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Sächsisch eStaalZMng Staatsanzeiger für den Zreiftaat Sachfen Nr. 13«! Dresden, Sonnabend, 14. Juni 1924 ErfcheintWerktagS nachmittag» mit dem Datum de« ErscheinnngStage«. BezugSprei«: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher; Geschäftsstelle Nr. 212S5 - Schsiftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtagr-Beilage, Verkaufsliste von Holzpflanzen auf den CtaatSforstrevieren. Verantwortlich sür die Redaktion: Hauptschristleiter Bernhard Zolles in Dresden. Ankündigungen: Die 33 mw breite Ärundzeile oder deren Raum SO Pf., die > 66 ww breite Ärundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf-, UHter.Ein- ; gesandt SO Pf. Ermäßigung auf GeschästSanzeigen, Familiennachrichte!, u. (stellen ' gesucht. — Schluß der Annahme vormittag« 10 Uhr. IvMttglle Wdkilt der Kpublik Kackeiltj. Tie Einführung Doumergues iu sein Amt. Versailles, 13. Juni. Rach Verkündung der Wahl Dou. niergues zum Präsidenten der Republik riefen die Kommunisten „Amnestie!". „Es lebe die Kommune!" Die Mitglieder der Mittel parteien erhoben sich und stimmten die Mar- seillaise an, welche dir Kommunisten und Sozialisten mit dem Gesang der Inler- rationale beantworteten. Nm 4 Uhr 50 Min. wurde die Sitzung aufgehoben. Hierauf erfolgte durch Malsal die Ein führung des Präsidenten in sein Amt. Eine Kompanie Genietruppen zog in dem Augen blick auf, al; der Präsident sich zeigte, erwies ihm die Honneurs und senkte die Fahne. Tie offizielle Verkündung seiner Wahl er hielt Tcumergne durch den Vizepräsidenten des Senats Bienvenu Martin und den Ministerpräsidenten. Zur Begrüßuirg w«!en sämtliche Minister und die Mit glieder de« Bureaus anwesend. Vizepräsi dent Martin hielt eine Ansprache, in der er die hervorragenden Verdienste des Präsidenten würdigte. Ministerpräsident Marsal führte u. a. auS: Er habe dem neuen Präsidenten <m Ram'n der MinistrrrateS die Rechte und Pflichten zurückzuübeltragen, die ihm vorübergehend durch die Verfassung zugefallen waren. Tie Nationalversammlung habe ihm einen eklatanten Vertrauensbeweis gegeben. Präsident Doumergue antworlele mit einem Tank für da; bewiesene Vertrauen und sagte u. a.: Niemand werde treuer die Verfassung respektieren als er und entschiedener über den Parteien stehe», damit er der unpartei ische Schiedsrichter sein lönne. Ministerpräsident Marsal hat Don- Mlkgne die Demission deS Kabinetts überreicht. Der Präsident hat sie an genommen und das Kabinett gebeten, zu nächst die lausenden Arbeiten weiter zn erledigen Tomuergue wurde abend; bei seiner Ankunft in Paris von dem Platzkommandanteu General Charpy im Namen der Gar nison begrüßt. Da« Präsidentenauto nahm sodann, von zwei Schwadronen Dragonern ge leitet, den Weg zum Elys.e. Tie Musik spielte. ES wurden die vorgeschriebenen 2t Kanonenschüsse gelöst. * Der Riß im Block der Linke». Der Nationale Block triumphiert. Berlin, 13. Juni. Dem „Sozialdemokratischen Parlamcntedienst" wird aus Pari» zum Au-gang der Präsidentschaft-- wähl folgendes geschrieben: Tie letzten 48 Stun den sind für die Linke in Frankreich ver- hängniSvoll gewesen. Ter Mangel an Disziplin in den Reihen der Radikalen und Radikalsozialen des Senat« und die offene Auflehnung eine» dec Führer gegen die offiziellen Beschlüsse de« Vorkongresses hat es dem Nationalen Block ermöglicht, seine Revanche sür die Niederlage des 11. Mai und 11. Juni zu nehmen. Gewiß, Doumergue, der neue Prä sident, der gestern abend iu- Elysee eingezogen ist, ist kein Reaktionär. Er hat sein Leben lang für die Demokratie gekämpst. Die Reaktion hat rhm seine aktive Mitarbeit an dem großen Reformwerk Combes', der Trennung von Kirche und «Staat, nie vergessen, und al« Ministerpräsident hat er im Jahre 1913 den von der Rechten mit unversöhnlichem Haß verfolgten Caillaux zu seinem Finanz minister gemacht. Al« Präsident der Demo- kratiphe» Link.» de- Senat« und als Prä, dent de« Genat« selbst hat er zwar wiederholt seinen Sympathien für Poincar« und dessen auswärtige Politik lauten Ausdruck gegeben, m da, innerpolttischen Fragen dagegen hat er sich Demission des Kabinetts Marsal. Pari», 13. Z««i. Lie Nationalversammlung in Versailles hat mit 515 von 88« Stimmen den Präsidenten des Le« als Doumergue al» Nachfolger Millerands zum Präsidenten der Nepnblit getvählt. PainlevL erhielt 389 Stimmen des Kartells der Linken, die sich bereits gestern ans dem Borkongreh auf seinen Namen vereinigt hatte. Lie Kommunisten haben ihre 21 Ltimmen einer Louderkandidatnr ge geben. Doumergue hat demnach anher den Stimme« der Demokra tischen Linke« des Senats die gesamten Stimme« der« e- mähigten und der Reaktion beider Häuser des Parlaments erhalten. * Ter neue Präsident der französischen Republik Gaston Doumergue war nicht weniger alt sechsmal in seiner poli ischen Lausbahn Minister. Er wurde an 1. August 1863 in Aigue?- Bims geboren, ist also heule 61 Jahre alt. Seine politische Lausbahn begann er als Kolonial- beamter in Cochinchina. Zum erstenmal wurde er im Jahre 1893 in die französische Kammer gewählt; unter Ccmbrs wurde er 1902 Kolonialminister. Nach dem Rück,ritt von Combes schied er aus dec Regierung aus. Im Jahre 1906 kehrte er a!s HandelLminister zurück. Al im Jahre 1909 Elsmenceau Briand Platz machen muß'e, trat auch Doumergue zurück. Inzwischen war er in den Jahren 1905—1906 Präsident der Kammer und wurde nun in den Senat gewählt. Im Jahr- 1913, rach dem S»u^ se« Kabinett varthou, wurde er vcn Präsidenten Poinearä mit der Kabineltibildung beauftragt. Die» Kabinett, tn dem Caillaux dl: Führerrolle hatte, trat im Juni 1914 zurück. Während de- Krieget gehörte Doumergue einige Zeit dem Kriegs- kabinett an, im Jahre'1921 war er Flnanzminister. stets als zuvnläjsiger und überzeugunzstreuer De- mokcat gezeigt, der erst in den letzten Wochen durch seine aktive Beteiligung an dem Kampf gegen den Rationalen Block und durch da- ent- schieden« Eintreten sür das Kartell der Linken Beweise der Loyalität seiner Gesinnung gegeben hat. Ten Verlockungen de: Macht aber hat Doumergue nicht zu widerstehen vermocht. Mit der Weigerung, sich dem Beschlusse des Borkongresses zu unterwerfen, der Pal» le VS zum offizielle» Kavdida te» versinken erhob, hat Doumergne seine eigene politische Vergangenheit verrate«' und sch n ö d e n B e rr a t an der Demo kratie begangen. Doumergue mußte wissen, und die Führer deS Kartell-, dte gestern dreimal versucht Haven, ihn zum Verzicht zu bewegen, habrn ihm keinen Zweifel darüber gelassen, daß er nur mit Hilfe per Gemäßigte», deS Nationalen Blocks nnb brr Royalisten den Sieg über de« Kandidaten der Sinke» davontragen lönne. Er hat trotzdem seinem pcrsönlichen Ehrgeiz alles geopfert, wosär er seit Zeiten gekämpst hatte, die Dcmokralie und die eigene Vergangenheit. Ter Nationale Block triumphiert. Er ist bescheiden geworden seir dem 11. Mai. Roch vor wenigen Woche» windr die Wahl eine- Dou. mergue inS Elysee das Wutgeheul des Ralionalen Blocks erregt hab-». Heute feiert er bereits als großen Sieg, da) er die Wahl PaiulevLs durch sein Eintreten für einen anderen Politiker der Linken zu vereitrlir vermochte. Aber selbst wenn Doumergue, was seine politischen Freunde ver sichern, entschlossen sein sollte, der Minderheit den Kaufpreis für die nicht erbetene Wahlhilse zu verweigern, so wird man sich den Ernst der durch die Wahl Doumcrgre; geschaffenen Lage nicht verhehlen dürfen. Ter Block der Linke» weist ein.n scharfen, tiefen Riß auf. Das große Reformwerk, das die neue Mehrheit in Angriff nehmen woMe, ist zum mindesten stark in Frage gestellt und die moralische Autorität der Linien vorläufig erschüttert. Kranzöfische und englische Preße- stimme». Pari«, 14. Juni. Zur Wahl de« Präsidenten der Republik schnibt„Echo de Pari«': Die Wahl Tou ner- gue« im ersten Wahlgang« sei ein« Revanche dar französischen öffentliche» Meinung gegen den seltsamen Wunsch leiden schaftlichen Ehrgeizes und wüster Be gehrlichkeit, den das Kartell der Linken darstellt. „Journal" schreibt: Li: National- Versammlung hab: d:n am 11. Mai d. I. von den Wählern zu» Ausdruck gebrachten Wunsch bekräftigt und die Leitung der Regierung nach links »lienüert. In außenpolitischer Hinsicht habe die Mehrheit d:r Senatoren und Abge ordneten den Willen bekundet, die Rechte Frankreichs aus dem Versailler Ver trage aufrechtzuerhalten. Ter link-radikale „Quotidien" sogt: Wir haben die Schlacht, aus Vie mir »S riugtlasse» halte». Sozialpolitisch be herrsche» die So»servative» immer «ich va« Parlament. Diese Erwäg»»g darf n»S i»vesse» kfiveSweg» »t»»tig». Wir für «»sern Teil erblicke» Vari» »«r ei«»« «»» G»«», ««irre A«span»u«g» z» v»r- dopprl«. übtrdllck» wir zunächst den Weg, den wir seit einigen Woche» zurückgelegt haben. Am 11. Mai Warve ver Rationale Vlock hm- «tggesegt. Am 1«. Juni geschah dasselbe mit Millerand. Ma» ka»» damit rechnen, daß künftig die Präsidenten der Nrpudiik sich rnhig verhau» werden. Roch hente wird Herrivt ein Mi« isterin« bilden. Die Versailler Wahl gefährdet dieses Ergebnis nicht nnr in keiner «eise, svndern sie bestätigt dirs» «ntwick- lnng, die sich mit den S»at»r» vottzog» hat, da di« Miktion sich anf eine» Man» verewigt« mußte, den sie bis hente »nadläfsig verwitnscht hatte. London, 14. Juni. Lie Blätter heben in ihren Besprechungen der Wahl Tonmrrgue- hervor, daß der neue, ftanzösische Präsident sich stets als Freund Eng land» und der Entente gezeigt habe. Laut „Daily Telegraph" ist Doumergue das erste protestantische Staatsoberhaupt Frank- «eich-. Die „Times" schreiben:/ Die Nitbrrl«g« Painlevö« sei nn- zwetsethast als er»ßer Rückstoß für HerrSat »»-»setze». Di« Mahl Lv» mergn«» s«i ein« brz tchn«,»« «ar»,,, an bi« fortgeschrittene» »artelltß««, nicht pe s«hr avf die Partei p, Pache», »a« Statt bew»^ b«ß >»»»-«,»« affe» dte Pallttk Pvi»e«röö t» be» he»1- sche» -rage« »«»schließlich ber «»hebe setz»», »» e stitz, Auch der „Iculy Hecald" bezeichnet die Wahl Doumergues als einen Schlag sür das An sehen der kommenden Negierung Her riots, erwartet jedoch, daß Doumergue sein Amt von der Parteipolitik, mit der Millerand e« durchsetzte, reinigen weide. — „Daily Chro- nicle" säreibt: v-zügtich der auswärtigen Politik werde der Wechsel von Poiucatt zu Herriot wahr scheinlich weit größer sei», als i» ihre» Programme» »nm AuSdrmk komme. Zwei- setloswürde eS ei» großer Fehlersei», ,i»e se»sattonelle Aro»tverä«der«'»g «»ter Herriots Regier««« zu er- warte«, «nderfeits aber habe Herrist gute Gelegenheit, bet Frankreich nnd ber ««lt einen Erfolg davon zu tragen. Der DaweSbericht müsse einen AuSwrg in Sh«« a«s der Sackzasse bring», in die Powearö die französische Politik geführt habe. Es lönne erwartet werben, daß Herrivt in wenig» Lage» über de» Kanal lamm» werde, n« Marvonalo z» des»ch». Auf dtrse -nfammenknuft müsse eine Konferenz alter Alliiert» folg». Nir mal» seit dem Sajsenstitlpand sei d«r Angenbki« für eine »erntinftige Ne- gel nag, die eine n»e Periode tn Europa »»leiten würde, so günstig ge»rs» Vet einer eimgermaß» klug» Politik der Alliierte» nnd ein wenig v^rnnift a«f Deutsch land» Seite müßte elne derartig« Negelnng gesichert sei». Herriot bei Doumergue. Pari», IS. Juut. Herrtot, der «ach der Demission MarsalS von Donmergne empfangen wnrde, dürfte spätestens morg» vormittag mit der Viiding de» Kabinetts beanftragt werden. SS wird angenommen, daß er die Negierung bereits bis morgen ab»» gebildet hat ««d sie am Montag nnter Verlesung feiner RegiernngSkrklLrnng der «am»»r vorsttUt. Tie voraussichtliche Mimsterlifte. Pari«, 14. Juni. „Echo de Pari«" veröffentlicht folgende Ministerlcste: Präsidinm «nd Außere» — Herrivt, Justiz — Senator Fehtral, Innere» — Abgeordneter Ehautemps, -inanzen — Senator Slementel, Krieg — General Nottet »der Nen« R»o»tt, Handel — Abgeordneter von Le Havre Lev« Meher, Lsfeuttiche Arbeiten — Senator Leon Perrier oder Abgeordneter Justin Godard, Marine — Srnaior de Ker- guSzew oder Abgeordneter Aldert Mil- Hand, Kolonien — Senator Schram eck, Landwirtschaft — Abgeordneter Lnenlle, Unterftaaissekretär sür Post - «bge- ordnet» Pierre Robert, Minister fär die befreiten Gebiete soll ein ebenfalls noch nicht bekannter D»p«tt»ri«r »erd». Die neue Atmosphäre. Anmesiie für die Ntzei«- m»d Nuhr- gefa«-e«e«! Berlin, 13. Juni. In dem RücklranZport der deutschen Rhein- und Ruhrgesaugenen aus den fran zösischen Gefängnissen in Gefängnisse deS be setzten Gebietes sieht die deutsche Regierung, wie wir von unterrichteter Seite hören, einen ersten Anfang zur Schaffung einer neuen Atmosphäre zwischen Deutschland und Frankreich. Von deutscher Seit« sind daher auch sofort sechs Franzos», für deren weitere Haf« kein besondere- Interest« volliegt, frei- gelassen wvlden. Von der belgischen Re gierung ist in der Frage des Gefangenen- Rücktransportes bi< zur Stund: noch keine Rach-