Volltext Seite (XML)
SächsischeSlaalszeitung den Zreiftaat Sachfen Staatsan^eiger für 1925 Dresden, Dienstag, 19. Mai Nr. 115 Erscheint Werktag- nachmittag- mit dem Datum de- Erscheinung-tage-. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2466. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Berkaus-liste von Holzpflanzen auf den StaatSforstreviere«. Verantwortlich für die Redaktion: I. B.; Oberreglernug-rat Han- Block in Dresden. Ankündigungen: Die 32 ww breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf., di« 66 mw breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf GeschästSanzrigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr. Der Rcichsaußenminister über Räumung und Sicherhcitspnkt. Sitzung des Reichstags vom 18. Mai. Präsident Löbe gedenkt bei der Eröffnung der EiMg dos Grubenunglücks auf Dor st selb. Mhrei d sich die Abgeordnete:: von den Plätzen eih.'beu, spricht der Präsident den Hinterbliebenen d?r Opfer die Teilnahme des Reichstags aus. Er knüpft daran die dringende Mahnung an die Aufsichtsbehö rden, durch geeignete Maß- nahmen der Wiederholung solcher Ereignisse vorzubeugen. Abg. vr. Reubauer (Komm.) beantragt die so fortige Beratung einer kommunistischen Inter- pellation und eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prü- fang der Ursachen der letzten Grubcnkataslrophcn. Präsident Löbe erklärt, die kommunistische und eine in gleicher Richtung gehende sozialdemo. kratische Interpellation konnten nach der Geschäftsordnung heute nicht beraten werden; da gegen der Antrag auf Einsetzung eines Unter- suchungsauSschusses, wenn nicht Widerspruch er- hoben wird. Abg Winnefeld (D. Vp.) weist die kommunisti-- schon Angüsse ans die Zechen und Aujsichtsbehörden zurück. Er erklärt unter den: Lärm der Komm», nisten, die Angel gcnheit könne erst beraten werden wenn die Interpellationen gedruckt vorlägen. Er widerspricht der sofortigen Beratung des kom- munistischen Antrages. Ter Haushalt des Auswärtigen Amtes kommt hieraus zur zweiten Beratung. In Ber. bindung damit stehen Interpellationen der Kommunisten Über die Stellung der Reichs regürung zu der durch die Wahl Hindenburgs geschaffenen politischen Lage, zur Sicher, heitsfrage und zur Verewrgung der Grenzen des Versailler Vertrages, ferner eine Interpellation der Sozial- demvkraten über die A » ßenpolitik und eine Interpellation des Zentrums über die Lage in: besetzten Gebiet, die vertrag, liche Räumung und die Sicherheitsfrage. Abg. vr. Hoetzsch (Dnat.) erstattet den Aus- schußbericht. Der Attsschuß verlangt in einer Entschließung eine festere Verknüpfung der Reichs zentrale für Heimatdienst mit der Reichspressestelle. In einer weiteren Entschließung werden neue konsularische Vertretungen in Saratow, Singapore und Czernowitz verlangt. — Es folgen die Ausschuß, berichte für die mit diesem Haushalt verbundenen Etats des Neichsministeriunrs des Reichskanzlers, der Reichskanzlei und des Reichspräsidenten. Die Beratung wird eingeleitet durch eine längere Rede des Neichsaupenminipers vr. Stresemann: Ich habe mich in voller Übereinstimmung mit dem Haushaltsausschuß befunden, als ich erklärte, daß der Abbau des auswärtigen Dienstes nicht nur endgültig beendet sei, sondern unsere Po- Mischen und wirschastlichen Interessen uns zum Ausbau unserer Auslandsvertretungen drängen. Wir haben aber aus Sparsamkeitsrücksichtcn im vorliegenden Haushaltsplan keine neuen Stellen im Jnlande an gefordert. Urd nachdem wir bereits im Vorjahre einen Ab- bau allein in der Zentralbehörde um nicht wenger als 26 Proz. durchgeführt haben, sind wir jetzt im Begriff, durch Schaffung einer zweckmäßigeren Olsanisation nnd einer wesentlichen Vereinfachung des technischen Dienstes eine weitere Erspar- nis von etwa 100 Angestellten herbei- zufilhren. Ich kann dagegen nicht länger die Ber- antwortung dafür übernehmen, daß die Gestaltung unseres auswärtigen Dienstes lediglich nach Mali, scheu Gesichtspunkten durchgeführt wird. Unser Anslandsdienst bleibt gegenwärtig noch weit hinter der Zahl der Auslandsvertretungen zurück, welche wir vor dem Kriege unterhielten. Insbesondere sind die Interessen der deut'chen Wirtschaft im Auslande noch völlig unzureichend berücksichtigt, was Sie ohne weiteres daraus ersehen, daß wir heute noch nicht die Hälfte der Borkrtegskonjulate wieder erreicht haben. Wir sehen mit tiefster Be- friedigung, wie deutsche Tüchtigkeit und deutscher FleH Schritt für Schritt den verlorenen Boden zurückgewinnt, und wie immer mehr im Auslande die Einsicht zurückkehrt, daß hierin keinerlei Gefahr für dcs Gastland liegt, sondern daß im Gegenteil die Früchte dieser deutschen Arbeit in erster Linie dem Gastlande selbst zufallen. Mit innigster Teil, nähme endlich verfolgen wir das Schichal jener vielen Millionen Volksgenossen, die zwar durch die Bande de» Blute» und der gemeinsamen Kultur mit uns unzertrennlich verbunden sind, die aber a» A«geh»rtge eine- fremden Staate» leben müssen, sei e» al- Folge einer langen historischen Entwicklung, sei e- al- Folge der Ber- träge von 1919. Fast überall stchcu sie im Kampfe um die Erhaltung ihre- Bolk-tu«-. einem Kampfe, der um jo schwerer wird, je näher sie unseren Grenzen wohnen. Unsere Wünsche und unsere Hoffnungen begleiten sie in diesem Kampfe. Daß er Erfolg haben möge, nnd daß das Bei. spiel Estlands, in dem zuerst der kühne und llnge Schritt der Gewährung kultureller Autonomie an die Minderheiten getan wurde, in den anderen nalonalgemischten Ländern Europas Nachahmung finde, das wünschen nicht nur wir als Mutterland so vieler Minderheiten, sondern das wird jrder wahre Freund einer wirk- lchcn Befriedung Europas hoffen und wünschen müssen. Wenn ich auf unsere außenpolitische Lage und unsere Beziehungen zu den einzelnen fremden Ländern eingehe, »röchle ich zunächst mit dem- jenigen politischen Ereignis beginnen, das hier in den Augusttagen des vorigen Jahres den Gegen stand der ernstesten Erörterungen biloete, mit der Annahme des Dawesplanes. Auch diejenigen, die damals schwere sachliche Be denken gegerr den Plan vorgcbracht haben, werden darüber keinen Zweifel hegen können, daß wir ohne dieses Ergebnis kaum eine sicher fundierte Währung besäßen und noch heute in gleicher Weise wie jahrelang Vas Unglück ans Zeche „Dorstfeld". 44 Todesopfer. Tas Grubeuficherheilsamt im Preußischen Handelsministerium teilt dem Amtlichen Preußi schen Pressedienst über das Unglück auf Zeche „Dorstfeld" in Ergänzung der bis herigen Nachrichten r och folgendes mit: Die Zahl der Toten beträgt 44, von denen 4 3 geborgen sind, die Zahl der Verletzten 2 5, davon 3 schwer nnd 2 2 leicht. Der Ausgangspunkt der Explosion liegt mit größter Wahrscheinlichkeit im SP re n g- st o s s m a g az i n, wo rund 108« hx Spreng stoff lagerten. Die Explosion hat dann die in der Nähe gelegenen Strecken und ferner hauptsächlich die erste Steigeableilung betroffen, wo 34 Mann ums Leben kamen. Tie Fortpflanzung der Explosion ist durch die Gesteinsstaubstreuung aufgehalten worden. Ter Unfallausschuß der Grubensichcr- heitikommijsion ist Montag früh mit den B- hördenvertretern eingefahren. Tic Untersuchung ist im Gange und erstreckt sich hauptsächlich auf die Ursache der Entzündung der Sprengstoffe im Sprengstofflager. Ter Leiter des Grubensicher- hcitsamtes ist am Sonntag an die Unglücksstelle abgercist, der Oberberghauptmann reist am Mon tag ab. * Dortmund, 18. Mai. Das Rettungswerk wurde in großzügiger Weise in die Wege ge leitet. Tie Arbeiten waren äußerst erschwert, da Lurch die Explosion große Verheerungen in den Gänge» ungerichtet worden waren, dir ein Vor- wärtskommen fast unmöglich machten. Dir auf der -35 Meter tiefen sechsten Sohle erfolgte Explosion war so gewaltig, daß die über Tage zum Förderschacht führende Tür eingedrückt wurde. Im Schachte selbst aber war alles durcheinander geworfen, und in der zu Bruch gegangenen Strecke rin Kohlenzug zugeschütttt worden. Dir Rettungsmannschaften mußten, auf dem Bauche kriechend, versuchen, an die ver schütteten und tingeschlosjenen Bergleute heran- zukommen. Tabei waren sie gezwungen, ihre Rett nngsapparate zur ückzu lassen. Aber alle diese Schwierigkeiten hinderten die Retter nicht, ihre Kräfte aufs äußerste anzuspannen, um die noch Lebenden zu retten und die Toten zu bergen. Sie leisteten übermenschliches. Tie Toten sind in der Waschkaue der Zeche aufgebahrt worden. Tie meisten von ihnen haben durch Gasvergiftung den Tod gefunden, andere durch schwere Ver brennungen. Meist hat der Tod die Berg leute auf der Stelle dahingerafft. To sieh« man einen Bergmann, der im Augenblick der Explosion mit seinen Kameraden scherzte und lachte. Er liegt nun in der Waschkaue mit lächelnden Gesichtszügen auf der Totenbahre. Von de« Geretteten konnte man bisher wenig über die Katastrophe erfahren. * Dortmund, 18. Mai. Die Beerdigung der Opfer der Gruben- kalastrophe wird am Mittwoch erfolgen. Die Trauerfeier wird um 10 Uhr vormittag- auf dem Sportplatz Dorstfeld abaehatten. Anschließend hieran setzen sich die Trauerzüge nach den ver schiedenen Gemeinden, aus denen die Toten flammen, in Bewegung. Di: meisten werden in Dorstfeld bestattet werden. Die Blätter melden aus Essen, man rechne mit der Möglichkeit eines Attentat?. Eine andere Möglichkeit bestehe in der Selbst entzündung der Sprengstoffe infolge unsachgemäßer Lagerung. Schließlich wird die Frage erörtert, ob nicht das Unglück durch eine Schlagwetterexplosion verursacht worden sei, da schon am vorhergehenden Tage Schlagwetter festgestellt worden wären. Hilfsaktion für die Hinterbliebenen der Verunglückten. Dortmund, 18. Mai. Der Vo stand der Sozialdemokratischen Partei, Bezirk wesliches Westfalen, erlaßt einen Aufruf zur Unterstützung der vom Un glück betroffenen Familien. Eine Interpellation der Lozialdemo- lratifchen Reichstagsfraktion. Tie Sozialdemokratische Fraktion des Reichstages hat folgende Interpel lation eingebrachl: Das neue große Gruben- ungtück auf Zech: „Dorstfeld" lenkt erneut die Aufmerksamkeit auf kie großen Gefahren, denen die Bergleute bei ihrer schweren Arbeit ausgesetzt sind. Ist di- Reichslegierung b:rei', eine strenge Untersuchung der Ursachen des Unglücks herbeizusühren und dem Reichstag so schnell wie möglich einen eingehenden Bericht vorzulcgen? Was Hal die Neichsreg'erung getan, um dem Beschluß des Reichstages vom 19. 2. 1925 (Gesetzliche Sicherheiten aus Anlaß des Unglücks auf „Minister Stein") zu entsprechen? Das Veileid des Reichsarbeits- Ministers. Reichcarbeitsminister Brauns hat aus An laß des Grubenunglücks an den Betriebsrat der Zeche „Dorstfeld" an die Zechenverwaltung sowie an den Oberbürgermeister von Dortmund Bei leidstelegramme gesandt. Dortmund, 18. Mai. Bei einer von der Stadtverordneten versammlung veranstalteten Trauerkund- gebung aus Anlaß deS Explosionsunglückr auf der Zeche „Dorstfeld" kam eö heute zu heftigen Lärmszenen, weil den kommunistischen Stadt- verordneten nicht gestattet worden war, eine Condererklärung abzugebrn. Ter Vorsteher sah sich schließlich veranlaßt, die Sitzung zu schließen. Zusammentritt der Bergarbeiter- internationale. Nach einer Meldung deS „Vorwärts" aus Amsterdam wird angesichts der zunehmenden Grnbenkatastrophen der Exekutiv««»- schuß der Vergarbeiteriuteruativnale in Kürze zu einer außervrdeMUchen Sitzung zu- sammentrrten, um »ichlltnie« f»r die Sicherheitsmaßnahmen im Vergbau festzeltgen. Zur Teilnahme an der Sitzung soUen Vertreter der lvhlenförderndm Länder, de» Internativnale« Arbeitsämter und de» vdlkrrbnnde» eingrlade« werde«. vorher im Reiche um unseren inneren Zusammen- halt und unsere Existenz ringen müßten. Gegen über völlig falschen Darlegungen möchte ich fest- stellen, daß auch der Serr Reichsfinanz minister in völliger Übereinstimmung mit der Reichsregierung auf dem Standpunkt der Durch führung desDa wesplanes steht. Wir haben bisher bei dieser Durchführung jeden Termin eingehalten. Wir werden ihn in derselben Weise auch in Zukunft durchführen. Celbstverständ- lich aber erwarten wir, daß auch die von unseren Reparationsgläubigern in London über nommenen Verpflichtungen mit der gleichen Gewissen Hastigkeit eingehalten werden, die wir bewiesen haben und weiter be weisen werden. Ich verwahre mich gegen die in der deutschen Presse hier und da vertretene Auffassung, als wenn die Räumung des Ruhrgebietes und des Sanktionsgrbietes zu dem in den Londoner Vereinbarungen fest- gesetzten letzten Termin des 15. August irgend- w:e gefährdet sein könnte. Ich darf bemerken, daß der französische Ministerpräsident nach Beginn dec Schwierigkeiten über die Räu- mung der nördlichen Rheinlandzone spontan zum Ausdruck gebracht hat, daß die Verpflichtung der französischen Regierung zur Räumung dieser Gebiete in keiner Weise durch diese Differenzen berührt werde »könnte. Sollte an dieser Auffassung irgendein Zweifel möglich sein, so ist man sich im Lager der Allierten wahrscheinlich darüber völlig im klaren, daß dies prinzipielle Folgen zeitigen müßte, die das bisher auf dem Wege der Verständigung Geschaffene illusorisch machen würde. Die Grundlage unserer Reparationspolitik, von der ich soeben gesprochen habe, trägt den Namen des Herrn Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie alle wissen, daß dies nicht nur ein äußerer Zusammenhang ist. Es ist mir eine Genugtuung, feststellen zu können, daß nnsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten in jeder Hinsicht befriedigend sind. Die weitgehende Kredithilfe, welche die ameri- konische Hochfinanz in den letzten Monaten einen: großen Teile der deutschen Industrie gewährt hat, ist für unsere blutarme Wirtschaft von der größten Bedeutung. Aber auch sonst sprechen alle Anzeichen dafür, daß in der großen Republik jenseUs des Ozeans das Verständnis für Deutschland in erfreu licher Weise zunimmt. Im Verhältnis zu Mexiko hat die alte Freundschaft, die uns mit diesem Lande verbindet, neueroings wieder be- redten Ausdruck gefunden durch die herzliche und glänzende Aufnahme, welche die mexikanische Regierung und das mexikanische Volk den Ofi- zieren und Mannschaften unseres Schulkrenzers „Berlin" bei ihren: Besuch im Januar d. I. be- reitet haben. Besonders zu erwähnen ist, daß die mexikanische Regierung am 16. März dieses Jahres mit der Reichsregierung ein Ab- kommen abgeschlossen hat, auf Grund dessen die Ansprüche deutscher Reichsangehöriger ans Schäden, die die in Mexiko während der wiederholten dortigen revolutionären Wirren erlitten haben, eine angemessene Regelung finden sollen. Tas Abkommen, das noch der beiderseitigen Ratifizierung bedarf, wird dem Reichstag vorgelegt werden. Was die Lage im fernen Osten anlongt, so hat sie durch die kürzlich abgeschlossenen Verträge zwischen Rußland und China und zwischen Rußland und Japan für die europäischc Politik erhöhtes Interesse gewonnen. Bei den Problemen des Ostens haben wir zwar heute nicht mehr mit der gleichen Ausschließlichkeit, wie das früher der Fall war, allein mit Rußland zu rechnen. Denn im Norden wie im Westen sind diesen: Lande heute SlaatSgebilde vorgelagert, die ai: ihren: staatlichen Selbst erhaltungswillen keinen Zweifel auskommen lassen. Gleichwohl bleibt nach w:e vor unverkennbar das natürliche Schwergewicht bei Rußland, das alle jene Länder zusammen an Bevölkerung um das Fünffache übertrifft und das init überaus reichen Entwickclungsmöglichkeiten ausgestattet ist. Nach Ausräumung des früher mit der Balkanfrage ver bundenen Konfliktstoffes können jetzt alle außen- politischen Reibungsmöglichkeiten zwischen Deutsch, land und Rußland als beseitigt gelten. Damit :si für die friedliche, wirtschaftliche und kulturelle Wiederaufbauarbett dieser beiden, sich in starkem Maße ergänzende» Länder eine weite Bahn eröffnet worden.