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Sonnabend. Nr. 447. 18. December L8SL Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de» Montag- täglich und wird Nachmittag« ä Uhr auS- gegeben. Prei« für da« Biertel- jahr I'/, Lhlr.; jede ein« zelne Nummer 2 Ngr. DcuWr MWimit ZcitMg. »Wahrheit und Recht, Freiheit «ub Sesetzl» Zu beziehen durch all« Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Szpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Anfertionegedüh« für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Die Zoll- und Handelsfrage. /X Berlin, 16. Dec. Trotz des Zusammentreffen- so mancher günsti- gen Anzeichen, welche zu der Hoffnung einer Annäherung und eines nahen Verständnisses in der deutschen Zoll- und Handelsangelegenheit zu berechtigen scheinen, will das Vertrauen auf einen allseitig befriedigenden Ausgang der Krisis nicht recht Wurzel fassen. Die Ursache des Zweifels ist leicht entdeckt: Niemand kennt das Wie der Lösung. Entgegenstehende Principien sind schlechterdings nicht zu versöhnen noch zu vereinbaren und daß die mächtigsten Factoren in der Zollfrage bisher von entgcgcnstehenden Principien geleitet wurden, dürfte aller Welt offenbar sein. Nicht das Ab- dingen gegenseitiger Foderungen untergeordneten Ranges ist daher der Weg zu einer solchen Lösung, welche Deutschland handelspolitisch geeinigt erhal ten kann, sondern das zeitige Aufgeben des Princips selbst von der einen oder andern Seite. Dies erkennt unter andern auch die Frankfurter Post- zeitung an und erklärt, die allgemein gehegte Hoffnung auf Verständigung und Annäherung deshalb nicht theilen zu können, weil sie auf einer Vor- aussetzung beruhe, „die nicht möglich ist", darauf nämlich, daß Oesterreich auf die Zolleinigung verzichte und sich mit dem Abschlusse eines Handels vertrags begnüge. Das genannte Blatt stellt sich die Aufgabe, die Unmög lichkeit dieses Verzichts nachzuweisen, will diesen Beweis auf die „unwan delbare" Lage der Dinge gründen und „mit Thatsachen wie mit Ziffern rechnen", verfällt aber bei der Deduktion in den schlimmen Fehler der Unklarheit und Oberflächlichkeit. Schon die Behauptung, daß die Lage der Dinge unwandelbar sei, ist sowol an sich unhaltbar als falsch in Anwendung auf die in Rede stehende Angelegenheit, denn seit der Kündigung der Zollver- einsverträge am 11. Nov. 1851 hat sich die Lage ber Dinge öfters und wesentlich geändert. Namentlich ist die gegenwärtige Position Preußens eine ebenso günstige, als sie vor dem Abbruch der Berliner Zollconfcren- zen ungünstig war. Gegenwärtig ist Preußen nicht nur im Stande, son dern entschlossen, gemeinsam, mit seinen neuen Zollvcrbündeten aus Grund des Scptembervertrags mit den aus dem Zollvereine mit ihm ausscheiden- den deutschen.Staaten und mit Oesterreich einen einfachen Handelsvertrag abzuschließen, während cs noch im August d. I. ziemlich allein stand und die Aussicht auf einen eventuellen norddeutschen Zollbund noch schwach war. Die Lage der Dinge hat sich aber auch hinsichtlich Oesterreichs und der Coalitionsstaaten geändert. Vor dem Abbruche der Zollconfercnzen war Oesterreich noch nicht die Hoffnung benommen, seinen ursprünglichen Plan, ganz Deutschland mit seinem bunten Ländergemisch zu zollcinigen, doch noch durchzusetzen. Dies ist jetzt vorbei. Nun meint zwar die Frankfurter Post zeitung, die Lage der Dinge sei unwandelbar. Aber nicht nur hierin be weist der Verfasser jenes Artikels die Oberflächlichkeit und Unklarheit seines Uaisonnements; er deducirt ferner: „Nicht dem Handelsverträge war jemals von irgend einer Seite widersprochen, sondern dem Wie des Vertrags, und dieses Wie war von der einen Seite stets die Zolleinigung, von der andern Seite nie." In diesem letzten Punkte hat der Verfasser freilich Recht. Daß aber das Wie dcS Handelsvertrags österreichischerseits „stets die Zolleinigung" gewesen sei, ist zunächst ein Widersinn in sich, man müßte denn keinen Un- terschicd zwischen beiden Verhältnissen kennen; dann aber steht dieser Be hauptung auch die Thatsache entgegen, daß Oesterreich längst schon auf eine sofortige Zolleinigung verzichtet und seine Foderungen darauf beschränkt hat, diese durch einen Handelsvertrag anzubahnen und vorzubereiten. Ge rade die beiden sprechendsten Documente gegen seine Behauptung führt jener Artikel für dieselbe an, die Stelle der Rede des Grafen Buol, worin dieser Verzicht constatirt und „der naturgemäßen Entwickelung der Verhältnisse" sowie den der Zukunft noch angehörenden Erfahrungen (in Ansehung der dermaleinstigen Zolleinigung) das Wort geredet wird, und die von Preußen erklärte Zustimmung dazu, daß „für die Richtung des Handelsvertrags die künftige Herbeiführung einer allgemeinen Zollcinigung als leitender Gesichts- punkt vorschweben müsse". Der Verfasser erklärt weiter den Abschluß eines Handelsvertrags mit Oesterreich deshalb für unmöglich, weil „mit derselben Erklärung die jetzigen Wiener Conferenzen aufgehoben" sein würden. Sind vielleicht die jetzigen Wiener Conferenzen nach der Auffassung des Verfassers Selbstzweck? Von aller Welt sind sie bisher nur als Mittel zum Zweck einer fördersamen Beendigung der Zollwirren angesehen worden. Ist diese herbeigesührt, was sollen dann noch die Wiener Conferenzen? Die große Vorliebe für die letztern, sowie die ausgesprochene Hoffnung, Oesterreich werde seinen ersten Plan, die Zolleinigung, auch jetzt noch festhalten, be zeichnen so unverkennbar den Standpunkt des Verfassers jenes Artikels in der Frankfurter Postzeitung, daß man sich kaum noch über die seltsame Aufstellung desselben wundern wird: „Die jüngsten europäischen Ereignisse haben in Berlin auf eine Weise gewirkt, daß eine gesandtliche Wiederauf nahme der abgebrochenen Angelegenheit unvermeidlich wurde." Es mag billig dahingestellt bleiben, ob das Hineintragen ganz fremder Umstände sowie das Umkehren des richtigen Sachverhalts, wie eS notorisch vor aller Welt offen liegt, wirklich Unwissenheit ist, oder ob ihm die Absicht, unkun- dige Leser zu täuschen, zum Grunde liegt; so viel steht fest, daß bei einer derartigen Verworrenheit in Anschauungen, Gedanken und Wünschen auch die wenigen bisjetzt gebotenen positiven Anhaltspunkte für eine begründete Hoffnung auf Verständigung wie im Nebel verschwinden müssen. Es folgt aber auch daraus, daß man glücklicherweise nur wenig auf das Urthcil und die Prophezeiungen des productiven Verfassers der Artikel in der handels politischen Beilage der Frankfurter Postzeitung zu geben hat, und daher den Muth nicht so ganz sinken zu lassen braucht, wenngleich das Wie der Lösung noch in Dunkel gehüllt ist. — Zum Rcgierungscommissar für die bevorstehenden Unterhandlungen mit Hrn.v.Bruck ist Hr. v.Pommer-Esche ernannt worden, und das Resultat dieser neuesten Conferenzen in der Zollangclegenhcit nun in Bälde bevorstehend. Deuts chlan v. *** Berlin, 15. Dec. Was die ministeriellen Vorlagen in Betreff d r Bildung der I. Kammer und der zweijährigen Berufung der II. Kammer anlangt, so dürften dieselben doch in mancher Beziehung auf eine stärkere Opposition als ursprünglich erwartet wurde, stoßen, und man darf deshalb annehmen, daß dieselben noch wesentliche Modifikationen erleiden werden. So verlangen z. B. die großen Grundbesitzer für die 1. Kammer das be reits früher von ihnen beanspruchte Präsentationsrecht. Bei dieser Gelegen heit wird es auch nicht am unrechten Orte sein, über das Verhalten der etwa 15 Köpfe starken polnischen Fraction einige Worte einzuschalten. Die zeitherigen Erfahrungen, wonach es da, wo es sich um politische Dinge handelte, den Polen immer an Einigkeit mangelte, machen sich auch jetzt wieder geltend. Aus der kleinen Partei haben sich bereits drei scharf ge schiedene Häuflein gebildet. Da ist zunächst die sogenannte polnische Na tionalpartei, welche sich ganz getrennt von allen Fraktionen hält und die Aufrechthaltung ihrer Nationalität nach den Verträgen von 1815 im Auge hat; zu ihr gehören Cieszkowöki, Potworowski und Andere. Neben dieser exercirt eine zweite Fraction, welche vorzugsweise die religiösen Interessen vertritt und deshalb mit der katholischen Partei geht, und endlich gibt es noch eine dritte Classe, die sich zu der preußischen Rechten hält und sich auf diese Weise den obwaltenden Umständen fügt. Berlin, 16. Dec. In der II. Kammer ist heute die Dringlichkeit des Antrags des Abg. Grafen Renard und Genossen auf eine Revision der Sportelgesetzgebung mit 163 gegen 150 Stimmen verworfen worden. Graf Renard hatte seinen Antrag sehr warm vertheidigt. Wohlfeile Ge- rcchtigkeitspflege, sagte er, erleichtert den Verkehr, habe ich neulich behaup tet, und ich glaube, das ist keine von den hohlen Phrasen, wie man sie jetzt oft genug hört. Der moderne Stil nennt eine Sache, die drin- gend ist, eine brennende; dies ist eine wirklich brennende Ein Antrag des Abg. Grafen v. d. Goltz und Genossen: „Die Kammer wolle beschließen: der I. Kammer den Vorschlag zu machen, daß sie die Berathung über einen durch ihren Beschluß zu bestimmenden Theil der beiden Kammern gleichzei tig vorliegenden Gesetzentwürfe, auf Abänderungen der Verfassung und die Verordnung vom 4. Aug. d. I. sowie auf die Gemeinde-, Kreis- und Provinzialordnung bezüglich, auSfehe und denselben der II. Kammer zur vor gängigen Berathung überlasse", wurde wegen mangelnder Unterstützung an die Geschäftsordnungscommission verwiesen. Die Commission der I. Kammer zur Prüfung der Verordnung vom 4. Aug. 1852 über die Bildung der I. Kammer hat ihren Bericht erstattet. Die Anträge derselben lauten: 1) die Kammer erkennt die Noth wendigkeit und Dringlichkeit der Verordnung vom 4. Aug. 1852 „über die Bildung der I. Kammer" an und ertheilt derselben, unbeschadet der nach Art. 67 auf sechs Jahre erfolgten Wahl der Abgeordneten, ihre nachträg liche Genehmigung. 2) Die Kammer behält sich die Berathung und Be schlußfassung über die als nothwendig sich ergebenden Abänderungen auf den Zeitpunkt vor, wo es sich entschieden hat, ob die königliche Vorlage, die Bildung der I. Kammer betreffend, durch die Annahme der beiden Kam- mern au die Stelle des jetzigen Art. 65 tritt. — Bei der in Meschede stattgehabten Wahl wurde Frhr. v. Vincke- Olbendorf mit 17 gegen 9 Stimmen zum Abgeordneten in die I. Kammer gewählt. David Hanse mann hat die auf ihn gefallene Wahl zur I. Kammer nicht angenommen. (Düss. Z.) — Ueber die erwartete Ankunft deS Kaisers von Oesterreich sagt die Neue Preußische Zeitung: Der commandirende General deS 4. Armee korps, Generallieutenant Fürst Wilhelm Radziwill, und der Obcrpräsident der Provinz Sachsen, Hr. v. Witzleben, sind heute Mittag von Magdeburg in Berlin eingetroffen und um 2 Uhr wieder abgereist, um, wie schon gc-