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Zweites Matt. TharM, Nojskn, Sitbtnlkhli und die Ulllgtgendtli. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdruss. 45. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnement preis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 75 Freitag, den 18. September 1885 Um zwei Aus; zu lang. Eine Sedangeschichte von H. Trebort. Gabriele von der Hautrapp, die hübsche Tochter des Landraths Hautrapp, war allgemein als der allerliebste Schalk bekannt. Unzählige Herzen, die theils unter glänzenden Uniformen, theils unter den mo dernen Fracks von Assessoren, Referendaren und so weiter für sie im geheimen, oder in offener Weise schlugen, brachte sie zur Verzweiflung, wenn sie erklärte, außer Papa, Mama, Bruder Udo, ihrem Schockt, dem Papagei, sei ihrem Herzen Alles ziemlich gleichgiltig. Machte ihr die Mutter eifrig Vorstellungen, daß es ihr sehnlichster Wunsch wäre, sie einem braven, biedern Manne ihres weit ausgebreiteten Be kanntenkreises als Gattin zu geben — da lachte sie herzlich, umarmte ihre Mutter uud meinte: „Willst Lu mich denn gar zu gern los sein? Sieh', Mamachen, ich habe ja selbst auch schon darüber nachgedacht — hielt dann Revue ab über all die schönen und nichtschönen Herren, denen ich ein ganzes Bändchen abgeschmackter Phrasen danke, bei jedem aber trat mir groß und deutlich das Wörtchen: „Aber" entgegen." „Was hättest Du an Herrn von Bredow, dem Gesandschäfts-Se- kretär, auszusetzen? Er entstammt einer alten Familie, bekleidet eine ansehnliche Stellung, ist eine stattliche Erscheinung, geistreich — ver- mögend — —" „In allen diesen Stücken gebe ich Dir recht, Mama — aber — Herr von Bredow würde seine Diplomatenkunststücklein, die ihm in der Politik ja alle Ehre machen können, in die Ehe übertragen; ja so ein Diplomat hat sein Herz mit so viel Klauseln angefüllt, daß für aufrichtige ehrliche Liebe fast kaum mehr ein Fleckchen Raum vorhan den sein kann," „Aber Gabriele," erwiderte Frau von der Hautrapp, „wie unlo gisch ist es, solch' vage Behauptungen aufzustelleu. Nun gut, sehen wir ab von Herrn von Bredow, welche „aber" bleiben Dir bei Graf Stadnitzki, Rittmeister Stillberg, Herr von Briegen, von Sauten, Pre mierlieutenant von Rhansberg?" „Mama, wo denkst Du hin? — von Santen aus dem Reich der Liliputaner? — er reicht mir gerade bis zu meiner Halskrause und macht stets so fade, abgeschmackte Witze, daß, sobald er nur den Gar tensalon betritt, Schoki schon wüthend mit den Flügeln schlägt. Nein, Mama, ein Mann in des Sinnes wahrer Bedeutung muß die Frau w jeder Beziehung überragen, geistig sowohl wie körperlich — er muß unpomren, und solches vermag ein winziges Männlein nur in den seltensten Fällen." „Nun, und Premierlicutenant von Rhansberg? Der wird doch wohl imposant genug sein — es ist bekannt von ihm, daß er der zweitgrößte Offizier der preußischen Armee ist — er überragt das ganze Regiment, in welchem er dient." „Herr von Rhansberg," sagte Gabriele, „ist ob seines ritterlichen Wesens der einzige, dem ich eventuell Sympathie entgegenzubringen vermöchte; aber — aber — ec ist wieder viel, viel zu groß. Ginge ich mit ihm auf der Straße, und er wäre zufällig in Civil — wie würden da die Leute stehen bleiben und uns neugierig nachstarren! Das ist der Riese Drasal, der früher im Walhalla-Theater war, Njür- den die einen behaupten — die andern würden schwören, es sei der riesenhafte Russe, welcher im Panoptikum angestellt war, und so weiter. Ja, Mama, wär' er nur um einen halben Fuß kürzer, ich würde nicht anstehen, Frau von Rhansberg zu werden." Im selben Augenblick trat ein Diener ein und meldete den Besuch desjenigen, über welchen die beiden Damen eben verhandelt hatten. „Ich lasse bitten," sagte die Landräthin, indeß Gabriele eiligst in den Garten lief. „Sieh da, Herr von Rhansberg, herzlichst willkommen!" „Meine Gnädigste," begann der Offizier, von dem zu sagen, daß er fast die Größe des Riesen Drasal besaß, durchaus nicht über- -trieben war, „meine Gnädigste, ich komme eben aus Berlin und bringe die herzlichsten Grüße des Herrn Landrath. Er hofft, noch im Laufe dieser Woche mit seinem Commissorium zuende zu sein und dann zu Ihnen zurückzukehren. Es wird dann heißen „jeder auf seinen Posten!" denn die Anmaßungen Frankreichs lassen das äußerste befürchten. Ja, gnädige Frau, ich zweifle nicht, wir werden Krieg haben, und ich bin gekommen, Sie um einen glückbringenden Talisman zu bitten, der mich schützen, meinen Arm stählen und mir die höchste Begeisterung verleihen soll in diesem Krieg für Deutschlands und unseres Königs Ehre!" „Und einen solchen Talisman glauben Sie in meinem Besitz?" „Ja, gnädige Frau es ist Gabriele von der Hautrapp, Ihr Fräulein Tochter!" — — „Ihr Wunsch nach jenem Talisman, wie Sie Gabriele benennen, überrascht mich durchaus nicht, Herr von Rhansberg — mein Mann hat mich in seinem letzten Schreiben darauf vorbereitet. Sie haben jedenfalls in dieser zarten Angelegenheit mit ihm gesprochen?" „Ja, meine Gnädigste, uud ich bin überglücklich, daß von seiner Seite meinem besten Herzenswünsche nichts entgegensteht." „Nun, an mir, Herr von Rhansberg, hätten Sie eventuell ja auch einen treuen Verbündeten — indeß ich fürchte haben Sie übri gens an zuständiger Seite bereits jemals — sondirt?" „Ja — ich trug allerdings einen Korb davon, doch habe ich diesen Korb nicht allzu ernst genommen. Fräulein Gabriele antwortete mir, als ich auf eine Vertauschung ihres Namens mit dem von Rhans berg anspielte, unter Lachen: „Ja, wenn nur der Träger dieses Na mens beiläufig zwei Fuß kürzer wäre —" und dann lief sie davon, wahrscheinlich um weitere Körbe zu geben." „Nun, mein Lieber," antwortete die Landräthin, „wie ich sehe, haben Sie noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, den kleinen Gras teufel für Sich zu gewinnen. Wir unsererseits, wir können in dieser Angelegenheit weiter nichts thun, als zugunsten Ihrer interveniren, haben uns aber vorgenommen, ihr freie Wahl zu lassen. Nun, Herr von Rhansberg, suchen Sie den kleinen Wildfang unten im Park auf und sagen Sie ihm, daß im Garten-Salon Thee fervirt wird und ich Sie beauftragt habe, ihn dahin zu geleiten. Nicht wahr, Herr Lieute nant, Sie sagen ihm das und — was Sie ihm sonst vielleicht noch mitzutheilen haben, dem kleinen Wildfang?" Herr von Rhansberg ließ sich solches nicht zweimal sagen, und mit einer militärischen Verbeugung verließ er den Salon. von Rhansberg war inderthat ein auffallend hübscher Offizier, obwohl er, als er jetzt die Treppen der Veranda mit seinen — ach, so langen Beinen drei zu drei nahm und dann den Park mit ellen langen Schritten durchsauste, daß man ihm höchstens per Velociped hätte folgen können — durchaus nicht allzu graziös aussah. Im Regiment hatte er den originellen Beinamen: „Die lange Elf", indeß Herr von Santen „Die kurze Zwölf" genannt wurde. Dies zur nähe ren Charakterisirung der Beine des Herrn von Rhansberg. Von allen Bekannten des elterlichen Hauses, bei denen man Ab sichten auf das hübsche und reiche Töchterlein voraussetzen konnte, war es, wie schon erwähnt und sie es sebst gestand, Herr von Rhans berg, welchem Gabriele am freundlichsten gesonnen war. Sie erröthete merklich und ihr Herz pochte, als sie seine Siebenmeilenschritte hinter sich nahen hörte. Bald aber gewann sie wieder ihre natürliche Unbe fangenheit. „Ach, welche Ueberraschung: Herr von Rhansberg — Sie hier? „Ja, mein gnädiges Fräulein, und zwar ist mir der ehrende Auf trag zutheil geworden Sie, mein gnädiges Fräulein — hm, hm —" den jungen Offizier schien plötzlich alle Tapferkeit zu verlassen — „um Sie, mein gnädiges Fräulein, nach dem Gartensalon zu ge leiten, woselbst die gnädige Frau Mama den gnädigen Thee — Par don, den Thee servrren läßt." GabriAe lachte muthwillig. „Und zu diesem Zweck einzig und allein hat man sie von Berlin nach Schloß Hautrapp beordert, damit sie mich zum Thee führen sollen?" „Nein, mein Fräulein", antwortete der HeirathsaSpirant, „es war eine ganz positive Ordre meines Herzen, der ich gefolgt bin." „Eine positive Ordre Ihres Herzens, mich zum Thee zu führen?" Sie wollte ihn durchaus nicht verstehen. Da hieß es denn, die einem Militär ohnedies nicht geziemende Schüchternheit oblegen und direkt auf die zu erobernde Festung losgehen. In stürmischen Worten der Liebe und Begeisterung wiederholte er seinen bereits einmal schüchtern gestellten Antrag, um — denselben Erfolg zu erzielen. Wieder lachte sie wie damals, und wieder gab sie wie damals die capriciöse Antwort: „Zwei Fuß zu lang — beiläufig zwei Fuß zu lang. Warten Sie doch, Herr Lieutenant," so neckte sie, „bis ich entsprechend größer geworden bin. Hoffentlich werde ich ja noch wachsen." Und damit hatte sie das Gespräch abgebrochen und ging still an der Seite des nun völlig Hoffnungslosen und so schnöde Abgewiesenen dem Gartensalon zu. Herr vou Rhansberg verließ noch am selben Abend das Schloß Hautrapp, düstern Kummer im Herzen; denn er liebte diejenige, welche ihn verschmähte, mit voller Gluth und Leidenschaft und hatte sich hi- neingelcbt gehabt in den süßen Gedanken, sie dereinst die seine nennen zu dürfen. Als er spät in der Nacht wieder in Berlin anlangte, da erfuhr er sofort, daß die Kriegserklärung vollendete Thatsache sei. Freude erleuchtete plötzlich seine düsteren Züge. „Hurrah Krieg!" rief er in seine Wohnung tretend. — „Krieg! Du wirst mein krankes Herz gesunden!" „Immer vorwärts, Jungens! Es giebt noch mehr Eiserne Kreuze! Immer drauf!" So rief ein noch junger Hauptmann und Kompagniechef seiner Kompagnie zu, welche beordert war ein Gehöft zu nehmen, das den Franzosen als Stützpunkt diente, um den fast geschlossenen eisernen Ring zu durchbrechen. Mit lautem „Hurrah! Hurrah!" stürmten die Tapferen ihrem