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zukommen sich vermaß". Was er bei derar tigen Aufführungen meist improvisatorisch darbot, faßte er nun in die strenge Form ei nes Konzertes von drei bis vier Sätzen, „im i^Äerspiel von Tutti und Solo und ihrer ge- i^Rmtlichen geistvollen Durchdringung“. Das Konzert für Orgel und O r c be ster B-Dur op. 4 Nr. 6 , das letzte dieser Werkgruppe, wurde vorrangig für Har fe geschrieben, wofür auch die pizzicato zu spielenden unteren Streicher sprechen; die sor- dinierten Violinen werden in der Höhe durch Flöten verstärkt. Der muntere spielfreudige Einleitungssatz (Andante allegro) ist eine ty pische zweiteilige Sonata. Ernsten Saraban dencharakter besitzt das anschließende Lar ghetto in g-Moll. Der Schlußsatz, ein Passe- pied in gemessenem 3/8-Takt, beschließt in fröhlicher Laune das Werk, Nachdem in unserem Zyklus bereits Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach mit charakteristischen Werken vorgestellt wur den, darf der jüngste Sohn Johann Sebastian Bachs nicht fehlen, zumal in diesem Jahr sei nes 250. Geburtstages zu gedenken ist: Johann Christian Bach, der sich so wohl räumlich wie stilistisch am meisten vom Vater entfernte, wurde nach dessen Tod mu sikalisch ausgebildet von seinem Bruder Carl Philipp Emanuel. 1754 unternahm er eine Italienreise und wurde in Bologna Schüler Padre Martinis. Einige Jahre später ernannte man ihn zum Domorganisten in Mailand, 1762 ging er nach London als Musikmeister der englischen Königin und gründete 1764 gemeinsam mit K. F. Abel die „Bach-Abel- Konzerte", Johann Christian Bach, dessen Ruhm zu Lebzeiten den des Vaters und sei HANSJURGEN SCHOLZE, Jahrgang 1944, absolvierte ein kirchenmusikalisches Studium in Göriitz und Halle und wirkt seit 1972 als Domorganist an der Kathedrale Dresden (ehemalige Katholische Hofkirche) ; außerdem ist er seit 1976 Dozent für künstlerisches Orgelspiel an der evangelischen Kirchenmusikschule in Dresden. Er konzertierte an vielen bedeutenden Orgeln der DDR, produzierte Rundfunk-, Schallplatten- und Fernsehauf nahmen. Konzertreisen führten ihn u. a. in die BRD, nach Schweden und Norwegen. m ■ ner Brüder weit überstrahlte, allerdings nach seinem Tode rasch verblaßte, hinterließ ein umfangreiches schöpferisches Werk, etwa 20 Opern, zwei Oratorien, viele Kantaten, Arien, Sinfonien, Klavierkonzerte, Klaviersonaten, Streicher- und Bläserduos, Trios, Quartette, Quintette, Sextette u. a. Erst in unserem Jahr hundert fand das Schaffen des „Mailänder" oder „Londoner" Bach wieder verdiente Wertschätzung. Sein Stil, der die Eigentüm lichkeiten der „Mannheimer" mit der anmutig- kantablen italienischen bzw. galanten franzö sischen Manier verband, war von großem Einfluß auf W. A. Mozart, der an seinen Va ter über ihn schrieb: „.. . ich liebe ihn (wie Sie wohl wissen) von ganzem Herzen - und habe Hochachtung für ihn . . ." Als Sinfoniker hat Johann Christian unter den Bachschen Söhnen wohl die größte Bedeu tung. Sein Weg führte von der italienischen Theatersinfonie zur Konzertsinfonie, wobei sich beide Gattungen in der Gesamtanlage wie im Aufbau der einzelnen Sätze — der Typus seiner Sinfonie ist noch dreisätzig —, in der Bildung und Entwicklung der Themen wie in der Behandlung des Orchesters aller dings völlig gleichen. Unter den über 60 er haltenen Sinfonien und Ouvertüren des Kom ponisten ragt die heute erklingende Sin fonie für Doppelorchester D - Durop. 18 Nr . 3 , ursprünglich als Ouver türe zur Serenata „Endimione" 1774 kompo niert und um 1781 im Druck erschienen, durch die unbeschwerte Anmut und hei tere Grazie, den Esprit der formvollende ten, leichtbeschwingten schnellen Ecksätze (singende Allegri) heraus, die einen kantab- len, schwärmerischen Andantesatz umschlies sen. Die Teilung in zwei Orchester (mit 2 Oboen, 2 Hörnern, Fagott im 1. Orchester und 2 Flöten im 2. Orchester zum jeweiligen Streicherensemble) eröffnete reizvolle Mög lichkeiten melodisch-klanglichen Dialogisie rens, erlaubte dem Komponisten eine zusätz liche Differenzierung seiner Orchestersprache, eine Verfeinerung des Ausdrucks. Das Werk ist so recht geeignet, die originale Künstler erscheinung Johann Christian Bachs zu wür digen, nicht nur seine Rolle als Wegbereiter, als Anreger. Die Toccata und Fuge d-Moll für Orgel, die erste große Genietat Johann Sebastian Bachs, entstand sicher in Arnstadt, möglicherweise im Zusammenhang Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig mit seinem Aufenthalt bei Dietrich Buxtehu de in Lübeck 1705/06. Die Komposition be sitzt wie andere Orgelwerke Bachs aus die ser Zeit die mehrteilige Anlage der nord deutschen Toccatenfugen des 17. Jh. Jeder ihrer drei Hauptteile (Toccata — Fuge - Toc catenschluß) gliedert sich noch in weitere Ab schnitte, die durch ihren unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Charakter ein phantasieer fülltes, spannungsgeladenes Gesamtbild er geben. Gleichwohl kennzeichnet das erregen de Werk bei allem jugendlichen Schwung, vir tuosen Glanz und harmonischen Effekt bereits ein tiefer Ernst. Zum Abschluß unseres Zyklus lassen wir Vortrag des originalen Orgelwerkes BaWP eine der berühmtesten, wenn auch nicht un widersprochen gebliebenen Bach-Transkrip tionen für großes Orchester folgen, die der amerikanische Dirigent polnischer Herkunft Leopold Stokowski (1882-1977) schuf. Mehr als irgendein anderer Dirigent wurde Stokowski vom Klang beherrscht. Klang be deutete ihm mehr als Struktur, Form oder Lo gik, In einer Rede an sein Publikum sagte er einmal: „Viele Leute beklagen sich, daß wir mehr in die Musik hineinlegen, als darin sei. Das ist Unsinn. Wir holen einfach aus der Musik mehr heraus als andere." Korrekt: Sto kowski holte mehr Klang aus der Musik als andere. Davon zeugt auch seine effektvol le Instrumentation der Bachschen d-Moll-Toc- cata, die dem Stück neue, vom Komponisten nicht vorgesehene Klangfarben und -dimen- sionen verleiht, die der Bachschen Musik je doch nicht abträglich sind, sondern eine an dere und durchaus interessante Sicht auf sie ermöglichen. Stokowski war stets ein leidenschaftlicher Ver ehrer der Kunst Bachs gewesen. Seine Lauf bahn begann er als Cembalist und Orga^Ä in London und New York. 1909—1912 lei^P er das Cincinnati Symphony Orchestra, 1912—1936 das Philadelphia Orchestra, das er zur Weltgeltung führte. Später dirigierte er u. a. 1942/43 das NBC Symphony Orche stra, 1944/45 das New York City Symphony Orchestra, 1949/50 das New York Philharmo- nic-Symphony Orchestra. 1962 gründete er das American Symphony Orchestra in New York, das er bis 1973 leitete. 1970 wurde er ständiger Dirigent des London Symphony Or chestra. Als Gastdirigent trat Stokowski in al ler Welt auf. Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig Spielzeit 1984 85 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-36-85 EVP -.25 M 9. ZYKLUS-KONZERT 1984/85