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SächsischeSlaalszeilung den Zreiftaat Sachsen Staatsan^eiger für Mittwoch, 30. August 1922 Nr. 2V2 Ankündigungen: Die 32 rum breite Grundzelle oder deren Raum im Ankündigung!» teile 12 M., die 66 rum breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Telle 24 M., unter Eingesandt 30 M. Ermäßigung auf Familien- u. Geschäftsanzeigen. Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint Werktag» nachmittags mit dem Datum des folgenden Tage». BezugSprei»: Unmittelbar od.durchdiePostanstalten30M.mon. EinzelneNrn.1,50M. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schristleitung Nr. 14b74. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486, Leitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Synodal-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-Brandversicherungsanstalt, Berkaufsliste von Hol-Pflanzen auf den StaatSsorstrevieren. Beauftragt mit der Oberleitung <und preßgesetzlichen Vertretung für den schriftstellerischen Teil): RegierungSrat DoengeS in Dresden. Die Knegsbeschuldigiensrage. Dresden, 29. August. Staatssekretär Schröder als Unter händler nach Paris entsandt. (Eigene Meldung.) Gestern vormittag um 19 Uhr fand eine Ehesbesprechung der zuständigen Ressortminister statt, in der die Einladung der ReparationS- kommission zur Entsendung eines deutschen Ver treters nach Paris beraten wurde. SS wurde beschlossen der Reparatioutzkommission mit» znteilen, daß die deutsche Regierung zur Ent sendung eines Vertreters bereit sei und morgen, Mittwoch, durch diesen Vertreter den deutschen Standpunkt eingehend darlegeu werde. AlS Delegierter wurde Staatssekretär Schröder vom ReichSsinanzministerium bestimmt, dem verschir- denc Referenten der Fachministerien zur Unter stützung btlgkgeben werden. Die Delegation hat Berlin gestern abend verlassen. Staatssekretär a. D. vr. Bergmann hat sich gleichfalls nach Paris begeben, allerdings in inoffizieller Ligen- fchast. Seine Anwesenheit in Paris erscheint um deswillen erwünscht, weil vr. Bergmann über die Berliner Verhandlungen und daS Repa- rationsprodlrm überhaupt genau unterrichtet ist. In den amtlichen Berliner Kreisen beurteilt man di« Entwicklung der Dinge jetzt zwar etwas hoffnungsvoller al» vor einig«»» Tagen, verhält sichaber doch ziemltch zurückhaltend. An eine Entscheidung ist vor Donnerstag nicht zu denken, und bis dahin sind zum mindesten keine tatsächlichen verSnderuugen zu verzeichnen. Tie Finanz- und Börsenkreise haben im Gegensatz zu dieser amtlichen Zurückhaltung auf die letzte» günstigeren AuSlaudsnachrichten stark reagiert, was in der gestrigen energischen Rückwärts- brweguug der Devisen zum Ausdruck kommt. Tie Konferenz mit den Minister präsidenten der Länder. (Eigene Meldung.) Nach Beendigung der gestrigen Chesbesprechung begann um M2 uhr hie Konferenz der Minister präsidenten und Innenminister der Länder. In der Vormittagssitzung, die bis ^2 Uhr dauerte, wurde vor allem über das Reparationsproblem verhandelt, während nachmittags die Teuerungs- Maßnahmen der Reichsregierung zur Debatte standen. Reichskanzler vr. Wirth beleuchtete beide Fragen in längerer Rede. Im Anschlusse hieran gab ReichSernährungsminister Fehr eine auSsühr- liche Darlegung unserer Ernährungslage. In der Aussprache ergriffen der preußische Ministerpräsi dent Braun, der bayerische Ministerpräsident Gra Lerchenfeld sowie der sächsische Minister des Innen Lipinski das Wort. Die Beratungen werden heute fortgesetzt. Eine besondere Konferenz der Er- nährungsminister soll nächsten Montag unter dem Vorsitz des ReichSernährungsminister- in Hamburg abgehalten werden. Besprechung des Reichskanzlers mit den Führer« der Reichstagsfraktionen. Der Reichskanzler hat die Fahrer sämtlicher Reichstagsfraklionen für Donnerstag abend zu einer Besprechung eingeladen. Die Parteiführer sollen über den augenblicklichen Stand der Außenpolitik sowie über die Teuerung-Maßnahmen unterrichtet werden. Einberufung des UeberwachungS- ausschusses des Reichstages. Der ÜberwachungsauSschuß des Reichstages ist zu Freitag vormittag einberusen worden, um die Durchführung der Gesetze zum Schutze der Re publik, insbesondere die bayerische Angelegenheit zu beraten. Bor der Entscheidung der Reparationskommiffion. Wie die Pariser „Information" meldet, hat der belgische Delegierte Delacrox Dubois der Reparationsko »Mission eine Lösung vorgeschlagen, wie die, die der „Temps" al» persönliche An regung veröffentlicht batte. Tie Reichsbank soll Der deutschen Botschaft in Paris ist in der Kriegsbeschuldigtenfrage nachstehende Note der Botschasterkonserenz zugegangen: Herr Botschafter! Mit Schreiben vom 14. Februar 1920 haben di« alliierten und assoziierten Regierungen bestätigt, daß die deutsche Regierung sich außerstande erklärt habe, ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 228 bis 230 des Versailler Vertrages zu erfüllen, die jenigen Deutschen auszul efern, deren Liste ihr am 3. Februar 1920 mitgeteilt worden war. Sie haben jedoch von der Erklärung der deutschen Re- gierung Kenntnis genommen, daß sie bereit sei, ohne Verzug vor dem höchsten Gericht in Leipzig ein mit den vollständigen Garantien ausgestatteles Strafverfahren gegen alle diese Personen ein zuleiten. Sie haben sich aber Vorbehalten, ihr Recht, wie es in den vorerwähnten Artikeln de» ver- träges umschrieben ist, in vollem Umfange au», zuüben und ihre Gerichte in Anspruch zu nehme«, falls sie nach den Ergebnissen per in Deutsch- land eingelriteten verfahre» und ergangenen Urteile zu der Auffassung gelangen, daß daS von der deutschen Regierung gemachte Anerbittc» aus den versuch hinauSläust, die Beschuldigt«« der gerechten und notwendige« Sühne für di« verbrechen zu entziehen, deren sie überführt werden würden. Die Alliierten habe« demzufolge mit einem Schreiben vom 7. Mai 1920 der deutsche« Re gierung eine erste Liste mit de« Namen von 45 Angeklagte« zugehen lassen, die aus der all gemeinen Liste der ihnen kraft de» Vertrag» auszuliesernden Beschuldigte« anSgewählt waren. Sie haben von der deutschen Regierung verlangt, daß sie alle Maßnahmen ergreifen solUe, um binnen möglichst kurzer Frist zur Aburteilung dieser Personen zu gelangen. Die alliierte« Mächte haben, wie es in dem Schreiben vom 7. Mai 192» vorgesehen war, die Rechtshilfe« ersuchen, die ihnen i« de» auf ihre« Antrag aufgknommeutn Fällen von der deutschen Justiz behörde zugegange» sind, ordnungsmäßig aus führen lassen. Sie haben ihren Staatsangehö rigen, die von dem OberreichSanwalt als Zeugen vor dem Leipziger Gerichtshof geladen worden Ware», die Reise nach Deutschland erleichtert, mit Ausnahme de» Falles Richelsohn, der erst nach Abberufung der französischen Adordnnng zur Ver handlung gekommen ist. Die alliierten Regierungen stelle« fest, daß der höchste Gerichtshof in Leipzig bisher im ganzen über zehn Mille von KriegSbeschuldigte« entschieden hat, und zwar in vier Fälle« auf Antrag der französische« Regierung, in einem Falle auf Antrag der belgische« Regler«»-, in vier Fällen auf Antrag der großbritannische« Regierung und in einem Falle auf Initiativ antrag der deutschen Behörde«. Dir italienische Negierung hat dem Gerichtshof im Laufe de» Sommers ihr «atrrial in verfchiedenen andere« Fällen unterbreitet, r» ist aber über keinen dieser Fälle entschieden worden. WaS die Art uad «eise des Verfahrens vor dem Leipziger Ge richtshof anbetrisft, so geht di« einmütige Ansicht der Alliierten dahin, daß, abgesehen von einer kleinen Anzahl von Fällen, der Gerichtshof in sofern versagt hat, al» keine genügende« A«- strengunge«'? zur Ergründung »der Wahrheit ge macht worden sind. WaS die von dem Leipziger Gerichtshof gefällten Urteile anlangt, durch monatliche Zahlungen einen gewissen Gold bestand, der einen Wert von 210 Millionen Golo- mark darstcllt, nach einer neutralen Bank schaffen, z. B. der Bank von Holland. Diese würde der belgischen Regierung gleichwertige Kredite zur Verfügung stellen. Da» deponierte Gold würde Eigentum der Reichsbank bleiben bi« zur endgültigen Lösung der Frage ter inter alliierten und der dcuischen Schulden. — „TempS" chreibt: Die vom „New York Herald" gebracht« Nachricht, daß Bradbury eine Kontrolle der vcu«'chrn Finanzen durch einen Ausschuß ameri- so geht die einmütige Ansicht der Regierungen dahin, daß der Gerichtshof in fast allen Fällen insofern versagt hat, als gewisse Angeklagte frei- gesprochen worden sind, wiewohl sie hätten ver urteilt werde« müssen, und daß selbst in den Fällen, i« denen die ««geklagten für schuldig erkannt worden sind, die verhängte Strafe un zureichend war. Die alliierten Regierungen müssen außerdem zu ihrem vedaueru festste«»», daß der Reichskanzler in einer öffentliche« Er klärung, die er am 2«. Januar 1922 im Reichs tage abgegeben hat, in dieser Frage dieselbe ablehnende Haltung eingenommen hat wie sei«« Vorgänger. Unter diesen Umständen sind die alliierte« Regierunge« angesichts der Strafverfahren und der Urteile der Meinung, daß die -««Ische Regierung ihre Zusage, sachliche und loyale Justiz zu üben, nicht gehalten hat. Sie erkläre«, von jetzt ab dir deutschen Strafverfolgungen der vor dem Leipziger Gerichtshof bisher nicht erschienenen Beschuldigten völlig außer Betracht zu lasse«. Sie nehmen infolgedessen all« ihn«« kraft de» vertrage» gegenwärtig und zukünftig zustehende« Rechte wieder aus oder behalten sie sich vor. Jn»befoudere behalt,» sie sich vor, nötigenfalls im Abwesenheitsverfahre» die »riegs- beschuldigte» zu verfolgen. gez. Poinearö. Hierzu wird von zuständiger Seite das Fol gende bemerkt: Die Botschafterkonferenz hat sich in dieser Note, die übrigens von der Gesandtschaft der alliierten Hauptmächte ausgeht, in der Bewertung der Verfahren und der Urteile des Reichsgerichts in den bisher zur Verhandlung gekommenen Kriegsbeschuldigtenfällen einstimmig auf den Boden des Gutachtens gestellt, das der vom Obersten Rat zur Prüfung der Angelegenheit eingesetzte Ausschuß seinerzeit erstattet hat. Dieses Ergebnis muß um so mehr befremden, als die völlige Unparteilichkeit des höchsten deutschen Gerichtshöfe- in den bisherigen Verfahren von der in erster Reihe interessierten englischen Seite verschiedentlich unmwunden anerkannt worden ist. So hat der englische Sollte itor General Ernest Pollock, der im amt lichen Auftrage bei der Behandlung der englischen Fälle zugegen war, in der Unterhaussitzung vom 21. August 1921 erklärt, die Art und Weise der Prozeßleitung durch den Senatspräsidenten des Reichsgerichts habe mit Sicherheit den aufrichtigen Wunsch erkennen lassen, der Wahrheit auf den Grund zu kommen; es würde völlig unsachgemäß von ihm sein, nicht anzuerkennen, daß nach seinem Eindruck der Reichsgerichtshof entschlossen sei, die Wahrheit an» Licht zu bringen; ob die Urteile in den Augen der Ankläger hinreichend wären oder nicht, die Aufrichtigkeit des Gericht» erscheine über jeden Zweifel erhaben; gegenüber der Kritik an der Höhe der Strafen sei festzustellen, daß die Fälle notwendigerweise nach deutschem Recht ab geurteilt worden seien und die erkannten Strafen den deutschen Gesetzen entsprochen hätten. Dieser von maßgebendster englischer Stelle herrührenden Vertrauenikundgebung braucht kein Wort hinzu- gefügt zu werden. Da» Reichsgericht steht in seiner leidenschaftslosen Unparteilichkeit über allen in der Note enthaltenen Vorwürfen, über die weitere Behandlung der Angelegenheit durch die deutsche Regierung sind, wie wir hören, die zuständigen Stellen bereits in Beratungen eingelreteir, an denen auch der Oberreichsanwalt beteiligt sein wird. kanischer Bankiers angeregt habe, sei nicht richtig. Ein derartiger Vorschlag sei der Reparation?- kommission nicht unterbreitet worden, auch nicht offiziös. Der Streit wegen der Nationalitäten- dekrete in Tunis und Marokko. DaS Reutersche Bureau meldet, daß die bri'i- sche Regierung auf das Programm der nächsten Tagung de» Vö-kerbundsrates auch den Streit mit Frai kreich wegen der in Tunis und Marokko I veröffentlichten Na ionalitätendekrete sehen werde. Die Konserrnz der Kleine« Entente. Die Marienbader Konferenz der leitenden Minister der Kleinen Ententestaaten ist politisch interessant genug, daß sie trotz der größeren euro päischen Probleme, die im Vordergründe de» politischen Interesses stehen, Anspruch auf Be achtung hat. Handelt es sich doch darum, dem Gedanken der Kleinen Entente einen neuen In- halt zu geben, nachdem die Tendenz, die ur sprünglich für die Begründung dieses Staaten- bundes maßgebend war, durch den Zusammen bruch deS Hauses Habsburg gegenstandslos ge worden ist. Dies war ja, wenigstens nach der offiziellen Lesart, das einzige außenpolitische Ziel der Kleinen Entente, nämlich Verhinderung der Rückkehr der Habsburger. In der Tat konnte« weder Frankreich noch Italien die Existenzberech tigung des südosteuropäischen Staatenbundes in Zweifel ziehen, solange sich dieser keine andere Ausgabe als die Sicherung der bestehenden Friedensverlräge und der aus diesen abgeleiteten territorialen Neubildungen stellte. Ja, dieses an- geblich alleinige Ziel der Kleinen Entente schienen die Westmächte so aufs innigste zu wünschen, daß sie dem neuen Bunde jede Förderung ange deihen ließen, und auch dann ein Auge zudrück- len. wenn er nach außen mit einem Selbst, bewußtsein austrat, das im allgemeinen von den Beherrschern Europas wenig beifällig oufgenom« ine« zu werden pflegt. Mit dem Tode Karls IV. hätten im Grunde genommen die Tage der Kleinen Entente gezählt sein müssen. Um so überraschter war man in politischen Kreisen, als die drei in dem Verbände zusammengeschlossenen Mächte, Sürflawien, Rumänien und die Tschecho-Slowakei, keinerlei Miene machten, ihre All anz aufzulösen, daß sie vielmehr durch d e Heranziehung Polen» dem südosteuropäischen Block noch ein größeres Gewicht zu verleihen suchten. Während der Tagung der G.nua-Konferenz hat sich die Kleine Entente, verstärkt durch das mit ihr sympathisierende Polen, als ein nicht zu ver- nachlässigender Faktor der europäischen Politik er- wiesen, und selbst der Protektor Frankreich hatte mehr als einmal Veranlassung, sich mit dem Wir ken des vr. Benesch, der die kleinen Mächte führt, wenig einverstanden zu erklären. Ihren Ehrgeiz, eine offizielle Vertretung in der Botschafterkonferenz und im Obersten Rat zu beanspruchen, hat die Kleine Entente allerdings nicht durchzusetzen ver mocht, und als die bekannten Verhandlungen an der Themse schwebten, die dem Londoner Ulti matum vorausgingen, hat vr. Benesch vergebens den Versuch gemacht, den hinter ihm stehenden Bund al» gleichberechtigte Großmacht zu repräsen tieren, sodaß er sich auf die Rolle eines ehrlichen Maklers zwischen Frankreich und England be schränken mußte, als zwischen diesen Hauptmächten die Verhandlungen in» Stocken gerieten. Auch in der Zukunft beansprucht die Kleine Entente, vor allem i» alle» Mitteleuropa betreffenden Frage» gehört zu werden, und so haben wir wohl in der jetzigen Konferenz einen ersten Versuch zu er blicken, um eine gemeinsame außenpolitische Ein- stellung der beteiligten Staaten zu den dringen den mitteleuropäischen Fragen anzubahnen. An erster Stelle steht dabei die österreichische Frage, die eine Zeitlang von der Kleinen Entente nicht als eine lebenswichtige Angelegenheit betrachtet wurde. Zunächst hatte man in Prag, Belgrad und Bukarest die Anschlußidee Österreichs an Deutschland nicht nur gefördert, ja man hatte so gar den Anschluß direkt gefordert, und erst, al» von England aus der Hinweis daraus gelenkt wurde, daß man sich durch die Bindung Öster reichs an Deutschland da» geographische Operations feld zerschneide, ließ man alle Pläne dieser Art fallen und erwog sogar den Gedanken, Österreich al» Mitglied de» Verbandes zu gewinnen. Das österreichische Problem dürfte also eins der wichtigsten der Marienbader Tagesordnung sein. In welcher Richtung die Lösung der öster reichischen Frage versucht werden wird, mag einst weilen dahingestellt bleiben; als sicher darf nur soviel gelten, daß die in der letzten Zeit hier und da aufgetauchten Gerüchte, daß die Tschecho- Slowakei Ansprüche auf Wien erhebe, wohl ins Reich der Fabel gehören. Nicht weniger wichtig ist die Frage der Einstellung zu Deutschland. Verließe man sich in Prag und Belgrad auf de«