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Sonnabend. Nr. tos — 7. Mai L8S3 Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de» Mont»g« täglich und wird Nachmittag« "1 Uhr auS- gegeben. DtüW AMw MMg. Preis für da- Viertel jahr 1'/, Lhlr.; jede eln- jelne Nummer 2 Ngr. »Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» - Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslände», sowie durch die ürpeditlon in Leipzig (Querstraße Nr. 8-. Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. *Aus Norddeutschland, 4. Mai. Es wird behauptet, die römische Partei wolle die dermaligen Streitigkeiten zwischen den katholischen Prälaten am Ober- und Mittelrhcin und ihren Regierungen vor den Bundestag bringen. Diese Behauptung trägt das Gepräge großer Unwahr scheinlichkeit. Da der jetzige Bundestag nur eine Fortsetzung des früher» ist: so läßt sich folgerichtig auch nur diesem Analoges von demselben er warten. WaS that aber der alle Bundestag, als die römischen Tiroler 1837 mehre Hundert ihrer Landsleute deshalb aus ihren Bergen vertrie ben, weil sie Protestanten geworden waren? Was that dieselbe Bundes behörde beim kölner Conflict? Sic griff in beiden Fällen weder für den Protestantismus noch für den römischen Katholicismus ein. Eine gleiche Neutralität würde die oberste BundeSbchörde auch jetzt beobachten, wenn die ultramontane Partei ihre Beschwerden gegen ihre Landesvertrelungen, ihre Berufung auf.die alten CanoncS des Mittelalters gegen die durch den Westfä lischen Frieden bereits sanctionirten Rechte der Staaten gegen die römische Curie vor ihr Forum bringen wollte. Selbst wenn es einige Regierungen in Deutschland gäbe, welche die römische Kirche in protestantischen Ländern gern von den dortigen Regierungen ganz emancipiren möchten: so wäre ihre Zahl doch sehr gering, da seit 1803 und seit dem Rheinbunde die Zahl der katholischen Fürsten und Regierungen sehr abgcnommcn hat, keine pro testantische Regierung aber, die nicht gegen sich selbst kämpfen will, darein willigen kann, daß den römischen Bischöfen völlige Unabhängigkeit von der Staatsgewalt zugestanden würde. Denn wie lange würde es dann dauern, bis sich diese früher selbständigen Prälaten als Fürsten des Heiligen Römi- schen Reichs der Welt ankündigtcn, da sie nach päpstlichem Rechte immer noch kanoncnrechtlich im Besitze der Souveränetät ihrer Bisthümer sind. Denn der Papst hat es noch nie rechtlich anerkannt, daß Hessen Mainz und Fulda besitzt. Unter gleicher päpstlicher Protestation besitzt aber auch Oesterreich Salzburg, Botzen und Brixen; Baiern Würzburg, Bamberg, Speier re.; darum wird wol selbst von katholischen Regierungen die versuchte Restaura, tion beim Bundestage nicht unterstützt werden. Frankfurt a. M., 2. Mai. Es sind, sichern, Vernehmen nach, die Revisionen des Rechnungswesens der ehemaligen deutschen Nordsee flotte, unter der Leitung des Bundescommissars, Staatsraths On. Fischer, nunmehr vollständig beendet; ebenso der Verkauf aller zu derselben ge hörigen Gegenstände. Nur die Armatur für die Flottcnmannschaft für etwa 1200 Mann ist noch vorhanden. Es ist die Verfügung getroffen, daß dieselbe nicht veräußert werden soll. Die der Bundesmilitärcommission zugetheilt gewesene Marinecommission ist seit dem 1. Mai definitiv auf- gelöst. (Leipz. Z.) Preußen. Die Preußische Zeitung berichtet aus Berlin vom 4- Mai: „Nach einer gestern hier cingegangencn telegraphischen Depesche war der König der Belgier in Begleitung des Herzogs von Brabant sowie des Generals de Liem und des Oberstlieulenanls de Moerkerke mit einem Extrazuge von Braunschweig, wo sie übernachtet hatten, um 12/, Uhr ab- gefahren und kam gegen 5 Uhr in Potsdam an, wo derselbe auf dem Bahn hofe von dem Könige und^ den, Prinzen Friedrich Wilhelm sowie mehren Generalen und höhern Offizieren empfangen wurde. Nach einem kurzen Aufenthalte daselbst fuhren die allerhöchsten Herrschaften nach 5 Uhr von Potsdam ab und kamen um 6 Uhr auf dem hiesigen Potsdamer Bahnhofe an. Der König der Belgier begab sich ngch dem belgischen Gesandtschafts hotel, während unser König nach dem königlichen Schlosse fuhr." tt Berlin, 5. Mai. Die Ankunft des Königs der Belgier war von einigen nicht uninteressanten Einzelheiten begleitet, die in den Morgen- blättcrn nicht erwähnt sind. Um 5 Uhr war der Zug von Braunschweig, wo die Reisenden mit dem Herzoge von Braunschweig gefrühstückt hatten, angelangt. Der König von Preußen befand sich in der Eisenbahnstation. Er umarmte den König und den Herzog von Brabant, stieg dann mit ih nen und dem Sohne des Prinzen von Preußen in denselben Wagen und begleitete den König und Herzog nach Berlin. Hier nahm er Abschied, er schien aber gleich darauf (sowie auch nach wenigen Augenblicken der Prinz von Preußen und sämmtliche Prinzen der königlichen Familie) in der bel gischen Gesandtschaftswohnung, um den ersten Willkommbcsuch abzustalten. Gegen 7 Uhr zogen sich der König von Preußen und die Prinzen zurück. Ersterer begab sich wieder nach Potsdam mit dem Prinzen Friedrich Wil helm. Gestern Abend noch erhielt darauf der belgische König einen Brief des Kaisers von Oesterreich, der mittheilte, daß ihn der Kaiser am 11. Mai Abends in Wien erwarte, sodaß die Abreise von Berlin wahrscheinlich am 10. Mai früh erfolgen und das Nachtlager in Ratibor genommen werden wird. Heute früh 10 Uhr empfing der König den Ministerpräsidenten, dann den Herzog von Nassau, wohnte dem Gottesdienste im Dome bei, während der Herzog von Brabant die Messe in der Hcdwigökirche hörte, besuchte die Prinzessin Karl, erwiderte den Prinzen ihren gestrigen Besuch und fuhr um 2 Uhr nach Potsdam zu einen, Diner, das um 3 Uhr die königlich Familie und die belgischen Gäste vereinigte. Um 6 Uhr kehrte der König nach Berlin zurück und empfing auf der Gesandtschaft gegen 7 Uhr zum zweiten male den Ministerpräsidenten, weil die Morgenunterredung durch den Besuch des Herzogs von Nassau unterbrochen worden war. Um 8 Uhr begaben sich der König und der Herzog in die Oper, wo nur eine gewöhn- *liche Vorstellung angesagt ist. Morgen früh um 9 Uhr wohnen sie einer militärischen Revue in Tempelhof bei. Um 4 Uhr ist großes Diner im Schlosse, Abends Darstellung der „Jungfrau von Orleans". Am 6. Mai endlich soll in Potsdam zum Andenken Tieck'S die „Antigone" aufge führt werden. — In der vorgestrigen Sitzung der 1. Kammer erstattete der Abg. Di. v. Zander den Bericht der Geschäftsordnungscommission über den Gesetz entwurf, betreffend die Continuität der Kammervorlagen (Antrag Nöldechen aus der II. Kammer). Die Commission trägt darauf an, dem Gesetzentwurf in folgender Fassung die Zustimmung zu geben: „Gesetzent würfe, welche von einer oder beiden Kammern berathcn und an die andere Kammer mit den, Beschluß derjenigen, welche die Gesetzentwürfe zuletzt be- rathen hat, bereits gelangt und beziehentlich zurückgelangt sind, werden, wenn die Berathung beim Schlüsse der Sitzung noch nicht beendigt war, auf Veranlassung der königlichen Staalsregierung in der nächsten Sitzung derselben Legislaturperiode von derjenigen Kammer wieder ausgenommen, bei welcher die Sache nicht definitiv erledigt worden ist." Bei der Debatte sprachen die Abgg. Graf Arnim, Stahl, v. Below gegen die Annahme des Gesetzentwurfs. Hierauf wird der Commissionsantrag und die Fassung der II. Kammer, somit also der (von dem Abg. Nöldechen in der ll. Kammer cingebrachte) ganze Gesetzentwurf abgelehnt. Die Commission der II. Kammer für Finanzen und Zölle hat Bericht über die Gesetzvorlage wegen Berichtigung des bei Erhebung der Brannt- > weinsteuer zur Anwendung kommenden Maischsteuersatzes erstattet. Die Commission hat ein unabweisliches Bedürfniß zur Vermehrung der Staats einnahmen nicht für nachgewiesen erachtet, und deshalb mit 10 gegen 6 Stimmen bei der Kammer beantragt, dem Gesetzentwürfe die verfassungs mäßige Zustimmung nicht zu crlheilcn. — Der Preußische Staats-Anzeiger veröffentlicht das vom 25. April datirte Gesetz über die Kompetenz deö Kammergerichts zur Untersuchung und Entscheidung wegen der Staatsverbrechen und das dabei zu be obachtende Verfahren. — Die Nachricht von dem Eintritte des Staatsraths Klindworth in preußische Dienste hat sich nicht bestätigt. — In Köln wurden am 3. Mai von der Polizei bei dem Bierwirthe Simons im „Kranze" die Abbildungen von Kossuth, N. Blum und an dere ähnlicher Art fortgcnommcn. X Königsberg, 3. Mai. Die südlich milde Witterung, welche seit zwei Wochen bei uns herrscht, läßt die Vegetation üppig vorwärts schreiten; aus allen Theilen der Provinz laufen günstige Nachrichten über den Stand der Saaten ein, und damit ist denn auch der Kornspeculation wieder die Thür geöffnet. Schon jetzt macht man Geschäfte auf die Ernte. Die Schiffahrt ist bereits in vollem Gange, doch nicht in dem Umfange als man hoffte; denn noch fehlen die großen Getreidefahrzcuge von den russi schen Strömen und die Frequenz derselben wird in diesem Jahre sicher nicht die gewohnte sein. Das Gouvernement hat dort gewaltige Einkäufe für die Kriegsmagazine während des Winters gemacht. Posen, 3. Mai. Trotzdem, daß noch kürzlich mit aller Bestimmtheit behauptet wurde, unsere Polizei habe den hier beabsichtigten Jesuiten- Missionen Hindernisse in den Weg gelegt, sind die frommen Väter doch vorgestern und gestern ziemlich zahlreich (angeblich zehn bis zwölf) hier cin- passirt und werden schon morgen ihre Predigten beginnen, und zwar, wie verlautet, in drei oder vier Kirchen zu gleicher Zeit, sowol in deutscher als in polnischer Sprache. Daß der Andrang des Publicums ein außerordent licher sein wird, leidet keinen Zweifel, da es nun einmal, und zwar nicht blos unter den Katholiken, zum Zeitton gehört, den Jesuiten das Wort zu reden. Und dies thun vorzugsweise diejenigen Herren, die gern vom histo rischen Recht sprechen, und die, wenn sie die Geschichte wirklich studirt hät ten, wohl wissen könnten und sollten, daß die Jesuiten, wenn auch schein bar, so doch niemals in der Wirklichkeit den Staatsregierungen Heil ge bracht haben. Nicht so glücklich wie hier in Posen scheinen die sonst ebenso schlauen als frommen Väter in Beziehung auf das Kloster zu Olobok hart an der polnischen Grenze, im adelnauer Kreise, opcrirl zu haben, indem die heutige Zeitung berichtet, daß zwar die geistliche Oberbehörde dieses umfang- reiche Kloster zu einem bleibenden Sitz für die Jesuiten bestimmt habe und