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Memuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mk. Zeitung fik WM, Seiseesdorf) Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lüban, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 130. Sonnabend, den 3. November 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah uud Feru. — Um die durch Werke der Barmherzigkeit stark in Anspruch genommene Kasse des hiesigen Frauenvernns auf- zubessern, fand am vergangenen Mittwoch im „Amtshof" ein stark besuchtes Concert statt, weiches von dem Männer gesangverein „A Polio" unter Leitung seines Dirigenten, Herrn Lehrer Kegel, ausgeführt wurde- Das Programm gab wiederum Beweis von der Sorgfalt in der Wahl der Zusammenstellung und bei der Wiedergabe der verschiedenen Lieder bemerkte man das wohlthuende Verhältniß zwischen der anerkannt geschickten Leitung des Vereins und dem verständnißvollen Erfassen ihrer Aufgabe von Seiten der einzelnen Stimmen. Aus der Fülle des Gebotenen wollen wir nur erwähnen: „Wenn iin goldnen Abendschimmer", „Das Lied, das meine Mutter sang", „Alpennacht", „Steh fest, du deutscher Eichenwald", „Ein Sonntag auf der Alm" und „Stolzenfels am Rhein", die sämmtlich in gutem, sicherem Vortrag geboten wurden und tiefen Eindruck hervor riefen. Der Komik wurde in zwei Nummern Rechnung ge tragen. Vor der letzten Nummer sprach Herr Pfarrer Pescheck im Namen der Benefiziantin dem „Apollo" den wärmsten Dank aus für den erneuten Beweis hochherziger Gesinnung. Der Aufführung reihte sich ein Ball an, dem eifrig gehuldigt wurde. — In der Bezirksversammlung der Sächsischen Fechtschule, welche am 30. September in Rabenau tagte, war zur Abhaltung des beschlossenen Familienabends der Ort Deuben gewählt und mit der Ausführung aller Einzelheiten der dasige Verband betraut worden, welcher sich auch dieser Aufgabe bereitwilligst unterzogen und sich derselben mit anerkennenswerther Umsicht entledigt hatte. Das Fest fand ain Reformationstage im Wagner'schen Gasthofe statt, dessen geräumiger Saal, geschmückt mit der Büste des Protektors, Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich August, sich nach 8 Uhr mit fröhlichen Fechtern füllte und alsbald rollte sich das Programm in schneller Aufeinanderfolge ab. Dasselbe zerfiel in einen von Fräulein Pabst-Rabenau gesprochenen Prolog, in vorzügliche Vorträge des Gesangvereins-Deuben, mit höchster Bravour ausgeführte Keulen-Uebungen des dortigen Turnvereins, sowie in einen schwierigen, jedoch mit vieler Anmuth dar gestellten Stabreigen der Deubener Damenriege und von der Hauskapelle trefflich gespielte Concertmusik. Auf alle diese mit freudigstem Beifall aufgenommenen Darbietungen, welche von verschiedenen Ansprachen unterbrochen wurden, schloß sich ein vom Vorsitzenden des Bezirksverbandes, Herrn W e i ß-PotschapPel auf den hohen Schutzherrn ausgebrachtes Hoch, wobei dem stürmisch Geehrten ein Begrüßungstelegramm zugesandt wurde. Hierauf folgte ein fröhlicher Fechterball, welchem bis zur vorgerückten Morgenstunde das lebhafteste Interesse gezollt wurde. — Aus einem Ziegeleigrundstücke in Großluga wurden in einer der letzten Nächte 3 fette Gänse gestohlen. — Der Maschinenwärter Hermann Mösche in Klein naundorf, der auf dem Marienschachte beim Auswech seln eines Dampfleitungsrohres durch Verbrühen schwer verletzt wurde, ist im Knappschaftskrankenhause zu Burgk seinen Leiden erlegen. — Am Hochzeitstage Selbstmord ver- ü b t hat die Tochter der Koffäthenwittwe A. zu Groß- Woltersdorf bei Gransee. Die Braut war tiefsinnig ge worden und erhängte sich auf dem Heuboden. — Von Wilderern erschossen. Am 30. Oktober d. I., früh zwischen 6 und 7 Uhr, wurde der Königliche Forstaufseher Erler aus Königsbruch, Kreis Tuchel, im Walde erschossen aufgefunden. Der gerichtliche Befund läßt darauf schließen, daß Erler von einem Wild dieb erschossen worden ist. — Ein jahrelang fortgesetzterKirchen- raub wird aus Perugia gemeldet. Die Kirchenräuber von Perugia waren der Pfarrer Don Bartolomeo, sein Sakristan, ein Seminarist und einige Kaufleute. Der Pfarrer und sein Sakristan befaßten sich mit dem Diebstahl, die Anderen mit dem Veräußern des gestohlenen Gutes. Das merkwürdige Diebskonsortium brachte es nun thatsächlich zuwege, einige Kirchen zu plündern und reiche Beute zu machen. In ihren Einfällen bei der Ausführung der Dieb stähle waren sie ebenso originell als unerschöpflich. So spielte zum Beispiel der Pfarrer in irgend einer Kirche, die er mit seinem Besuch beehrte, die Orgel, um das Ge räusch zu übertönen, das der Sakristan bei seinem Einbruch verursachte. Oder der Pfarrer beichtete bei irgend einem Kollegen, während der Sakristan der Madonna am Hoch altar ihre Spangen und Ringe abzog! Natürlich ist die Entrüstung über dieses unerhörte Treiben der Kirchendiebe groß und allgemein. — In dem Ausstellungspavillon der südafrikanischen Republik in Paris stieß am Sonnabend Abend eine junge Engländerin vor der Büste des Präsidenten Krüger leidenschaftliche Beschimpfungen gegen den Präsidenten aus. Das Publikum fiel entrüstet über die Engländerin her und riß ihr die Kleider vom Leibe. Die Schutzleute konnten sie nur mit Mühe vor weiteren Mißhandlungen bewahren. — Fünfhundert Arbeiter verschüttet. Aus Tunis wird gemeldet: Beim Abbau von Phosphor lagern für die Werke von Metlaoni, nahe bei Gaffa, wurden 500 bei der Arbeit befindliche Kabhlen in Folge Erd rutschungen in höher gelegenen Theilen verletzt und mehrere derselben getödtet. — 76295 220 Einwohner haben nach der letzten Volkszählung die Vereinigten Staaten von Amerika, was gegen 1890 eine Zunahme von 13 225464 bedeutet. Der Herr rou Ueurode. Von Josephine Gräfin Schwerin. (Nachdruck verholen.) Wieder einige Tage später fand sich der Bericht: der sogenannte Hauptmann a. D. Waldau — jetzt mit dem vollen Namen genannt — sei dein drohenden Prozeß und seiner Verurtheilung aus dem Wege gegangen, indem er seinem Leben in dem Gefängniß durch Erhängen ein Ende gemacht habe. Er habe damit wohl ein vollgiltiges Be- kenntniß seiner Schuld abgelegt. Der Unglückliche hinter läßt eine Tochter, die nicht im Elternhause gelebt habe; ob die Erbschaft von 100000 Mark sie über die Art, wie sie erworben, trösten werde, stehe dahin, keinesfalls sei ihr das Geld vorzuenthalten. Fräulein Hartfeld war außer sich: ein solcher Skandal in ihrem Hause! Ihre ganze Empörung richtete sich gegen Elisabeth, die es gewagt, sich bei ihr einzudrängeu, ihr Pensionat, das sich des Rufes außerordentlicher Vornehm heit erfreute, durch die Verbindung mit einein Wucherer, Falschspieler und Damen der Demimonde zu beschmutzen. Daß sie sofort aus dem Hause mußte, das unterlag keinem Zweifel, eher würde sie, Fräulein Hartfeld, keine Ruhe haben. Sie schellte und befahl dem eintretenden Mädchen: „Rufen Sie Fräulein Waldau." Noch gestern hätte sie gesagt: „Bitten Sie Fräulein Waldau zu mir zu kommen." Sie hielt viel auf Formen. „Das Fräulein ist vor kaum einer Viertelstunde fort gegangen," sagte das Mädchen. Fräulein Hartfeld erinnerte sich, daß sie selbst ihr Mehrere Aufträge gegeben, was sie in der Aufregung total vergessen hatte, es konnte eine Stunde dauern, bis sie wieder kam, ihr erschien diese Verzögerung unerträglich. Während sie noch in Heller Aufregung in dem Zimmer auf und ab ging, wurde stark an die Thür geklopft und Mrs. Burton trat mit allen Zeichen heftigster Erregung ein. Mrs. Burton war die gefeierte Größe des Hauses, sie hatte drei Töchter nach einander dem Pensionat des Fräulein Hartfeld anvertraut, mehrere andere junge Engländerinnen tvarcn auf ihre Empfehlung dorthin gekommen und seit sechs Monaten bewohnte Mrs. Burton selbst die beiden elegantesten Zimmer des Hauses, ein Ausnahmefall, da Fräulein Hartfeld sonst nur junge Damen, die sich zur ihrer Ausbildung in Dresden befanden, bei sich aufnahm; doch -Ars. Burton halte gewünscht, mit ihrer Tochter zusammen A sein, und Fräulein Hartfeld fühlte sich geschmeichelt, die Dame im Hause zu haben, und erwies ihr alle möglichen Aufmerksamkeiten, zu heimlichem Spott der jungen Mädchen, die nicht zu dem Kreise der Burtons gehörten, und das bedeutete die Mehrzahl, da die Damen sehr exklusiv waren. „Ich komme fragen, wie dies Miß Waldau ist ver wandt mit das Hauptmann, von das steht in dies Zeitung?" begann sie in ihrem gebrochenen Deutsch. „Ich muß zu meinem tiefsten Bedauern gestehen, daß sie seine Tochter ist," erwiderte Fräulein Hartfeld. Einen Augenblick hatte sie daran gedacht, die Verwandtschaft zu verleugnen, doch schon im nächsten hatte sie diesen Gedanken verworfen. „Und solches Person sitzt mit uns am Tisch?" schau derte Mrs. Burton, „mein Liggers hat gemacht «llaks Ii»näs mit ihr! Sie kennen mir, Miß Hartfeld, ich will verlassen dies Haus." „Um Gotteswillen, ich beschwöre Sie, hochverehrte Mrs. Burton," flehte Fräulein Hartfeld, „thun Sie mir nicht diese Schmach an, mein Haus wäre ja für alle Zeiten ver pönt, sein Ruf untergraben! Niemand kann über diese unglückselige Entdeckung entsetzter sein als ich, ich hatte ja keine Ahnung, das Mädchen hat mich schändlich hinter- gangen, mir alles verschwiegen, selbstverständlich verläßt sie sofort mein Haus, ich verspreche, daß Sie sie nicht mehr vor Angen bekommen sollen; sie muß fort — noch heute." Mrs. Burton schien einigermaßen beruhigt. „Wie konnten Sie nehmen eine Dame sich, ohne zu haben Em pfehlungen," tadelte sie, „Sie versprechen, daß dies Person verläßt das Haus und nicht mehr vor Augen von mein Liggin kommt? "Well?" „Aber natürlich," beeilte sich Fräulein Hartfeld zu versichern, „wie können Sie glauben, daß ich nach dieser Enthüllung Fräulein Waldau noch im Hause behalten würde! Oh, wie tadele ich mich selbst über mein Mitleid, mein ewiges Vertrauen, die mich bewogen, dem Mädchen auf ihren Wunsch diese Stellung in meinem Hause zu geben!" „Also noch heute," drang Mrs. Burton in sie und verließ auf das wiederholte Versprechen Fräulein Hartfeld's beruhigt das Zimmer. Hätte es noch einer Verstärkung des Zornes von Fräulein Hartfeld gegen Elisabeth bedurft, das Gespräch mit Mrs. Burton hätte sie herbeigeführt. Sie hatte die Ueberzeugung, daß nur das allerenergischste Auftreten gegen das unglückliche Mädchen den Ruf ihres Pensionats retten könnte. Das unglückliche Mädchen? Sie hatte sich in ihrem Gedankengange dieser Bezeichnung bedient, aber sie war ja die Erbin von 100000 Mark, wie war sie denn da zu bedauern! Fräulein Hartfeld selbst wäre nicht ab geneigt gewesen, um den Preis von 100000 Mark die unbefleckte bürgerliche Reinheit ihres Namens zu opfern. Einen Augenblick später hörte sie Elisabeths Stimme auf dem Korridor. Sie schellte abermals und wiederholte ihren Befehl: Fräulein Waldau solle sofort zu ihr kommen. Als Elisabeth eintrat, den Zettel mit den Notizen über ihre Einkäufe in der Hand, empfand Fräulein Hartfeld, welch' eine Arbeitslast sich mit ihrem Fortgehen auf ihre eigenen Schultern wälzte, wie schwer sich ein Ersatz für sie finden lassen würde. Das erhöhte nur ihren Zorn; dessen ungeachtet verstand sie es, ihre Würde zu bewahren- „Lesen Sie," sagte sie kurz, ihr die drei Zeitungsblätter hinreichend. Elisabeth sah erstaunt aus; sie ließ die Augen über die Zeilen gleiten, zuerst gleichgiltig, dann zitterte ihre Hand, die das Blatt hielt, und zuletzt sank sie mit einem Aufschrei auf den nächsten Stuhl. „Sie wußten, wer Ihr Vater, welch eine — Person Ihre Mutter war, und wagten es, sich in mein nobles Haus zu drängen?" begann "Fräulein Hartfeld. „Doch ich will mich nicht unnütz aufregen, ich will sogar zu Ihrer Ehre hoffen, daß Sie nur aus Unbesonnenheit gehandelt haben, die Sache ist nicht mehr zu ändern. Jndeß werden Sie einsehen, daß Sie nach diesem" — sie deutete auf die Zeitung — „nicht länger in meinem Hause bleiben dürfen, Sie werden dasselbe augenblicklich verlassen. Elisabeth sprang auf. „Um Gotteswillen! So grau sam können Sie nicht sein, was kann ich für die Schmach meiner Eltern, Sie werden mich nicht verstoßen!" „Sparen Sie die hochtrabenden Worte," sagte Fräulein Hartfeld, „ich weiß, was ich meinem Hause schuldig bin, und Sie wissen das auch, sonst würden Sie nicht so klug geschwiegen haben; ich wünsche keine Scene. Sie gehen." „Wo soll ich denn hin?" rief Elisabeth, „Sie können mich doch nicht aus die Straße stoßen?" „Davon ist keine Rede, eine reiche Erbin wie Sie!" erwiderte Fräulein Hartfeld höhnend. „Uebrigens" — sie zögerte einen Moment — „will ich Sie dann bis morgen früh noch im Hause behalten; ich wage etwas damit, denn man weiß hier iin Hause leider schon, wer Sie sind, und junge Damen aus den feinsten Familien dürften eigentlich nicht unter einem Dach mit Ihnen bleiben. Trotzdem, ich will es gestatten, doch morgen pünktlich um acht Uhr ist Ihr Zimmer geräumt, das Essen werde ich Ihnen dorthin schicken und erwarte, daß Sie sich von Niemand mehr hier sehen lassen." — Fortsetzung folgt. —