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Lld Zweites Blatt. -ML MchM MÄH' WM, Wn, Liekiilchil Md die MWckn. Amts b LccLt für die Kgl. UnüshaupLmannschaft zu Weißen, das Kgl. "Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 93. Freitag, den 27. November 1885. Die Falschmünzer. Kriminal-Roman von Gustav Lössel. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Hierbei überraschte ihn Neubert, welcher ebenfalls in großer Er regung hereinkam. „Ah, Neubert!" sagte Soltmann, ganz gleichgültig gegen des Freundes verspätetes Kommen. „Was machen Sie denn da?" fragte der Hinzukommende. „Nur ein paar Notizen, wie Sie sehen." „Und wundern sich gar nicht über mein Ausbleiben?" „Ach so, ja. Wollen Sie nichts genießen?" „Cognac!" rief Neubert dem vorbeieilenden Kellner zu. Jetzt blickte Soltmann verwundert auf. Er kannte Neubert als einen sehr nüchternen Menschen, dem Spirituosen eine Medicin waren. „Sie medicinern?" fragte er lächelnd. Aber er wurde sofort wieder ernst, als er seinem Freunde ins Gesicht sah. „Ist etwas Ungewöhnliches vorgegangen, Neubert?" Jener stürzte sein Glas hinunter, füllte ein zweites und schob es seinem jüngeren Collegen hin. „Trinken Sie das," sprach er, „und dann werde ich es Ihnen sa gen. Oder besser, kommen Sie weg von hier, dies ist kein Ort zu vertraulichen Mittheilungen. Uebrigens haben wir auch keinen Augen blick Zeit zu verlieren." „Wir müssen fort?" „Sogleich." „Wohin?" „Das sage ich Ihnen vorher nicht. Kommen Sie nur mit, und unterwegs erzähle ich Ihnen, was vorgefallen." „Ist es weit?" „Eine halbe Stunde." „Gefahr dabei?" „Haben Sie Ihren Taschenrevolver da?" „Ja." „Das genügt. Auch ich bin nicht unbewaffnet. Allerdings gera- then wir da unter wirklige Räuber und Mörder." „Ist das auch wohl überlegt?" „Alles." «Gut also, gehen wir", sagte Soltmann kühl. Der Kellner half ihm in seinen Ueberrock, und gleich darauf ver- ließen beide Herren das Caso. 6. Kapitel. Das Komplott. Unsere Erzählung führt uns jetzt nach jenem eleganten Stadt viertel, welches sich über den ganzen Westen der Residenz ausbreitete und diese erst als den Sammelpunkt des vornehmen Lebens kennzeich nete. Paläste reihen sich an Paläste von Gärten und Parkanlagen umhegt; an den Straßen zogen lange Bäumereihen sich hin und die öffentlichen, mit Bildwerken und Fontainen geschmückten Plätze verrie- then die pflegende Hand des Kunstgärtners. Jetzt freilig lag auch dieser herrlichste Stadttheil unter dem Schnee, aus dem nur hier und da ein Nadelbaum hervorstrebt und mit seinem dunklen Grün Erinnerungen weckte an die darunter begrabene Pflan zenpracht. Hier war es übrigens immer still und am stillsten im Hochsom mer, wenn die Bewohner des vornehmen Westens fern von der Stadt auf ihren Landsitzen oder in den Bädern weilten. Man wollte hier die Ruhe um jeden Preis, weshalb es schon als eine Störung em pfunden wurde, wenn hin und wieder ein Schlitten mit herrlicher Be spannung klingend durch die stillen, menschenleeren Straßen sauste. Es war in der achten Abendstunde und die Stadt der Paläste bereits magisch erleuchtet, als vor einem sehr eleganten Hause von gelbem Sandstein ein Miethsschlitten vorfuhr, welchem ein in einem Pelz gehüllter Herr entstieg. Das Goldstück, welches derselbe dem Kutscher zuwarf, veranlaßte diesen an die Bärenmütze zu greifen und etwas von einem sehr nob len Herrn zu murmeln. Ein solcher schien der Vorstehende auch zu sein. Der Portier — jedenfalls auch öfter mit einer kleinen Münze von ihm bedacht — verneigte sich tief, als er ihm persönlich öffnete. „Herr Viton oben?" fragte der Fremde im Vorbeigehen. „Aufzuwarten", entgegnete mit einer zweiten Verbeugung der Portier. Der Andere stieg die mit Teppichen belegte, mit Statuen und Topfgewächsen geschmückte, breite Marmortreppe hinan. In der ersten Etage zog er an der Glocke, über deren Krystall- knopf eine Marmortafel mit der goldenen Aufschrift: „Viton, Priva tier," angebracht war. Ein Diener öffnete. „Ah, Herr Baron!" sagte er laut genug, um von dem noch im Flur befindlichen Portier vernommen zu werden. Dann trat der Fremde ein; die Thür wurde ins Schloß gedrückt, eine Kette raffelte und die Tritte verhallten, von den schweren Plüschteppichen erstickt, welche Korridor und Zimmer des sehr eleganten Quartiers gleichmä ßig bedeckten. „Wirklich feine Leute," murmelte der Portier, indem er in feine im Souterrain gelegene kleine Wohnung wieder Hinabstieg. So viel Vermögen und dann nicht heirathen —!" Aber freilich, bei den ge legentlichen heimlichen Damensoupers mags sich's schon vergnügter leben als im Ehestand bei einfacher Hausmannskost." Er seufzte, der ein same Alte. Denn warum hotte er die Portierstelle erhalten? Weil er unverheirathet gewesen war. Und warum war er das? Weil er aus Mangel an Geld das Mädchen nicht hatte bekommen können, nach dem einmal sein ganzes Sehnen gegangen. Daher seine Ver wunderung, daß man mit so vielem Geld unverheirathet bleiben könne. Oben hatte indessen der Diener dem Baron aus seinem Pelz ge holfen! und der Letztere, eine aristokratische, sehr elegante Erscheinung, trat nach einer flüchtigen Toilette vor dem im Korridor angebrachten Trümeau in den Salon. Er schien hier zu Hause, denn es wurde kein Wort weiter zwi schen ihm und dem Diener gewechselt; ebensowenig machte die ver schwenderische Pracht des betretenen Solons irgend welchen Eindruck auf ihn. Er fragte auch nicht nach dem Hausherrn, es dem Diener über lassend, für dessen zeitiges Erscheinen zu sorgen. Inzwischen warf er sich am Kamin in einen niedrigen Fauteuil, drehte sich eine Cigarette und schritt dann zu einer noch angenehmeren Beschäftigung, der des Geldzählens. Ein mit Banknoten gefülltes Portefeuil aus der Brusttasche her vornehmend, entfaltete er ein Päckchen der ersteren — lauter Hundert markscheine — überzählte sie und unterwarf sie hiernach einer genauen Prüfung, wozu er sich sogar eines in der Westentasche getragenen Vergrößerungsglases bediente. Freilich in gegenwärtiger Zeit konnte man wegen der vielen kur sierende» Falsifikate nicht vorsichtig genug sein, zumal bei ganz neuen Emissionen wie diesen hier. Der Baron schien von seiner Untersuchung befriedigt. Er nickte und machte eben Miene, die Noten wieder einzustecken, als ein leichter Schritt hinter ihm laut wurde. „Guten Abend, Viton," sagte er, dem Eintretenden gleichmüthig die Hand hinstreckend, die jener freundschaftlich drückte. „Guten Abend, Baron," tönte Duprats kalte Stimme zurück, denn dieser war der angebliche Viton. Wir wollen ihn auch ferner der Deutlichkeit halber bei seinem al ten Namen benennen; doch darf nicht vergessen werden, daß Duprat hier unter dem Namen Viton bekannt war und lebte. Du hast einen Brief für mich? fragte Duprat, die Hand darnach ausstreckend. „Aus M., ja," entgegnete der Andere, ihm denselben hinreichend. „Von wem kommt das?" „Oeffne und lies ihn selbst, indessen ich dafür Sorge trage, daß wir ungestört bleiben. Ich habe sehr Wichtiges mit Dir zu bespre chen. Der Inhalt dieses Briefes wird Dir die erste Anregung dazu geben." Er gab den Brief an den Baron zurück, der Ihn entfaltete und mit Ruhe las, während Duprat noch einmal hinausging. Als er wieder hereinkam, lag der zusammengefaltete Brief neben dem Baron auf dem Tisch. Der Letztere hatte sein Portefeuille wie der eingesteckt und einen Band von Gedichten ausgenommen, in wel chem er las. Die Scene hatte ganz das Ansehen eines gemüthlichen Beisam menseins unter Freunden. „So," sagte Duprat mit ungewöhnlicher Wärme und Haltung, „Franz habe ich weit in die Stadt geschickt, vor Vorder- und Hinte'r- thür einen Riegel gezogen, so daß auch er nicht wieder herein kann, und wenn nun noch Jemannd kommt, wird nicht geöffnet. Wir sind allein und können uns ganz ohne Rückhalt aussprechen." „Aber der Portier," wandte der Baron ein; „was wird er den ken, da er doch weiß, daß wir oben sind." „Nun, kann ich denn nicht hinten hinaus und durch den Garten nach der anderen Straße gegangen sein?" „Ah so, ja —" „Die Hinterthür des Hauses ist unbewacht, desgleichen die Gar- tenthür, zu denen ich, wie auch zur Hausthür zwei Schlüssel besitze. Frauz hat den Einen mit, und wenn der Portier ihn nicht gesehen hat —" „Schon gut," unterbrach ihn der Baron, das Buch hinlegend. „Ich habe den Brief hier gelesen." „Und was enthält er?" „Lies selbst, das AUereinfachste." Duprat warf Brief und Couvert unbesehen in den offenen Ka min, wo sie sofort zu Asche verbrannten. „Noch einfacher," sagte er. „Du bist ja mein Freund und besitzest als solcher mein ganzes Vertrauen. Also sage mir kurz, was enthält der Brief?" „Eine Aufforderung Etwolds zur Umkehr. Er habe sehr Dringen des mit Dir zu besprechen. Du würdest wohl schon aus den Zei tungen wissen, um was es sich handle. Er halte dafür, daß hierein