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Dienstag 10. Juni L8SI de» Raum einer Zelle ! Ngr. (bei «n Zu beziehe» durch alle Post imter de»3n- und Nu»l«»de«, sowie durch die ijipedilivneu in Leipzig lOuerstraßc Zweite Ausgabe. Abends S Uhr — Rr. 2VS. Nr. 8) und DreNde« E. Höckner. Neustadt, »er Brücke, Nr. I>. Snstrtl«u»«e»ü»r für ivotpists- Di. Leid,»» " schein« täglich zwei >nal und wird »ulgtzebr» I» »«Shthtg Vorchittag« I l Uh,, Ab«^« j « Ubr^ iu ivretde« Abend« L Uhr, Vormittag» 8 Uhr. Grell für da« Vierteljahr > Lhlr.; jede einzeln« Num mer l Ngr. andern Böllern zu achten. Sie sind daher mit dem GermanistrungS- project de- jetzigen Ministerium- durchaus nicht einverstanden, weil sie überzeugt sind, daß dadurch sowol ihnen als dem deutschen Volke über haupt nur Unheil bereitet werden kann. Sie sind «S mühe, zu gleicher Zeit den deutschen Brüdern und den nichtdeutschen StaatSgenossen ein Gegenstand deS Hasses und der Verachtung zu sein. Diese Gesinnung theilen alle deutschen Oesterreicher und selbst die deutschen Soldaten sind schon dafür empfänglich geworden. Am lebhaftesten aber spricht sie sich bei den Bewohnern deö ErzherzogthumS und bei den Deutfchböhmen auS. warfen sie sich, sonder» eben dem deutsche» Kaiserhaus«. So kam eS, daß ungeachtet deS Widerstreben- der Nationalitäten doch das ganze Oesterreich faktisch und in der Anschauung der Welt zu Deutschland ge hörte; ja. der fortdauernde Widerstand der nichtdeutschen Oesterrei- chrr bewies eben nur daS wirkliche Bestehen deS faktischen Verhält nisses. Noch heutzutage fängt für die Bewohner der südlichen Donau länder schon a» der Grenze Siebenbürgens da- deutsche Reich an, und auch der russische und türkische Moldauer glaubt, nach Remetschina (Deutschland) gekommen zu sein, wenn er die Grenze der österreichischen Bukowina überschritten hat. Neben der im StaatS- und Völkerleben so mächtigen geschichtlichen Erinnerung wirkte naturgemäß die deutsche Bildung. Die österreichischen Völker waren mit allen ihren geistigen und materiellen Culturbedürf- niffen auf Deutschland hingewiesen, sie sind in allen Beziehungen von Wissenschaft und Kunst bis zum Handwerk hinab Schüler Deutschlands. Dies mußte die Wirkung haben, daß das deutsche Element gleichsam die Seele deS österreichischen Staatsbürgers darstellte. Diese geistig or ganische Germanisirung würde noch weit allgemeiner und durchdringen der zu Stande gekommen sein, wenn die österreichische Politik sich nicht stet- so ängstlich und feindlich gegen die deutsche Bildung abgesperrt hätte. Ehemals ganz slawische Theile Deutschlands, in denen jetzt keine Spur deS Slawenthums mehr lebendig ist, beweisen dies deutlich. Nebst dem historischen und geistigen GermanistrungSelement hat natürlich auch die deutsche Bureaukrätie und daS deutsche Heerwesen mächtig dazu beigetragen, der Monarchie in der Süßem Erscheinung den deutschen Charakter aufzuprägen. Der nothwendtge Verkehr mit den Behörden, der Wunsch, im Staatsdienste Versorgung zu finden, der po litische Ehrgeiz lockte und drängte die nichtdeutschen Oesterreicher zum Deutschthum hin. Auf diese Art sind namentlich die Czechen germanistrt worden, weil sie sich von jeher besonders eifrig zum Staatsdienst dräng ten. Die österreichische Armee aber, deren Commando, deren Unterrichtö- und Bildungsanstalten für Mannschaft und Offiziere durchaus deutsch sind, mußte dadurch, zumal bei der langen Dienstzeit, ein ganz beson ders wirksames GermanistrungSinstitut werden. Neber dies Alles aber erschien Oesterreich bisher vorzüglich auch deshalb als deutscher Staat, weil die Deutschen in Oesterreich allein eS waren, die sich als Oesterreicher fühlten und bekannten, während alle' andern Nationalitäten fortwährend heftig gegen den Namen Oesterrei cher protestirten, wenn sie sich auch die thatsächlichen Ursachen und Wir kungen dieser Benennung gefallen ließen. AuS allen diesen Gründen müssen die Deutschen in Oesterreich ungeachtet ihrer Minderzahl doch in erster Reihe betrachtet werden, weil sie in der That geistig und politisch in erster Reihe stehen. Deutsche Allgemeine Zeitung «Wahrheit »ob Recht, Freiheit nd Sesehl» Oesterreichische Völkerschau vor dem Gesammteintritt Oesterreichs in oen Deutschen Bund. *) l. cF WiM, im Juni. In der Politik gibt eS bekanntlich große Gedan- Ln, die darum nicht zugleich sittliche und rechtlich«, ja die nicht einmal Praktisch ausführbare ^danken sind. Dies vorausgeschickt, darf man offen aussprechen, daß unsere Gegenwart kaum einen größern politischen Gedanke« aufzuweisen hat als den Plan des jetzigen österreichischen Ministeriums: all die verschiedenen Völker Oesterreichs zu einer einzigen Politische» Ration zu verschmelzen, diesen ganzen großen StaatSkörper in den Deutschen Bund hineinzuzwängen und so den riesigen mitteleuro päischen Völkerstaat herzustellen, für den auch die demokratische Politik in ihrer Weise schwärmt. Jetzt, wo in Oesterreich dieser kühne Plan, welchen einst der frei sinnige Autokrat Joseph U. aufgeben mußte, mit militalrischer Gewalt durchgeführt werden soll, und wo italienische, ungarische und kroatische Truppen, bevor noch die Aufnahme ihrer Völker in den Deutschen Bund gesetzlich bestimmt ist, einen Theil Deutschlands besetzen, der seit dem Dreißigjährigen Kriege keine österreichischen Soldaten gesehen hat, jetzt dürfte e- ein zeitgemäße-Unternehmen sein, jene Völker, welche die heu tige wiener Politik als Werkzeug ihrer kühn gewagten Plane gebrau chen will; Revue passtre» zu lassen. Wir unternehmen hier eine solche österreichische Bölkerschau, welche zweckgemäß nicht ethnographischen Auf gaben dienen, sondern die Völker Oesterreichs hauptsächlich nach ihrer politischen Gesinnung und Bildung schildern soll, um daraus auf die Ausführbarkeit de- wiener Planes und auf die voraussichtlichen Folgen desselben für Oesterreich und Deutschland schließen zu können. II. Man schätzt die Gesammtbevölkerung Oesterreichs gewöhnlich auf 36—37 Millionen Seelen, welche Zahl aber durchaus nicht genau ist, weil in den sämmtlichen ungarischen Kronländern, d. i. im eigentlichen Kö nigreiche Ungarn, dang in Siebenbürgen, Kroatien, Slawonien und in der Militairgrenze bisher nur oberflächliche, übersichtlich schätzende Volks zählungen stattgefunden und die vom jetzigen Ministerium angeordnete -Conscrtbirung dieser Länder noch nicht vollendet ist. Von diesen 36— 37 Millionen kommen nach gewöhnlicher Annahme auf die Deutschen 7, auf die Slawen t6, auf die Italiener 6, auf die Magyaren 5, auf die Walachen oder Rumänen und einige kleinere Völ kerstämme in Ungarn 2 Millionen. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß die Zahl der Deutschen sich wenigstens um 1 Million hoher stellen würde, wenn man auch die unter Slawen und Magyaren zahlreich zerstreut lebenden Deutschen, wenn man namentlich auch das deutsche Element der Städte, welches mit Ausnahme Italiens in fast allen nichtdeutschen Kronländern sehr bedeutend ist, mit in Rechnung brächte. Dies ist aber bisher nicht geschehen, sondern man zählte die Städtebewohner immer ohne weitere Sonderung zur herrschenden Bevölkerung des Landstriches. So wird z. B. Prag eine flämische, Pesth eine magyarische Stadt ge nannt, obwol ersteres zur Hälfte, letzteres zu zwei Dritteln stammdeutsch bevölkert ist. Dessenungeachtet aber sind die Deutschen in Oesterreich so auffal lend in der Minorität, daß eS gewiß eine der merkwürdigsten politischen Erscheinungen Ist, wie ein solcher Staat nicht nur bisher einen vorherr schend deutschen Charakter behaupten, sondern jetzt sogar den Entschluß fassen konnte, mit seiner ganzen vorwiegend nichtdeutschen Bevölkerung in den Deutschen Bund zu treten. Die Ursachen dieser Erscheinung sind folgende. Vor Allem wirkt« unwiderstehlich mächtig die Geschichte. Oesterreich galt sowol der Geschichte als dem Bewußtsein der Völker für eine poli tische Schöpfung Deutschlands. Die deutsche Kaiserstellung gab den RechtStitel, durch welchen das HauS Habsburg da- Stammland seiner Macht erwarb, und eben auch nur die deutsche Kaisrrherrlichkeit war eS, was die Dynasten und Völker deS heutigen Oesterreich bewog oder zwang, sich dem Hause Habsburg zu unterwerfen. Richt diesem Hause als solchem und noch weniger den Erzherzogen von Oesterreich unter *) Wir werden unter dieser Überschrift eine Reihe höchst interessanter Briefe veröffentlichen, welche die hochwichtige Frage von dem Gesammteintritt Oesterreichs in den Deutschen Bund zum Gegenstand haben und gewiß dazu beitragen wer den, da« oft noch schwankende Urtheil hierüber aufzuklären. Wir glauben unsere Aeser um so Mehr noch besonders auf diese Briest aufmerksam machen zu muffen, als jene Frage vielleicht bald wieder sehr in den Vordergrund treten dürfte. D. Red. Im Allgemeinen sind nun auch heutzutage noch die Deutschen in Oesterreich die eigentlichen Oesterreicher. Aufrichtig wollen sie noch immer, daß Oesterreich beisammen bleibe. ES beherrscht sie dabei, wenn auch nicht klar bewußt, der geschichtliche Gedanke, daß die Macht fülle Oesterreichs durch und für Deutschland erworben sei. Aber sie wollen nicht Oesterreich um jeden Preis, namentlich nicht um den Preis der Aufrechthaltung des alten Systems. Sie wollen nicht, daß die Roth wendigkeit des Bestandes der Monarchie als Vorwand gelte für den Zwang der Völker, sie wollen nicht, daß nach Wolfgang Menzel'S mit telalterlicher Anschauung „der Deutsche in Oesterreich überfremde herr sche". Sie sind überzeugt, daß Oesterreich weder berechtigt noch befä higt ist, dauernd zu bestehen, wenn «S sticht den großen Beruf erfüllt, alle seine Nationen zu einem freien Bölkerstaat zu vereinigen und die- en mit Deutschland in Verbindung zu bringen, ohne die Freiheit Deutsch- andS zu erdrücken. Bleibt dieser Beruf unerfüllt, dann werden auch die deutschen Oesterreicher den Kaiserstaat aufgeben, denn der alte Grund- ätz „Oesterreich über Alles" gilt ihnen nichts mehr. DaS Jahr 1848 )at sie zu einem sehr lebhaften Nationalbewußtsein geweckt, und sie be weisen dabet die edle Consequenz, dasselbe Bewußtsein auch bei allen