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Nr. 74 Donnerstag, äen 28. März 192s 24. Jahrgang Brandstiftung auf der „Europa"? Nach dem Brand der „Europa." Wie verlautet, soll bereits in der nächsten Woche mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen werden, die voraussichtlich vier bis fünf Monate in Anspruch neh men dürsten. Ueber die Ursache des Brande» herrscht nach wie vor völlige Ungewißheit, und ob e» bet der Eigenart der Brandstätte möglich sein wird, sie über haupt zu ermitteln, steht dahin., Die polizeilichen Er hebungen sind noch nicht abgeschlossen. Tier Schaden, der gestern bis zu 40 Millionen RM geschätzt wurde, wird jetzt mit etwa 50 bis 25 Mil lionen angenommen, da, wie gemeldet, die wertvol len Kessel-- und Maschinenanlagen vom Feuer verschont geblieben sind und die Einrichtungsgegenstände für die Kabinen und die Gesellschaftsräume sich noch nicht an Bord befanden. AIS besonderer GlückSumstand wird bezeichnet, daß 50 Tonnen Oel, die in einem Tank im Hinterschiff gelagert waren, nicht explodiert sind. ver Hraf Zeppelin über Palästina. Reuter meldet: Der „Graf Zeppelin" war schon seit den frühen Morgenstunden in Palästina erwartet worden. Er erschien um 3.15 Uhr nachmittags über Haifa und erreichte Jaffa um 6.18 Uhr nachmittag». MS das Luftschiff über Telaviv kreiste, streute es Kon fetti über die Bevölkerung au«, die sich dort au» allen Teilen de« Lande» eingefunden hatte, um die Purim-Festlichkeiten zu begehen. Um 6.20 Uhr war da» Luftschiff über Namlah, wo die offiziellen Post« säcke abgeworfen wurden, und kurz nach 7 Uhr abends wurde e» von Norden- her kommend in Jerusalem gesichtet. L«S Zeppelinluftschiff bog nach Südwesten und dann nach Westen ab und steuerte hierauf von Südwesten her über die Stadt, »om Haus de» Be- ztrk»gouverneur» wurden Begrüßungsbotschaften aus- gesandt, auf die der Zeppelin antwortet«. Hieraus tzuuarla er in südöstlicher Richtung jveitar. Brei ^fahre Hefängnks für Gpioaagr Der vierte Strafsenat de» Reichsgericht- verur teilte gestern den 21 Jahre alten Schmied und frühe ren Reichswehrsoldaten Franz Boos aus Eberbach in Baden wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu drei Jahren Gefängnis und drei Jahren VhrenrechtS- Verlust. Boos, der wegen schweren Kameradendieb stahls, Fahnenflucht und Widerstande» zu acht Mona ten Gefängnis verurteilt und au» der Reichswehr ent- lassen war, hatte, um sich zu „rächen", Verbindung mit belgischen und französischen Spionageagenten ge sucht, die ihm die Mittel gaben, in seine frühere Gar- nison Meiningen zurückzukehren, um sich geheim »u haltende Papiere zu verschaffen^ Zu diesem Zweck« machte er sich an frühere Kameraden heran. Nach dem ihm sein Vorhaben einmal geglückt war, wurde ihm bei einem -weiten Versuch zum Schein Material gegeben, «l» er -urücknism wollt«, wurde -r au» dem L»as b«a«Z vwchaftck. La Luo» NL-oPaH tL Auf der Rückfahrt. Da» Luftschiff „Gras Zeppelin" hat nach dem Ueberfliegen der Stadt Athen nicht die Richtung nach Konstantinopel eingeschlagen, wie ursprünglich vermutet wurde, sondern fliegt in Richtung auf da» Adriatische Meer. Um 7 Uhr morgen» wurde die Insel SkiroS im Aegäischen Meer an der griechischen Ostküste passiert. Oie Möglichkeiten zum Sparen Von Dr. Külz, Reich-Minister a. D. Tiie in diesem Jahre uns erstmalig Poll treffen den .Reparationszahlungen von 2Vr Milliarden RM ha- ben den Haushaltplan de» Reiche» mit einem unge deckten Fehlbetrag von rund 400 Millionen RM be lastet.' Lu» klingt zunächst sehr schlimm, in Wirk lichkeit macht dieser Fehlbetrag aber nur vier Pro zent des gesamten zehn Milliarden betragenden Etats aus. Wenn ein Geschäftsmann für das laufende Ge schäftsjahr seine Ausgaben mit 100 000 RM annimmt, aber es fehlen ihm zur Bestreitung dieser Ausgaben noch 4000 RM, so wird ihn dies natürlich sehr ernst und nachdenklich stimmen, aber es wird ihm kein An last sein zu hoffnungsloser Stimmung. Genau so egen die Tinge beim Reich.' Tas Bestreben, dieses Defizit ^u beseitigen, darf nicht zu unbesonnenen, über stürzten oder unwirtschaftlichen Maßnahmen führen. Grundsätzlich abzulehnen sind Sparmaß nahmen, die lediglich formell die Ausgaben beim Reich verringern, materiell aber kein Ersparnis bedeuten, weil sie die Lasten nur verschieben, und zwar zu La sten der Länder und Gemeinden.^ Natürlich müssen auch diese sparen, aber schränkt man dis Reichszuschüsse an sie über Gebühr ein, so erreicht man im End erfolg ja nichts anderes, als daß, Länder und Gemein den nur ihrerseits zur Erfüllung ihrer Lebensnot wendigkeiten die Steuern erhöhen. Genau so bedenk- .i.h ist die in Wirtschaftskreisen sehr beliebte .Forde rung, die bis jetzt steuerfreien Betriebe der öffentlichen Hand zur Einkommensteuer he ranz »ziehen. Angenommen, es würden hier durch iwminell 200 Millionen RM an Steuern er reicht, so hat das Reich an diesem Ertrag doch, eben nur 25 Prozent Anteil, also nur 50 Millionen, wäh rend die übrige Summe wieder an Länder und Ge meinden fällt; nur daß sie dort aus den Wirtschafts betrieben herausgezogen und in dm Steuerbetrieb überführt worden sind. Tier Hinweis, daß doch auch die im Privatbesitz befindlichen Werke Steuern zahlen müssen, und daß es deswegen eine Bevorzugung z. B. der städtischen Werke sei, wenn sie von der Ein kommensteuer frei bleiben, zeigt ein völliges llnbe- wandertsein mit der Eigenart der kommunalen Be triebe, die durchaus nicht, wie die im Privatbesitz be findlichen Unternehmungen, nach den Grundsätzen einer reinen Ertragswirtschaft betrieben wer den können, da sie zu starken sozialen Rücksichten ge zwungen sind, die ihrer Ertragswirtschaft viel engere Grenzen setzen, als den Privatbetrieben. Belastet man die kommunalen Betriebe durch Steuern, so werden diese durch erhöhte Tarifs einen Ausgleich erstreben müssen, es tritt also auch wieder nur eine Verschie bung der Lasten und keine materielle Ersparnis ein< .. Gänzlich zu verwerfen ist auch der Gedanke, Ausgaben aus Anleihe zu nehmen, die ihrer Natur nach zu den laufenden Ausgaben des Reiches gehören und deswegen au» laufenden Mitteln bestrit ten werden müssen und nicht aus Anleihen. Wer gegenteilig handelt, verstößt gegen die Primärsten Ge bote einer geordneten Finanzwirtschaft. Es muß also schon bei den Ausgaben des Reiches selbst materiell gespart werden. So lange eS mögliche "ist, die fehlenden vier Prozent des Bedarfs durch Einsparungen zu decken, muß das selbstverständlich geschehen. Und das ist durchaus mög lich. Der Hansabund hat es unternommen, den Lan zen Reichshaushalt auf Abstrichsmöglichkeiten durchtzu- prüfen, aber es fehlte ihm dabei doch an manchen Stel len die genauere Kenntnis der Struktur des Etat» und seiner inneren Zusammenhänge. Die fohlt auch vielen Abgeordneten, wohl aber ist sie vorhanden bet den einzelnen Ministerien selbst. Sie sind deswegen die Stelle, die gm ehesten erkennen kann, wo sich Er- fparnismöglichkeiten ergeben^ Naturgemäß hat jedes Ressort zunächst das Bestreben, bei der Ausstellung des HauShaltPlancS für seine Zwecke so viel zu er reichen, als nur möglich ist, aber deswegen wird eben auch jedes Ressort selbst am besten zu erkennen vermögen, wo eingespart werden kann. Gewiß sind viele Ausgaben zwangsläufig und unberührbar, so z. B. die Gehälter, aber in jedem Ressort gibt es ge nügend Positionen, wo der Blaustift angesetzt wer den kann. Der Reichstag sollte deswegen den lehr einfachen Weg beschreiten, den HauShaltplan nach, der Durchprüfung zu genehmigen und den dann noch, ver bleibenden Fehlbetrag dadurch! zu beseitigen, daß er durch Gesetz di« einzelnen Ressorts verpflichtet, im Laufe de» Haushaltjahre» nach eigenem Ermessen von der Sesamrsumm« ihr«» «essort» di«r Prozent «in» mtnd dem aüen ^«sfo*so HArem t geht nicht", aber am Ende des JahreS wird man sehen, daß es ohne Schaden gegangen isü Durch, ein solches Verfahren werden Steuererhöhungen vermie den. Bis zum Jahre 1930 werden hoffentlich unsere Reparationsleistungen aus eine erträg- liche Grundlage gestellt werden, und dann wer den wir sehen, ob zum Ausgleich, noch Steuererhöh ungen notwendig sind oder ob eine Entlastung bei den Reparationen diese mißliche Maßnahme unnötig macht. - i zsi. » Pf«»!,,. pochch,<r.«,attr statt Lttpzlg 0,. -««« Rückversicherung sind auch ausländische Gesellschaften beteiligt. Mit den AufräumungSardeiten ist unverzüglich begonnen worden. Die Feuerwehr ist bis auf einen Zug, der mit der Werksfeuerwehr von Blohm u. Voß eine Brandwache bildet, abgerückt. Nach einer Mitteilung der Direktion der Werft von Blohm u. Voß wird sich eine zumindest vorüber gehende Einstellung de» Baubetriebe» nicht ver meiden lassen. Tie 3000 Arbeiter, die bi» vorgestern auf dem Schiff beschäftigt waren, mußten gestern früh einstweilen nach, Hause geschickt werden. Reichsmintfter Dr. Schätze! zum Brand aus der „Europa" Reichsminister Tr. Schätze! hat in seiner Eigen- schäft als Reichsverkehrsminister dem Norddeutschen Llohd folgende Drahtung gesandt: „Erfahre mit größter Teilnahme vom Brand der „Europa", die be stimmt war, binnen wenigen Monaten al» da» schön ste und schnellste deutsche Schiff seine Jungfernreise über den Ozean zurüchzulegen und auf da» mit der Ree- derei und ihrem wagemutigen Leiter die deutsche Schiffahrt und da» ganze deutsche Volk so große Hoff nungen gesetzt hatte. Möge e» dem Norddeutschen Llohd gelingen, dem Schwesterschiff „Bremen" bald «in« neue „Europa" an die Seite zu stellen." Auch Staatssekretär Gutbrod hat dem General direktor Stimming drahtlich sein Beileid ausgesprochen. Die „Europa" mit 44 Millionen versichert Wie der „Lokälanzeiger" mitteilh, ist die Europa schon für die Zeit des Baues auf dem Wege der Transportversicherung u. a. auch gegen Feuer- und Explosionsgefahr versichert worden. Die Versicherung läuft unter Führung deutscher Gesellschaften hauptsächlich in Deutschland und zum Teil in England. Fast alle deutschen Transportverstcherungsgesellschaften 'find beteiligt. Die Gcsamkversicherungssumme beträgt zurzeit 44 Millionen Mark. Der Riesendampfer „Europa" stand gestern um 4 Uhr nachmittags noch immer in Flammen. Erst am späten Nach- mittag war das Feuer, das über 14 Stunden gewütet hat, bis auf einige geringfügige Glimmnestsr gelascht. Eingehende Feststellungen durch Ingenieure der Werft und der Reederei haben gezeigt, daß die Schäden erfreulicherweise doch wesentlich geringeren Unisang haben, als ursprünglich an- genommen werden mußte. Außer den Kessel- und den Maschi nenanlagen und dem gesamten Hinterschiff mit allen Einrich tungen sind auch das Unterschiff und die unteren Decks fast in der ganzen Länge sowie das Vorderschiff vom Feuer ver - schont geblieben. Die Kammeranlagen des Schiffes waren im Rohbau aufgestellt; von den Salcmeinrichtungen, ebenso von der eigent- > lichen Kammereiwrichtung war noch nichts an Bord. Die Kammerwände haben im Mittelschiff an den Seiten Feuer ge- , fangen und sind mit allen schon verlegten Rohr- und Kabel- lcitungen zerstört. Hierdurch sind auch die Eisenkonstrukdionen ' der Aufbauten des Schiffes in Mitleidenschaft gezogen worden. Durch die bei der Bekämpfung des Feuers aufgewendeten Wafierinengen hat sich der Tiefgang des Schiffes so verlagert, daß es nunmehr auf Grund fitzt. Eine Kentergefahr für das Schiff besteht nicht. Aeußerlich bietet das Schiff setzt den Anblick eines Wracks. Ein Teil des Oberdecks zwischen den beiden Schorn steinen ist in sich zusammengesunden. Die Plattengänge der Außenhaut sind durch die Glut ausgebeuff, und zwar derart, daß teilweise die Vernietung gerissen ist. An vielen Stellen sind die Versteifungen des Schiffsrumpfes unter der Einwirkung der Glut auseinandergebrochen. Mehrere Feuerwehrleute find im Lauf der Lösch,arbeiten an Rauchvergiftung erkräülit. Dagegen find, soweit bisher festgestellt werden konnte, Arbeiter nicht verletzt worden. USber die Entstehungsgeschichte des Brandes wird noch bekannt, daß nach .übereinstimmenden Be richten das Feuer an mehreren Stellen gleich zeitig zum Ausbruch gekommen ist, so daß Kurz schluß als Brandursache wohl schwerlich in Frage kommt. Man war mit den letzten Arbeiten in den Maschinenräumen und mit den ersten Einbauten für die innere Ausstattung der Wohn- und Gesellschafts räume beschäftigt, Arbeiten, die größtenteils des Nachts ruhen, während tagsüber 16 Stunden, d. hi. in zwei Schichten gearbeitet wird. Um 1 Uhr früh haben die Bordwache und der an Bord postierte Feuerwehrmann der Werftfeuerwehr nach! ihrer eigenen Aussage noch den vorgeschriebenen Rundgang durch das Schiff ge macht und nicht die Spur eine» Brandes oder Brand geruches entdeckt. Kurz vor 2 Uhr früh zeigten sich mittschiffs plötzlich die ersten Flammen. Tie „Europa" war durch die Werst bei fast allen deutschen Versicherungsgesellschaften versichert. An der /luer Tageblatt MWZ /lnzeiger für öas Erzgebirge «och-llen« »>, -Milche» 0.k-»»tm-ch»»,»» n-,e- »« SIE »„ ftmt-gerlchi- «ue