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Staatsan^eiger für Erscheint Werktag» nachmittags mit dem Datum des Erscheinungstage». VezugSprei»: Monatlich 5 Mark. Einzelne Nummern 20 Pfennig. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. den Zreistaat Sachfen Ankündigungen: Die.32 mm breite Grundzelle oder deren Raum 30 Pf., die 66 mm breite Grundzelle oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geschästsanzeigeu. Familiennachrichten u. Stellen- gesuche zur Hälfte. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-Brandversicherungsanstalt, BerkaufSliste von Holzpflanzen auf den Staatssorstrevieren. verantwortlich für die Redaktion: i. B. Oskar Edel in Dresden. Nr. 9 Dresden, Freitag, 11. Januar 1924 Der Jahrestag des Ruhreinbruchs, eine Kundgebung des RetchSkanzlers. Berlin, 10. Januar. Der Reichskanzler erläßt aus Anlaß der Wiederkehr des Jahrestages des MuhreinbruchS folgende Kundgebung: „Am 11. Januar jährt sich der Tag, an dem französische und belgische Truppen unter Ver- lehmig des Versailler Friedensvertrages deutsches Land an der Ruhr mit Waffengewalt besetzt haben. Eine Kette schwerster Leiden und Prü- fungen ist der Bevölkerung des alt- und neu- besetzten Gebietes seit jenem schwarzen Tage auf- erlegt worden. Tausende von Deutschen wurden mit ihren Familien von Haus und Hof vertrieben, und über 2000 Gefangene harren noch heute in den Gefängnissen der fremden Besatzungsmächte ihrer Be freiung. Tie „verbrechen", die ihnen zur Last gelegt wurden, waren Gehorsam gegen die Ge setze ihres Landes und Treue zu Heimat und Vaterland. Morde und Tötungen, Not- zücht, Raub und Mißhandlungen, be gangen von farbigen und weißen Truppen, haben in der wehrlosen Bevölkerung das Gefühl ausgelöst, daß sie rechtlos fremder Vergewaltigung preisgegeben sind. Dieses Martyrium wurde noch ins Unerträgliche gesteigert durch die schamlosen Übergriffe eines landfremden, käuflichen Separa tistengesindels, dessen Treiben einen Hohn auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker bedeutet. An alle diejenigen in der Welt, die sich noch menschliches Empfinden und völkerrechtliches Denken bewahrt haben, appelliere ich, mit uns dahin zu wirken, daß der Rechtszustand im besetzten Gebiet wieder hergestellt werde, daß vor allem die unschuldig im Gefängnis schmachtenden Teuischen ihren Familien endlich zurückgegeben werden und die Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren können. Alle Leiden und Bedrückungen, denen die Be völkerung des besetzten Gebietes in dem abge- laufenen Jahre in ihrem Kampfe um Recht und Heimat ausgesetzt war, Hal sie nicht wankend machen können in ihrer Treue zum deut schen Baterlande, und niemals war im un besetzten Deutschland der geistige Besitz von 3 Hein und Ruhr so stark verankert, wie heute. In allen Deutschen ist gerade durch die bitteren Erfahrungen der letzten Monate die Oberzeugung vertieft worden, daß besetztes und unbesetztes Gebiet nicht ohne einander leben kön- nen,daß sie auf ewig zusammengehvren. Auch das unbesetzte Deutschland hat unter den Auswirkungen des an Rhein und Ruhr ge führten Kampfes schwer gelitten. Tie Ab schnürung der Herzkammer unserer Wirtschaft hat unsere Hilfsquellen bis zur völligen Erschöpfung geschwächt. Wer diese Opfer waren gering, gemessen an dem, was Rheinland und Westfalen tagtäglich um Deutschlands willen haben auf sich nehmen müssen, und freudig wird jeder Deutsche auch in Zukunft das Letzte mit den Brüdern im besetzten Gebiet teilen. Rhein und Ruhr sind deutsch und müssen deutsch bleiben! Als Kanzler des Deutschen Reiches und als Sohn unserer geliebten rheinischen Heimat danke ich beute den Schwestern und Brüdern an Rhein und Ruhr, in der Pfalz und an der Saar für ihr treues Ausharren und entbiete ihnen meine heißen Segenswünsche in der Hoffnung, daß der Tag der Befreiung von fremder Besetzung und der endgültigen Wieder vereinigung mit dem unbesetzten Deutschland nicht mehr fern sei! Kein Opfer wird zu groß sein, um dieses Ziel zu erreichen. Es lebe das einige, unteilbare Deutschland!" lgez.) Reichskanzler Marx. * Der Gesamtschaden, den die dcutsche Volkswirtschaft vom Januar bis zum Ende 1923 infolge des Ruhreinbruchs erlitten hat, beläuft sich nach einer Zusammenstellung des B. T. auf etwa dreieinhalb bis vier Milliarden Mark. Ober die Volkswirtschaft hinaus aber hat die Ruhrbesetzung auch auf die deutsche Finanzwirtschaft ihre Wirkungen aus- geübt. Hierbei ist vor allem die finanzielle Unterstützung de« Reiche« für die Er werbslosen zu berücksichtigen. Durch die Lahmlegung der deutschen Wirtschaft am Rhein und an der Ruhr war von den mehr als vier Mil lionen Erwerbstätigen dieser Gegend der größte Tei! zu völliger oder teilweiser Untätigkeit verurteilt. Die fiskalische Belastung durch die Not- maßnahmen beläuft sich bis Ende September auf 1150 Millionen Goldmark. E« kommen dazu die Einnahmeausfälle von Post, Eisenbahn und Wasserstraßen, die Ausfälle an Steuern und Zöllen, die Schäden des Bergfisku», der Forst, und staatlichen Domänenverwaltung, die Aufwendungen für Ersatztransporte, und vor allem die schweren körperlichen Schä- digungen, die durch das brutale Vorgehen der Franzosen und Belgier gegen die deutsche Be- völkerung an der Ruhr entstanden sind. Die Zahl der Deutschen, die von den Franzosen und Eine Enttäuschung für Deutsch land. Paris, 10. Januar. Ober die am Mittwoch in später Abendstunde am Quai d'Orsay eingetroffene belgische Ant- wort auf das deutsche Memorandum kursieren die mannigfachsten Versionen. Der Wahrheit am näch- sten dürfte „Ere Nouvelle" kommen, wenn sie der Befürchtung Ausdruck gibt: daß zwischen den Auffassungen vo» Brüssel und Pari« eine Brücke bis her noch nicht habe gefunden werden können. Allerdings seien die Meinung«- verschiedenhetten nicht mehr so tief gehend, daß man deshalb an der Möglichkeit einer Einigung verzwei feln müßte. Ja spar wünsche, daß die französisch-belgische AntwortweiterenBer- handlungen mit Deutschland die Dür offen lasse, während PoinearsS Ab sicht nur jo weit gehe, diese Düre nicht direkt zu verriegel« Aus jeden Fall aber, meint das Blatt, werde di« französisch belgische Antwort einestarleEnttäuschong in Deutschland Hervorrufen, denn man scheine in Berlin noch immer zu hoffen, daß der von der deutschen Regierung bekundete gute Wille nicht ganz unbelohnt bleiben werde. Der von der Industrie beider Länder gewünschte Ausgleich der wirtschaftlichen Inter essen Deutschlands und Frankreichs sei auf die Tauer nur möglich, wenn entweder Deutschland Frankreich das Recht einräume, Rheinland-West salen als eine Art Dominium zu behandeln, oder aber wenn Frankreich d e volle Wiederherstellung der deutschen Souveränität über diese Gebiete ge- statte. Tas gegenwärtige System jedenfalls sei ein Produkt des Zufalls und der Gewalt und deshalb auf die Tauer unhaltbar. * Die nnantastbare Pfäuderpolitik. Paris, 10. Januar. Wie der „Pelit Parisien" milteilt, bilden die beiden Antwortentwürfe der französischen und belgischen Regierung auf die letzte deutsche Rote umfangreiche Dokumente, wobei die belgische Antwort noch umfangreicher als die fran zösische ist. Beide Noten bestunden zunächst aus einer kurzen Einleitung und verfolgten dann Punkt für Punkt die letzte deut sche Note, wobei sie auf alle Argumente, die in den deutschen Ausführungen vorgebracht wür den, antworteten. Der allgemeine Sinn der französischen und belgischen Antwort sei der, daß die beiden alliierten Regierungen die Herstel lung eines Uockns vivvacki im Rhein lande und im Ruhrgebiet für möglich und wünschenswert hielten, indessen nicht zu geben könnten, daß die „Pfänderpolitik", die sie seit dem 11. Januar de- letzten Jahre» verfolgt, angetastet werde. Jn»besondere hinsichtlich der Aufhebung der Kon trolle der Au»suhrlizenzen zwischen de« Belgiern verwundet oder gefangen gesetzt und so an ihrer Gesundheit und ihrer Erwerbsfähigkeit geschädigt wurden, ist erschreckend groß. Ge- tötet wurden durch Angehörige der Besatzungs- Mächte 132 Personen. Ausgewiesen wurden 39 524 Beamte, Angestellte und Arbeiter mit 106 134 Familienangehö- rigen. Tie Zahl der in den Äefäng- nissen schmachtenden Deutschen beträgt im ganzen 2021. Tavon befinden sich 350 Personen in ausländischen Straf- anstalten. Von diesen Gefangenen sind 432 Be amte und 1589 Zivilpersonen. Sie alle, die meist nichts anderes getan haben, als den deutschen Gesetzen entsprechend den Einbrvchsmächten ihre Unterstützung zu verweigern, sind zu insgesamt 15 34 Jahren verurteilt worden. besetzten und unbesetzten Deutschland zeigten die französische und belgische Regierung die gleiche Ablehnung. StivneS über Lie Begleichung der Reparationen. Paris, 10. Januar. Hugo Stinnes gewährte in Mülheim a.d.R. einem Sonderberichterstalter des „Journal des Tebats" eine Unterredung, in der er diesem einen Plan der Begleichung der Reparationen durch Sachleistungen und seine Auf- fassung der künftigen deutsch.französi- schen Beziehungen entwickelte. Tie Ver- träge mit der Micum, die einen Anfang dar- stclltcn, liefen daraus hinaus, daß die Ruhr- industriellen mit einer Schuld belastet würden, die das Reich als Ganzes ein zulösen habe. Die Ruhriadustrie habe nicht die Möglich- keit an Stelle des Reiches die Reparationen zu bezahlen. Sie fänden weiter keinen Geld geber, weil die Grenzen des Staate«, zu dem sie gehörten, nicht sicher seien. Bis zum 1». April 1924 muffe eia ehrliches und zu- verläfjiges Abkommen zustande komme», das der Wirklichkeit Rechnung trage. Sonst müßten die Ruhrbttriebe die Ar beit einftellen. Deutschland könne nicht an Frankreich über mäßig große Summen zahlen. Tie tatsächliche Möglichkeit liege in der Begleichung durch Sach lieferungen. Man müsse die Leistungsfähigkeit und die Aufnahmefähigkeit der empfangenden Länder feststellen. Er rate, daß die Regierungen zunächst unter sich den Betrag der Leistun gen in Annuitäten festsetzen. Diese Ziffern seien in Goldmark zu berechnen und die vereinbarten Annuitäten durch 20- oder 30jährige Verträge zwischen den Industriellen der Länder zu decken. Tie Lieferungen seien den deutschen Industriellen von der Reichsregierung zu bezahlen. Die Sach- lieferungen würden an die Industriellen Frankreichs usw. gehen, die einen entsprechenden Test an ihre Regierungen abiusühren hätten. Tie Beträge müßten in einem Sonderbudget für die Reparationen geführt werden. Darüber hinaus könnten noch gewisse Steuern zu Reparationszwecken Verwendung finden. Er sei überzeugt, sobald Deutschland und Frankreich untereinander einig vor Amerika hinträlen, würde es zwischen Amerika und Frankreich oder zwischen Deutschland und Amerika gar keine anderen Schwierigkeiten zu beseitigen geben. Die Zeit dränge. Ma» werbe die Wahl habe» zwischen ber Bernbtgnng der gegenwärtige» Zu- stGrde b»rch eine« nrne» Krieg »«d bnrch »ene R»i»«r ober, wie feine Be- «ütznnge« bezweckte», bnrch ein znverkäf» sige» Abkomme» twische» zwei Lü»ber», bie »ich« immrr »»» ewig Fei»b« bleibe» kb»»te». Die Suche nach der Brücke zwischen Paris und Brüssel. Der Konflikt mit Thüringen. Ultimative Bedingungen des Reichs. Berlin, 1«. Januar. Die Auffassung derReichsregieruug über die Lage in Dhüringe» ist, wie wir hören, fol gende: Nach Ansicht der Reichsregieruug ist das Material, das von der Uatersuchuugstvmmijfion in Weimar zutage gefördert worde» ist, hi»- reicheud, um die Einsetzung eines Reich«» kommissars z» rechtfertige«. Dennoch besteht bet der Reichsregierung keine Geneigtheit, eine« solchen Kommissar zu ernennen, nnd zwar will man ans politische« Gründe« der thüringische« Regierung Entgegenkommen bezeige« Die Reichsregierung hat daher bei der thüringischen Regiening gewisse Bedingungen gestellt. Nimmt die thüringische Regierung diese Be dingungen an, so wird die Reichsregierung auf Ein setzung etxes Reichskommissars verzichten, und die thüringische Regierung bleibt bi» zu de» Land tagswahle» im Amt. Lehnt bie thüringische Regierung hingegen ab, so wird sich die Reichsregierung vermutlich dennoch zur Eiufetzungetne-Retchskommiffar« entschließe». * Zu diesen Mitteilungen schreckt das „Berliner Tageblatt": Wn geben diese in Kreisen der Reichsregierung bestehende Auffassung wieder, möchten aber be merken, daß uns keinerlei Grundlage für eine neue Ausnahmeverordnung des Reichspräsi- denken zur Absetzung der thüringischen Regierung gegeben scheint. Bekannilich ist seinerzeit die Zulässigkeit der Absetzung der sächsischen Regierung ebenso wie die Zweckmäßigkeit stark angefochten worden: auch die bayerische Regierung Hal da mals gegen die Absetzung der sächsischen Regierung protestiert. Um den neuen bayerischen Landtag. Tie Zahl ver Abgeordnete«. München, 1ü. Januar. Der Berfassuugsausschuß des bayeri scheu Landtags nahm heute vormittag die Re gierungsvorlage an, wonach die Zahl der L a n d ta gsa b g eo r d n et e n auf »» Ge wählte und 15 L a u d e sa b g eo rd arte heradgefetzt werden soll. Da jedoch für diese» Antrag gegen die Bayerische Bolkspartei im Plenum keine Mehrheit zu erreiche« ist, so wurde gleich zeitig der Eventualantrag Gras Pesta- lozzas an das Ple««m »erwiesen, der die Mandalszahl auf 113 bez. 15 festsetzt. Das Plenum wird voraussichtlich diese« letztere« An- trag annehmen. Beschlösse« wurde ferner die Beibehaltung von acht Wahlkreisen, während die neue Llimmtreiseinteilung einem Unlerausschnß überwiesen wird. Für Kodurg bleibt es bei den bisherige« zwei Abgeordnete«. O Landsiüchtiqe Hitlerpntschistt». München, 10. Januar Bekanntlich hält sich ein Teil der flüchtigen Hitlerput schistcninT i rol auf,bisher unbehelligt von der dortigen Landespolizei. Diese scheint sich aber jetzt eines anderen besonnen zu haben. Sie Hal den gefährlichsten Hetzer aus München, Herrn Hermann Esser, des Landes verwiesen. Esser Hai Tirol bereits verlaffen und sich in das Lager der Bozener Faschisten begeben, wo er gewiß mit offenen Armen ausgenommen wurde. Tagegen befindet sich der militärische Führer des ehemaligen Kampfbundes, Hauptmann Göhring, immer noch im Innsbrucker Hospital, obwohl er von seiner Verwundung wieder hergestellt ist. * Die NufteNastte». München, 10. Januar. Im Prozeß gegen die Hochverräter des 8. und 9. November ist am Donnerstag die Anklageschrift des Staatsanwalts dem Gericht zu gestellt worden. Al« Führer des vollendeten Hochverrats sind neun Per onen angeklagt, und zwar: Hitler, L u d e n d o r ff und sein 2 t i e f - sohn sein Leutnant der Jnfanterieschule), der ehemalige Polizeipräsident Poehner, der stell-