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Tonnabend. iöeipzig. Di,Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au«- gegeben. Prei- für da« Vierteljahr IV, Thlr.; jede einzelne Nummer 3 Ngr. Rr. »31 — 7. Juni L8SK. Deutsche MgeMM Zeitung. -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz I» Zu beziehen durch alle Postämter de« Zn- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Oesterreichs Zukunft. — Leipzig, 6. Juni. Die Verhältnisse Oesterreichs sind seit lange her ein unlösbares Räthsel nicht blos für den oberflächlichen TageSpolitiker, sondern selbst für Die, welche sich gründlicher mit ihnen beschäftigen. Wer weiß, ob sie eS nicht sogar für die eigenen Staatsmänner dieses Landes sind? Die Elemente der Stärke und der Schwäche, des Aufschwungs und dcS Verfalls, der Selbstgewißhcit und des unsichern HerumtappenS nach äußern Rückhalten sind in diesem merkwürdigen Reiche so eigenthüm- lich miteinander gemischt und treten bisweilen in so unvermitteltem Wech sel auf, daß man in der That nicht weiß, welchem von beiden man die Zukunft Oesterreichs verpfändet glauben soll. Eben jetzt wieder sehen wir einen solchen Wechsel vor sich gehen. Kaum daß die Stärke Oesterreichs «inen ihrer glänzendsten Triumphe zu feiern schien, indem sein bloßer „Schlag ans Schwert" (um in der stolzen Sprache der österreichischen Blätter zu reden) der größten Macht Europas den Frieden, den sie lange verweigert, abzwang, während die Besorgniß, daß Oesterreich das in der Scheide ge lüftete Schwert doch am Ende nicht ziehen möchte, die beiden mächtigen Cabinete des Westens veranlaßte, mitten in ihren besten Erfolgen stillzu- siehen und dem Gegner eine goldene Brücke zu bauen — kaum daß dies geschehen, sehen wir Oesterreich mit ängstlicher Lebhaftigkeit erst bei Preu ßen um eine Garantie seines Besitzstandes werben, dann mit den West mächten ein Bündniß eingehen, worin es sich für unberechenbare Zukunsts- fälle zu einer Thätigkeit gegen Rußland verpflichtet, welcher cs in dem letz ten Kriege selbst bei den günstigsten Verhältnissen sorgsamst auswich, ledig lich weil es hofft, auf diese Weise die Westmächte in Italien, wo nicht für sich, doch nicht gegen sich zu haben — sehen wir es endlich die alten Plane einer Verschmelzung der deutschen mit den österreichischen Interessen wieder hervorsuchen, diesmal aber offenbar mehr noch in der Nolle eines nach Un terstützung und Kräftigung durch fremde Hülfe, als nach Herrschaft Stre- benden. Dasselbe Oesterreich, welches dem russischen Niesen zu trotzen und zu drohen wagte, scheint nicht ohne Bedenken den von dem kleinen Sar dinien ihm hingeworfcnen Handschuh aufzuheben und bietet alle seine ma teriellen und geistigen Mittel, die erprobte Feldherrnvorsicht des greisen Hel den von Novara und die lauten Stimmen seiner zahlreichen Prcßorgane auf, um die Gefahr, welche es von dorther zu befürchten scheint, zu be- schwöreü. Für Deutschland ist natürlich die Frage nach Oesterreichs Zukunft un ter allen Umständen eine hochwichtige, doppelt' wichtig aber, sobald es gilt, sich zu entscheiden, ob Deutschland seine Geschicke an die Geschicke Oester reichs ketten und also für diesen Staat eine gewisse Solidarität überneh men solle, sei es eine politische oder auch nur eine kommerziell-finanzielle. Stimmen von nicht zu unterschätzendem Gewicht, wie z. B. die neueste Diezel'sche Schrift, haben sich, zum Theil freilich nur aus Verzweiflung an allen andern Möglichkeiten einer Regelung unserer misgestaltclen natio.na- len Verhältnisse, einem solchen engern Anschlusse an Oesterreich nicht abge neigt erklärt. Und noch neulich hat dieses Blatt von Süddcutschland aus verkündigt, daß dort nicht Wenige die gleiche Ansicht hegen, die Einen trotz des Concordats, die Andern wegen desselben, die Einen, weil sie daran verzweifeln, daß Preußen so bald etwas für Deutschland thue, die Andern, weil sie fürchten,' es möchte ihm doch einmal wieder dieser Gedankt kom men. Unter solchen Umständen dürfte es jedenfalls nicht uninteressant sein, auch eine Stimme der entgegengesetzten Art zu vernehmen, eine Stimme, welche die engere Vereinigung Deutschlands mit Oesterreich nicht bloS darum widerräth, weil sie dieselbe für die politische und geistige Entwickelung Deutsch lands gefährlich erachtet, sondern weil sie der Zukunft Oesterreichs selbst mistraut und das Glücköschiff Deutschlands nicht an jenes, wie sie meint, lecke Fahrzeug gekettet wissen will. Wir haben bei anderer Gelegenheit eines geistvollen SchriftchenS Erwähnung gethan: „Der Friede und seine Folgen vom Standpunkte der Nationalökonomie."*) Dieses Schrislchen verbreitet sich auch eingehender über die Verhältnisse Oesterreichs und zwar mit einer Schärfe und Unbestechlichkeit der Kritik, der man zwar vielleicht seine Beistimmung, gewiß aber nicht die ernsteste Beachtung versagen kann. „Oesterreich", sagt der Verfasser dieser Schrift, „läßt kein Mittel unver- sucht, um die Wässer der öffentlichen Meinung zu trüben, um nach deut schen Sympathien zu fischen. Oesterreich strengt alle Kräfte an, um sich der Hegemonie, die es seit seiner Restauration mit erneuter Kraft verfolgt, um sich dem Ziele der Dienstbarmachung der Kräfte aller Mittel- und Kleinstaaten für die österreichischen Interessen um einen weitern und wei ten Schritt zu nähern; die- liegt auch für den Blindesten zutage. UnS aber liegt nicht- ferner als eine auch in der Nation bald verflüchtigte Ge- sühl-politik, die mit dem Kaiserstaat ob dieses Strebens wegen «Perfidie *) Heidelberg, akademische Verlag-Handlung von Mohr. gegen die Sache Deutschlands» processiren wollte. Es wäre dies so un verständig wie ungerecht. Auch für den österreichischen Staat gibt es kein höheres Gebot als das Gebot der Selbsterhaltung. Und so Unglaubliches die österreichische Publicistik in der Kunst des Phrasendrechselns leistet, wir wüßten nicht, wo für den Anschluß Deutschlands das Angebot eines selb ständigen Deutschland oder Aneignung deutscher, Oesterreich irgend feindli cher Culturbedingungcn erfolgt wäre. Alles durch Deutschland und Alles für Oesterreich! so lautet der Wahlspruch der wiener Staatsmänner. Und wahrlich, wenn guter Wille, Talent und Energie das Gelingen ihres Wer kes verbürgen könnte, wir und mit uns nicht die Minorität der kleinstaat lichen Bevölkerung würden keinen Augenblick anstehen, für die Hegemonie Oesterreichs alle Träume der Paulskirche und jeden politischen Verband mit den preußischen Brüdern dahinzugeben. Denn der preußische Staat hat das Zeug dazu, seine kulturhistorische Aufgabe auch ohne Deutschland, wenn weniger glänzend, doch sicher zu erfüllen. Für uns Andere dagegen in den Klein- und Mittelstaaten ist die Erhaltung unserer politischen Selbständig keit ganz gleichbedeutend mit einer Stagnation der wichtigsten Volksinlercs- sen, mit einer Versumpfung des Volksgeistes, mit einem Verzicht auf jedes stolze staatliche Selbstgefühl. Wer uns von diesem Fluche des Particula- rismus erlöste, wäre willkommen, ob er den einfachen oder den Doppelad- ler in den Fahnen führte! Für diese Mission jedoch auf Oesterreich bauen, heißt entweder das Wesen der deutschen Cultur oder die Natur der öster reichischen Staatöverhältnisse gänzlich verkennen. Der österreichische Kaiscr- staat ist kein Culturstaat im deutschen Sinne dieses Worts, er gewährt nicht die für die Bildung, den Wohlstand und die staatliche Entwickelung eines germanischen Volks nothwendigen Lebensbedingungen, und die öster reichischen Völker werden diese Bedingungen auch in Zukunft erst dann er füllen, wenn die heutige Form ihrer staatlichen Existenz in Stücken liegt. Mag diese Behauptung gewagt klingen, wenn man nur den Menschen und den äußern Anschein der Dinge im heutigen Oesterreich ins Auge faßt: vor der unerbittlichen Sprache der Verhältnisse werden die Einreden ver- stummen." (Schluß folgt) Deutschland. Der Kölnischen Zeitung schreibt man aus Berlin vom 4. Juni: „Die schleswig-holsteinischen Angelegenheiten, von welchen außerhalb der Hcrzogthümer an officiellcn Stellen seit geraumer Zeit nichts gehört wurde, dürften bald am Deutschen Bunde zur Verhandlung kommen. Lauen - bürg klagt wegen der dänischen Veräußerung der Domänen im Widerspruch mit dem achtelsburger Vertrage vom Jahre 1529. In Holstein haben ebenfalls unrechtmäßige Domäncnverkäufe staitgesundcn. Dazu kommt die wohlbekannte Beschwerde des einseitigen Erlasses der Gesammtverfassung. Der Bund wird sich, wie man hört, in der nächsten Zeil mit diesen be gründeten Klagen zu beschäftigen haben." Preußen, Berlin, 5. Juni. In engem Anschlusse an die Vor schläge der bairischen Regierung zur Herstellung eines allgemeinen deut schen Handelsgesetzbuchs stehen die weitern Vorschläge zur. Herstel lung einer gemeinschaftlichen Patentgesetzgcbung, eines gemeinschaftlichen Musterschutzes, gemeinschaftlicher Bestimmungen über Messen und Jahr- Märkte, über Hausirhandel rc. Wie nothwendig die Schaffung solcher gc- meinschaftlichen Bestimmungen, ist namentlich in Betreff der Patentgcsetz- gebung und des Musterschutzes schon seit Jahren von der gesummten deut schen Handelswelt so erschöpfend dargclegt worden, daß es in dieser Bezie hung unsererseits gar keines Wortes mehr bedarf, und wir fügen darum in sachlicher Beziehung nur noch hinzu, daß man der Meinung ist, daß zur Erreichung einer Einigung über dir betreffenden Punkte sich derselbe Weg empfehlen dürfte, welcher zur Herstellung der allgemeinen deutschen Handelsgesetzgebung vorgeschlagen worden ist. Ferner gehört auch noch in diese, den Handel betreffende Kategorie der bairischen Vorschläge die Rcgu- lirung der deutschen Münzverhältnisse und die Herstellung eines überall gleichmäßigen Gewicht-. Besondere Vorschläge werden hierüber indessen nicht gemacht, weil in Betreff der Münzverhältnisse die mit der österreichischen Ne gierung cingcleiteten Berathungen ein gutes Resultat erwarten lassen und in Betreff des Gewichts seitens der preußischen Regierung mit den übrigen Negie rungen de-Zollvereins bereits Unterhandlungen über die gemeinsame Einführung de« Zollgewichts al- allgemeines LandeSgewicht eingeleitet sind. Bemerkt wird jedoch, daß die Verhandlungen, wenn sie über das Gewicht zu einem guten Resultat geführt haben, dann auch auf die Herbeiführung einheitlicher Maße au-zudehnen sein dürften. Endlich gehören auch noch hierher die Vorschläge zur Unterstützung von Handel und Verkehr durch Erleichterung der Rechts verfolgung. Manches ist in dieser Beziehung durch Einzelverträge bereits angebahnt, nnd eS würde sich darum, bei gutem Willen , ganz gewiß auch