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Jede Woche erscheint -ine Nummer. Lilhographirte Beilagen und in den Tert gedruckte Holzschnitte nach Bedürfniß. — Bestellun gen nehmen alle Buch- handlungen, Postäm ter und Zeiiungs-Erpedi- zioncn Deutschlands und des Auslandes an. — AbonncmcntSpreiS im Eisenbahn-Ieitung. Vrgan -er Vereine deutscher Eisenbahn-Verwaltungen und Eisenbahn-Techniker. Buchhandel 7 Gulden rhei nisch oder 4 Thlr. preuß. Cour, für den Jahrgang — EinrückungSgebühr für Ankündigungen 2 Sgr. für den Raum einer gespalte nen Petitzeile. — Adresse: „Redakzion der Eisenbahn- Zeitung- oder: I. B. Metzl e r'scke Buchhand lung in Stuttgart. XVI. Jahr.- 18. Dezember 1838. Vro. AO. ^ll!)llü. Eiscnbahnbau. Gitterbrücke über die Aare bei Bern. — Zeitung. Inland. Württemberg- Oesterreich, Balsern. Ausland. Groß britannien. — Verkehr deutscher Eisenbahnen. — Ankündigungen. Eiscnbahnbau. Gitterbrücke über die Aare bei Bern. Maße schweizerisch. 1 Fuß — 30 Ccutimeter — 10 Zoll — 100 Linien. 1 Zentner — so Kilogramm. (Mit lithographirter Beilage Nr. 6 und 7.) Diese Brücke wurde am 8. November d. I. zum erstenmal mit der Loko motive befahren und am 15. desselben Monats dem Betrieb übergeben. Wir geben hier eine kurze Beschreibung dieses Bauobjektes, der bedeutendsten Brücke auf der Schweizerischen Centralbahn und bis jetzt auf sämmtlichen schweizerischen Bahnen. Sie wurde entworfen vom früher» Oberingenieur der Ceutralbahn, Oberbaurath von Etzel; wir verweisen in Bezug auf die Dctailzeichnungen auf das den Lesern bekannte Werk: „Brücken nnd'Thalübergänge schweizerischer Eisenbahnen, von Carl von Etzel." Die Stadt Bern wird wie eine Halbinsel auf drei Seiten von dem mehr als 100 Fuß tief cingeschuitteuen Thal der Aare begrenzt; nur gegen Westen zieht sich, in gleicher Hohe mit dem ober» T heile der Stadt, ein Plateau in der Richtung gegen den Muriner und Neuenburger See hin. Auf diesem Plateau liegt der Bahnhof der Schweizerischen Centralbahn; die Verbindung dieses Bahnhofes mit den beiden nördlich nach Basel und Zürich, südlich nach Thnn führenden Bahnstrecken wird durch eine große Gittcrbrücke vermittelt, welche den Fluß in einer Höhe von 145 Fuß (vom Mittclwafferstand bis an die Schienen gemessen) übersetzt, mit drei Oeffnnngen von 166-/,, 190-/, und 166-/, Fuß Lichtweite, in der Höhe des Gitterauflagers gemessen. Die Dicke der Pfeiler beträgt 12 Fnß in derselben Höhe, die Lichtweite der Brücke, zwischen den Widerlagern gemessen, 548 Fuß. Die mittlere Oeffnung nimmt den Fluß auf, welcher auf der inner» Seite den Fuß der beiden Pfeiler bespült, währeud außen an diese Pfeiler zu beiden Seilen eine anderthalbfüßige Böschung sich anschließt und die Widerlager zum größten Theil in sich anfnehmend, etwa 120 Fuß bis zur Höhe der untern Gitterkante anstcigt,(Fig. 1 und 2). Die beiden Pfeiler sind ans den Molaffcfelsen des Nferbettes gegründet, mit Sockel aus hartem Alpen-Kalkstein, die Hauptmasse derselben dagegen aus dem in der Nähe von Bern gebrochenen Molaffesandstein; die Widerlager, auf Lehm kies gegründet, sind aus dem gleichen Sandstein gebaut. Pfeiler und Wider lager sind oben mit einem 12 Fuß hoben Aufsatz von Alpen-Kalkstein gekrönt, welcher, mit starken gußeisernen Consolcn zu beiden Seiten, gleichsam das Ka pital der hohen Säule bildet. Die Consolen, indem sie den Uebergang von den Pfeilern zu den horizontalen Linien der Gitterwände vermitteln, dienen zugleich dazu, die Auflage des Gitters auf den Pfeilern zu verlängern und somit die freien Spannweiten etwas zu vermindern. Die Brücke trägt oben zwei Gsleise, unten eine Fahrbahn für gewöhnliche Fuhrwerke, welche seitlich von den Gitterwänden cingeschloffen, oben durch eine vollständige Bedieluug der Bahngeleise gegen das Herabfallen von Kohlen u. a. geschützt ist. Tiefe Fahrbahn ist an jedem Ende der Brücke durch das Wider lager geführt, windet sich dann rechts und links unter einer Blechbrücke von 30 Fuß Lichtöffnung hindurch^ und folgt nachher zu beiden Seiten dem Fuße des Bahndammes -(Fist^. Die Eisen^onsirnfzion, der ganzen Länge nach in einem Stück hergcstellt, besteht aus 2 Gitterwanden, 17 Fuß von Mittel zu Mittel entfernt und 19,826 Fuß hoch; sie sind durch starke Rahmen aus Eisenblech nnd Winkeleisen ^Fstz. 5ff mit einander verbunden, welche, in Abständen von je 8 Fuß (über den Auflagern des Gitters nur 5^33) angebracht, die Bahnträger und zugleich die Vertikal versteifungen des Gitters bilden. Oben liegen auf Querschwellen die beiden Greife, und zwar in solcher Weise, daß die äußere Schiene eines Geleises über der Mitte der betreffenden Gittcrwand liegt, während die innere Schiene durch einen auf den Querträgern ruhenden Längenträgcr von Eisenblech unterstützt wird. Da bei dieser Anordnung der Geleise die ganze Last eines Zuges beinahe nur von der einen Gitterwand getragen wird, so sind die Querträger sehr stark kon- struirt und durch Büge in den vier Ecken versteift, um die beiden Gitter gleichsam zu einem massiven Balken zu vereinigen; die weiter angeführten Einseickungen bei der Probcbelastung beweisen auch, daß der beabsichtigte -Zweck erreicht wurde, indem die Belastung nur des einen Gsleises das andere Gitter ungefähr '/, der einseitigen Last trägt, während es nach statischer Berechnung bloß '/, dieser Last erhielte. Die Flanschen (Gurtungen) der Gitterwände sind symmetrisch, indem die Widerstandsfähigkeit des Walzcisens gegen Zug und Druck gleich groß ange nommen wurde; die Flanschen haben, je nach der Beanspruchung an den ver schiedenen Stellen, einen verschiedenen Querschnitt erhalten, *) welcher über den Mittelpfeilern am stärksten ist hFig. 4 ckf, daun stufenweise abnimmt und im größten Theil der Länge nur das Minimum der Stärke hat. Durch diese wechselnden Querschnitte wurde, gegenüber einem Gitterbalken von durch gehend gleichem Querschnitt, eine Ersparniß von 1000 Zentner Walzeisen erzielt, bei gleicher Sicherheit an de» stärkst beanspruchte» Stellen. Die Zu- und Ab nahme des Flanschenguerschnitts bot, bei der angenommenen Konstrukzion der Flanschen, durchaus keine Schwierigkeit für die Ausführung dar. Als stärkste Beanspruchung des Walzeisens in den beide» Flanschen auf Zug wie auf Druck ergibt die Rechnung, bei einer Belastung der Brücke mit 48 Zentner pro lau fenden Fuß (20 Zentner für jedes Geleise, 8 Zentner für die untere Fahrbahn), 6,9 Kilogramm pro Ouadratmillimeter oder 124 Zentner pro Quadratzoll schweiz. Maß, also eine 4,4fache Sicherheit, wenn wir nach gewöhnlicher Annahme 30 Kilogramm pro Quadratmillimeter als Bruchbelastung für gewöhnliches Walz- cisen anuehmen. Diese Beanspruchung ist jedoch auf die in Wirklichkeit niemals eintreffende Voraussetzung gegründet, daß zwei Züge, jeder aus-lauter Lokomotiven bestehend, auf der Brücke sich kreuzen, während zugleich die untere Fahrbahn mit Mensche» gefüllt ist; in den gewöhnlichen Fällen, wo nur Ein schwerer Zug mit zwei Lokomotiven über die Brücke fährt, ist das Gitter der betreffenden Seite nur mit 5,5 Kilogramm pro Quadratmillimeter oder 98 Zentner pro Quadratzoll beansprucht; die Sicherheit ist also 5,5fach. Das andere Gitter wird in diesem Fall nur etwa halb so stark, nämlich nur wenig mehr als durch sein Eigenge wicht, beansprucht. Für die Gitterstäbe gibt die Rechnung für die stärkst bean spruchten Stellen, d. h. über den beiden Pfeilern, 6,8 Kilogramm pro Quadrat millimeter oder 123 Zentner pro Quadratzvll für den letzter» der beiden oben angenommenen Fälle. Die Ausführung der Eisenkvnstrukzion wurde den Herrn Gsbrüder Benckiser in Pforzheim übertragen, welche schon mehrere Gitterbrücken mit geringem Spannweiten auf der Centralbahn ausgeführt hatten; es wurde für diese Arbeit eine' Bauhütte auf dem linken Aarufer in der Höhe des Gitterauflagcrs auf den Pf-Hfrn errichtet, mit einer kleine» Dampfmaschine und den »öthigen Werkzeug maschinen zur Bearbeitung der Brückenbestandtheile ausgerüstet. Di- Ausführung leitete Ingenieur Bernhard Bilfinger als Geschäftsführer der Unternehmer. Das Znsaminensetzcn, Bohren und Vernieten der Gitterwände geschah auf di gewöhnliche Weise, d. h. in horizontaler Lage auf einem Werksatz von cinge- rammten Pfählen mit aufgesetzte» Langhölzern und Querbalken. Da der dis ponible Raum für di- Hütte nicht Länge genug darbot, um die ganze Länge eines Gitters (580 Fuß) auf ein Mal anzufertigen, so wurden die beiden Gitter wände zuerst in Längen von 230 Fuß hergestellt, aufgerichtet und die Querträger *) Diese Querschnitte weichen vo» den in den „Brücken und Thalüber gängen schweizerischer Eisenbahnen" angegebenen etwas ab, indem letztere zur Erleichterung der Ausführung später modifizirt wurden; bei dieser Modifikazion wurde ziijpleich die obige uisprüngliche nicht beabsichtigte Abwechslung in den Querschnitten, den Biegungsmomenten entsprechend, eingeführt.