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SächsischeStaalszeilung den Zreiftaat Sachsen Staatsan^eiger für Ankündigungen: Die 32 nun breite Grundzelle oder deren Raum im Ankündigung»- teile 12 M„ die 66 nun breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Telle 24 M., unter Gingesandt 30 M. Ermäßigung auf Familien, u. VeschästSanzeigen. Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Erscheint Werktag« nachmittag« mit dem Datum de« folgenden Tage«. Bezugspreis: Unmittelbar od. durch die P ostanstalten 30 M. mon. Einzelne Nrn. 1,50 M. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21205 — Schristleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. Zeitweise Nebenblütter: Landtags-Beilage, Synodal-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der LandeS-BrandversichcrungSanstalt, Verkaufs liste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. Beauftragt mit der Oberleitung (und preßgesetzlichen Vertretung für den schriftstellerischen Test): RegierungSrat DoengeS in Dresden. Nr. 195 Dienstag, 22. August 1922 Die Reparattonsverhandlimgen in Berlin. Dresden, 21. August. Der Altonaer Besuch des Neichs- prasidkute«. Wie wir in unserer letzten Nummer bereit« kurz mitgeteilt haben, traf der Reichspräsident am vergangenen Sonnabend vormittag in Begleitung der Reichsminister vr. Köster und Groener zu einem Besuche in Altona ein. Um 11 Uhr wurde er im Kollegiensaale de» Rathauses durch den Ober- bürgermeister in Anwesenheit der Mitglieder de» Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung und des Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein empfangen. Der Oberbürgermeister und der Ober präsident richteten Worte der Begrüßung an den Reichspräsidenten, die dieser mit folgender An sprache beantwortete: Meine Herreni Herzlich danke ich für die freundlichen Worte der Begrüßung, die Sie, Herr Oberbürgermeister, namens der Stadt Altona und Sie, Herr Ober präsident, namens der Provinz Schleswig-Holstein an mich gerichtet haben. Ich habe gern mit dem Besuche Hamburg- den der Schwesterstadt Mona verbunden, und wenn ich, Herr Oberpräsident, Ihnen gegenüber meiner Freude Ausdruck gebe, heute hier auf schleswig-holsteinischem Boden zu weilen, so darf ich dem hinzufügen, daß ich der Einladung, in einigen Wochen auch die schwer geprüfte Nordmark zu besuchen, mit Dank folgen werde. Sie, Herr Oberbürgermeister, haben auf di« große Rot hingewiesen, in die unser Volk und Land durch den Friedensvertrag und seine Durchführung versetzt sind. Die deutschen See- städle haben schwere Opfer bringen müssen. Mit dem Verluste unserer Handelsflotte hat ein großer Teil der seemännischen Bevölkerung Arbeit und Existenz verloren. Eine umso größere Freude ist es mir, feststellen zu können, daß deutsche Schaffenskraft und Ausdauer dieser Schwierigkeiten Herr zu werden suchen, und daß die kernige Be völkerung hier an der Elbmündung auch der alten Wortes „Schiffahrt tut not" eingedenk geblieben ist. Aufrichtige Anerkennung zolle ich all dem, was in diesen Jahren unermüdlicher Arbeit geleistet ist. Tie Verwaltung unserer Großstädte erfordert ein ungeheurer Maß von Schaffensfreude, Besonnen heit und Umsicht. Zu den bereits früher vorhan denen Aufgaben sind neue hinzugekommen. Fragen der Finanzgebarung, der Eingemeindung, der sozialen Fürsorge, der WohnungS- und Arbeits beschaffung Hanen der Antwort. Die enge räum liche Verbindung Altona- und Hamburgs hat ein besonder» schwierige» Problem geschaffen. Ich be grüße es, daß seinerzeit die beiden interessierten Länder im Wege von Verhandlungen sich bestreben, eine Lösung zu finden, und ich gebe dem aufrich- tigen Wunsche Ausdruck, daß diese Verhandlungen von Erfolg gekrönt werden. Nur wechselseitig können Reich, Länder und Städte sich gedeihlich entwickeln und in gemeinsamer Arbeit die Wiederaufrich tung unseres Vaterlandes erreichen. Wie die deutschen Hafenstädte mit dem Falle des Reiches besonders schwer gelitten haben, so werden sie auch in demselben Maße zn neuer Blüte sich er heben, wie Deutschland sich kräftigt und wirtschaft lich erstarkt. Möge Altona gemeinsam mit der Schwesterstadt am schönen Elbstrom einer glück lichen und frohen Zukunft entgegengehen und wie bish« mithelfen, den deutschen Namen zu Ehrew zu bringen. Das ist mein aufrichtiger und herzlich« Wunsch. (Lebhafter Beifall.) An den Empfang schloß sich eine Besichtigung de» Fischereihafens und eine Rundfahrt im Kraft wage« durch die Stadt. Bon dem Ausgang der Berliner Repara tionsverhandlungen hängt nicht nur vieles für daS Schicksal der Zukunft des Deutschen Reiches, sondern auch der Zukunft Europa» ab. Die ganze Welt leidet unter der Auswirkung de» Londoner Reparationsdiktats, da» leider bi» heute dank der Uneinigkeit der Alliierten nicht wesent lich geändert wurde, trotzdem man allgemein auf Grund der Erfahrungen der Auffassung werden mußte, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann. Diese Auffassung wurde Anlaß zu allen Wirtschastslonferenzen, die nach dem Mai 1921 stattfanden, und diese Erkenntnis war letzten Endes auch der Grund, der die Reparation»- kommission dazu nötigte, zwei Vertreter zu direkten Verhandlungen mit der Reichsregierung nach Berlin zu entsenden. Der Engländer Bradbury und der Franzose Mauclere, di« diese Verhandlungen führen sollen, sind am gestrigen Sonntag abend in Berlin ein getroffen. über ihre Vollmachten ist bisher ebenso wen'g bekannt geworden wie über die Forderungen, die sie stellen werden. Aber e« unterliegt keinem Zweifel mehr, daß ihre Aufgabe darauf hinaus- läuft, als Gegenleistung für ein Moratorium bis zum Ablauf dieser Jahres Garantien zu erwirken, die einmal von der deutschen Regierung freiwillig zugestanden werden, und die anderseits derart sind, daß sie die Einigkeit nicht nur innerhalb der Reparationskommission, sondern auch innerhalb der Ententekoalition gewährleisten bez. wieder- Herstellen. Die Reichsregierung hat zu den am heutigen Montag vormittag beginnenden Besprechungen alle notwendigen Vorbereitungen getroffen. Die zuständigen Ressorts haben umfangreiches Material bereitgeflellt, das sich mit der Notlage der deut schen Wirtschaft eingehend beschäftigt, und das außer einem Nachweis von dem guten Willen Deutschlands zur Erledigung seiner Reparations verpflichtungen insbesondere über den Notstand der deutschen Arbeiterschaft und des deutschen Mittelstandes umfangreiche statistische Angaben enthält. Die Vertreter der Reparationskommission sollen auf alle Fragen eine klare und objektive Antwort erhalten, um so selbst den Eindruck zu erhallen, daß alles das, was der Reichskanzler erst in den jüngsten Tagen äußerte, nicht auf freier Erfindung, sondern auf Tatsachen beruht, und daß Deutschland trotz seiner Notlage immer noch bereit ist, zur Beruhigung der konflikt schwangeren Atmosphäre in Europa sein Mög lichstes beizutragen. Bei allem guten Willen der Reichsregierung, mit den Vertretern der Reparationskommission zu einer Verständigung zu kommen, wird alles abgelehnt werden müssen, was angesichts unserer wirtschastlichen Not unmöglich erscheint. Darüber muß man sich in Paris von vornherein klar sein, daß die deutsche Reichsregierung nicht bereit ist, einen Schritt zu tun, der nicht nur den end gültigen Ruin Deutschlands, sondern auch einen Niedergang Europas bedeuten würde. Leicht wird eine Verständigung in Berlin zu finden sein, wenn die Vertreter der ReparationSkommissio» politische Motive von den Berechnungen ausschalten und sich nur von rein wirtschaftlichen Grundsätzen leiten lasten. Stellen sie den wirtschaftlichen For derungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutsch lands gegenüber, dann werden auch sie zu der Überzeugung kommen muffen, daß der ErsüllungS- wille der deutschen Regierung bis auf die äußersten Grenzen erschöpft ist, und daß zunächst eine Atem pause notwendig ist und der Bevölkerung Deutsch lands, die ihr Letzte» lediglich de» lieben Frieden- Willen hingegeben hat, jetzt vor allem die Mög lichkeit zum Leben gegeben werden muß- Deutsch land kämpft nicht um politische Ziele, sondern eS kämpft nur den ehrlichen Kampf um da- Leben seine» Volke-. Die Forderung nach „produktiven Pfändern", wie sie in Paris mit großer Hartnäckigkeit ver fochten wird, bildet nicht die Basis einer Ver ständigung. Diese Forderung und da- gleichzeitige Verlangen nach Leistung-fähigkeit der deutschen Wirtschaft, wovon doch die Erledigung unserer Ver pflichtungen abhängig ist, bedeutet einen Wider" spruch in sich. Tin« Verständigung, der die Reich»' regierung ruhigen Gewissen» zustimmen kann, wird in der Gewährung eine» Moratorium» liegen, besten Garantien Deutschlands ProduktionSkrast nicht noch weiter hemmen. Statt „Produktiver Pfänder" produktive Arbeitsmöglichkeit ohne neue Fesseln I * Die beide« Mitglieder der Reparationskom- misfto«, Sir Joh» Bradbury und «auclere, find gestern abend in Berlin eingetroffen. Sir Brad bury hatte sogleich eine vesprechuug mit dem hiesigen englischen Botschafter. Heute vormittag werden die beiden Abgesandten der Reparation»- kommiffionvom ReichSkanzlervr. Wirth empfangen werde». Dann werdc» sich die Besprechungen mit den Ressortministern ««schließen, je nachdem welch« Spezialgebiete die Fragen betreffen, welche die Reparationskommission stellen wird. Wie aus Berlin gemeldet wird, wird eS sich bei den Verhandlungen mit Sir John Bradbury und Mauclere weniger um die Auslegung des Artikels 234 als um die Pfänder und Garantien handeln, welche die deutsche Regierung aus freien Stücken zur Verfügung stellen kann. Diese Pfänder sollen dann die einstimmige Annahme des Mora toriums als Grundlage für die neue Konferenz in Brüssel ermöglichen. Neben den bisher erörterten Plänen gibt das „Echo de Paris" einen weiteren bekannt, der den früheren aufgreift, die deutsche Goldreserve auf dem linken Rheinufer zu depo- nieren; allerdings ist diese Maßnahme bei dem geringen deutschen Goldbestände nur als Er gänzung der übrigen Garantiem.ßnahmen ge dacht. Die Verhandlungen in Berlin werden die ganze Woche in Anspruch nehmen, die Ent scheidung der Kommission vor Ende des Monat» also nicht ermöglichen. Die „Time»" meldet im Zusammenhang mit der Entsendung der Kommission nach Berlin, daß in Pari» ein versöh sicherer Geist zutage trete und den Drohungen der französischen Presse über eine neue Besetzung de» Ruhrgebiet» unter diesen Umständen keine übertriebene Bedeutung bei gemessen zu werden brauche. Mit allem Vorbehalt sei auch die nachfolgende Meldung des „United Telegraph" aus London wiedergegeben: „Infolge des völligen Zusammen bruche» der Mark wird von den Alliierten eine Neuregelung der Reparationszahlungen erwogen, um den drohenden deutschen Staatsbankrott zu verhindern und eine allmähliche finanzielle Ge- sundung Deutschland- zu ermöglichen. Die Re vision der Reparationszahlungen, die bereits seit längerer Zeit ausgearbeitet ist, aber erst vor geschlagen werden soll, wenn die Zahlungsunfähig- keit Deutschlands restlos erwiesen ist, sieht wesent liche Erleichterungen der deutschen Verpflichtungen vor. Daß Erleichterungen für Deutschland in Aus sicht genommen sind, wird auch von der „Time»" bestätigt, dagegen herrscht noch Unsicherheit dar über, ob Bradbury und Mauclere beauftragt wer den, mit der deutschen Regierung auf der Basis der neuen Programm- zu verhandeln. Nach den hier vorliegenden Informationen soll die Fiktion einer deutschen Zahlungsverpflichtung von 100 Mil liarden Goldmark innerhalb von 30 Jahren zwar aufrechterhalten, aber so modifiziert werden, daß nach Ablauf einer Frist tatsächlich nur 14 Mil- liarden Goldmark zu bezahlen seien. Die Annui- täten von 2 Milliarden Goldmark sollen gegen besondere Garantien für die nächsten Jahre ge stundet werden. Der neu« Zahlungsplan wird aller Voraussicht nach bereits in den nächsten Tagen bekanntgegeben werden. Die „Time-" meldet au- Paris: In Berlin werden u. a. etwa folgende Ideen entwickelt werden: 1. In Wirklichkeit würde Deutschland kein Moratorium gewährt werden, aber Belgien würde statt Bargeld sechsmonatige Wechsel nehmen, die von Deutschland auf sogenannte V-Banken gezogen seien. ES sei jedoch zweifelhaft, ob die V-Banken (Fortsetzung Seite 2» Zum Fall Muller-Heim. (K.) Der Schriftsteller Georg Müller-Heim in Dresden richtet seit dem Dezember 1920, besonders aber seit Herausgabe seine- Wochenblattes fort gesetzte Angriffe gegen die Nachrichtenstelle in der Staatskauzlei, gegen einzelne in ihr beschäftigte Beamte und Angestellte und schließlich auch gegen den Ministerpräsidenten, dem die Nachrichtenstelle untersteht. Müller-Heim tat dies durch Eingaben und Beschwerden, die er an da« Gesamtministerium, an den Ministerpräsidenten und an seinen Stell vertreter, den Minister des Innern, richtete, und durch Veröffentlichungen in einigen Blättern, vor allem in seinem schon erwähnten Wochenblatte. Ein Teil dieser Angriffe, der als beleidigend empfunden wurde und noch nicht verjährt war, wird dem nächst das Gericht beschäftigen. ES soll daher hierauf nicht näher eingegangen werden. Dagegen sollen Tatsachen klargestellt werden, die Müller- Heim offenkundig zu seinen Angriffen veranlaßt haben. Bisher hatte hiersür keine Notwendigkeit vorgelegen. ES besteht aber die Möglichkeit, daß eS Müller-Heim durch die ständige Wiederholung seiner Behauptungen schließlich doch gelingt, ein zelne Kreise der Bevölkerung und auch die eine oder andere Zeitung zu irrigen Auffassungen über den wirklichen Sachstand zu bringen. Müller-Heim war 1920 als Dresdner Filial- leiter eines großen Berliner Nachrichtenunternehmen« tätig, das die Schristleitungen der bei ihm abon nierenden Zeitungen mit Nachrichtenstoff und Presseaussätzen versorgt. Die Art und Weise, wie die Dresdner Filiale dabei unter seiner Leitung und Verantwortung verfuhr, veranlaßte unter anderem da» Justizministerium, durch die hierfür zuständige Nachrichtenstelle in der StaatSkanzlei eine amtliche Pressenotiz herausgeben zu lassen (abgedruckt in Nr. 269 der Sächs. Staat-zeitung vom 22. November 1920), in der eS hieß: „ES ist geradezu gemeingefährlich, durch so grundlose, vage Behauptungen und Ver allgemeinerungen das Ansehen der Justiz zu untergraben." Und an einer anderen Stelle derselben Notiz ließ das Justizministerium diese von Müller-Heim ver- breiteten Behauptungen als sinnlos und ungerecht fertigt bezeichnen. Schonend verfuhr die amtliche Pressenotiz insofern, als sie das eigentlich be troffene Unternehmen und seinen verantwortlichen Filialleiter Müller-Heim nicht namentlich bezeich nete. ES wäre für Müller-Heim leicht gewesen, durch Abstellen des mit diesen Ausdrücken gekenn zeichneten Verfahrens Anlaß zu neuen Beschwerden zu vermeiden und dadurch die Angelegenheit in Vergessenheit geraten zu lassen. Statt dessen setzte er sein Verfahren fort und beantragte außerdem eine Pressekonferenz im Ministerium, um sich über die Nachrichtenstelle zu beschweren, weil sie die erwähnte Pressenotiz gegen ihn weiter- gegeben habe. Diese Konserenz fand am 29. No vember 1920 statt. Der Vertreter der Regierung war genötigt, den zahlreich versammelten Herren von der Presse einige Proben der Müller-Heim zur Last fallenden Berichterstattung vorzulegen. Der Erfolg war, daß auch die Pressekonferenz sich scharf gegen diese Art von Berichterstattung aussprach und die vom Justizministerium in jener Notiz geübte scharfe Kritik für zutreffend und berechtigt erklärte. Auch nach dieser Zurechtweisung durch seine BerufSgenossen wäre eS Müller-Heim noch möglich gewesen, da« für ihn Peinliche dieser Vorfälle durch Änderung seine» Verfahrens zu überwindrn, ohne daß er deshalb von sachlicher, noch so scharfer Kritik abzustehen brauchte. Von seilen der Regie- rung ist weder ihm, noch einem anderen Pressc- verlreler jemals da» Recht zu sachlicher Kritik be stritten oder beschnitten worden. Wohl aber müssen die Regierung und ihre beauftragten Organe sich dagegen wehren können, daß die öffentliche Meinung irregeleitet wird. Seit j.ncr Z it be gann Müller-Heim seine persönlichen Angriffe gegen Beamte und Angestellte der Nachrichtenstelle in Ler Staatskanzlei. Rund zwei Monate später wurde Müller-Heim seiner Stellung al» Filialleiter durch seine Berliner Direktion kurzerhand enthoben. Mit dieser Ent- lassung Müller-Heim» au» seiner bi»herige» Stel lung entfiel sür die Nachrichtenstelle seit dem Februar 1921 dir Veranlassung, ihm noch weiter hin die Manuskripte ter in der Presse zu Ver breiteiden amtlichen Notizen zuaehen zu lassen.