Volltext Seite (XML)
Sonntag Nr. 3«. 3«. Januar 1842 HM Leipziger Allgemeine «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Großbritannien. — Frankreich. — Niederlande, (f Amsterdam; * Batavia.) — Deutschland. (««Aus Süddeutschland; Bamberg; Bon der Leine; Karlsruhe; «Heidilberg; f-Darmstadt; Hechingen.) — Kreutzen. (*Aus Oberschlesien; A-Berlin; -j-Halle.) — Rußland und Koken. (Petersburg.) — Mejtco. — Brasilien. ("Hamburg.) — Handel und Industrie. (Nürnberg; «Hamburg.) — Ankündigungen. Großbritannien. London, 22. Jan. (Die Post vom 23. Jan. ist nicht cingctroffcn.) Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß sämmtliche Ma ler, die sich an O'Conncll's Physiognomie versucht haben, dar über einig sind, daß seine Gcsichtszüge einen unheimlichen Ausdruck haben, der eine Masse von Falschheit unter der Haut anzcigt, die durch Portraitgrazien nie zu verstecken sei. Die Treue dieser überein stimmenden Schilderung wird völlig bestätigt durch den wirklichen Cha rakter des Urbildes. Während in einzelnen unvorsichtigen Augenblicken ein plötzlicher Ausbruch der Leidenschaft ihn gelegentlich zu unmaskir- tcn Enthüllungen verleitet, schimmert doch seine gewöhnliche kalte und zurückhaltende Verstecktheit, trotz aller äußern Scheinbarkcit, gleich mäßig durch. Wenn er mit dem größten Ernst für eine besondere Chimäre, sei cs die Appropriationsclausel, oder die Abschaffung der Zehnten in Irland, oder die Repeal, zu lärmen scheint, weiß doch Jedermann, seine eignen unmittelbaren Thoren kaum ausgenommen, daß er einen versteckten Zweck verfolgt, der von dem ostensiblen durch aus verschieden ist, einen Zweck, der, ohne sich im mindesten um die Erfüllung seiner angeblichen Fodcrungcn zu kümmern, ganz allein auf irgend ein zeitweiliges Interesse für ihn Bezug hat und listigcrweisc, unter dem Vorwande, das allgemeine Beste seines Landes zu fördern, verfolgt wird. Wer mit der Laufbahn unscrs „gelehrten und chren- wcrthen Freundes" bekannt ist, weiß, daß er seit einigen Jahren der Einsammlung seines zweijährigen Tributs einen Nachdruck zu geben versucht durch Aufführung irgend einer ergreifenden politischen Novität für die Gelegenheit, welche die katholische Pricsterschaft, von der sein unsicherer Unterhalt hauptsächlich abhängt, zu intcressiren geeignet ist. Ein ganz neuer Agitationsgcgcnstand erschien eben so regelmäßig zur Rentcnzcit, wie eine neue Pantomime zu Fastnacht. In den letzten Jahren schrumpften die Einnahmen aber ärgerlich zusammen. Die ehrwürdigen Herren, auf deren reichliche Beisteuer besonders gerech net war, wurden dieser Unterhaltung merklich überdrüssig. Extra anstrengungen waren deshalb unerläßlich. Demgemäß griff man für den Tribut des Jahres 1811 im voraus zu der anziehenden Novität „Harlekin Lordmayor mit dem Federhul", einer Darstellung, die, hoffte man, die Börse eines jeden katholischen Irländers öffnen werde. Aber die Rückstände aus früherer Zeit waren so schrecklich groß, daß selbst der Zauberstab „des ersten katholischen Lordmayors" kaum mächtig genug erschien, die Sache ins Gleichgewicht zu bringen. Ein Nach spiel, das bei den Priestern populair zu werden versprach, ward des halb für einen unerläßlichen Zusatz gehalten. Dies ist der Schlüssel zu Hrn. Daniel O'Conncll's gewaltsamen Schimpfreden gegen Espartero. Der Regent von Spanien ist, wohl zu merken, sowol katholisch als libe ral- Alle Maßregeln Espartero s müßten, wäre O'Connell den von ihm selbst bekannten Grundsätzen treu, nothwendig den Bcisall des „gelehr ten" Repealerö erhalten haben. Hr. Daniel ist bekanntlich ein geschwore ner Feind kirchlicher Staatseinrichtungen. Er nahm nicht blos eine öffent liche Bewirthung von den Freiwilligkeits-Protestanten in Edinburg an und erklärte dabei, er hege eine unversöhnliche Abneigung gegen den Grund satz dotirter Kirchen: sondern er hat auch seine unbedingte Opposition gegen eine Staatsdotirung für den katholischen Klerus in Irland mehr als Ein Mal proclamirt- Diese Gesinnung leidet aber, wie wir jetzt ent decken, Modifikationen. Wie gleichgültig oder abgeneigt die päpstliche Pricsterschaft in Irland gegen jeden gesetzmäßigen Unterhalt, es sei denn eine vollständige Ueberlicfcrung alles Zehntencigenthums an sie, auch sein mag: unbedingte Reden gegen Staatskircheneinkünfte, wie sie be sonders in katholischen Staaten statlfinden, muß sie natürlich höchlich Misbilligcn. Mit Einem Wort: die Vorliebe, womit ihr Stand die römische Hierarchie in der ganzen Welt durch irdische Besitzungen be gründen und bereichern möchte, bestimmt sie, mit dem äußersten Haß aus Alles zu blicken, was auch nur bei fremden Völkern den weltlichen Besitz ihrer Brüder zu beeinträchtigen geeignet ist. Nun rufe man sich aber ins Gedächtniß zurück, daß O Connell s unbedingte Geringschätzung kirchlicher Dotationen im protestantischen England von Espartero im ka tholischen Spanien praktisch ungemein unterstützt wordcn ist. Der Re gent von Spanien hat O'Conncll's Grundsätze bei seiner Kirchenrcform so befolgt, als ob diese Grundsätze nach des Agitators Lehre in rö mischen Gemeinden eben so gültig seien wie in protestantischen. In vielen Fällen ist das Eigcnthum der päpstlichen Kirche genommen und zu Staatszwccken verwendet wordcn. Ein solches Verfahren ist zwar durch O'Conncll's Grundsätze vollkommen gerechtfertigt, kann jedoch bei den ehrwürdigen Männern, die sonst in der Regel seine Meinung theilcn, keinen Beifall finden. Daher stammen die gewaltsamen An griffe gegen Espartero, denn ein Kirchcnräubcr erschien O'Connell natürlich als cin Gegenstand, dcn er mit großem Vortheile für sich selbst seiner priesterlichen Gönnerschaft zum Opfer bringen könne. Die sinnlosen Schmähungen des „gelehrten" Agitators gegen den constitu- tionellen Regenten von Spanien erscheinen dadurch hinreichend erklärt. Manche ehrliche Leute, die sich cinbildcten, daß O'Connell ein patrio tischer Mann sei, waren in Verlegenheit, den Grund seiner Feind seligkeit gegen Espartero aufzufinden. Der wahre Zweck seiner An griffe gegen denselben war zweifacher Art, zunächst seine Bettclbüchsc zu bereichern, indem er der irländischen Pricsterschaft einredc, er hege Mitgefühl für das Geschick ihres Standes in der ganzen Welt, und dann bei den englischen Liberalen Ansehen zu gewinnen, indem er sie glauben mache, daß er ein unparteiischer und uneigennütziger Politiker sei, der einen ausländischen Papisten mit gleicher Gerechtigkcitsliebe züchtige wie einen englischen Tory. Von dem zweiten Zweck glauben wir aber behaupten zu können, daß er vollständig versehlt sei. Als ein thätiger Arbeiter in seinem eignen Weinberge hat O'Connell da gegen Alles gelhan, was er vermochte, um Espartero anzuschwärzen und den Priestern zu gefallen. Nicht einen einzigen Augenblick, bei keinem Schritte, den. er thut, vergißt dieser unermüdliche alte Mann seinen Hauptzweck. Kann er keine Fische fangen, bessert er seine Netze aus. (Pimvs.) — Englische Journale thcilen eine Uebersicht der Einkünfte der be deutendsten religiösen Vereine während ihres letztverflossenen Ver waltungsjahrs mit. Der britische und auswärtige Bibclverein 101,322 Pf. St.; sider (bischöfliche) Kirchenmissionsverein 91,471 Pf. St.; der Wesley'sche Missionsverein 90,182 Pf. St.; der londoner Mis sionsverein 80,100 Pf. St.; -j- der Verein zur Beförderung christli chen Wissens 89,737 Pf. St.; der Verein zur Verbreitung des Evangeliums in fremden Ländern 66,213 Pf. St.; der religiöse Tractatenvercin 57,820 Pf. St.; der Baptisten-Missionsvercin 26,636 Pf. St.; der Verein zur Verbreitung des Christenthums unter den Juden 24,408 Pf. St.; si der Kirchenpastoral-Unterstützungsverein 19,663 Pf. St.; der Sonntagsschulverein 10,817 und fder Natio- nal-Erziehungsverein 18,830 Pf. St. Die Bewohner Großbritanniens bringen also nicht weniger als 677,899 Pf. St. (über 4'/, Mill. Thlr.) zur Unterstützung dieser zwölf londoner Vereine auf, und von dieser großen Summe werden für die fünf mit einem, si bezeichneten von den Mitgliedern der bischöflichen Kirche allein 285,914 Pf. St. bcigetra- gen, während auch die Hälfte der Einnahme der übrigen Vereine von den Mitgliedern derselben Kirche eingeht, welche also wol mehr als die Hälfte aller Beiträge ausbringen. Außer dcn genannten 12 Vereinen gibt es 36 andere in London, welche moralischen und re ligiösen Zwecken gewidmet sind und gänzlich von freiwilligen Beiträgen abhängen. Ihre Einnahmen betragen zusammen 97,353 Pf. St., wo von mehr als die Hälfte von den'Mitgliedern der bischöflichen Kirche cingeht. Die Gesammteinkünste der 48 Vereine belaufen sich also auf mehr als drei Viertheile einer Million Pf. St., nämlich 773,552 Pf. St. (beinahe 5'/, Mill. Thlr.), welche hauptsächlich in England und Wales gesammelt werden. In Schottland gibt cs nur fünf Vereine, darun ter der schottische Kirchenmissionsvcrem mit 8315 Pf. St. Einnahmen, der schottische Kirchenverein ^ur Verbreitung des Evangeliums unter dcn Juden, mit 3589 Pf. St., der glasgowcr afrikanische Verein mit 1649 Pf. St. und der schottische Missionsverein mit 2745 Pf. St. Die drei Königreiche erhalten also jährlich 53 Vereine mit 789,850 Pf. St., eine Summe, die, auf die fammtlichen Häuser (3 Mill. 464,000 nach dem letzten Census) verthcilt, durchschnittlich auf jedes über 4'Z, Schilling (17z Thlr.) beträgt. Die außerordentlich zahlrei chen Hospitäler, Waisenhäuser und andere wohlthätigc Anstalten, welche durch Privatbeiträge unterhalten werden und die cs in London und jeder Provinzialstadt gibt, sind hier nicht mitgcrcchnct. An jeder