Volltext Seite (XML)
sehen Clavecinisten, erst recht nicht von ,,ihrem Fürsten Couperin“ inspiriert. Ravel — 1875 zu Ciboure geboren, 1937 in Paris verstorben, studierte am Pariser Konservatorium bei Gedalge und Faure — komponierte das Werk am Ende des ersten Weltkriegs. Jeder Satz ist dem Gedenken eines an der Front gefallenen Freundes gewidmet, dennoch hat ein jeder in seiner anmutvollen Heiterkeit mehr Scharm als Melancholie. Le tombeau de Couperin ist ein köstliches kleines Gemälde. In Ravels Gesamtwerk würde es nicht viel bedeuten, wäre nicht das Wunder seiner Orchestrierung, die zwei Jahre nach der Entstehung (ursprünglich nur für Klavier komponiert) für die Concerts Pasdeloup geschaffen wurde: Ravel erreicht hier durch äußerste Strenge und Einfachheit eine Transparenz und zugleich eine Geschlossenheit, wie er sie in den glänzendsten Erfolgen seiner virtuosen Orchestrier kunst kaum übertroffen hat. Ein „Clavecinist“, ein Klaviermeister nicht nur Italiens, sondern der ganzen Welt war seinerzeit Domenico Scarlatti (1685—1757), ein Sohn vom großen Alessandro Scarlatti, dem Begründer der neapolitanischen Opernschule. Ihm, der die Klaviersonate mit ihrer rokoko- haften Spielfreudigkeit dem Stil der Wiener Klassiker (Haydn, Mozart, Beethoven) um einen großen Schritt nähergebracht hat, gilt das Werk von Alfredo Casella: „Scarlattiana“, ein Divertimento für Klavier und ein kleines Orchester nach Domenico Scarlatti. Dieses Divertimento, diese musikalische ,,Unterhaltung“ im besten Sinne, ist ein richtiggehendes Klavierkonzert. Im ersten Satze, einer Sinfonie (dem Einführungssatze), beginnen die Bläser über dem Pizzicato der Streicher in einem pathetischen Lento grave (breit und gewichtig) und erreichen in Kürze das tempobestimmende Allegro molto (sehr schnell), in dem sich das Soloklavier dem Ganzen lebhaft anschließt. Ein lustiges Menuett als zweiter Satz, ein spritziges Capriccio als dritter, eine Pastorale (ein Hirtengesang), in die imitierend die Bläser und solistische Streicher einführen, als vierter und schließlich ein Finale als fünfter Satz geben dem Komponisten Gelegenheit, seiner Verehrung für den altitalienischen Klaviermeister Ausdruck im modernen Klanggewande zu geben. Der 1883 in Turin geborene Alfredo Casella ist neben Malipiero und Pizzetti der dritte seines Alters, der entschlossen um eine Erneuerung der italienischen Musik bemüht war und seine Ziele vor allem auf die instrumentale Musik richtete. Casella ist von einer versierten Vielseitig keit, von oft wechselnden Einfällen — er greift nach Anregungen, besonders bei älteren Stilperioden: Nach Domenico Scarlatti, wie in unserem Falle, nach sizilianischen Volks weisen (beim Ballett ,,La Giara“), nach den launigen Buffo-Opern des 18. Jahrhunderts (,,La donna serpente“). Jean Philippe Rameau, geboren 1683 in Dijon, gestorben 1764 in Paris, hinterließ neben einer Fülle von Bühnenwerken einen Schatz reich ornamentierter und geistreich program matischer Miniaturen für Klavier, die nicht nur bewußt vollenden, was Couperin mit seiner Programm-Musik begann, sondern die auch schon Einflüsse von Domenico Scarlatti zeigen. Werner Egk geht diesen Einflüssen nach, wenn er in seiner Französischen Suite nach Ra meau für großes Orchester im ersten Satz den ,,Lockruf der Vögel“ von den Flöten an stimmen, im zweiten Satz ,,Gigue en Rondo“ einen Tanz immer wiederkehren, im dritten Satz die Oboe zärtlich klagen läßt, im vierten Satz den Taktwechsel zwischen dem geraden und ungeraden Takt in einem venetianischen Tanz aufzeigt, im fünften den Wirbelwind in laufenden Girlanden von den Streichern, dann von den Bläsern, schließlich vom Glis sando der Harfe malt. Werner Egk ist bei uns kein Unbekannter mehr. Abgesehen von seinen Bühnenwerken kennen wir ihn von seinem Faustballett,,Abraxas“ her. Hans Joachim Moser kennzeichnet ihn und sein Werk in seinem Lexikon: ,,Seine stark triebhafte Musik verbindet die bayrische Heimatkunst (Egk wurde 1901 in Bayrisch-Auchsesheim geboren) mit kühnen Modernismen und ist durch neuartige orchestrale Klangfarben gekennzeichnet.“ Gar so kühn erscheinen uns seine Modernismen nicht mehr — besonders nicht in seiner Französischen Suite nach Rameau. Prof. Dr. Hans Mlynarczyk Der Absatz 3 der Einführung wurde auszugsweise aus: Karl Schönewolf, Konzertbuch Band 1, Henschel- verlag Berlin 1958, übernommen. LITERATURHINWEISE W. J. von Wasielewski: Die Violine und ihre Meister, Leipzig 1919 K. H. Wörner: Neue Musik in der Entscheidung, Mainz 1956 Roland Manuel: Ravel, Potsdam 1951 H. J. Moser: Musiklexikon, Hamburg 1955 VORANKÜNDIGUNG Nächste Konzerte im Anrecht A, 23. und 24. April 1960 Nächste Konzerte im Anrecht B, 30. April und 1. Mai 1960 8. ZYKLUS.KONZERT ,,Musik von großen Meistern — um große Meister“ 6078 Ra III-9-5 460 1,4 It G 009/60/31