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Donnerstag. Mite Ausgabe. Abends S Uhr. 3. Juli 18SL. Nr. S37 Deutsche Allgemeine Zeitung «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Eattzsztg. Die Zkttimg -r. scheiat täglich zwei m»l und wird auSgegeben in E»tp>ig Vormittag» ll Uhr, At««»» I Uhr; in »««»d«« Abend» t Uhr, Bormittag» 8 Uhr. »r«i» für da« Birrteljahr > Thlr.; jede einzelne Num mer I Ngr. Zu beziehen durch all« Post ämter de» Zn- und Au«l»nde«, sowie durch die Srpeditionen in »eipzig lOuerstraße Nr. 8) und »»«»»«» (bei L. Häekner, Neustadt, An der Brücke, Nr. I). gnsertion«gebühr für den Raum einer Zeile > Ssgr. De«tschla«d. ' ^Berlin, 2. Juli. Unsere Regierung geht infolge der kreis- und provinzialständischen Fragen einer ernsten Krisis entgegen, oder befindet sich vielmehr bereits in einer solchen, wenn die Sache selbst auch äußerlich noch verdeckt wird. Nicht daß diese Krisis eine Folge der von der konstitutionellen Partei erhobenen und aus der bestehenden Gesetz gebung sich von selbst ergebenden Opposition wäre: in den betreffenden Mintsterialrescripten sowol als auch in den spätem von der Regierung ergriffenen Maßnahmen ist hinlänglich dafür gesorgt, daß trotz jeder Opposition von dieser Seite der Wille der Regierung doch seinen Gang geht; die Krisis ist vielmehr eine Folge der Stellung, welche die Junker und ihr Organ, die Kreuzzeitung, zur ständischen Frage eingenommen haben. Freilich muß eS um so auffallender sein, wenn man hört, daß die Regierung gewillt sein soll, den Consequenzen, welche die Junker auS den Rescripten deS Ministers des Innern vom 15. und 28. Mai ziehen, entgegenzutreten, als man einerseits annehmen darf, daß die Rescripte deS Ministers deS Innern nicht sowol durch eine durch die Einführung deS Einkommensteuergesetzes gebotene Nothwendigkeit, als vielmehr durch fortwährendes Drängen der Junker und ihres hiesigen Organs entstan den, und andererseits die Thatsache vorliegt, daß die Regierung der kon stitutionellen und gesetzlichen Opposition gegenüber nichts eiliger zu thun hatte, als die ihr von den frühem Ständen und den Junkern zugegan- gpnen Dankadressen, in welchen der „gute Wille" der Regierung zwar mit Dank anerkannt, die weitere und volle Rehabilitirung aller frühem ständischen Befugnisse und Vorrechte aber zuversichtlich erwartet und nicht selten dringend gesodert wurde, in ihren officiellen und halbofficiellen Organen veröffentlichen zu lassen. Ob nun die Regierung sich über die Tragweite jener Rescripte und deren mögliche Folgen anfangs nicht ganz klar gewesen und sich erst später entschlossen hat, gegen die Foderungen der Junker und der Kreuzzeitungspartei „Fronte" zu machen, oder ob etwa andere Motive in ihrer gegenwärtigen Stellung zu Grunde liegen: an unserer jetzigen Situation ändert das nichts. Die Partei der Kreuz zeitung drängt in diesem Augenblicke mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, wenn auch nicht öffentlich, so doch im Stillen. Der Regierung wird daher nur die Alternative bleiben, entweder auf die Intentionen der Kreuzzeitung und ihrer Partei einzugehen — dann wäre die Verfas sung in größter Gefahr—, oder auf ihrer Weigerung den altständischen Foderungen gegenüber zu bestehen — dann wäre ein ernster Conflict zwi schen ihr und der Kreuzzeitung und deren Partei unvermeidlich. Der letztere Fall wäre für die Regierung offenbar mehr als mislich; sie hat außer der Kreuzzeitung und deren Anhängern keine Stütze im Lande; schwände auch diese Stütze, so würde sie vollends gänzlich isolirt da stehen und dämm auch nur auf kurze Zeit hin haltbar sein, ganz abgesehen von der Frage, ob die Regierung, wenn sie auch wirklich den Willen dazu hätte, die über eine schiefe Ebene hinabrollende Kugel der Reaktion in ihrem Laufe aufzuhalten im Stande wäre. Die Junker und die sonstigen Anhänger der Kreuzzeitung sind bei ihrer Macht und ihrem Einflüsse nicht die Leute, die DaS, waS sie wollen, nicht auch durchzusetzen vermöchten; die Anteceventien geben den besten Be weis dafür, und die gegenwärtigen Verhältnisse sind zur Verfolgung ihrer Plane die günstigsten. So ist die gegenwärtige Lage in unserm Innern. Gibt das Gouvernement nicht nach, so wird der vorhin er wähnte Conflict schon recht bald offen zu Tage treten, und daß derselbe nicht von ernsten Folgen begleitet sein werde, ist nicht anzunehmen. ° Berlin, 2. Juli. Wir entlehnen den „Neuen Gesprächen" deö Hm. v. Radowitz noch einige sehr charakteristische Bekenntnisse, zuvör derst über das Verhältniß ihres Verfassers zu der katholischen Kirche. Themar, der bairische Rector, Waldheim's Schwager, ein Mann, der auf die Dresdener Conferenzen seine Hoffnung gesetzt hat, weil sie un ter BäiernS Aegide Deutschlands Einheit und Freiheit begründen sollten, nimmt Spuren gewahr von dem Verkehr Waldheim's mit Protestanten und mit'Liberalen. „So sind allerdings meine Führungen!" entgeg net ihm Waldheim. „Und doch darf ich mir in ernster GewiffenSerfor- schung sagen, daß diese Führung eine gnadenreiche gewesen; sie hat mir gegeben, ohne zu nehmen, die Liebe gemehrt, ohne die Erkenntniß zu mindern." Themar: „Auch das Bekenntniß?" Waldheim: „Die Frage stellst du nicht im Ernst?" Themar: „Nein, Gottlob, ich kenne dich und deine Glaubensfestigkeit. Aber begreife, daß ich nicht ohne Sorge die Versuchungen betrachten konnte, in welche du eben durch die eigenen Führungen deines Lebens gesetzt worden bist, die Versuchung, Gemein schaften einzugehen außerhalb der katholischen Einheit. Wenn auch, wie ich gern zugebe, unbeschadet dieser Einheit!" Waldheim: „Gemeinschaf ten außerhalb, aber unbeschadet der katholischen Einheit? Lieber Schwa ger, kommt eS dir nicht so vor, als wenn das gerade der Weg wäre, auf dem nicht bloS der Einzelne, sondern das Ganze, auf den die deut sche Nation geführt wird?" Im weitern Laufe der Unterredung stellt dann Themar den Satz auf: „Keinerlei Umgestaltung der deutschen po litischen Verhältnisse ist zulässig, bei welcher die katholische Sache in Deutsch land Schaden erleidet." Waldheim: „Hier berührst du den Punkt, auf den es mir dir gegenüber vor allem ankommt." „Mein theurer Wald heim— hält ihm Themar weiter vor —» du hast mir und Bessern als mir in deinem öffenllichen Leben vielen Kummer gemacht. Prüfe dich, ob du in Erfurt auf der Seite saßest, wo die wenigen Vertheidiger der katholischen Sache ihren sauren Kampf kämpften! Ja schon in Frank furt, wohin gingen deine letzten Bestimmungen! Bei so tiefer Gemein schaft so grelle Gegensätze! Solche Erfahrungen find unserer Zeit Vorbe halten geblieben."... Waldheim: „Du sagtest, daß du nur derjenigen Gestaltung der deutschen Dinge dich zuwenden könntest, bei welcher die katholische Sache keinen Schaden erleide. Hierin kann nicht die Ursache des Zwiespalts zwischen unö liegen, denn ich wiederhole vor dem Ange sichte des Allwissenden, was einer meiner Freunde in Frankfurt bei ähn lichem Anlasse aussprach: Wenn eS sich um die Vertheidigung der katho lischen Kirche gegen ungerechten Angriff handelte, so würde ich über meine Stellung nicht einen Augenblick in Zweifel sein; jede andere Rücksicht, po litische wie nationale, müßte schwinden. Das ist auch meine unwandel bare Richtschnur; läge eS zu irgend einer Zett in dem unerforschlichen Rathschlusse, daß ein Zwiespalt sich austhäte zwischen den irdischen In teressen, auch den höchsten, und den ewigen Geboten der Kirche Gottes, so würde ich unfähig sein, die Sache des StaatS, dem ich in allen Din gen dieser Welt bis zum letzten Hauche meines Lebens angehöre, zu der meinigen zu machen. Ich würde schweigen, trauern und harren." Nürnberg, 2. Juli. Der seit vier Wochen verhaftete Arbeiter Faa- sen ist am 27. Juni aus dem Polizei- in das Criminalgefängniß ab geführt, aus letzterm aber gestern entlassen worden. (N. C.) Stuttgart, 1. Juli. Die Nachricht des Frankfurter Journal über den Uebertritt des Professors Gfr ör er in Freiburg zur katholischen Con- fession. berichtigt die Württembergische Zeitung dahin, daß Prof. Gfrörer nicht evangelischer Pfarrer war. Gfrörer (geboren 1803) wurde 1828 Repetent am evangelisch-theologischen Seminar in Tübingen, 1830 Bi bliothekar an der öffentlichen Bibliothek in Stuttgart, was er bis zu sei nem Abgänge nach Freiburg blieb. Äoburg, 1. Juli. Der Unfall, welcher unserm Herzog kürzlich zugestoßen (Nr. 325), hat keine schlimmen Folgen gehabt. Die Ver letzung oberhalb des rechten Auges ist so schnell geheilt, daß der Herzog bereits nach wenigen Tagen an einem Schießen thätigen Antheil neh men konnte. Schwerin, 29. Juni. Der ehemalige Abgeordnete Lasen ist in zweiter Instanz vom Verbrechen des Hochverraths freigespochen worden. Bremen, 2. Juli. Der Senat hat heute dem Präsidenten der Bürgerschaft zur Vertheilung an die Mitglieder einen Antrag zugehen lassen, welcher folgende „dringende Auffoderung" enthält: „Die Bür gerschaft wolle mit ihm vereint dahin wirken, daß durch eine geeignete Modifikation der Wahlbestimmungen des den Senat betreffen den Gesetzes dem Senat eine wahrhafte Mitwirkung bei dem wichti gen Staatsakte der Senatswahl insoweit gewährt werde, daß derselbe den wesentlichen Anfoderungen, welche der obige (dem Anträge voran geschickte) Vortrag darlegt, Geltung zu verschaffen vermag, auch zu einer mit unverzüglicher Berathung und demnächstiger Berichterstattung wegen dieses Gegenstandes zu beauftragenden Deputation ihre Mitglieder zu erwählen." Dieser hochwichtige Gegenstand, heißt eS am Schluffe der betreffenden SenatSmittheilung, müsse erledigt sein, bevor die nächste Wahl in den Senat stattfinde, und vie Lösung der Frage leide um so weniger Aufschub, als die Nothwendigkeit einer Senatswahl ebenso gut in sehr naher wie in einer fernern Zukunft stattsinden könne. O Wien, 1. Juli. ES war schon öfters von der Aufhebung deS Unterrichtsministeriums in seiner jetzigen Gestalt die Rede; in die sem Augenblicke wiederholen sich ähnliche Gerüchte mit besonderer In tensität. Die klerikale Richtung, die in diesem Ministerium vorwaltet, ist bekannt. Eine eigenthümliche Verwechselung der Begriffe scheint Thun, dem die oberste Leitung der CultuSangelegenheiten anvertraut ist, be stimmt zu haben, auch die Unterrichtsangelegenheiten als bloße Cultus-