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Dresdener Philharmonisches Orchester Mittwoch, den 4. Dezember 1918 V28 Uhr abends 10. Volks-Sinfonie- Konzert Leitung: Alfred Klietmann Solist: Lotie Kreisler (Sopran) SPIELFOLGE: 1. L.v. Beethoven: Simonie Nr. 5, C-Moll, Werk 67 Die „Fünfte“ von Beethoven steht neben der „Eroica" und der „Neunten“ in der vordersten Reihe der ganz großen und dabei doch ungemein volkstümlich gewordenen Werke des Meisters. Sie ist so recht eine unmittelbare Verkörperung aller jener Werte, die den künstlerischen Genius ihres Schöpfers ausmachen. Gewaltig, tief und fortreißend in ihrem Ideenschwung, der Beethovens Wahl spruch „Kraft ist die Moral des Menschen“ als Motto tragen könnte, und dabei von einer ehernen Schärfe und Klarheit der Form. Seit ihrer Wiener Uraufführung am 22. Dezember 1808 hat sie denn auch als Hauptbollwerk von Beethovens Ruhm in breitester Allgemeinheit gewirkt. 1. Satz, Allegro con brio (C-Moll 2 U). „So pocht das Schicksal an die Pforte“. Mit diesen Worten soll Beethoven selbst das wuchtige nur aus den vier Noten, g, g, g, es bestehende Hauptmotiv des Satzes, das wie eine lapidare Überschrift an der Spitze steht, bezeichnet haben. Ein Abbild titanischen, trotzigen Ringens wider feindliche Mächte des Geschicks zu geben, ist denn auch der Sinn dieser Musik, Zwar tritt dem Trotzmotiv, nachdem es seine erste Entwicklung gefunden und durch ein Solo der Hörner noch einmal bestimmteste Fassung erfahren hat, in Violinen und Holzbläsern eine weiche, flehende Es-Dur Melodie entgegen, aber sie kommt nicht auf. Den Beginn und den ganzen weiteren Verlauf der Durchführung beherrscht das zu Ausbrüchen dämonischer Leidenschaft anschwellende Trotzmotiv, dessen reiche thematische Entwicklung auch im technischen Sinne eines der größten Meister stücke in der Musik aller Zeiten darstellt. Nur selten unterbrechen den Sturm Momente der Erschöpfung und des Besinnens, so einmal eine von Bläsern und Streichern in echomäßigem Wechsel breit ausgesponnene träumerisch fantastische Dreiklangsfolge, so ein andermal eine rührend ausdrucksvolle Kadenz der Oboe, mit der wir indessen gleichsam unbemerkt in die freie Wiederholung des ersten Teiles eingetreten sind. Mit einer noch einmal alle leidenschaftliche Kraft zusammenraffenden kurzen Coda wird das Ende erreicht. 2. Satz, Andante con moto. (As-Dur 3 /s). Nach wildem Lebenskampf folgt die innere Einkehr. Ihre Grundstimmung prägt sich in einer breiten von Bratschen und Celli eingeführten gesangvollen Melodie voll warmer, hoffnungsfroher Innigkeit aus. Die trotz des dreiteiligen Taktes marschmäßige Fortführung des thematischen Fadens in den Blechbläsern schließt daran Empfindungen stolzer, selbstbewußter Zuversicht. Variationen dieser beiden sich gegenseitig ergänzenden Themen und Ausdruckswelten machen den Inhalt des Satzes aus. Besonders glänzend schwingt sich mit Unterstütung von Blechbläsern und Pauken mehrmals das stolze Marschthema auf, während die zarte Kantilene durch mannigfaches Arabeskenspiel bereichert wird. Vereinzelt fallen bei zwielichtartiger harmonischer Beleuchtung auch trübe Schatten herein, die jedoch dem lichten Element und einem kräftigen triumphierenden Schluß weichen müssen. 3. Satz. (Allegro C-Moll S U). Nun erhebt auch der Humor seine Stimme, freilich nicht ganz unberührt von der herben Empfindungswelt des