vereinfachnng. Ehrhardt löst den «.Wiking" in Thüringen auf. Berlin, 4. Januar. Wie eine hiesige Kolrefpondenz aus München meldet, hat Kapitän Ehrhardt von München auS, wo er sich zurzeit anfhält. Aniveisung für die Auflösung deS „Wikingbundes" in Thüringen wo er bisher nicht verboten war, gegeben. Die Auf lösung soll schon vor der vor mehr als 14 Tagen erfolgten Haussuchung bei Ehrhardt beschlossen und lediglich durch diese Aktion verhindert worden sein. Gleichzeitig mit dem Auflösungs- befehl hat Ehrhardt an daS thüringische Innen ministerium ein Schreiben gerichtet, in dem er von dieser seiner Maßnahme Kenntnis gibt. Zwischenfall im Finanzausschuß in Wien. Wien, 4. Januar. Im Finanzau»schuß des Rationalrates kam es heute vor Eintritt in die Tagesordnung zu einem Zwischenfall. Der Sozialdemokrat Deutsch er klärte, daß der Mörder des Schriftstellers Bet tauer Ltto Rothstock in da» Bundesheer eintreten wollte. ES sei dazu ein Leumundszeugnis der Polijkidirektion nötig. Die Polizei habe erklärt, daß gegen Rothstock nichts Nachteiliges vorliege. Ter Redner griff die Polizei, insbesondere den Polizeipräsidenten Schober, an. Bundeskanzler Seipel erklärte, dem Referenten des Heereooiini- st»riums sei dir Identität Rothstocks mit dem Mörder Bettauer» nicht bekannt gewesen. Im übrigen bedürfe jede Einstellung eines «ehr- manne» der Bestätigung de» HeereSministerS, die noch nicht erfolgt sei. ES hätte genügt, wenn l»r. Drutsch als ParlamentSkommijsär oder Ber- irauensmann der HeertSvtrwaltnngvstrlle ans diese Identität aufmerksam gemacht hätte, um die Bestätigung zu verhindern. Entmünbigungsantrag gegen ben lkkherzog von Anhalt. Nach Blättermeldnngen anS Dessau haben die Schwester de» frühere« Herzog» Joachim. Ernst, die Freifrau Marie Auguste von Loe», der. witwete Prinzessin Joachim von Pr»«ße», und sein Brnder, Prinz Eugen von Anhalt, gegen J^achim-Ernst dn» Antrag ans Entmündignng zmchlbareSEMlosionsungliick inBerlin Berlin, 5. Januar. Das furchtbare Elplosionsunglück in der Landsberger Allee im Berliner Lste« scheint noch von weit größerem Ausmaße zu srin, als die Erplofionskatastrophe, die sich vor fast genau zwei Jahren in Berlin-Moabit ereignete. Bei dem von dem Erploslonsunglück betroffenen Hanse handelt es sich um ein jünfstötiigeS Gebäude mit Seitenflügel und Hinterhaus, in dem sich eine Wurstfabrit befindet. Bisher sind aus den Trümmern 4 Tote und 17 Schwerverletzte ge borgen worden. Unter de» Trümmer« liegen bestimmt noch die Leichen eines Gastwirts mit Frau und Tochter, der die Parterreräume des zerstörten Gebäudeteiles bewohnte. Man rechnet aber damit, daß sich unter den Trümmern noch mehr Lpser der Katastrophe befinden, da in de» darüber liegenden fünf Stockwerken drei Schlafzimmer waren, die mit in die Tiefe ge rissen wurdrn. Tie Ursache der Erplofion konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Man vermutet aber, daß sie durch Entzündung von Gas im Keller hervorgerufen wurde. Die Ausräumuugs- arbeiten gestalte» sich besonders schwierig, da durch uachstürzrndes Mauer- und Balkenwerk die Jenrrwehrmannschasten dauernd gefährdet sind. Zwei Jenerwehrleute erlitten Ver letzungen. «f»»» '-1, Uhr «oraens ufM'k »' deu «nteren Räumen des Hauses LandsdergerAllee >16 eine heftige Garerplosion durch die der rechte Anbau des vierstöckigen Wohnhauses vollkommen weggerisse» und in einen Trümmerhaufen ver wandelt wurde. In den Parterreräume» ent stand ein Brand, der von fünf Feuerwehr- zügen bekämpft wnrdr. BiS 3 Uhr morgens wäre» 3 Tote »nd 15 Verletzte geborgen. Es muß jedoch angenommen werde», daß sich unter den Trümmern noch eine Anzahl von Tote» be findet. Das Grundstück selbst bietet rin grauen volles Bild der Verwüstung. Tie etwa « Meter breite rechte Seile des Hauses ist vollständig ab gerissen nnd ans das danedtnlirgkndt unbebaute Gelände abgestürzt, wo eine ungeheuere Masse vvu etwa 1« Meter Höhe, die aus Mauerblöckrn, Balken, Brettern nnd Möbelstücke» besteht, drr Ausräumung harrt. Zahlreiche Feuerwehrmäuner sind beim Schein der Azelylenlampen und Fackeln damit beschäftigt, dru Schutt wegzuschasfen. Bis um 3 Uhr nachts wann, wie bereits gemeldet. 3 Tote und 13 Verletzte geborgen, doch dürfte die Zahl der Tote» «eit erheblicher sein, da ge rade in diesem Flügel sich die Schlafzimmer vieler Hausbewohner besauden. Tie im Hause im Erdgeschoß beiindlicheu Läden einer Gastwirtschaft und eineSKolonialwarrngtschästssind völlig zerstört. Bei einem Gange durch das Haus, disse« Treppen merkwürdigerweise fast unversehrt ge blieben sind, rieht man, welche Kraft die Er- plosion entwickelt hat. Bis zum 4. Stockwerk sind einige -er Wände eingedrückt, ander« weise« starke Rtsje auf und mußten von dc« Feuenvchr- lenten abgeschlagen werden. Tie Türr» liegen teils am Boden, teils hängen sie schief in ihren Angeln. Schuttmassen bedecken überall de» Fuß boden. In der Lust hängende Wände mußten von den Feuerwehrleuten, die a» Seilen gehalten wurden, mit Arten abgeschlagen werden, da die Gefahr des Einsturzes drohte. Fast sämtliche Flurscheiben und Fensterscheibe» der Zimmer sind in Trümmer gegangen, die bis auf den gegen überliegenden Bürgersteig geschleudert worden sind. Tie Bewohner mußten sämtlich das Hans verlassen. Anscheinend ist die Erplofion durch große Mengen von Ammoniak und Gas hervorgerufen worden, die sich in den Kühlräumen einer Fleischwarensabrik im Hause angesammelt hatten. Tas gleiche Bild der Verwüstung zeigen drr Hof, der: wte ei» Krater iuwsirtzt u»d die Hintere« Baulichkeiten der Fleischwarensabrik. Tie Auf- ränmungsarbeilen werden ununterbrochen fort gesetzt, doch dürfte keine Hoffnung bestehen, noch Lebende zu bergen. Trotz der von allen beteiligten Feuerwehren und Rettungsmannschaften unter Einsatz aller Kräfte und Nichtachtung der eigenen Lebens gefahr fortgesetzten Anfräumungsarbeitrn an der Erplosionsstelle in der Landsberger Allee konnten bis 8,3» Uhr früh noch keine weitere« genaueren Feststellungen über die Zahl der bei dem Er- plosionsunglück verletzten bzw. getötrten Haus bewohner gemacht werd,». Auch von den Toten konnten bis jetzt nur eine 48jährige und eine «7jährige Frau identifiziert werden. Tie ärzt liche Untersuchung der 15 Verletzte» hat glück licherweise ergeben, daß dir Verwundnngen — es handelt sich im wesentlichen um Gefichts- «nd Btinverlttzungen — nicht all;» schwer zu srin scheinen Die AutonomiflenverfolWng im Elsaß. Obwohl die französische Presse gemeldet hatte, daß die Regierung mit ihre» Maßregeln gegen die Aulonomislenbeweguug im Elsaß zu Ende gekommen sei und daß nun die Untersuchung auf Grund deS beschlagnahmte» Materials erfolge, wird eine neue Verhaftung aus Straßburg ge meldet. Am Mittwochabend ist der Sohn des früheren elsässischen Zentrumsabgeordneten und letzten deutschen Staatssekretärs von Elsaß- Lothringen, Karl Hauß, der Leiter einer Straß- burger Druckerei und in der verfolgten Heimat- bund-Bewkgung tätig war, verhaftet worden. Damit steigt die Zahl der Festgenommenen auf 15, während es vieren, u. a. dem protestantischen Pfarrer Hirtzel, gelungen ist. über die deutsche Grenze zu entfliehen. Tie Unterdrückung der Heimatbund-Bewegung, die unter Anwendung eines verstaubten Polizeigesetzes aus der Zeit deS zweiten Kaiserreiches erfolgt, lwt da» Land in eine unge- gestelkt. Die Gründe z« diesem Schritt werde« geheinGthalten. Auch die herzogliche Ber- möge«»vrrwalt«ng l« Tessa« ist nicht ««formiert. Ein Znfammenhang mit de« bekannte« Prozeß de» Berliner Kn«sthä«dler» Gnrlltt Wege« -er Provision von riner halben Million Mark für de« Berkaus von Knnstschätzen wir- in Abre-e gestellt, csfenbar han-rtt e» sich «» Streitig- kelten über -le Apanage, -ie Joachim-Emst an» -rm herzagliche« Verwöge« a« sei«e Geschwister zahle« soll. heuere Erregung gestürzt. Tie Parteien haben sich zwar schon seit längerer Zeit offiziell von der autonomiflischcn Bewegung zurückgezogen, aber ihr Sinn und Gelkilt lebt so stark in der Überzeugung der übergroßen Mehrzahl der Bevölkerung, daß daS rücksichtslose Vorgehen der französischen Regierung nur dazu beitragen kann, das Gefühl der Entrechtung in Elsaß - Lothringen noch leben diger zu machen. Aus Paris wird gemeldet, daß Poincarö, den man als die Seele dieses scharfen Regiments in den neuen Provinzen be trachten kann, demnächst nach Straßburg kommen werde, um dort in einer großen Rede seine elsässische Politik zn verteidigen. Tie französischen Regierungsorgane in Elsaß-Lothringen werden ihm hierbei zweifellos die potemlinschen Dörfer eine» französischen Elsaß-LothnngenS z» zeigen ver stehen; wenn er aber Augen und Ohren auf macht, wird er etwa! ganz andere» sehen und hören. Der erste weibliche Strafrichter. Verll«, 4. Za««ar. Rach-e« bereit» wie-erholt weibliche K««-i> baten ««ch -er zweite« Prüs««g z« Gericht», «ssessore« er«a««t worden waren ««d richter liche Vef«g«i» l« Ztvilsachr« ««»geübt hatte«, ist jetzt ei«e Gericht»ajsessori» ,«« erstenwal i« Berlin a«ch mit -rm Amte eine» Strafrichter» »etraat w,r»e«. Die Gericht»assefs,ri« Jrk. Küß ist vom r. Ja««ar 1»28 atz al» Mitglirtz tzer erste« großen Strafkammer tze» Lan»P,richt» I km »rtmtnalgertcht Maatztt tätt«. Llnter Ausnahmerecht. Ter Sächsische Lehrerverein schreibt uns: Wenig von der Öffentlichkeit bemerkt hat der Bildungsausschuß des Reichstages am 29. November znm Reichsschnlgesetzentwurs einen Antrag der sächsischen Reichstags abgeordneten Or. Heinze und Di. Philipp angenommen, der bestimmt, das; für den geordneten Schulbctrieb in den Schulen, die nach dem I. Januar 1919 zusammen- gelegt worden sind, der stand vom l. Ok- Hober 19lK in den getrennten schulen maß gebend sei. Ter Antrag richtet sich gegen ! Lachsen und sein ttbergangsschulgcseh. In ! Anssührung dessen sind zahlreiche leistungs schwache schulen zm'ammengelegt worden, um hoher gegliederte und leistungsfähigere schulkörvcr zu erhalten. Viele zweiklaüige Zchulen sind dadurch verschwunden und vier- bis sechsklassige an ihre Stelle getreten. Ans Rücksicht auf die Belenntnisichule soll ! diese Bewegung wieder rückläufig gemacht werden. Hat schon dieser Ausnahmcpara graph in den schulbeborden und Fach kreisen beträchtliches Aufsehen erregt, so >sr durch einen zweiten Antrag, der von den selben sächsischen Abgeordneten betrieben im i Bildungsausschuß Annahme fand, die Er» j regung in Helle Empörung verwandelt wor- ! den. In den lvebieten des Reiches, in I denen seit l. Oktober t91ö die schick» iform geändert worden ist, sott innerhalb 'eines Jahres nach Inkrafttreten des Reichsschulgeseües die einfache Mehrheit der Erziehungsberechtigten genügen, die sckmlsorm wieder in die srühere zu ver wandeln. Wohlgemerlt in die irübcre, nicht in eine andere. Zn einer solchen Ivie uber- baupt zu einer Umwandlung sind Zwei» ! drittclmehrheiten notwendig. Ter sächsische Regierungsvertreter erklärte sofort, das; dieser Antrag eine spitze gegen sachsen enthalte und zu den schwersten staatspol> tischen Bedenken Anlaß gebe. Tie beiden sächsiichen Reichstagsabgeordneten begrün deten ibren Antrag damit, daß sie bebanp- ! tctcn, das sächsi'che Ubergangsjchulgeseü sei auf illegale Weise und unter Terror zu- ! stände gekommen. Tieie meriwürdige bisw» , rische Annammg von staakspolilischen Akten ! mußte den heftigsten Widerspruch bei den > Bersassnngsparteien erw.ckcn. Wird doch durch diese eigenartige Auffassung von i Legalität die Reichsveriannng in Frage j gestellt, die gleich dem Ubergangsschulgejed > durch eine vom Volke gewählte Mehrlwit ! geschossen worden iß. An der i^eseinnäßig» Zeit des Ubergangsschulgcsetzes iß bisher niemals gezweifelt worden, sollten dock' sogar die Mehrkosten, die durch seine Ans» sührnng entstehen würden, durch das Reich zurückerstattet werde«. Tas Zentrum, das sich sonst als verfassungstreue Parte: be zeichnet, stimmte für den Ausnadmeantrag gegen sachsen mit dein sah: Tas Zentrum habe lediglich an der Bekenntnisschule ein Interesse, die anderen schularten seien ihm gleichgültig. Ter Bekenntnisschule wird durch den Antrag ein Vorteil cin- gcräumt, also mußten staatsrechtliche Uber- legungcn schweigen. Ter Gegeustvß der Opposition nach Annahme dieses außer ordentlich bedenklichen Antrags blieb nicht aus. sie beantragte unter diesen AnS- nähme Paragraphen anch die Gebiete des Reichs zu stellen, die durch kirche»politische Verträge eine Änderung ihres Schulwesens herbeigesührt hätten (Bayerns. Ter An trag wurde mit denselben stimmen ab- gelehnt, die vorher die „Lex Heinze", wie man den AuSnahmeantrag genannt hat, angenommen hatten. Nun hat aber sachsen schon vor dem Kriege eine eigentliche Be kenntnisschule nicht mehr gehabt, nnd die Eniwicklung zur Gemeinschaftsschule wäre auch ohne UbergangSschulgeseh gekommen. Die sächsische Regierung befindet sich in einer peinlichen Lage. Sie hält an der Gemeinschaftsschule fest. Eine Durchführung deS Ausnahmeantrages nach Annahme de» Reichsschulgesetzes wäre ihr unmSglich. Eine