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Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachfen Dresden, Montag, 12. Mai Nr. 199 Erscheint Werktag« nachmittag» mit dem Datum de» ErscheinnngStage«. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 212S5 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf, die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichte» u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der LandeSkulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der LandeS-Brandversicherungsanstalt, verkaus-liste von Holzpflanzen aus den Staatssorstrevieren. Verantwortlich für die Redaktion: Hauptschristleiter Bernhard Jolle» in Dresden. 1924 Hoffnung anf Rückkehr der Vernunft. Reichspräsident Ebert und Reichskanzler lK. Marz über die Lösung des Reparationsproblems. Köln, 11. Mai. Heue vounitlag sand im großen Saale des Gür'enich die feierliche Eröffnung der ersten Kölner Messe in Gegenwart des Reich»- Präsidenten statt. Bon der Reichsregierung waren ferner Reichskanzler Marx und Außenminister vr. Stresemann, dann die Minister Höfle und Hamm von der preußischen Regierung anwesend. Tann bemerkte man den Erzbischos von Köln, Kardinal I)r. Schulte. Nach einem Orgelvortrag hielt Oberbürgermeister Adenauer, der Vorsitzende des Aussichtsrates der Kölner Messe, die Begrüßungsansprache nnd bat den Reichspräsidenten, die erste Kölner Messe zu eröffnen. Von allgemeinem Beifall begrüßt, erwiderte der Reichspräsident mit Worten des Tankes und brachte die besten Wünsche der Neichsleitung für den Erfolg des Unter nehmens dar. Reichspräsident Ebert sichr e u. a. ans: Unser: Anwesenheit in der Hauptstadt des Rheinlandes soll dem besetzten Gebiet: erneut be kunden, daß wir nrit warmem Herzen und brüder- lichem Gefühle die Leiden und die Nöte unserer Volksgenossen im besetzten Gebiete teilen. Mit gleich herzlichem Empfinden freuen wir uns des tatkräftigen Strebens, das die Lande an Rhein und Ruhr trotzdem zeigen. Wir freuen uns dieser unerschütterlichen Schaffenskraft, die in der Kölner Messe ihren Ausdruck findet. Schroff hat der Krieg unsere Handelsbeziehungen ab gebrochen, in grausamer Weise haben die Be dingungen des Friedensdiklates deutschen Handel und deutsche Wirtschaft in drückende Fesseln ge schlagen. Besonders schwer leide» die durch den Frie densvertrag fremder Okkupation ver fallenen und die über diesen Vertrag hinaus besetzte» Länder am Rhein und an der Ruhr, Gebiete, die Herz- nnd Mittel punkt deS wirtschaftlichen Lebens unserer Nation sind. Das wirtschaftliche und soziale Leben dieser Gebiete ist fortgesetzt starken Erschütterungen ausgesetzt, die zu schwerer dauernder Schädi gung der gesamten deutschen Wirtschaft führen müssen. Nur auf der Grundlage der eigenen ge sicherten Existenz, mag diese auch bart sein an Arbeit und Entbehrung, kann die Löfunt, der Krage der Neparatioren durchgeführt werden. Wir hoffen, daß endlich Einsicht und Vernunft in den Völkern der Welt obsiegen. Denn hier, am Rhein, wo jeder Stein von jahrhundertalter deutscher Geschichte spricht, schlägt da» Herz Deutschlands; der Rhein ist deutscher Schicksalsstrom nnd Sinnbild deutschen Volkstums, teuer und heilig jedem Herzen, das sich zugehörig fühlt zur Gemeinschaft de» deut- scheu Volke». S»g nnd unlösbar sind die Bande, die dieses Land mid feine vewahner mit dem gesamten Vaterland verbinden; ge- meinfame» Nnglst« hat sie noch härter geschmiedet, und im Fener hundertfacher Drangsal habe» sie sich vor aller »elt al- stärker brwilhrt als fremde «affen nnd als »ist im eigene» volkStörper. Tie» Land und dies Volk sind deutsch und werden deutsch bleiben (iiürmiscber Beifall und Händeklatschen); tausendjährige Bande gemein samer Kultur und gemeinsamer Geschichte trotzen allen Gegensätzen de» Tage» und allen Wirren der Zeit! In aiesem Gefühl unserer Gemeinschaft ist eS mir eine hohe Freude, all unseren Brüdern und Schwestern im Rheinland und West-alen dea «ruß der Deutschen Republik zu überbringen und hier dem Tank de» gesamten deutschen Volke» Die französischen Kammerwahlen. Ein starker Ruck nach links. „Zusammenbruch des nationalen Blocks". Paris, 12 Mai. Ter Wahltag ist in Pari» n»d, soweit Nachrichten vorliegen, in ganz Frankreich in Ruhe verlaufen. Tie Wahlhandlung wurde um » Uhr geschlossen. Im altgemeinen wird angeuommcn, daß in Paris und Umgebung sowie im Lüden und im Norde» Frankreichs eine stärkere Wahl beteiligung als bri den Wahlc» von 1*1* z» der zeichnen ist. Nach de« aus deu veischiercnen Departements vorliegende» Wahl ergebnissen ist im allgemeinen schon jetzt ein starker N uck nach links zu erkennen. Ter ehemalige Minister des Innern Malvh dürste gewählt sein. Dagegen scheint der ehe- malige Krieg-minister Andrö Lefövre eine Niederlage erlitten zu haben. Zum Ausgang der Wahlen schreibt „Petit Parisien", die Kandidaten der Linken hätten Erfolge erzielt. Gustave HervS sagt in der „Victoire": Meine liebe« Freunde vom nationale« Block. Das ist der Zusammenbruch. Ihr habt euch versteckt, ihr habt euer Programm in der Tasche behalten, eure Fahne verborgen und euren eigenen Ramen verleugnet. Glaubt ihr, daß man mit einer solche» Lnmpcrei den Sieg er zielt? « * Vorläufige Ergebnisse. Paris, 18. Mai. Um 2 Uhr vormittags gibt Havas da» erste Gesamtresultat der Wahlen aus, das 57 Er gebnisse betrifft. Es sind gewählt Konserva tive 7, Republikaner (Arago - Gruppe) 1, Linksrepublikaner 5, dissidierende Nationalradikale der Sozialistisch- Radikalen 16 (6 neue), Sozialistische Re publikaner 6 (3 neue), Geeinigte Sozia- listen 17 (11 neue), Kommunisten 3 (2 neue). Es finden für zwei Sitze Stichwahlen statt, nnd zwar in Belfort. Gewinn und Verluste: Konservative 4- 2, — 2, Republikaner — 9, Linksrepublikaner — 10, Dissidierende — 3, So- zialistrsch-Radikale 4- 6, — 1, Sozialistische Re publikaner 4- 2, — 1, Geeinigte Sozialisten -j-11, Kommunisten 4- 2, — 1. Um ^7 Uhr morgens veröffentlicht Havas folgende Statistik über 177 Wahlergebnisse. Konservative 8 (Gewinn 2, Verlust 8), Arago- Partei 14 (Verlust 41', LinkSrepubkikaner 17 (Gewinn 5, Verlust 25), dissidierende Republikaner 11 (Gewinn 3, Verlust 18), sozialistische Radikale 60 (Gewinn 34, Verlust 4), sozialistische Republikaner 18 (Gewinn 6, Verlust 2), Sozialisten 41 (Ge- win» 25, Verlust 1), Kommunisten 4 (Ge winn 3, Verluste 3). Stichwahlen finden statt in 4 Wahlbezirken. Nach de« bis 7 Nhr «orßeus deka»»t« gegebene» LrgebniS von r»1«ahklipe» ver öffentlicht die Agrare Havas folgende Etatiflik: »»»fervative *, Republikaner (Aragopartei) -3, daruoter 22 neue, Li»kSrep»blika»er 41, d»r»»ter «*»,»,, dtffibterevde Radikale 21, donntter 7 neue, «abikale »>b Sozialistisch.«»»-«. kake ßb, dar»»ter 52 »e»e, Sozialistische Republikaner 20, darunter 11 neue, Sozia liste« 58, darunter 51 neue, Komm «nisten 8, darunter 7 neue. * Teilergebnisse. Paris, 12. Mai. Ter „Motin' berichtet, daß mit der Nieder- läge des Abgeordneten Andre Tardieu im Departement Seine et Oise gerechnet werden müsse. — Uber den Stand der Auszählung in Paris berichtet Haoas von 9 Uhr 30 Min. abends: In Paris und Vororten werde mit einer Wahl- beieiligung von SO bis 85 Pro;, gerechnet. — Im 2. Wahlbezirk sind gewählt: vom Ratio nalen Block 6, von d:n Sozialisten 3, von den Kommunisten 2. Unter den Gewählten befinden sich die Sozialist:» Leon Blum und Admiral a. D. JaurSS, ein Bruder des ermordeten Abgeordneten JaurSs. Im Departement Indre et Loire (drei Litze) ist die Liste deS Block» der Linken (drei sozialistische Radikale und zwei Kommunisten) endgültig gewählt worden. * Die Lchiirse des Wahlkampjes. „Heuchlerische Mörder" — „Ltiniende Hyänen". Paris, 12. Mm. Ter Wonkamps ver Extremen hatte zuletzt Formen von grotesker Temlichkeit angenommen. Wenn die Leute der „Action Franeaise" die Kommunisten „heuchlcrische Mörder" genannt haben und die Leute der „HamanitS" die Freunde des Herrn Daudet als „stinkende Hyänen' bezeichneten, dann bedeuten solche Schmeichelworte nicht etwa den Superlano, sondern den Anfang der gegenseitigen Achtungserklärung. Tas Hauptagitationsmittel Laudets für den Bloc national bildeten die deutschen Wahlen und in letzter Stunde der Molttciag i« Halte. In großer Aufmachung verkündeten gestern früh die Blätter: „Hindenburg, Ludendorff und 25 Generale bei einer politischen Parade in Halle!" Ter „Temp?" und andere Zeitungen geben die Stelle dsS Telegramms Hinden burgs an die Studenten in Hannover wieder, in dem es heißt, daß die schwarz - weiß - rote Koh«e bold wtebcr zu« Liege getrage» werd»» mässe. Tiefer Satz wurde von der Presse weidlich aus genützt. Tie „Action Franxaise" druckte gestern zahlreiche Plakate der Deutschnationaleu und der Volkspartei ab, die mit Bildern von Blücher und Bismarck geschmückt sind und der Wieder vereinigung der beiden Rheinufer Aus- druck geben. Ter „O.uotldien" Hai ausgerechnet, toß bte radtkale >»d sozialistische Opposit o» ,i» Plu» vo» 15* Stimme« »rauch«, we»» sie der Politik eine »nbere «md»n, gebe« soll,. Ties: Rechauug klingt nicht sehr ver heißungsvoll. Allerdings muß vermieden werden, etwa» über die Aussichten in den Provinzen zu sagen, die ganz verschieden, aber doch ziemlich übereinstimmend zugunsten des Linkskartells beurteilt werden. Um einen V:rgleich mit der früheren Kammer zu ermöglichen, sei gesagt, daß die nächste Kammer nicht 626, fanden 584 Sitze haben wird. 503 Deputierte der früheren Kammer haben sich zur Wiederwahl gestellt; unter ihnen neun Minister und zwei Regierung», kommiffare. für ihr treue» Ausharren und der Versicherung unserer Treue zu ihnen Ausdruck zu geben. Be wegten Herzens gedenken wir heule auch der vielen unserer Volk-genossen, die immer noch, jedem menschlichen Gefühl zuwider, gefangen oder aus HauZ und Hof vertrieben snd; ihnen Frei heit und Heimat wiedrrzugeben, wird stets unser heißes Bemühen sein. Aber nnser Ziel muß noch ein höheres sei«, nämlich das, ihnen allen, dem ganze« Lande hier, ei« gesicherte- Dasein u«d die freie Entfalt»»« ihrer Kräfte wiederzugebe«. Kein Opfer, das in unserer Kraft liegt, wird uns zu schwer sein, um ihnen, unseren Brüornr im Westen, die Freiheit zu erlaufen, schwer: Lasten, die sozial gerecht verteilt sein münen, werden wir alle tragen müssen, um wieder mit ihnen in freier Gemeinschaft zusammen zuleben, mit ihnen al» freies Volk auf freiem Grund zu stehen! (Beifall.) * Tann ergriff Neichölauzter I)r. Marr das Wort und sagte: Ich werde »ach Berlin zurückkehren mit dem sicheren Gefühl: Wir wissen, daß hier am Rhein echt deutsche Herzen schlagen, wir wissen, daß wir hier sicher sein können. Deutschland allewege hier am Rhein (Bravo!) Tie erste Kölner M-ffe sieht zwischen Niedergang und Ausgang. Die völlige Auflösung dr» politischen und »irtschafUicheu BcrdaudeS de» Reiche» schien unabwendbar, da hat sich unser aufs äußerst, geschwächte v»d zermürbte Volk zu riuer NcttnngStat entschloss,», d,r,n wahre Größe erst kommende Gknerationen voll tiuzuschätzen vtrmögru »erden: ihm gclang die Ltabikisieru«« deS Geldwertes. Langsam ist unsere Wirtschaft wicdrr in Ganz gekommen. Ter Rückgang der Arbeitslosigkeit beweist, daß es wieder möglich wird, dem deutschen Menschen Brot unv Unterhalt zu ver'chaffen. Aber noch sind wir nicht über den Berg, noch stehen wir an seinem Fuße. Noch steht als größtes Hemmnis eine: dauerhaften und weit reichenden Besserung die Trennung des Reiches in besetztes und unbesetztes Gebiet im Wege, noch hüugt über rmscren Häuptern die dnutle «olke der Rtvaratio»»frug,. In dieser Fraz: ftrhrn wir ja nun durch da» Zustandekommen deS Gutachtens hoffentlich am Beginne einer Klärung. Leicht ist uns i» Berlin der Beschluß, die Vorschläge der Sachver ständigen als Grundlage einec wenigsten- vor- lausigen Regelung anzusehen, wahrhaftig nicht gewordeir. Wir sahen keinen anderen Weg zur Befreiung des Rubrgebietes und Deutschlands. «rr, zur Rrttuug d»ktii»Sr,r Fd««, stin Volk z» Dobe hetzeck^will, mag da» mit f«i»e« G,wisse» auSmache». Um den: Sachverständigenbericht nachjukomm,n, muß jedoch die fiskalische und Wirtschaft! che Souveränität Deutschlands in dem be setzten Gebiet wieder hergestellt werden (Bravo!» und nur unter dieser Voraussetzung haben wic grundsätzlich den Vorschlägen zuyestimmt. Ter heutige Taz ist uns ein Zeichen de» un- gebrochenen Willen-, de- lebensmutigen und zähen Charakters der Lande am Rhein, allen Fehlschlägen und Estttäuschungen zum Trotze auf den Trümmern de- Gestern neu wird raufzubaue» in der Zuversicht des bessern Morgen, im Vertrauen auf die Lebenskraft des deutschen Volkes und die Nückleizr der Vernunft in der Welt. Ihren Bestrebungen, Handel und Wandel dieses Teile« de» Reiche» zu fördern, bringt die Lritunz de» Reiche« ihre beste« Dünsche entgegen. (Stürmischer, sich immer wi,d-rhol:nd:r Beifall.)