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Mer Tageblatt Donnerstag, äen 13. Dezember 1S2S Nr. 2S0 Anzeiger Mr öas Erzgebirge Lel^ra««,, «a»«sla» M»w«eNwe GathaUsa- -k amtliche« Srkamrtmachlmgra -es Nate» -er Sta-t au- -e» Amtsgerichts ^lae. poMttötleuwr MM EÜWV 23. Jahrgang Lugano ist kein Schnellzug! Da« Ergrbni, der ersten Auifprache. — vptlmi»««» in Pari« — Nüchternheit in Vertin Dl« ersten Aussprachen zwischen Dr. vtrese- mann, Briand und Chamberlain sind vorüber. Keine Frage, daß sie von den drei Außenministern mit der gewohnten diplomatischen Geschicklichkeit ge führt wurden. Di« Pressekonferenzen, die sich .an schlossen, waren in gleicher Weis« aufgezogen. Man must derartigen Konferenzen Persönlich beigewohnt ha- ben, um deren Bedeutung und Wert auf das richtige Maß zurücksühren zu können. Selbstverständlich, daß di« Außenminister in diesen Pressekonferenzen nicht ihr« Auffassungen darlegen und auf Fragen, die ux Li« gerichtet werden — vielfach sind sie auch! be stellt! — eine bündig« Antwort geben, di« Ausführun gen der Minister sind regelmäßig auch an di« Adresse der Heimat und für die aufmerksam lauschenden Ohren des Ausland«» gerichtet. Der deutsche RetchSaußenminister Dr. Str« se in an n ist dieses Mal nicht gerade in optimistischer Stimmung nach Lugano gefahren. In Berliner poli tischen Kreisen weiß man sehr gut, wie er über die Unterhauserklärung Chamberlains im allgemeinen und über einige Stellen der letzten Briandrede dachte. Auch der Persönliche Besuch, de» englischen Botschafters in Berlin in der Wilhelmstratz«, der das Ziel hatte, den deutschen Reichsaußenminister über die Unterhauserklä rung Chamberlain» zu beruhigen, konnte ihn nicht über di« Tatsache hinwegtäuschen, daß die englische Außenpolitik die Thesen von Pari» unterstützt. Wenn Dr. Stresemann auch glaubt, einem beruflichen Opti mismus huldigen zu sollen, so ist er doch diplomatisch viel zu klug, um nicht den Wert der Versicherung Chamberlain» richtig einzuschätzen, daß der endgültige Termin für die vollständige Räumung der besetzten Gebiete noch vor den englischen Wahlen fest gesetzt werden möge, die bekanntlich im Frühjahr oder Sommer des nächsten Jahres stattfinden werden. Me Pariser Presse macht nach den ersten Mi- nisterbcsprechungen geradezu auffallend in Optimismus. All« Mißverständnisse der letzten Monate sollen rest los geklärt und das Einvernehmen zwischen Deutsch, land und den alliierten Regierungen soll niemals grö ßer gewesen sein als jetzt. Di« letzten Wolken, die seit Wochen die politisch« Atmosphäre verdüsterten, wären hinweggefegt. Der fröhliche Optimismus der Pariser in allen Ehren! Man hatte in der franzö sischen Hauptstadt scharfe Auseinandersetzungen zwi schen Dir. Stresemann und Briand erwartet und ist nunmehr glücklich darüber, daß Dr. Stresemann die Entgleisungen Briand» und Chamberlain» nicht zu einer Gegenaktion benützte. Der deutsche Außenmini ster wird wieder einmal mit persönlichen Liebenswür digkeiten überschüttet. Im übrigen ist die Pariser Presse wieder so voller Hoffnungen und Ver tröstungen, wie wir e» in den Tagen vor Locarno erlebten. Mr die deutsche öffentliche Meinung liegen die diplomatischen und politischen Verhältnisse aber heute wesentlich ander». Versicherungen der Art, wie wir sie in und nach Locarno immer wieder hörten, ver fangen nicht mehr. Nicht nur die Politiker, auch die breiten Schichten de» Volkes sind skeptisch geworden. ES herrscht tatsächlich eine ausgesprochene Kri sis des Vertrauens. Deshalb hat auch der fran zösische Sozialistenführer Leon Blum völlig recht, wenn er am MenStag im „Populaire" erklärt, daß man nicht sehr viel weiter kommt, wenn man alle drei Monate genötigt ist, da» Vertrauen, welche» die Grundlage jeder wirklichen Verständigungspolitik bil den muß, wiederherzustellen. E» wäre schon besser, wenn e» nicht alle Augenblicke in Frage gestellt und den schwersten Erschütterungen ausgesetzt würde. wir könne« nur davor warnen, von Lugano allein diese» Wunder zu erwarten. Ist e» doch immer noch zweifelhaft, ob ein« Aussprache zu Dreien zu stande kommt und ob in ihr über die brennenden Ta gesfragen mit solchem Erfolg verhandelt wird, daß «in auch un» befriedigende« Ergebnis zustande kommt. Auf Grund der letzten Nachrichten au» Lu gano ist kaum anzunehmen, daß die Be freiung der besetzten Gebiet« in Lugano einen Schritt weiter kommt. E» ist ferner fraglich, ob di« Einberufung der Sachverständtgenkon- ferenz in Lugano endgültig geregelt wird, da nach Auf fassung Chamberlain» die Außenminister in dieser Frag« nur di« Vermittler der Auffassungen ihrer Ne gierungen fei« können. Di« alliierten Negierungen ha- b<m sich ß^rrtch Mt Ef***^*zch im di« deutsch« Reichsregierung ist jedoch, wie amtlich der- lautet, entgegen ander» lautenden Meldungen noch ohne Nachricht über die Absichten Poineare». , Allgemein gespannt ist man darauf, ob e» zu Verhandlungen über die Einrichtung, die Aufgaben und die Dauer de» sogenannten Feststellung», und Per sühn ungSauSschus.se» kommt, der nach fran- zösischem Wunsch in Funktion treten soll, die besetzten Gebiete vollständig Leräumt sind. Wir glau ben gerne de« französischen Meldungen, nach denen Briand vergeblich versucht, Dr. Stresemann klar zu machen, daß e» Mr Deutschland auch nach 1936 vorteilhafter sei, sich im Fall« einer Uebertretung der Bestimmungen über di« entmilitarisierte Rheinlandzöne vor dieser Kommission zu verantworten, als vor dem VölkerbundSrat. Dr. Stresemann hat keine Angst vor diesem Rat und Verharrt erfreulicherweise auf sei ner Weigerung. Briand dagegen, der in Genf vor läufig auch eine Ueberwachung einer französischen Zone einräumte, ist bemüht, diese» Zugeständnis wieder rückgängig z» machen. Aussichtsreicher scheinen die Beratungen de» Döl- kerbundSrats hinsichtlich der vorbereitenden Ab- rüstungSkommission zu sein. Generalsekretär Drumond wünscht nämlich ihr« Tagung im nächsten Februar. Sie soll sich aber ausschließlich mit Neben fragen befassen, wie mit dem russischen Vorschlag auf vollständige Abrüstung und der Veröffentlichung der Militärbudget». Nach 14 Tagen könnte die Kommis- sion sich wieder vertage». So wär« wenigsten» Awn» geschehen und der Schein gewahrt worden. Heut» Aussprache zu -rekat Da» „Berltner Tageblatt" meldet au» Lugano r ^.Besprechungen, die Briand und Chamberlain gehabt haben, wird nunmehr «in« Aussprache zu dreien in» Auge gefaßt. Da man im- merhttr mit der Möglichkeit rechne» zu müsse« glaubt, daß Chamberlain mit Rücksicht auf da» Befindende« Königs Georg unter Umständen Lugano früher al» be absichtigt verlassen mutz, wird diese Besprechung zu dreien möglicherweise schon wahrend de» heutig« To- gsS stattfinden. Endgültig steht die» jedoch »och nicht fest. Hoesch bei polnear- Noch kein« Entscheidungen Ministerpräsident Poineare hatte heute Botschaf- ter von Hoesch um einen Besuch gebeten, um mit ihm über die Einsetzung de- SachverständigenauSschusse» zu, ReparattonSfrag« zu sprechen. In der Unterredung, di« daraufhin heute nachmittag stattfand, und die «ine Stunde dauerte, wurden die noch au»st«h«nden Fragen nochmals einer eingehenden Prüfung unterzogen. Ei» Schriftstück wurde dem Botschafter nicht übergeben. Diese Auslassung beweist, daß Meldungen de» „TempS" über eine bereit» erfolgte oder unmittelbar bevorstehende Einigung zumindest al» verfrüht be zeichnet werden müssen. Hinter den Kulissen in Lugano Italleas MkttelmeerpolM - ! Hand für lmver Wer- Damit war Rom zurück DaS Erscheinen de» italienischen Unterstaatssekretär» Grand 4 im Lugano, der bekanntlich zum engsten Freundes kreise Mussolini» gehört, mußte den VöÄerbundSfr».'uiä>en umso mehr ausfallen, als der bewährte Mlkwbundspolitiker Italiens, Sciolaia, völlig übergangen wurde. Man vermutete so- gleich, daß Gvamdi im besonderer Mission erschienen wäre. Wenn indessen angenommen wurde, daß Mussolinis Freund besonders aufmerksam den Verhandlungen der Außenminister fobaen und Rom hierüber bestens unterrichten sollte, so hat sich diese Annahme schon jetzt als irrig erwiesen. Unterstawtssekre- tär Grandi hat nämlich jetzt schon seine römischen Aufträge im Luaano erledigt, so daß er am Mittwoch nach Rom zurück reiste. llnterstaatssekrstr Grandi hatte eingehende Aussprachen mit Dr. Stresemann, Briand und Chamberlain. Die franzö sische Presse macht ein großes Aufheben vom der Begegnung GrandiS mit Briand. Mglerungsjournalist Sauer wein dürste wohl der Wahrheit am nächsten gekommen sein, wenn er berichtet, daß die Unterhaltung beider Diplomaten den Zweck hatte, die Beziehungen Frankreichs zu Italien zu klären, die durch die heftigen Zsctungspolemiken über das fran zösische Geschworenenuvtslil gegen den Mörder des Grafen Nardini getrübt wurden. ES in an dieser Stelle bereits darauf hinge wiesen worden, daß trotz der italienischen Zeitung sschlacht die italienisch-französischen Verhandlungen wöitergehen. In der Tat bestätigt auch jetzt der „Matim", daß der französische Botschafter im Rom in wenigen Tagen Mussolini einen Vor schlag der französischen Regierung unterbreiten werde, der die rechtliche Stellung der im Tunis lebenden Italiener und Grenz Verbesserungen zwischen der französischen Sahara und dem italienischen Tripolis betrifft. Aus beiden Seiten gibt man sich der Hoffnung hin, zu einer Einigung zu gelangen, und im Anschluß daran einen fron- zösisch-itali «mischen Freunds chast »vertrag abschließen zu können. Vielleicht noch bedeutungsvoller sind die Verhandlungen, die Staatssekretär Grandi mit dem englischen Außenminister Chamberlain führte. Es handelt sich dabei um die ita lienische Außenpolitik im östlichen Mittelmoer und die Durch führung der englisch-iiMenischen Vereinbarungen über die öst liche MdtslmeerpoMk. Die italienischen Bemühungen, einen engltfch-türkisch-griechischem Dreibund abzu schließen, stießen bisher in Athen auf unüberwindliche Schwie rigkeiten. Die Türkei und Griechenland konnten sich nicht fin den. Mussolini wünscht« nun zu wissen, ob die englische Re gierung di« bisherige Politik Italien» im östlichen Mittelmeer billigt und die vermittelnde Tätigkeit Rom« in Athen zu unter- stützen gedenkt. In den UntervsduWen Grandi» mit Cham berlain wie» der italienische Unt daß nach den zwischen Cham" vorno getroffenen Abmachi seine wirtschaftlichen Interesse tasten wurde. Chamberlain ps dessen Mission erledigt. Er r und wird in wenigen Tagen «trgerwald legt fein «ml ai» FrakttoaSoorsitzenber «»See. Dor „Deutsche" meldet: Der Vorstand der ReichStogSfvak- tion de» Zentrum» tritt heute nachmittag zusammen, um auch di« Neuwahl des FrakrionLsorstE«» zu besprechen. Der bck- herige FraittanSvarsttzende war Dr. Sdeaerwald. Dieser steht auf «M Dtaä-Wil», ü-ß da» tzünt tzeü PgrtsftuuAtzsiuun ww de» FraktionSvvrsitzenden in einer Hand vereinigt fein «äste. Im Verfolg dieser seiner Ansicht wird er jetzt den Vorsitz in der Fraktion niederlegen. Der Gaskrieg vor ciem Reickstag Wae man sich in den Wandelhallen erzählt Bei Eröffnung peS Reichstag«» macht Präsident Löb« die Mitteilung von einem Danktelegramm de« neuen österreichischen Bundespräsidenten Mi Na». Dem ehemaligen Reichstag-Vizepräsiden ten Dove sind die Glückwünsche des Reichs tage» zu seinem 7S. Geburtstage übermit telt worden. Auf der Tagesordnung steht zuerst die Bmeatturg eine» Gesetzentwurf«» Übe« da» Lenser Protokoll wegen Verbote de» Gaskriege«. Abg. Stöcker (Komm.) bezeichnet da» Protokoll al» eine» der heuchlerischen Dowmente de» Völker bunde». Keine der imperialistischen Mächte werde sich an da» Verbot halten. In der ganzen wett werd« fieberhast Mr den Gaskrieg gerüstet, auch in Deutsch- land. DaS sei bewiesen durch die Aufdeckung der Blau- kreuzvorräte. In Hamburg und in der Schichau-Werft würden Hunderttausend« von Gasgranaten hergestellt. (Bei diesen Worten stellen die Kommu-^sten «ine grobe Granate aus den Tisch de» Hauser.) Abg. Ritter von EPP (Nat.^Soz., von den Kommunisten mit dem Rufer Mrbeitermörderl empfan gen) bezweifelt, daß da» Genfer Protokoll Praktisch zu einer Einschränkung de» Gaskriege» führen werde. Die Nationalsozialisten würden der Ratifikation -»stimmen, aber e» müsse alsbald ein Schutz der Bevöl kerung für die Gasangriffe geschaffe» wer den. Wenn tatsächlich bet Schichau Granaten herge- stellt würden, sei «» tief bedauerlich, daß diese Dinge im Reichstag mitgeteM würde«. Me Nationalsozia listen würden zehn Millionen für die Einrichtung eine« Ga»- und Luftschutz«» beantrage«. Die Vorlage wird de« HauShaltauSschutz über- wiesen. _ . Dann wurde eine Reihe anderer Vorlage« erle digt, an denen da» Hau» et« geringe» Interesse zeigt« r de« Saal war nahezu loer^ Umso lebhafter ging e» in den Wandelhallen und Erfrischungsräumen her, zumal sich in den ktzka Ta- gen ein außergewöhnlicher politischer Gesprächsstoff an gesammelt hatte. Da war an erster Stell« der Köl ner Parteitag de» Zentrum», der neu« Vor sitzende der ZentrumSPartei, Prälat De. Kaa», und im Zusammenhang damit der Beschluß de» Neuesten» rate» im v-eußenprrlmnent, di» Konkerdat»» frag» v-rläuftg vsn de» tzarl»»e»tri jch», M»