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Wemmer Anzeiger und Nummer 28. Dienstag, den 9. März 1897. 10. Jahrgang. viele nicht Ja," erwiderte er, und währenddem fühlte ich einen a> 2 at. cv lltM lbeuall e, cing S stecken." (Forsetznng folgt.) .Die Peter nnd Paulfeste," erklärte Boris. Ach, das Gefängniß für politische Verbrecher, liegenden feuchten Kerkern schon so entsetzlich Menschenleben elend zu Grunde gegangen sind. schreckte zusammen, denn ich hatte mein Reisehandbuch wohl studirt und wußte, daß ich jenes schreckliche Gefäng nis; vor mir sah, wo in den tief unter dem Flußbett cv c» A Z k» o 5 5 0 r o co v 8 es cv wahr? Verein folgen! rheit sch : VorV t auf ' seiner eigenen Anschauung und Erfahrung von den ent setzlichen Bestrafungen Derer, von denen keine Besserung mehr zu erwarten ist. Es gehört fast Uebermenschliches dazu, um sie körperlich und geistig zu überstehen. Drei Arten kommen dabei in Betracht: die schwerste körperliche Züchtigung, zuweilen mit tödtlichem Ausgange, jahrelange Einschließung in eine vollkommen dunkle Zelle und Fesselung an einen Schubkarren bis auf die Dauer von drei Jahren. Vor dieser letzten Strafe, die übrigens nur dann verhängt wird, wenn jede andere sich als unwirksam erwiesen hat, fürchten sich die Verbrecher fast noch mehr, als vor der dreitheiligen Riemenpeitsche, obgleich unter Umständen sechs Hiebe mit dieser den Tod eines Sträflings sofort herbei führen können. Bis zu 99 Hieben dürfen ausgetheilt werden, aber nur auf Befehl des Gouverneurs. Diese Strafe ist natürlich gleichbedeutend mit dem qualvollsten Tode. Und doch sah einer der Gefangenen, die de Windt in ihrer dunklen Zelle besuchen durfte, mit einer Art hei terer Gelassenheit dein nahe bevorstehenden Tage entgegen, wo ihm mit 99 Hieben das Fleisch in Streifen vom Rücken gerissen werden sollte. Vielleicht tröstete ihn die sichere Zu versicht, daß die Riemenpeitsche ihm die letzten Qualen auf Erden bereiten würde. Aber abgesehen von solchen sehr seltenen Fällen grausamer Härte, empfing de Windt so wohl in Korsakowsk wie in der an der nordwestlichen Küste der Insel gelegenen Verbrecherstation Alexandrowsk überall den Eindruck, daß die Russen selbst den schwersten Verbrechern die Möglichkeit gewährten, sich durch gute Führung wenigstens im beschränkten Sinne zu einer menschenwürdigen und verhältnißmäßig freien Lage empor- zurichmi. Ecke des Oberdecks befindet sich ein solches; es steht mit dem Maschinenranm in Verbindung. Ein Druck mit dem Finger, und in einem Augenblick würde es dort unten kein lebendes Wesen mehr geben. Dampf und kochendes Wasser sind bester, als Pulver und Blei! Obgleich der Engländer von der Erlaubniß des Capitäns, zu jeder Zeit nach seinem Belieben die Gefangenräume unter Deck zu besuchen, häu figen Gebrauch machte, bemerkte er doch nie irgend welche Mißhandlung der Verbrecher durch ihre Wächter; dagegen ereignete sich während seiner Anwesenheit au Bord der „Jaroslaw" etwas, was ihn in der auf früheren sibirischen Reisen gewonnenen Ueberzeugung bestärkte, der Sträfling habe viel mehr von seinen Genossen als von seinen Wäch tern zu fürchten. Ein junger kaum achtzehnjähriger Ge fangener hatte sich über einen andern beklagt; zur Strafe dafür wollte man ihm sieben Tage und Nächte hindurch keinen Augenblick zum Schlaf kommen lasten. Nach der Reihe hielten die Mitgefangenen seiner Umgebung Nacht für Nacht Wache an seiner Seite und Vertrieben ihm mit Nadelstichen die tödtliche Müdigkeit. Zum Glück wurde ihr teuflisches Vorhaben entdeckt, bevor sie es ganz zu Ende führen konnten. Nach zehntägiger Fahrt von Nagasaki warf der Dampfer zunächst vor der Ansiedelung Korsakowsk an der südöstlichen Küste Sachalins Anker. Hier befinden sich 5000 Verbrecher, von denen jedoch nur etwa 1200 hinter Schloß und Riegel sitzen. Man kann sie in drei Klassen eintheilen. Zu der ersten gehören Diejenigen, die ihre Zeit im Gefängniß abgesessen haben und sich inner halb eines bestimmten Umkreises frei bewegen dürfen, frei lich mit der Verpflichtung, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Die zweite Elaste umfaßt Alle, die hinter ver schlossenen Thüren Zwangsarbeit verrichten müssen, die dritte dagegen die gefährlichsten Verbrecher, denen die Fesseln nie abgenommen werden. Der Engländer berichtet nach sanften Hauch in meinem Nacken und ein leiser Seufzer klang in mein Ohr — es war Helene, die zu mir sagte: „Ich glaube, man wartet auf Dich, Arthur, damit Du Frau Weletsky in s Speisezimmer führst." „Und Sie sind die Beute des Familienoberhauptes, aber ich sitze auf Ihrer andern Seite," flüsterte Sascha, der in diesem Augenblick zu der Dame herangetreten war- Selbst Olga Weletsky's reizendes und vergnügtes Wesen vermochte, während wir durch den Flur nach dem Speisezimmer schritten, nicht, mich wieder in meine ge wöhnliche heitere Stimmung zu versetzen — der Anblick der großen Festung, in deren unterirdischen Verließen schon so zahllose Verbrecher ein jämmerliches Ende ge sunden hatten, und wo vielleicht auch ich meine Tage be schließen mußte, hatte meinen Lebensgeistern schnell einen Dämpfer aufgesetzt. Erst eine Weile später in dem glän zend erhellten Speisezimmer, an dem hübsch gedeckten, ver schwenderisch mit Blumen geschmückten Tisch kam ich wieder aus etwas rosigere Gedanken. Schon hotten wir nach moskvwitischer Sitte in der Sacuska aus gesalzenem Fisch, in Kaviar und ähnlichen Vorspeisen, die den Appetit zu ungewöhnlicher Höhe zu reizen bestimmt sind, Tüchtiges geleistet, aber erst nach etwa zwei Gängen der eigentlichen Mahlzeit, wobei auch der Wein gehörig kreiste, wurde ich wieder ganz ich selbst. Constantin, der oben ain Tisch saß, war die Gast freundschaft in Person, und Sascha, an der anderen Seite Helenes, schien ganz außerordentlich guter Stimmung zu sein. Bald entspann sich eine leichte fröhliche Unter haltung, und gegen Ende der Mahlzeit erregte ich durch mehrere musterhaft erzählte Anekdoten aus meinem Sol datenleben stürmische Heiterkeit, lind Helene lachte am allertollsteil, sodaß sie kaum mehr aufhören könnte. „Nun," bemerkte Safcha, als er sich wieder gefaßt hatte, „seine Frau lacht noch über seine Geschichten und muß sie doch schon hundertmal gehört haben!" „Tausendmal, lieber Vetter," flüsterte Helene und zuckte die Schulter. „Ja," sagte Frau Weletskh, „Marguerite hat mir die letzte dieser Geschichten auch schon erzählt und gesagt, Du sähest immer ganz traurig aus, wenn Papa damit stse, wel l Bildhr reilich l :s Ars litzt will rts M der Ast c, daß de> -och über ehrling senders lerer je? e zu ? angegrif ag geth hat, d anfange." „Jawohl, aber das ist zu Hause," sagte Helene und verzog schmollend den Mund, „in Gesellschaft bin ich den den Geschichten meines Gatten gegenüber immer heiter. Nicht, Arthur?" Und damit lächelte sie mir so spitzbübisch zu, daß ich selbst zu kichern anfing. Nun stand Frau Weletskh auf, und die Damen ver ließen das Speisezimmer, während wir Verlaffenen Männer bei Wein und Cigarren weiter plauderten. Bald aber gesellten sich auch Sascha und Boris zu den Damen, und nun konnte ich, mit dem Oberhaupt der Familie Weletskh allein geblieben, das Geschäft zur Sprache bringen, das mich nach Rußland geführt hatte — das heißt, das meiner Tochter von ihrem Gatten vermachte Wittum. Wenige Augenblicke genügten, mir zu zeigen, daß die Sache nicht angefochten wurde, und daß die Weletsky meiner Tochter Alles zugestanden, was ihr nach dem Testament bestimmt war, ja eher noch mehr. Ich war eigentlich nur der Form halber als natürlicher Vertreter der Interessen meiner Tochter hierher berufen worden, damit keine der Anordnungen, die ihre gütigen russischen Verwandten in Beziehung auf Marguerites künftiges Ver möge», ihre Besitzungen oder ihre gesellschaftliche Stellung treffen mochten, verdächtigt oder mißdeutet werden konnten. Ich sagte ihm, ich muffe, sobald die vorläufige Ueber- einkunft getroffen sein würde, Geschäfte halber nach Paris zurückkehren, wolle aber gegen Ende der Saison zur Unter zeichnung der Papiere wieder kommen. Zu meiner Ver wunderung erhob Constantin keinen Einwand dagegen und sagte nur, wir würden in St. Petersburg stets willkommen sein. „Du weißt dies, lieber Lenox, sowohl um Mar guerites, wie um Eurer selbst willen." Dann fuhr er fort: „Ich hoffe, Du wirst cs nicht für unverschämt halten, wenn ich, ein Einwohner dieser Stadt, Dir, einem Amerikaner, der, wie man mir sagt, von Haus aus an vollste Redefreiheit gewöhnt ist, den Rath gebe, hier in all Deinen Aeußerungen äußerst vor sichtig zu sein. Die Polizei ist im Augenblick sehr wach sam, besonders einem jeden gegenüber, von dem man an- nimmt, er sei ein Gegner unserer Regierung." „Wie," sagte ich, „kommt irgend etwas Neues in den Zeitungen?" „Lieber Oberst," entgegnete mein Wirth, „die Zeitun gen hier erfahren nie etwas; die geheime Polizei unter drückt alles." Mit leiserer Stimme fügte er hinzu: „Ich bin über zeugt, daß selbst unter meiner Dienerschaft einige Spione Zeitung für Seifersdorf, Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdors, Lübau, Borlas, Spechtritz ete (Nachdruck verboten.) Meine ofsicielle Fran. Roman von Col. Richard Henry Savage. >en L 60 P ihme unitr, „Sie ist die Großmama meines kleinen Vetters und muß auch meine sein," rief das Kind, „meine Feengroß mama! So heißt sie Sascha! Sascha sagt ——"Sie verstümmle unter den Küssen meiner Gemahlin, die ihr Erröthen und eine leichte Verlegenheit damit zn verbergen suchte. Durch dies kindliche und aus der Schule Schwatzen kam eine gewisse Verlegenheit über die Gesellschaft; Sascha lachte aber lustig, und ich sing einen drohenden Blick auf, den die Französin auf meine Gattin schleuderte, während Olga sagte: „Bst, bst! mein Kind; Deine kleine Zunge ist zu lang für Dein Alter." „Aber es ist ja wahr," rief Fräulein Sophie, „sie sieht aus wie eine Fee!" Und damit heftete sie ein Paar bewundernde braune Augen ans Helene, die in einem leichten, fließenden Gewand, einem Kunstwerk von Worth, wirklich aussah wie eine Fee, — eher noch schöner. „Nimm Dich in acht, sollst verdirbst Du das Feen kleid," sagte Olga lachend, denn das Kind schmiegte sich in Helenens Schooß, ohne des köstlichen Gewandes zn achten; „ich meine, es wäre besser, Du zögest Dich jetzt zurück." „Bis nach dem Essen, Mama? Darf ich nicht zum Nachtisch wieder kommen?" bat das Mädchen, als Fräu lein de Launay es hinausführte. Ich sah, wie sich die Französin unter der Thüre noch einmal umdrehte und den liebeglühcuden, echt tartarischen Blick ausfing, womit Sascha sich über Helene beugte; bei diesem Anblick zuckte es wie Angst und Verzweiflung über das Antlitz der Gouvernante. „Aha," dachte ich, „Herr Sascha betreibt die Sache im Großen." Die Fahrt auf einem russischen Verbrecher-Transport schiff ist unlängst zum ersten Riale einem Ausländer, dem Engländer de Windt, gestattet worden. Es war der Dampfer „Jaroslaw", der von Odessa nach der Insel Sachalin gegen 800 Sträflinge überführen sollte. In Nagasaki stieg de Windt an Bord und hatte dann fast einen ganzen Monat hindurch täglich Gelegenheit, sich auf das Genaueste über die Behandlung der Strafgefangenen zu unterrichten. Seine Beobachtungen an Bord des „Jaroslaw", sowie auf den Verbrecherstationen Sachalins und des Trans-Baikalgebietes im östlichen Sibirien schildert er in seinem jüngst veröffent lichten Bliche „The New-Sibira". Wir entnehmen einem Auszuge dieses Buches Folgendes: Der erste Eindruck, den de Windt beim Hinabsteigen in die unter Deck befindlichen Gefängnisse empfing, war gegen sein Erwarten keineswegs abstoßend, obwohl die 800 Mann zum größten Theile sehr schwere Verbrecher, in vier großen vergitterten Abheilungen eng zusammengepfercht waren. Ueberall herrschte die pein lichste Sauberkeit, die Lüftung ließ nichts zu wünschen übrig, und die täglichen Mahlzeiten erschienen ihm nicht allein vollkommen ausreichend, sondern auch schmackhaft zubereitet. Bei günstigem Wetter wurden die Gefangenen in Gruppen von 20 Mann zur Bewegung und zum Ge nüsse der freien Luft auf Deck geführt. Zu ihrer Bewach ung befanden sich an Bord 68 ausgesuchte, wohlbewasfnete Marinesoldatcn, von denen jedoch immer nur l 1 zu gleicher Zeit Dienst thalen, bei Stacht wie bei Tage. Auf die erstaunte Frage des Engländers, ob eine so geringe Anzahl von Wächtern für den Fall einer Empörung unter den Ge fangenen genügende Sicherheit böte, erwiderte der Capitän lächelnd: „Dar Wort Empörung ist auf meinem Schiffe unbekannt, und ich null Ihnen sagen, weshalb." Dann wies er auf ein großes Rohr und fügte hinzu: „An jeder Nun wurde die Unterhaltung allgemein. Ich wanderte in dem behaglichen Gemach herum, und ql erklärte mir die alten Familienbilder an den Wän- - cs? 's den. So kamen wir auch an die vorderen Fenster des b? Zimmers, die auf die Newa hinausgingen. Der Fluß war mit Schiffen aller Länder und aller Arten bedeckt, mölsa, hjx im Mondlicht vor uns lagen. rthur E>> „Das geht nun bald zu Ende," sagte Boris; „jetzt r 2. MR kommt der Winter, und dann gleiten Schlitten statt der h,^ Schiffe auf der Newa dahin." i 2. MR Meine Augen schweiften über die silbernen Fluthen rna und^ hinweg und erblickten auf dem gegenüberliegenden Ufer il 4. Mäs-riesige aus Granitsteinen errichtete Gebäude, und ich »bst. benau. th. 4,1-1> Stuhlb. 1 ensu iickige