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/luer Tageblatt «»» M» »I, -»rnfprech.flnschluS «r. S». /lnzeiger für -as Erzgebirge Sonntag» äen S. September 1929 -r.l.gramm,! Tag.dla« ralhaltea- Sie amtliche« vekanatmachungea -es Nates -er Sta-t UN- -es Amtsgericht» -l«e. p»gsch,ck.g,at»: ftM 1— Nr. 210 Sonntag» äen S. September 1929 24 Jahrgang Die Politik äec Woche BSUerbundstaguna — Macdonalds Pläne — Französisch« Politik aus Reisen — Unsere Ausländsdeutschen Di« Septembertagumg de» Völkerbund» hat begonnen. Die politisch« Welt wühle ja, bah d«r englische Ministerpräsident sür bas britlsche Weltreich Pritt, da» im BegrMe stebt, sich mit dem anderen englisch sprechenden Volk« jenseits des Atlantischen Ozean» politisch zu verständigen. Briand ist keineswegs allein der Sprecher Frankreichs, sondern auch der Wortführer der Klei nen Entente und der übrigen europäischen Länder, die mit Frank reich militärische und politische Bündnisse abschlossen und deren Politik von Pari» aus wesentlich beeinflußt wird. Dr. Strese- mann schliehlich ist der Wortführer aller unterdrückten Völker, vornehmlich de» deutschen Volkes, das um seinen Wiederaufstieg kämpft und nm die volle Souveränität seines Reiches. Sieht man tiefer hin. so verficht der französische Ministerpräsident Briand das reaktionär« Prinzip des Festhaltens an den Friedensver trägen, die am Ende des Weltkrieges stehen, während Dr. Strefe- mann di« Prinzipien des Fortschritte» und der Freiheit verkündet. Kein Wunder, baß er mit ihnen gerade bei den Amerikanern Ver ständnis Mb Bestall findet. Der englische Außenminister Macbonald verlangte gleich in seiner ersten Rebe den baldigen Zusammentritt der Ab rüstungskonferenz des Völkerbundes, den Ausbau des Kellogg- paktes, die Verbesserung des Minderheitenschutzes und eine zweck mäßigere Regelung der Wirtschaftspolitik. Während das Ab rüstungsproblem dem konservativen Kabinett Baldwin völlig gleichgültig erschien, und sein Außenminister Chamberlain und Lord Tushendum hübsch nach -der französischen Pfeife tanzten, ist es Macbonald, dem Arbeiterführer, sehr ernst mit dieser Ausgabe. Dies beweist nichts deutlicher, als der ungeheure Fortschritt der Verhandlungen des Ministerpräsidenten mit dem amerikanischen Botschafter Dawes. Beide Staatsmänner wollen in einem Vertrag, der zwanzig Punkte umfaßt, die Herabsetzung der See rüstungen und die Gleichheit zwischen der amerikanischen und der englischen Flotte festlegen. Sie haben sich bereits über 17 Punkte verständigt und Höffen über die drei Restpunkte In den nächsten Tagen eine Einigung zu erzielen. Die Genfer Völkerbunds tagung stört diese englisch-amerikanischen Verhandlungen keines wegs, denn sie werden in London und Washington energisch fort gesetzt. Äon weltpolitischer Bedeutung ist di« Ankündigung Mac donalds, daß Aegypten demnächst als Mitglied dem Völkerbunde beitreten wird. Damit tritt rein äußerlich das Land der Phara onen an hie Seite der britischen Dominien, staatspolitisch gesehen unternimmt es einen Riesenschritt zur Erreichung seiner Freiheit und Selbständigkeit. In der Nachbarschaft Aegyptens, in Palästina, wollen die Unruhen nicht aufhören. Die Zahl der Toten wächst immer noch täglich und die der Verwundeten geht hoch in di« Hunderte. Es kann jetzt keinem Zweffel mehr unterliegen, daß die Bal four-Erklärung, die den Zionisten den Judenstaat im gelobten Lande versprach, letztlich zu der arabischen Erhebung in Palästina führte. Die allislamstischen Zusammenhänge traten bei der Bewegung der Beduinenstämme in Transjordanien und der Araber, vornehmlich der Drusen in Syrien, deutlich in Erschei nung. Das Problem Zion und England ist in ganz Vor- derafien brennend geworden, denn die mohammedanische Bevöl kerung Afrikas und Astens verfolgt sämtliche Maßnahmen Eng lands mit innerer Anteilnahme und nicht zu unterschätzender Kri tik. Das kann England nicht gleichgültig sein, da m den von ihm beherrschten Ländern Millionen von Mohammedanern wohnen, die für die englische Regierung und Verwaltung recht ungemütlich werden könnten. Viel zu wenig gewürdigt wurde die Hilfeleistung, die von den Franzosen in Syrien dadurch gewahrt wurde, dah das französische Militär die Grenzen Syriens gegen Palä- stina nahezu hermetisch abschloß. Trotz der Verstimmung der französischen Presse über das Auftreten Snowdens im Haag, er folgte im Nahen Osten eine enge englisch-französische Zusammen arbeit. Während andere Diplomaten in der heißen Sommerzeit sich in den Bädern gütlich tun und sich für kommende Arbeiten stär ken, verbinden die Franzosen das Angenehm« mit dem Nützlichen. So machte Herriot die diesjährige Sommerreise nach Griechen land, woselbst er glänzend empfangen wurde. Selbstverständlich hatte er, der große französische Kulturpolitiker, für die griechischen Altertümer größtes Interesse, doch waren auch seine politischen Eindrücke unvergeßlich. In der Tschechoslowakei erholte sich Marschall Pötain, indem er an den Herbstmanövern der tsche chischen Armee teilnahm. Bei diesem Anlaß wurden auch meh rere Städte besucht, verschiedene Bankette mit schönen Reden ge halten und blendende Toaste ausgesprochen. ,/Vie französische Regierung", «Märte Marschall Pötain in Kost«, „hat mich hierhergeschickt, um ihnen zu sagen, daß Frankreich auch in der Zukunft, wenn es nötig sein sollte, an Ihrer Seite sein wird." Das genügt. Sehr verärgert sind die Franzosen über das Erscheinen des elsässischen Autonomistenführers, Professor Rosss-Kol- m a r, auf dem deutschen Katholikentag zu Freiburg im Breisgau. Nachdem als Vertreter der französischen Katholiken der Pariser Abb 6 Flory gesprochen hatte, meldete sich als Sprecher der Nachbarprovinz Badens, des Elsaß, Professor Ross 6 zu Wort und hielt eine wohldurchdachte Rede, über die jetzt die Franzosen völlig aus dem Häuschen geraten sind. Besonders empört sind die National-Katholiken, die unter Führung Dr. Oberkirchs sich PoincarL verschrieben und di« Elsaß-Politik der Pariser Regie- rung unterstützen. Diese nehmen «besonders «daran Anstoß, daß die Ausländsdeutschen zu der Freiburger Tagung einge- laden waren, um darzutun, daß sie „ein Abbich der groß«» deut schen Kulturgemeinschast zwischen -eimat u^ Aurlaichsdeutsch. tum" sind. Den Schmerz der franMschen Chauvinisten aller Kategorien können wir sehr wohl nachfühlen, er .läßt uns aber -völlig kalt. Die Bomben-Seuche Lin neurr Bombenfunck lm Postamt O 27 in Berlin Bet Her Prüfung des Schaltervorraum und sei« ner Zugänge fand gestern früh ein Beamter deS Most« amts O 27 tn der Magazinstraße am Alexanderplatz in Berlin in einem Korridor eine Blechbüchse, die 23 Pistolenpatronen /drei Millimeter) und etwa ein halbes Pfund Holzkohle, mit Papierstückchen bedeckt, enthielt. Au» dem.Ganzen ragte eine Spiralfeder heraus. ES ist nicht versucht worden, da» Papier an- zuzünden. Der Täter wurde anscheinend gestört. Nach Angabe von Sachverständigen, die den Inhalt der Büchse untersucht haben, hat der Täter vermutlich nur ! die Absicht gchabt, Unruhe zu stiften. Ver SeitstdeMtkger geisteskrank! i Das.„Berliner Tageblatt" meldet au» Frankfurt ! am Main: Gegen den Kaufmann Joseph Hepp, der, j wie wir berichteten, angab, da» Bomvenattentat am Reichstagsgebäude in Berlin ausgeführt zu haben, ma chen sich jetzt immer stärkere Zweifel an feiner Glaub würdigkeit und an feinem Geisteszustand bemerkbar. Hepp war bereits einmal in einer Irrenanstalt. TjaS preußische Innenministerium hat da» Frankfurter Ge richt telegraphisch ersucht, Hepp sofort nach Berlin zu verbringen. Hepp behauptete bet seiner Vernehmung, dah er sich zu dem Attentat verleiten lieh, weil ihm eine große Summe von mehreren Hunderttausend RM versprochen worden sei. Mit den Attentaten tn Nord deutschland habe er nicht» zu tun. ! Zwei Sombenhrrsteller In einer großen Konferenz, die am Donnerstag nachmittag zwischen den Kommissaren der .Berliner Politischen Polizei und den Sachverständigen der De- ! motechnischen Anstalt stattfand, wurde die Beschaffen heit der verschiedenen Bomben und ihre Herstellung besprochen. Während sich zweifelsfrei feststem, dah alle bisher bei den Attentaten verwandten Bomben aus genau den gleichen Materialien bestehen, hat dem „Tempo" zufolge die genaue Prüfung ergeben, dah mit der Zusammenstellung der einzelnen Teile offenbar zwei Werkstätten beschäftigt find. In der einen wurden die Bomben von Olden burg und dem Berliner Attentat zusammengestellt, in der anderen die Sprengkörper Von den frühe«« Atten taten in Lüneburg, Schleswig und Holstein. Die Bombe, die tn der vorletzten Nacht In Lüneburg Mr Explosion gebracht worden ist, gleicht, wie die eJte Untersuchung ergeben hat, vollständig der in Verlln verwandten. Um den Fabrikanten der Uhr zu ermitteln, die in der Kombe eingebaut Ist, wird da» Sachorgan de» Uhrmacherverbande» einen Aufruf erlassen. Ver-Üchttge Motorra-fahrer Der Berliner Polizeipräsident teilt mitr „Der Anschlag auf da» RegierungSgebäude tn Lüneburg Ist allem Anschein nach von dm gleichen Personen be gangen. denen die früheren Attentate zur Last zu legen sind. Die bisherigen Feststellungen lenken den Verdacht auf einen Motorradfahrer, der sich in der Attentatsnacht (vom ö. -um 6. September) um etwa 3V« Uhr bet Artlenburg hat Über di« Elbs setzen las sen. um — nach fetnen Angabe» — die Fahrt nach Soltau und Berlin fortzusetzen. Der Fahrer benutzte ein Motorrad mit Soziussitz, Marke „Zündapp", mit dem Erkennungszeichen I. «. Bon der fünfstelligen Zahl sollen die beiden ersten Ziffern „17 . . sän. Die Wahrnehmungen sind deshalb beachtenswert, weil auch bet dem ersten Lüneburger Sprengstosfattentat am 1. August d. I. ein Motorradfahrer den Verdacht auf sich gelenkt hat." der Scha-en oa -em Lüneburger Regterungsgebäu-e Die Borderwand de» Regierungsgebäude» ist stark beschädigt. Tks ganze Mauerwerk weist Risse und Sprünge aus. Die pfeilerarttge Seitenwand zum Tor weg hat ebenfalls von unten bi» oben einen durch- gchenden feinen Rih. Tja» Kellergewölbe ist vollkom men zerstört. Der Schaden war erst im einzelnen tzu übersehen, nachdem der Aktenhausen sortgeräumt war. Ein großer Teil dieser Akten ist völlig zerrissen und so durcheinander geworfen, dah mehrere Beamte Mo nate zu tun haben werden, um auch nur etnigermahen wieder Ordnung zu schaffen. GS handelt sich tn der Hauptsache um Eintragungen für das Wasserbuch und um teilweise sehr wertvolle alte Akten und Zeich nungen über die wasserrechtltchen Verhältnisse de» Be zirkes, die urkundliche Bedeutung haben. Gegen englische Kolonialpläne Erklärungen des Reichsministera Dr. Das -deutsche Ratsmitglied Dr. Stresemann gab in der gestrigen Nachmittagssitzung des Völkerbundsrats bei Behandlung des Tätigkeitsberichts des Mandatsausschusses, in bem auch die Meinungsverschiedenheiten über den Hilton - Goung - Bericht erwähnt sind, über bie Frage einer Verwaltungs-Vereini gung der ostasrikanischen Kolonialgsbiete Englands mit dem eng lischen Mandatsgebiet Yangon yika folgende Erklärung ab: „Es bandelt sich zurzeit nur um «in unverbindliches Studium einer unabhängigen Kommission, Md bie britische Regierung hat sich, wi« wir wißen, noch nicht darüber schlüssig gemacht, ob sie ven Vorschlägen des Hilton-s)onng-Derichts Folge geben wird oder nicht. Trotzdem glaube ich, daß die Mandatskommission sich auf dem richtigen Wege befindet, wenn sie in einer grundsätzlichen Frage von einer solchen Bedeutung den ihr dankenswerter Weise von der britischen Regierung zugeleiteten Bericht im Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit einer eingehenden Prüfung unterzieht. Es ist die Grundlage des ganzen Mandatssystems, daß die Man datsgebiete selbständige international« Einheiten sind, hinsichtlich deren bi« Mandats-Mächte dem Völkerbund als dem Mandanten Rechenschaft schuldig sind. Unter diesem leitenden Grundsatz, der in der Völkerbundssatzung selbst verankert ist, stehen alle Bestim mungen der Mandatsurkunde, und keine kann so ausgelegt wer den, daß dieser oberste Grundsatz verletzt würbe. Wenn daher auch nach der Tanganyika-MaNdatsurkuNde in verwaltungstechni sch« Hinsicht ein« gewiss« Zusammenfassung mit benachbarten Gebieten möglich ist, so darf doch keine Verschmelzung in der Art stattfinden, baß bas Weiterbestehen -des Mandatsgebiets als selbständige politische Einbeil und damit die ständige lleber- wachung der Ausführung des Mandats durch den Völkerbund in Frage gestellt wäre. Ich möchte mich M Zeit auf dies« kurzen Bemerkungen beschränken. Der akkreditiert« Vertreter in der britischen Mandatskommission glaubte persönlich annshmen zu können, daß dies« sich auf ihrer Novembertagung nochmals mit der Angelegenheit befassen kann, che die britisch« Regierung zu entscheidend«» Maßnahmen schreitet. Ich hoffe sehr, daß dies geschehen wird, und daß es der Zusammenarbeit zwischen der Mmtdattkommifston und der Marwatsmacht gelingen wird, bie Frage im Sinne der Dölkerbunbssatzungen und de» Mandats- gSdÄm» «bgülkia zo bereinige». Stresemann -um Hllton-Vonng-Dericht Das italienische Ratsmitglied Seia losa brachte verschie dene Bedenken auch gegenüber einer rein verwaltungstechnischen Vereinigung ber englischen Kolonien Kenia und Uganda mit dem britischen Mandatsgebiet Tanaanyika vor. Das Mandatsgebiet sei viel größer als beide Kolonien zusammen, so daß also di« Der- waltung eines sehr großen Gebiets an die des kleinen Kenia an geschlossen würde. Es sei sehr fraglich, ob eine solche Maßnahme in den Rahmen des Mandat hineinpasie, auch wenn im Man datsvertrag der Zusammenschluß benachbarter Zollverwaltungen zuaelassen würde. Di« englische Regierung sollte daher den Man- datsausschuß als das einzige Spegialorgan für alle Mandats kragen über di« Ausführbarkeit des Hitton^Young-Plans be fragen. Der englische Staatssekretär des Aeußern Henderson gab hierauf di« Zusicherung, daß, wenn die englisch« Regierung, di« noch kein« Entscheidung getroffen habe, einen Beschluß auf dem Böden des Hilton-Aoung-Plans fassen sollte, sie vor seiner Inkraftsetzung den Mandatsausschuß darüber befragen würde. Di« unwidersprochen gebliebene Erklärung des deutschen Ratsmitgliedes wie auch die Bemerkungen des italienischen Rats- Mitgliedes und die Antwort des englischen Staatssekretär» d«, Aeußern wurden in» Protokoll aufgenommen. Srianci macdt Srnft Sein Plan der Vereinigt« Staat« von Europa Der Genfer Berichterstatter des „Petit Paristen" meldet übereinstimmend mit den Berichterstattern anderer Blätter, baß Briand für nächsten Montag oder Dienstag eine Zusammenkunft der Delegierten der tn Genf vertretenen Staat« einzuberuken gedenke, damit «in Studienkomitee zur Prüfung d«r mit der Bll- düng der WrtschaftSföderation der Staat« Europa» zusammen hängenden Frag« eingesetzt werde. Der Korrespondent des „Echo de Parts" teilt darüber hinaus mit, daß, fall» man sich auf einen wenn auch noch so bescheiden« Entwurf einig« köna«, für Anfang 1931 ein« reguläre Konferenz einberujfen w«w« könne.