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hat, und für einen einfachen Arbeiter hat er jedenfalls merkwürdig viel gelernt." „Mit eimm Worte: Du hältst ihn für eine recht an nehmbare Pmhie —" Helene sah erschrocken zu ihin auf, lind ihre Stimme zitterte, als sie sagte: „Das war häßlich, Bernd, denn das habe ich wahrhaftig nicht verdient. Ich würde einen solchen Gedanken in Bezug auf Herrn Neidhardt nicht ge habt haben, auch wenn ich Dich niemals kennen gelernt hätte. So aber — Dn weißt, daß ich sterben würbe, wenn ich Deine Frau nicht werden kann." Treysa lächelte wieder und griff über den Tisch hin weg nach ihrer Hand, die er mit seinen Küssen bedeckte. „Mein süßer Schatz! Aber sprich nicht vom Sterben — ich bin kein Freund von so düsteren Bildern. Wir wollen leben und das Leben genießen. Klingt das nicht bei Weitem vernünftiger?" Aber er hatte das sonnige Lächeln von ihrem Antlitz verscheucht, und ein Schatten lag auf ihrer Stirn. „Sei mir nicht böse, Bernd; aber mir ist manchmal, als ob ich ein großes Unrecht an Dir beginge. Ich bin so arm und unbedeutend; Dein stolzer Vater wird uns niemals seine Einwilligung geben." „O, ich werde sie schon erlangen. Man muß nur nichts überstürzen. Wir sind ja noch jung und haben Zeit zu warten. — Uebrigens, was diesen Hansnarren, den Neidhardt anbetrifft —" „Kannst Du ihn noch immer nicht vergessen? Ich sagte Dir doch, daß es ihm gar nicht einfällt, sich für mich zu interessiren." „Na, es konnte doch sein, daß Du Dich darin irrst. Wenn er also eines Tages die Dreistigkeit hätte — Dn weißt wohl, was ich meine — so wirst Du ihn natürlich gehörig heimschicken; aber Du wirst mich dabei aus dem Spiel lassen, hörst Du, mein Schatz? Er braucht nichts davon zu ahnen, wie es mit uns Beiden steht." Helene hätte nach der Einleitung wohl etwas Anderes erwartet, als diese Mahnung. Ihr ernstes Gesicht wurde nicht heiterer, aber sie nickte bejahend. „Ich werde unser Geheimniß ihm so wenig verrathen, als einein Anderen. Ach, wenn es doch erst «ufhören dürfte, unser Geheimniß zu sein!" Die Wendung, welche das Gespräch genommen hatte, schien dem Assessor nicht zu behagen. Er versuchte zwar noch eine Weile von fröhlicheren Dingen zu Plaudern, aber der leichte, tändelnde Ton der Unterhaltung wollte sich nicht wieder einstellen, und als Helene beim Schlage der Knkuksuhr sagte: „Schon Sechs! Nun muß auch Frau Hennersdorf in jedem Augenblick zurückkehlen," griff er etwas eilfertig nach seinem Hute. „Willst Du fort?" fragte sie. „Wir könnten doch noch draußen im Garten spazieren gehen." „Thut mir leid, mein Herz! Aber im Bureau er wartet mich ein ganzer Berg von unerledigten Arbeiten. Ich bin nur eben fortgestürzt, um Dich auf einen Augen blick zu sehen. Bis morgen mußt Du Dich schon mit meinem Konterfei da begnügen." „So schreibe mir noch etwas darunter, ehe Du gehst!" bat sie. „Um so beglückender werde ich dann die Em pfindung haben, daß es für mich allein bestimmt ist." Sie reichte ihm das Schreibzeug, und er warf hastig ein paar Worte auf den Karton. „Wenn ich ein Dichter wäre, würde ich rasch einige glühende Verse gemacht haben. So sieht es vielleicht etwas nüchtern aus, aber ein Schelm giebt mehr, als er hat." „Ewig Dein Bernd v. Treysa," las Helene, und jetzt schlang sie aus freien Stücken ihren Arm um seinen Hals. „Geliebter!" flüsterte sie. „Und werde ich Dich nie mals — niemals verlieren?" „Sofern Tu mir nicht wegen Herrn Neidhardt den Lauspaß giebst — nein!" scherzte er. „Also auf Wieder sehen morgen! — Nun weiß ich doch wenigstens, wann man vor dem Drachen sicher ist, der meinen Schatz be hütet." Sie begleitete ihn bis an die Gartenthür, und der Assessor ging raschen Schrittes die Straße hinab. Helene, die ihm mit den Blicken folgte, gewahrte nicht, daß eben von der anderen Seite her ihre Wirthin, die Treysa noch eben mit einer so wenig schmeichelhaften Bezeichnung be legt hatte und ein wohlgebauter, dunkelbärtiger Mann von etwa zweiunddreißig Jahren auf das Haus zukamen. Sie hatten den Assessor aus dem Garten treten sehen, und der Mann fragte seine Begleiterin: „Wer war denn d r Hecr, der eben Ihr Haus ve»luß, Frau Heimersdorf? Ich meine doch, ich müßte ihn kennen." „Es ist ein Verwandter des Fräuleins Mayburg, der sie zuweilen besucht. Ein sehr netter junger Mann Es freut mich immer, daß er so viel Theilnahme für seine schutzlose Base hat." „So, so! Wissen Sie vielleicht auch seinen Namen?" „Er heißt Treysa oder so ähnlich. Schade, daß er schon fort ist! Ich unterhalte mich gern mit ihm, denn er hat ein lustiges Temperament." Der Mann sagte nichts weiter; aber als sie dann an dem Gartengitter angelangt waren, zog er vor Helene, die sich ganz erschrocken umsah, höflich seinen Hut. (Fortsetzung folgt.) Wemmer Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf» ^roß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdors, Lübau, Borlas, Spechtritz etc. . Nummer 68. Donnerstag, den 17. Juni 1897. 10. Jahrgang. Aus Nah und Fern. e Die unsere Stadt umgebenden Anlagen, welche a"' hiesigen Gebirgs-Verein theils ihre Entstehung, M ihre Verbesserung verdanken, haben neuerdings wieder «enuenswerthe Verschönerung erfahren, indem genannter die an verschiedenen Stellen errichteten hölzernen Aebänke, die im Laufe der Zeit, von den unvermeidlichen ?"erungseinflüssen abgesehen, vornehmlich durch frivole der Zerstörung zugeführt worden sind, durch eine Mahl steinerner Bänke ersetzt hat. Besonders zeichnet vor allen interessanten Punkten der Anlagen der Bis- ^platz aus, der nach Vollendung der Steingruppe, /iche die seine Mitte zierende, zu Ehren des Altreichs- Mers gepflanzte Eiche umgiebt, eine Anziehungskraft ^"bt, welche ihn von Besuchern von Nah und Fern ,leer werden läßt. Und in der That dürfte sich kaum 1- buschigeres Plätzchen finden lassen, als diese vor ca. 2 fahren vom Gebirgs-Verein in das Leben gerufene Esting, in deren stille Abgeschiedenheit weder das ^ben der Welt noch der Lärm menschlichen Tagewerks rMdringt, wo der Helle Schlag des Finken oder der Kude Gesang der Amsel, vermischt mit dem leisen Ge- der Baumwipfel und dein melodischen Rauschen der buten fluchenden Weißeritz die einzigen Laute bilden, j-' Ohr des stillen Beobachters erreichen. Zu wünsche» r ""r, daß all diese, der Allgemeinheit gewidmeten An- von Seiten des Publikums den verdienten Sckmtz mögen und es erwächst für jeden fühlenden Be- zHer die Pflicht, darüber zu wacheu, daß mutyw.Uige Nlorer zur Warnung Anderer an gehöriger Stelle zur i^ige gebracht werden, welch' letztere der Gebirgs-Verein "kkzeil nüt lebhaftestem Danke entgegen nehmen wird. H — Das 6jährige Mädchen eines Röhrsdvrfer Kohners wurde während der Pfingstfeiertage von einem I Unbekannten in die nahe Waldung gelockt und dort ver gewaltigt. Leider ist die Ermittelung des Unmenschen noch nicht gelungen. Das Kind mußte in ärztliche Behandlung gegeben werden. — Eine öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses ist auf Freitag, den 18. Juni 1897, Vormittags ^/,1O Uhr, anberaumt worden. — Am Sonnabend Nachmittag gegen 6 Uhr verun glückte in Kreischa der Handarbeiter M. Hauptmann dadurch, daß ihm beim Transport von mit Cement ge füllten Fässern eins derselben auf das linke Bein fiel, wodurch er sich einen Nöhrenknochenbruch desselben zuzog. — Eiu Selbstmord unter eigenthümlichen Um ständen ist am Sonntag in Berlin begangen worden. Eine 19 Jahre alte Verkäuferin in einem Schlächterladen, die der Unehrlichkeit beschuldigt worden war, hatte mehrfach die Absicht geäußert, sich das Leben zu nehmen und auch am Sonnabend Abend einen Selbstmordversuch unter nommen, der aber vereitelt wurde. Am Sonntag Morgen erhängte sich das Mädchen im Keller. Sein Dienstherr fand es dort auf und iah, daß es noch Lebenszeichen von sich gab. Statt das Mädchen abznschneidcn, holte er einen Gesellen herbei und als dieser die Unglückliche abschneiden wollte, äußerte er, man müsse doch erst die Polizei holen und schloß den Keller ab. Es dauerte eine Viertelstunde bis zur Ankunft des Schutzmannes, unterdessen war aber die Unglückliche eine Leiche, sodaß alle Wiederbelebungs versuche erfolglos blieben. — Ein Schlauberger. Nicht alle italienischen Kriegsgefangenen, die nunmehr aus den Gefilden Abessiniens zurückgekehrt sind, haben wenig mehr als das nackte Leben gerettet. Es befindet sich unter den wieder in der Heimath eingetroffenen Soldaten auch ein Neapolitaner, der das hübsche Sümmchen von 20000 Frank in Banknoten mit nach Hause gebracht hat. Die Geschichte dieses Geldes ist eine höchst kuriose. Die Scheine sind nämlich seiner Zeit als Verbandpflaster für Verwundete auf dem abessi nischen Schlachtfelde gebraucht worden, und der auf solch originelle Weise Behandelte hat seine eigenen „Verband stoffe" sich als ein „Angedenken" aufbewahrt. Daß war aber, wie die Neapler ,Stampa' erzählt, folgendermaßen zugegangen. Nach der unglücklichen Schlacht von Adua fiel den das italienische Lager plündernden Truppen des NeguS eine Kaffe in die Hände, welche außer vielem Gold- und Silbergeld auch ganze Bündel italienischer Banknoten enthielt. Die Bedeutung der Münzen kannten die Abessinier recht gut, und sie ließen das Geld schnell genug in ihren Taschen verschwinden. Die Papiere aber begannen die Plünderer zum großen Tyeil ins Feuer zu werfen. Das sah unser Neapolitaner, der verwundet in der Nähe lag und dem Treiben der siegreichen' Soldateska zuschaute Ihn ärgerte diese schändliche Verwendung so kostbaren „Stoffes", und er gab daher den Marodeuren durch Zeichen und so weit er konnte, durch Worte zu verstehen, daß die Inschriften und Bilder auf den Banknoten ge heime und heilige Symbole darstellten, und daß sie, auf Wunden gelegt, eine wundersame und schnelle Heilung zu Wege brächten. Er nahm auch gleich eine gute Handvoll der „heilkräftigen" Papiere und zeigte den Soldaten, wie man die Dinger auf die Wunden Pflastern und binden müsse. Die Abessinier glaubten dem Pfiffigen Neapoli taner aufs Wort und kleisterten sich mehrere der Bank noten auf ihre Verletzungen, überließen auch dem Italiener, und das war diesem die Hauplsache, ein Bündelchen der wunderthätigen Banknoten, um seine eigenen Wunden damit zu verbinden, was er auch pflichtschuldigst that. So gelangte der Verschmitzte in den Besitz von 20000 Frank, die er glücklich mit heimgebracht hat. Die Banknoten sind natürlich alle mit Blut befleckt. (Nachdruck verböte».) Die Gemalten der Hiese. Roman von Lothar Brenkendorf. . Bittend erhob sie die Hände. „Wie garstig Du ""Hst! Hast Du mich denn wirklich in Verdacht, daß ich jemals auch nur mit einem einzigen Gedanken die kem brechen könnte?" . „So nenne mir den Namen des Menschen, den Du i>» Sinne hattest." „Aber Du wirst ihm nichts zu Leide thun, nicht Ex jst mir bisher ja weder durch ein Wort noch einen Blick zu nahe getreten." „Das ist sein Glück. — Aber den Namen!" d, „Ich dachte bei meinem unglückseligen Scherz an den ^steiger Neidhardt, der bei jenem Kriegerfest einige j mit mir tanzte. Er war später wiederholt bei mir ^chulhause, um wegen des kleinen Töchterchens seiner ^"vittweten Schwester etwas zu besprechen, und seit .WM Tagen — doch nein, wenn Du mich so finster Whst, werde ich gar nichts mehr sagen." . . Treysa machte eine wegwerfende Geberde und lächelte ^'"gschätzig. „Bah, es wäre allerdings der Mühe Werth, Wuchtig z„ sei,, auf einen solchen Menschen! — Aber ist's denn nun weiter mit ihm? Seit einigen „Seit einigen Tagen begegne ich ihm regelmäßig, b?" ich Mittags von der Schule nach Hause gehe. Es Miß m,r ein Zufall —" , „Ohne Zweifel!" höhnte Treysa. „Und dann pflegt zu begleiten, weil er ganz zufällig denselben Weg ^g sü^ wahr? Man weiß ja am Ende, wie dergleichen „So, weißt Du das so genau?" fragte sie etwas uisch, um dann jedoch sogleich in reizendster Unichuld ^Pusügen: „Aber was Herrn Neidhardt anbelangt, bist jedenfalls im Jcrtyum. Wenn er auch wirklich ein hundert Schritte neben mir her geht, fällt es ihm gar nicht ein, mir den Hof zu machen." k „Wirklich nicht? Nun, das will ich am Ende glauben, Dein neuer Anbeter ist ursprünglich ein ganz ge- j„ ""r Arbeiter gewesen, und das Kurmachen wird, soviel ? weiß, auch auf der Bergschule nicht gelehrt. Aber i """ unterhaltet ihr euch denn, wenn es erlaubt ist, ""ach zu fragen?" k.. von den verschiedensten Dingen, und immer ganz ""Haft. Ich stutze, daß er sehr vernünftige Ansichten