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Tharandt, Nohra, Mrntrhn and dir RmMadra. Amtsblatt fiir tzie Königl. Amt-Hauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. ^scheint »»chkntlich jwtim«l, Diknkta-e und Freitags. — Abonnemcntpreis vierteljährlich I Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montas* und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. ZI. Freitag, den 13. März I88S. Ta-e-geschichte. Lord Granville hat im englischen Oberhause mit möglichst guter Miene in den säuern Apfel gebissen, den ihm Fürst Bismarck gereicht hat: er hat Englands Sünden gegen Deutschland bekannt. Es mag ihm sauer geworden sein, aber es war nothwendig und Bismarck macht ihm die Buße leicht; denn „an Englands Freundschaft liegt mir mehr, sagte er, als am Sudan." England hat von jeher in seinem über« mäßig entwickelten und durch die Alleinherrschaft zur See genährten Selbstbewußtsein sehr weuig Empfindung für die nvthwendige Gegen seitigkeit internationaler Rücksichtnahme besessen. Die Norm seuies Handelns war überall — weil zumeist alle Konkurrenz fehlte, das eigene Interesse, das sich über die Ansprüche und Wünsche Anderer rücksichtslos hinwegsetzte. Besonders Deutschland — in der altgewohnten Vorstellung jedes echten Engländers nur ein geographischer Begriff — kam gar nicht in Betracht. Wo konnte Deutschland mit seiner geringen Seemacht Englands Wege kreuzen! Und dürfen wir dem Engländer aus dieser Idee einen Vorwurf machen, wenn uns das im Reichstage gesprochene berühmte Wort von den „Nasenstübern" anderer fecmächtigerer Nationen belehrt, wie tief in unserm eignen Volke diese Vorstellung wurzelt? Jetzt endlich hat England begriffen, daß Deutsch land eine Macht ist, über deren Ansprüche man nicht hochfahrenden Tones hinweggehen kann; nicht der berechtigte und neidenswerthe Stolz, wohl aber der unberechtigte Hochmuth Albions ist gebrochen und es ist gezwungen anzuerkenneu, daß Deutschlands Freundschaft jeder Nation erwünscht, seine Feindschaft aber für Niemanden begehrenswerth ist, wie Lord Granville im Oberhause vor aller Welt bekannte. Im Reichstage mußte wieder einmal der Kriegsmiuister Bronsart v. Schellendorf den Abgg. Bebel und Richter Rede und Antwort stehen. Weil auf einer Jagd bei Cassel ein Soldat als Treiber angeschoffen worden war, fragte Bebel, ob denn die Soldaten zum Treiben ge zwungen werden könnten. Nein, antwortete der Minister, das Treiben besorgen sie ohne Zwang und freiwillig; wenn Freiwillige aufgcfordcrt werden, tritt meist die ganze Kompagnie heraus, die Jagd ist ihnen eine angenehme Abwechslung im einförmigen Dienst und wird ihnen auch vergütet, der Dienst leidet nicht darunter und die Sache kommt jährlich so selten vor, daß man nicht sagen kann, man solle lieber die Dienstzeit abkürzen. Bebel spottete auch über die Soldaten, die den Frauen der Unteroffiziere bei Einkäufen auf den Markt rc. folgen und helfen müßten, und sand einen unerwarteten Gegner in Windthorst, der die Sache von der humoristischen und gemüthlichen Seite darstellte und sehr zweckmäßig fand. Er schilderte, wie er in seiner Jugend selber Treiber und glückselig war, wenn er wilde Schweine, Rehe und Hirsche aufjagte. Das Haus kam in heitere Stimmung und lachte über die Interpellanten, die gern alle und jede Sache auf die Spitze treiben möchten. Se. Maj. der Kaiser soll den Fürsten Bismarck zur Wieder- Herstellung der friedlichen Beziehungen mit London und zum Erfolg der Mission deS Grafen Herbert Bismarck in auszeichuender Weise beglückwünscht haben. Zum Geburtstage deS Kaisers, der diesmal auf einen Sonntag fällt, werden zahireiche fürstliche Personen, unter denen man den König und die Königin von Sachsen, die Großherzogin von Baden, den Kronprinzen und die Kronprinzessin von Schweden, den Großhcrzog von Sachsen-Weimar nennt, am Hofe eintreffen. Die vom braunschweigischen Regentschaftsrathe verfügte Auf lösung deS KreiS-Landwehr-BcreinS zu Braunschweig macht viel Auf sehen. Dieselbe soll wegen angeblicher Gefährdung der gesellschaft lichen Ordnung durch den Verein erfolgt sein. Zwei Mitglieder des- selben hatten öffentlich erklärt, daß sie für den sozialistischen Reichs- tagsabgeordnetcn Blos gestimmt hätten, darauf war vom Vorstand bei dem Verein die Ausschließung der betreffenden Mitglieder beantragt worden und da dies in der Generalversammlung nicht genehmigt wurde, legten die Vorstandsmitglieder ihre Aemter nieder. Auch die dem Verein angehörenden Offiziere sind auf Befehl des in Braunschweig kommandirenden preußischen Generals v. Hilgers ausgetreten, eben weil der Verein dem ihm von den Offizieren gestellten Ansinnen, seine sozialistisch gesinnten Mitglieder auszuschließen, nicht nachgekommen war. Polizeirath Rumpff in Frankfurt ist unter den Händen von rachsüchtigen Mördern gesallen, weil er unermüdlich und unbestechlich war, die Feinde des Staats und der Gesellschaft zu verfolgen. Er ist arm gestorben und hat nur zwei kränkliche Kinder hinterlassen, einen Sohn von 17 und eine Tochter von 16 Jahren, für welche die un vermögenden Verwandten nicht sorgen können. Der Staat aber lohnt ihm seine Pflichttreue, indem er diesen Kindern zusammen 2745 M. jährlich und lebenslänglich zahlt. Es ist der Betrag der Besoldung des Vaters. Nach den „Dailly News" sind die deutschen Erwerbungen an der Ostküste von Afrika viel ausgedehnter als anfänglich angenommen wurde. Dieselben umfassen Territorien, die einen Flächeninhalt von mindestens zweimal der Größe Preußens einnehmen. In dem dem Grafen Larisch gehörigen Johann-Schachte in Karmin bei Teschen (Oesterreich) fand am Freitag früh 1'/2 Uhr eine Ent zündung von Grubengas statt. Das Grubenunglück in Karwin über steigt bei Weitem alle ähnlichen Unglücksfälle, die sich in Oesterreich zugetragen. Das Kohlenwerk beschäftigt mehrere Hundert Arbeiter und wird Tag und Nacht betrieben. Die Arbeiter waren um 8 Uhr Abends in die Gruben eingefahren, und um V-2 Uhr Morgens er folgte die Katastrophe. Im Ganzen befanden sich in den Schächten 123 Arbeiter. Bis Freitag Nachmittag wurden 47 Leichen geborgen. Nach anderweitiger Meldung sind 5 Menschen gerettet. Die Verun glückten sind meist Familienväter und es ist die Bergung der Todten in Folge der herabgestürzten Gesteinmassen äußerst schwierig, sie dürfte 14 Tage beanspruchen. Die Explosion fand 160 Meter tief statt, vielleicht infolge einer Unvorsichtigkeit, da entgegen dem Verbote an einer von GaS geschwängerten Stelle ein Sprengschuß abgefeuert wor den ist. Vaterländische». — Während bei der Königlichen Altersrentenbank in Dresden (Altstadt, Landhausstraße 16, im Landhaus) früher ganz regelmäßig mehr mit Verzicht als mit Vorbehalt des Kapitals eingezahlt wurde, ist hierin seit einiger Zeit ein auffälliger Umschwung zu bemerken und wird nun der größere Theil der Einlagen mit Vorbehalt der Rück zahlung gemacht. Dieses neue Berhältniß hat erst seit Mitte vorigen Jahres Platz gegriffen d. i. von der Zeit an, zu welcher fast plötzlich der kleine Mann aus dem Volke anfing, sich für die Altersrentenbank zu interessiren und ihr einen Theil seiner Ersparnisse in kleinen Be- trägen von ein oder mehreren Mark darzubringen, um sich damit eine den Pensionen der Staatsbeamten zu vergleichende Rente für seine alten Tage zu sichern. Durch den auf die Einlagen gelegten Vorbe halt verringert man allerdings die Rente nicht unwesentlich, erreicht aber dadurch sen Bortheil, daß sämmtliche Einlagen in Summa beim Tode ausgezahlt werden; auch kann man die Einlagen ganz oder theilweise bei Lebzeiten zurückziehen oder nachträglich, so lange die Rente noch nicht begonnen Hai, den Vorbehalt wieder aufheben, wo durch sich die Rente nach festgestelltem Tarife erhöht. Trotz der mit der Bedingung des Vorbehalts oder der Rückgewähr der Einlagen verbundenen Vortheile, — unter denen noch besonders hervorzuheden ist, daß sich das Kapital durch den Rentenbezug nicht verringert und nach und nach aufzehrt, sondern auf alle Fälle voll ausgezahlt wird —, ist aber diese Art der Einzahlung nicht jedermann zu empfehlen. Wer z. B. eine sofort beginnende Rente erwerben will, thut wohl daran, ohne Vorbehalt einzuzahlen, denn andern Falls wird seine Rente zu niedrig. Dergleichen ist dem, der nur wenige Jahre auf den Rentenbe zug warten will, zu rathen, entweder gleich mit Verzicht einzuzaylen oder doch bei Beginn der Rente den Vorbehalt zurückzunehmen. Steht eine solche Person schon in vorgerückten Jahren, so erlangt sie bei der Altersrentenbank neben der Staatsgarantie noch den andern Vor theil, daß sie der höchsten Rentensätze theilhaftig wird, die überhaupt von Rentenanstalten gezahlt werden. Denselben Vortheil genießen Versicherte, die schon in jungen Jahren der Altersrentenbank bcitreten, die Renten aber erst im höheren Alter (etwa vom 55. Jahre an), sei eS mit Verzicht oder Vorbehalt deS Kapitals, zu beziehen wünschen. Die verschiedenen bei der Kgl. Altersrentenbank zu erwerbenden Renten arten sind im Prospekt derselben ziemlich ausführlich beschrieben; von diesem ist gegenwärtig eine neue (siebente) Auflage erschienen, welche bei den Agenturen der Bank (in Wilsdruff Herr Lott.-Collect. Gast) unentgeltlich zu haben ist. — In Zittau sind Drohbriefe, die Stadt durch Brand und Explosion zv vernichten, an verschiedene städtische Beamte per Post — unfrankirt — versandt worden. Der Handschrift nach ist der Schreiber der Briefe eine mit der Feder wenig bewanderte Person. Unterzeichnet war einer der Briefe mit dem Ausruf: „Es lebe die Anarchie, der Dynamit und die Zündschnur!" Es ist wohl anzuneh men , daß die Briefe auf einen rohen Scherz zurückzuführen sind, eine empfindliche Strafe dürfte jedoch für den Frevler hier am Platze sein. — In einer vorige Woche in Geringswalde abgehaltenen und von Vertretern der Slädte Geringswalde, Hartha und Waldheim be suchten Versammlung wurde beschlossen, an die königl. Staatsregierung das Ersuchen zu richten, die generellen Vorarbeiten für die Eisenbahn linie Waldheim-Hartha-Geringsmalde-Rochlitz noch im Laufe diese- Jahres vornehmen, ev. auf Kosten der Petenten ausführen zu lassen. (