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SächsischeStaalszevung Staatsanzeiger für Erscheint Werktag- nachmittag» mit dem Datum de» ErschetnungStage». Bezüg-pret-: 1. bi» 7. Oktober 15000000 M. Einzelne Nummern 8000000 M. Fernsprechern Geschäftsstelle Nr. 21295 — Echriftleitung Nr. 14571 Postscheckkonto Dre»den Nr. 2486. Stadtgirokonto Dresden Nr. 140 den Zreistaat Sachsen AnkündtgungSpreise — Grundpreis mal Schlüsselzahl der deutschen Zeitungen. (Grundpreise: die 32 mm breite Grundzetle oder deren Raum 135 M., die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 270 M., unter Eingesandt 400 M Schlüsselzahl' 100000s. Ermäßigung auf Familien- und GeschäftMinzeigen. Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr Zeitweise Nebenblätter: Landtag»»Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung oer StaalS,chulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Lande» »Brandversicherung»anstall. Berkaufsliste von Hol-pflanzen aus den Staatsforstrevieren. Verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Jolle» in Dresden Nr. 233 Dresden, Freitag, 5. Oktober 1923 Keine Wiederbelebung der großen Koalition. Ein Srchsmänner-Kabinett? Kein sozialdemokratischer Minister. Verlin, ö. Oktober. Auch der gestrige Tag war von Berhand- pmgkn und vesprechunge» der Fraktionen er» füllt Schon in den frühen Vormittagsstunden herrschte im Reichstage el« reges Treiben. Tie demokratischen Adgeordnete« vr. Petersen, «och und vr. Haas begaben sich zum Reichs» Präsidenten, um ihm eine« Vermittlungsvor- fchlag zur Rekonstruktion deS Kabinetts auf der Grundlage der großen Koalition zu machen. Herr Ebert versprach, die Anregung mit Nr. Stresemann zu prüfen. Gleichzeitig hatte da-Zentrum beschlossen, auch seinerseits Versuche zur Wiederherstellung der großen Koalt. tion cinzuleiten. Aus Grund einer Besprechung mit den Demokraten begab sich vr. Marx zn vr. Scholz, dem Vorsitzenden der Tentschrn Volkspartet, und hatte mit ihm eine Unterredung. Tabel crtlärte Nr. Scholz, daß man, in dem jetzigen Stadium derTinge, Nr. Stresemann freie Hand lassen müsse. Damit war diese Aktion erledigt. Offizielle Konferenzen mit den Frak- tionsführern habennichtstattgesundeu. Vr.Dtrese- mann wollte ossenbar vollständig freie Hand für die Zusammensetzung des neuen Kabinetts haben. An später Abendstunde war dle Liste des nenen Ministeriums so gut wie fertiggestellt. Folgende Namen werden genannt: vr. Stresemann, Reichskanzler und Außeres (Deutsche Polksparteis. IE. Geßler, Reichswehr (Dcm). vr. Braun, Arbeit (Zentrums. Nr. Luther, Finanz. v. Oppen, Ernährung und Landwirt schaft. Nr. Fuchs, besetzte Gebiete (voraussichtlich auch Innenministerium). Henrich, Post und Eisenbahn, voraus sichtlich als Staatssekretär oder Gene raldirektor. Das Justizministerium bleibt unbesetzt und wird durch den bisherigen Staatssekretär Joel weiter verwaltet. Das Kabinett würde dann insgesamt nur sechs Minister umfassen. Der Reichskanzler will sich heute oder morgen mit dem neuen Kabinett dem Reichstag vorstellen, dem Parlament sofort das vielnmstrittene Ermächti gungsgesetz vorlegen und unverzüglich zur Auslösung schreite«, falls er das Vertrauen und die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz nicht erhält. Die Sozialdemokraten ließen, als Stresemanns Absicht bekannt wurde, Sollmann zum Innenminister zu berufe«, keine« Zweifel darüber, daß ein Eintritt foztaldemokrati- fcher Minister in ei« solches Kabinett nicht in Betracht kommen könne. Gegen » Uhr abends wurde von der Reichs kanzlei mitgeteilt, daß die Bildung deS Kabinetts vor ihrem Abschluß stehe. Da aber noch inner halb der einzel«e« Ressorts etnig, Personal- Veränderungen vorge«ommen werden könnten, beabsichtige man, die Ramen der Minister erst heute im La«fe deS TageS bekanntzngebe«. „Ter Pro-t über alles!" Latz schamlose Verhallen der Deutschen VolkSpartei. Berlin, S. Oktober. Die Demission der Regierung Stresemann ist, nach übereinstimmender Auffassung der be teiligten Minister, in einer Stimmung erfolgt, die erkennen ließ, daß allgemein der erzwange«, Rücktritt für ei«eu Schritt wider die Ver- «unft erachtet wurde. Dem Reichskanzler selbst ist die Demtssio« äußerst schwer gefallen, weil er in ihr eine» Bruch seine» «erkeS sah, für da- gerade er monatelang gekämpft hatte. Stresemann, der vom Reichspräsident sofort wieder mit der Neubildung der Regierung betrant wnrde, ließ ketuen Zweifel darüber, daß er nicht daran de«ke, ein RechtSkadinett z« bilden. I« »erlaufe de» gestrigen Tage» liefe» seine ve- stlndnngen deshalb da raus hinan», «ine Regi«. rung ans Persönlichkeiten zustande zu bringen, die Ntchtmitglteder deS Parlament» sind, für die Notwendigkeiten der gegenwärtige« Lage das er forderliche Verständnis habe« und gleichzeitig bet de» einzelnen Parteien nicht von vornherein auf Widerspruch stoßen. Im Reichstag waren die Gemüter sehr er regt, jedermann sah die Notwendigkeit einer schnelle« Lösung der Regier««gSkrise ei«, ohne jedoch ei«en «eg weise« z« tö«»e», der aus die Dauer Erfolg versprich«. Vor alle« Dingen wurde schon deshalb eine schuelle Regie- rnngSneubildung für dringen» erf»rderlich er achtet, weil, seit dem Rücktritt der Regierung Stresemann, die rechtsradikale» Elemente wieder eifrig tätig sind. Im Zusammen ¬ hang hiermit sind auch die am Donners tag erfolgten stundenlangen Bera tungen derFraltio« derDeutschnatiouaie« «oltSpartei zu erklären Es ist nicht von der Haud z« weisen, daß Mitglieder dieser Partei an de» durch die Aufmerksamkeit der preußische« Be hörde« verhinderten Putschbestrebuugen der letzte« Tage maßgebend beteiligt sind. Ob die Veränderung des Rrgterungsoerhält- »isjeS im Reich auch ein« Umgruppierung in der Besetzung des preußischen Kabinetts nach sich zieht, ist bisher «och zweifelhaft. Es gibt inner halb der VoltSpartei zweifellos gewisse »reise, die sich bemühen, eine Regierungskrise in Preußen zu verhindern. So schreibt z. L. die „Zeit- in ihrer DonnerstagabendauSgabe: UchesiW aus die Mt Koalition. „Es wäre außerordentlich bedauerlich, wen« von der Krisis >m Reiche irgenowte ein Rück schlag auf die Regierungsverhälluisse in Preuße« ««»gehen sollten" ES gilt für völlig ausgeschlossen, oay die sozialdemokratische Fraktion der ne« zu bildenden ReichSregierung ohne weiteres abwartend gegen übersteht, wen« sie in diesem Kabinett «tcht ver treten ist. Die Haltung «nserer Fraktion wird diktiert durch da; schamlose Verhalten der Deutschen Voltspartei, die ein von einer großen parlamentarischen Mehrheit getragenes Kabinett zugrunde gerichtet hat, an dessen Entstehung sie stark beteiligt war, und die zweifellos selbst ihrem Führer Stresemann als Kanzler einer neuen Regierung die Gefolg schaft versagen wird, sobald er versuche« sollte, nicht im Linne derjenigen zu handeln, die inzwischen in der Bolkspartei gesiegt haben und deren Sieg i« die «orte zu kleiden ist: Ter Profit über alles? Stimmen aus Ser Der „Lozialdcmotratischc Parlaments- dicnst", der sich aus das wärmste iür de Bilvun > un; Erhaltung der großen Koalition eingesetzt hat, schreibt: „Deutschland befindet sich in der schwerste« Krise, die es jemals durchgemacht Hot. Gestützt ans das Kahr-Bayern, gestützt ans die Grheim- bttnde in Rorddeutjchland und getragen von der Sympathie der Agrarier und der Schwerindustrie, soll das Reich zu einem einzigen großen Rcak- tionshcrd gemacht werden. Tie Sozialdemokratie wird alle Kräfte answenden, um diese Absichten zunichte zu machen. Tie Arbeiterklasse Deutsch- lands steht vor entscheidenden Stunden. Es gilt, die Krüste i« allen Lagern zu sammein, die Teutschland vor der schwarze« Reaktiv« bewahre« wollen, es gilt den Beweis zu führe«, daß in Teutschland nicht gegen, sonder» nur mit der Arbeiterschaft zu regieren ist " * Lie „Chemnitzer Volksstimme" fordert „Klarheit" und „Abrechnung". Das Blatt schreibt: „Die große Koalition ist tot, es lebe . . ? Vielleicht eine neue große Koalition unter Ein- beziehung der Deutschnatioralen, vielleicht eine Bürgerblocks-Koalition, getragen von dem Willen und dem Diktat der außenstehenden deutsch, nationalen Voltspartei und unter Einbeziehung eines ozialdemokratischen Ministers zur Rücken deckung — wir wissen es nicht. Ein» freilich wissen wir, daß die Sozialdemokratische Partei und mit ihr da» Gesamt. Proletariat eine Schlappe erlitten hat, schlimmer al» seit der ganzen Zeit ihre» Bestehen». Und was da-Schlimmste ist: unter ihren prominentesten Führern grassiert eine ideologische Seuche, die alle» befürchten läßt- Al» unverbesserliche Optimisten müssen wir un» selbst bezeichnen, denn wir nahmen e« al» selbst- verständlich an, daß unsere Ministergenossen und daß die ReichstagSfraktion mit Entrüstung da» verbrecherische Ansinnen gegen den Achtstunden, tag, die Vorbereitungen zur Knechtung der Arbeiterschaft zurückweisen würden. Wenn aber die Wolff-Depeschen richtig sind, so war eine nicht unerhebliche Minderheit in derReich-tag». srak ion bereit, auch da» Letzte zu schlucken in der wahnsinnigen Vorstellung, dadurch etwa» zu retten Fort mit »r» Koaliti»sverh«»dl»ß«n, zurück ans unsere» ««tterbode», die »rette Vas» »«» schaffen»»» Volke»! La»ge gern, her»«» wir «» de» l»sttge» Höhe» et»er falsche» Wirtschaft», paziststtsche» J»,,logie geschw«»:, »te »» an de» Vvradrnd dr» VürgeLkriege» ge»racht hat. „Da» AwiS<mer VolkEblatt" urteilt: „Mit etmr gerade»» schrGkenerregenden Swät,S»läFsigk«tt tzStn ch S, Sozialdemokratie. zum Sturze der großen Koalition entwickelt. Jetzt, wo die Herren aus der anderen Seite, wo die Klassengegner des Proletariats sich stark genug fühlen, «vollen sie den Stoß gegen die Arbeiterschaft wagen, um diese ein- sür allemal wieder unter die Knute zu -Wingen. Die Situation ist überaus bedrohlich, und es kann ruh g ausgesprochen werden, daß der Kampfbodcn sür die Arbeiterschaft heute dank der großen Kcal tion wesentlich ungünstiger ist als vor dem Sturze Cunos." Die „Leipziger Volkszeitung" schreibt: Es kann im gegenwärtigen Augenblick nichts anders geben, als eine klare Scheioung zwischen den Bürgerlichen und den proletarischen Inter essen. In diesem Stadium der Entwicklung rst eine Überbrückung der Gegensätze unmög lich. Und in dieser Hinsicht hat die „Kreuzzei tung" recht, wenn sie schreibt: „Die großen Differenzen, die zwischen So. zialeemokratic und Bürgertum hierin besehen, beruhen nicht nur aus augenblicklichen Meinungsverschiedenheiten, sondern sie ha ben in den entgegengesetzten Weit anschauungen ihren Grund. Sie lassen sich deshalb nicht beseitigen durch eine Zwischen, lösung in der einer dem andern etwas nach gibt, und jeder der Meinung des andern ge. recht zu werden sucht, unter dem pariamenta. lisch üblichen Vorbehalt, ein parteipolitisches Geschäft bei dem mit kürzester Kündigungs frist abgeschloffenen Vertrag machen zu können. In Bayer« hat man erkannt, wa» po litisch nottut, um wirtschaftlich weiter- zukommen." Die Reaktiv« hat «och immer verstände«, ihr« J«terefse« i« h«r «ntfchiedrnste» Form z« ver trete« ««d wir wisse», »aß sie dadei »ach immer von Erfolg degleitet war. Hoffe» wir, daß sich die Fraktion hei der Entscheid»- dies« Lthrcn z»ntze «ach«. * Die rechtsstehende „Deutsche DageSzeitung" schreibt: „Die Losung deS Tages Hecht: Das Steuer muß nach rechts geworfen werden I Die Soalitionsparteien des Reichstage» aber antwortcn: Ss soll weiter gewurstelt werden- Ter Marxismus hat Deutschland rmnierl. Er hat abgewirtschaftet. Die bürgerlichen Regierung-Parteien halten ihn künstlich am Leben. Sie wagen nicht, den Trennungsstrich zu ziehen. So sink« Deu'fchland in Rot und Verderben. Mr fordern Klarheit! Schluß mit der Rom- promißpolitikl Fort mitten Sozialisten au» der Regierung l Wir verlange» »Mich eine NeaiLkü'lL, Unter dem kahristischen System. Das bayerische Dcmokratenblatt ver boten. München, 4. Oktober. Lie „Nürnberger Morgenpresse", das Orga» der Demokraten in Bayer«, ist vom Gene- ratstaatskommisjar bis ernschlirßlich l7. Oktober verböte« worden. Tas Blatt schrieb i« seiner Dienstagsausgabe: „Heute scheu wir klar: Ziel und Weg. Heute gibt cs nichts mehr zu verschleiern und nichts mehr zu be schönigen, «ur mehr zu sageu, was ist und was man will. Was ist: Tie Tittatur der Willkür und der Auflösung der verfassungs mäßige« staatlichen Gewalt tn Bayern. Was man will: Eine stille Separation in Form des passiven Widerstandes und einen stillen Putsch in Form drr Wehrlosmachung drs linken Teile- brr Bevölkerung." * München, 4. Oktober. Tie sozialdemokratische „Freie Presse" in Ingolstadt Wirde durch den Generalstaats- kommissar aus eine Woche verboten. * München, 4. Oktober. Ter Generalstaatskommijjar hat den „Völkischen Beobachter" aus 10 Tage ver- boten. Tas Verbot wir; mit einem „au Landesverrat grenzenden Aufruf" im Anzeigenteil der Donnerstagnummer begründet. Dieser Aufruf hat folgenden Wortlaut: „Artilleristen! Macht s««er»rrettk Bald wird das Kommando zur Arnertrösf»»- erschall«», da»» darf k«i»«r von Euch fehlt»! Durch Ka«psge«einschaft z»r Bolksgemein- schaft. M«»d«t Such zum Artillerie- r«gtm««t der Sturmabteilung der National- foztalistische« Arbeiterpartei!" * D eje Verbote sind nach «erjchiedener Rich tung hin bemerkenswert. Herr v Kahr hat au Y selbst beim Verbot des nationalistischen Maite» dem Separatismus Bayerns gegenüber dem Reich« zum Triumph verhalfen. Die Gründe de- Reichs, die zu einer — nicht ausgesührte» — Anweisung an den in Bayern kommandieren den Reichswehrgeneral führten, die Druckerei räume de- „Bayrischen Beobachter»" -u besetzen, interessierten Herrn r. Kahr nicht. In den letzten Monaten und Tagen hat da, „Völkische Beobachter" mehrfach ähnliche Auf rufe gebracht, die mit nicht geringerer Deutlich. k«it tm» Ziel der „inneren Reinigung" ver- folgten ohne daß ibm etwa» geschehen wäre.