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' "»»»«' »I« - ür ftu.wiirtlg. »I, p,st,nft,lt„ «, - «rph,i«t «„kISgUch. Zrnsprrch. Anschluß Nr. SS. Einige Blätter haben bereits am Mittwoch das „Geheimnis von Paris" entschleiern zu können 'ge glaubt, haben festgestellt, daß; Poincaree zu Räumungs verhandlungen bereit sei und daß über die zweite Zone sehr bald entschieden werden würde. Es sind in den Artikeln allerlei Erfolge Stresemanns verzeichnet, die man ihm und Deutschland sehr wohl wünschen möchte, die aber ernsthaft und zuverlässig noch nicht feststellbar sind. Tenn die äußerste Zurück haltung, die über die Pariser Besprechungen des Reichsministers Dr. Stresemann mit Briand und Poin caree bisher geübt wurde, wird auch nach der gestrigen Zusammenkunft von Staatssekretär Dr. v. Schubert mit dem Reichsaußenminister in Baden-Baden weirer beobachtet. Auch an Berliner amtlicher Stelle liegt über die Unterredungen bisher nur ein ganz kurzer Tatsachenbericht vor. Doch trifft inr Lause des Donnerstag ein Beauftragter deS Reichs außenministers in Berlin ein, der dem Kanzler einen vorläufigen Bericht über die Stresemannschen Unter redungen erstatten wird. Der Kanzler selbst wird dann noch in Baden-Baden, wo er am Sonntag, dem 2. September auf der Reis« nach Gens Station macht, sich von Dr. Stresemann Über die Pariser Verhand lungen berichten lassen und mit dem Reich saußenmini- ster die in Genf zur Erörterung gelangenden Fragen besprechen. Man muß, sich, also vorläufig darauf beschränken, die wirklichen Tatsachen der Pariser Tage Stresemanns, die ausgiebige Unterhaltung mit Poincaree und Briand, die ja kürzer ausgefallen sein würde, wenn die Staats männer sich nicht Vieles und Wesentliches zu sagen gehabt hätten, als günstige Zeichen zu bewerten. Im übrigen sollt« man vorläufig noch mit der Aus wertung der Ergebnisse dieser Plaudereien der Staats männer in,politische Ergebnisse warten; denn eS wäre reichlich, voreilig und sogar für die öffentliche Stim mung nicht ungefährlich, Feststellungen zu machen, die sich später als Phantasien enthüllen. Man mutz sich! sehr ernst bewußt bleiben, daß die Gesamtlösung deS Besatzungsproblems — die Räumung also des gesamten, .noch besetzten Rheinlandgebietes — von Frankreich Mt zäher Hartnäckigkeit mit dem Ge samtschuldenproblem in Verbindung gesetzt bleibt, ^iese Hartnäckigkeit braucht sich nicht — so sehr sie es in der Wirklichkeit tut — gegen Deutsch ¬ land zu richten. Der Zweck ist vielmehr woh! der, gerade jetzt im Zusammenhang mit dem Helloggpakt, der uns ja ebenfalls ein unanfechtbare» Anrecht auf die Räumung gibt, 'das auch von Amerika als dem Pakt-Urheber verfochten werden müßte, eben dieses Amerika zur Nachgiebigkeit in der Kriegsschuldenfrage gegenüber Frankreich zu bewegen. Trotz dieser Lage wird sich nunmehr in Verfolg des vor einigen Wochen von Deutschland bei den Mächten der Botfchafterkonferen- in der Rheinland- frage unternommenen Schrittes in Genf die Gelegen heit bieten, die Besprechungen mit den Hauptdelegierten der an her Rheinlandbesesung interessierten Mächte fortzusetzen und dabei die Auffassungen dieser Mächte über die Gesamtfrage des RäumungsproblemeS einer Klärung entgegenzuführen. Weitergehende Verband- lungen sind vorerst nicht zu erwarten. Bisher hatten sich.ähnliche Besprechungen nur in Form von Unter- Haltungen zwischen einzelnen Staatsmännern abgespielt, während die bevorstehenden Besprechungen in Gens viel- leicht in einem größeren Rahmen und damit zwischen den deutschen Vertretern und den Hauptdelegierten Englands, Frankreichs, Belgiens, Italiens und Japans vor sich gehen können. Ucber den Verlauf der Verhandlungen darf man sich — .mögen die Plaudereien zwischen Poincaree, Briand und Stresemann von noch so freundwilligem Geiste getragen gewesen sein — keiner Täuschung hin geben. Sie werden, eben wegen jener französischen Taktik, die durch die Rückendeckung seitens England nur noch an Gewicht gewonnen hat, keinesfalls vor dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsiden ten zu greifbaren Ergebnissen führen. Der neue Prä sident der Vereinigten Staaten tritt jedoch sein Amt erst im kommenden Frühjahr an. Behält man das im Auge, so wird man, wie auch die Berichte aus Paris lauten mögen, das richtig« Ur teil gewinnen. Man wird dann auch bereits ungefähr erkennen können, welchen Verlaus die Dinge auf der bevorstehenden Genfer VMerbundSversammlung neh men werden. So viel allerdings kann man wohl heute schon sagen, daß die Atmosphäre hinter den Kulissen, wo die deutschen Wünsch« behandelt werden, Zünftiger sein wird, als je zuvor. 23. Jahrgang Die Plaudereien an Pariser Kaminen Das Geheimnis von Paris Die deutige Dummer enthält u a- folgende Beiträge: Der Kamps um die Ausfuhr. Wie steht's um das Rentnergesetz. Schutztruppen des Pflanzenreichs. Goethes Egoismus. Ausgaben im Straßenbau. Der kommunistische Volksentscheid. Von kommunistischer Seite ist die Einbringung eines Ge setzes, durch das der Bau von Panzerschiffen und Kreuzern jeder Art verboten wird, zum Volksent scheid angckündigt worden. Ein solcher Antrag muß bei dem Reichsminister des In nern gestellt werden, der die Zulässigkeit Prüft und dann, wenn dem Antrag stattgcgeben wird, die Veröffentlichung im Reichs anzeiger vorntnlmt. Zugleich muß dabei der Beginn und daS Ende der Eintragungsfrist für das Volksbegehren, das ja dem Volksentscheid vorhergeht, festgesetzt werden, wobei die Frist frühestens zwei Wochen nach der Veröffentlichung der Zulassung beginnen kann. Die Cintragungsfrist soll 14 Tage umfassen. An dem Volksbegehren muß sich, damit die Vorlage an den Reichstag gelangt, ein Zehntel der Stimm- berechtigten beteiligen, mithin rund 4,1 Millionen. Sodann gelangt der Entwurf an den Reichstag, der ihn ohne Zweifel ablehnt, womit der Weg zum Volksentscheid frei ist. Um die en Volksentscheid wirksam werden zu lasten, muß sich die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligen. Da es bei den Maiwahlen rund 41,3 Millionen Stimmberechtigter gab, so müßtest mindestens 20,65 Millionen Wähler sich am Volksentscheid beteiligen. Nun erhielten aber die Parteien, die den Bau des Panzerkreuzers ableknen, bet den letzten Wahlen nur 13,83 Millionen Stimmen, die Kom- muntsten 3,23, die Sozialdemokraten 9,11 und die Demokraten 1 49 Das ergibt insgesamt 18,83 Millionen Stimmberechtta- ter. vorausgesetzt, daß alle drei Parteien ihre gesamten Wäh ler der letzten Reichstagswahl für den Vollsentjcheid mobil machen könnten. Selbst wenn man annimmt, daß eS gelingt, aus anderen Parteien und aus dem Kreis der Nichtwähler Unterstützung zu erhalten, so muß es doch als Miz auSge- schlossen bezeichnet werden, daß etwa die 20,65 Millionen er reicht werden. Damit ober ist der Volksentscheid abgelehnt, die Arbeit war umsonst, der Aufwand nutzlos vertan. Natürlich ist man sich auch im kommunistischen Lager über die Aussichtslosigkeit dieser Aktion nicht im Unklaren. Ganz offenbar kommt es den Kommunisten auch gar nicht darauf an, irgendwelche Rüstungen zu versichern, denn dann müßte ja 4>er vorgeschlagene Gesetzentwurf nicht nur dem Bau von Panzerkreuzern, sondern auch von ähnlichen Schiffen verbieten. Durchaus mit Recht jagt darum Der Kampf um äie Ausfuhr. 2 eit Jahren geht der Kampf in Deutschland darum, ob der Binnenmarkt und seine Stärkung von der deutschen Wirtschaftspolitik gegenüber einer folgerichtig und systematisch zu versagenden Ausfuhrpolitik bevorzugt werden soll. Tic Vertreter der Binnenmartttheorie behaupten, daß die Anfuhr für Deutschland guruieht so wichtig sei, während die Vertreter der Forderung nach einer Ausfuhrpolitik behaupten, da^, die Gütererzeugung in Deutschland viel zu groß ist, uni vom Junennmrkt ausgenommen werden zu können. In beiden Anschauungen steckt ein Körnchen Wahrheit, lind zu,ar insofern, als wir sowohl dafür sorgen müssen, daß die Kaufkraft des d e u r sch e n P u b l i k u m s so weit wie möglich aestärkt wird, während wir auch andererseits aus eine möglichst große Ausfuhr bedacht sein müssen. In dieser doppelten Zielsetzung unserer Wirtschasts- und Handelspolitik liegt ja gerade die Schwierigkeit. Wenn in den letzten Monaten dauernd geschrieben worden ist, daß die Konjunktur auf dem Binnenmarkt eine rückläufige Tendenz aufweist, so leucht.r ohne weiteres ein, daß in ver stärktem Maße der Anlaß gegeben ist, Aussuhcmöglichkeiten für die deutschen Waren zu suchen. Dabei soll ganz davon abgesehen werden, daß unsere Verpflichtungen gegenüber dem Ausland, und zwar sowohl die staatsrechtlichen als auch die privutwirtschaftlichen, nur mit Waren abgegvlten werden kön nen, die das Ausland von uns lauft. Eine andere Möglich keit, unsere Schulden abzutragen, gibt es nicht. Hier liegt also der erste Zwang zur Ausfuhr. Hrnzu kommt ein Zweites. Die deutsche Volkswirtschaft hat sich in den letzten vier Jahrzehnten immer mehr von einen: reinen Agrarstaat zu einem Industriestaat — allerdings mit starkem landwirtschaftlichen Einschlag — entwickelt. Der Grund dafür liegt in der Bevölkerungsvermehrung während dieser Jahrzehnte. Die vergrößerte Bevölkerung brauchte Ar beitsmöglichkelten, die ihr die Landwirtschaft nicht bieten konnte. So entstanden eine Reihe von Industrien, schon vor handene Industriezweige dehnten sich aus, deren Kapital nur dadurch verzinst werden konnte, daß in Deutschland fabrizierte Waren ausgeführt wurden; ebenso war nnr auf diese Weise die Arbeiterschaft dieser Industriezweige zu ernähren und zu klei den und zu behausen. Das also ist der zweite Zwang zur Ausfuhr. Und dann der dritte Zwang. Wir müssen nach Deutsch land eine ganze Reihe von industriellen Rohstoffen und Halb fabrikaten eiliführen, die wir Im Inland nicht besitzen. Diese Rohstoffe werden einmal benötigt, nm daraus Waren herzu stellen, die im Inland verbraucht werden; und weiter werden diese Rohstoffe eingeführt, um daraus Waren herzustellen, die wieder auSgeführt werden, d. h. auf diesem Wege wird deutsche Arbeitskraft an das Ausland verlaust. Uud ein weiterer Zwang zur Ausfuhr besteht dadurch, daß wir diejenigen Lebensmittel bezahlen müssen, die wir vom Ausland einführen, weil unsere Landwirtschaft sic entweder nicht in genügendem Maße und in ausreichender Qualität er zeugen kann, oder aber weil diese Lebensmittel bet uns über haupt nicht wachsen. Wenn man sich so darüber klar ist, daß wir also aus den verschiedensten Gründen dem Zwang zur Ausfuhr überhaupt nicht entrinnen kömicn, so wird man der Meinung dcrjeuigen, die von der Ausfuhr nichts wissen wollen, und nur immer von einer Stärkung des Binnenmarktes reden, mit berechtig tem Zweifel gegenüberstehen. Deshalb war es eine wirtschafts politische und handelspolitische grundsätzliche Verkennung der Struktur unserer Volkswirtschaft, wenn eines Tages der be kannte deutschnationale Abgeordnete Dr. Hugenberg mit dem Plan anftrat: man solle einfach die Einfuhr, soweit sie nicht unbedingt nötig ist, verbieten und sich auf den Binnenmarkt beschränken. Wenn man also das Geld, das Deutschland jähr lich für eingeführte Apfelsinen z. V. ausgibt, sparen wollte, so verbietet mau eben die Apfelsinen-Einjuhc. Geht man aber weiter, io muß man folgern, daß dann Italien und Spanien ebenfalls die Einfuhr deutscher Waren verbieten. So würde es uns bei vielen Ländern gehen, die ihre Produkte gegen unsere cintauschen. Auf diese Weise wäre ein weltwirtschaft licher Verkehr einfach unmöglich. Und wir ständen eines Tages vor dem Problem, wie wir die Millionen von Arbeitern er nähren sollten, die heute ihre Entlohnung in den Ausfuhrtn- dustrien finden. ,, . . Diese einfache Ueberlegung scheint nun die deutschnatio- nale Volkspartei vergessen zu haben. Denn sonst wäre cs nicht möglich, daß die Reichstagsfraktion dieser Partei in einem im Reichstag eingebrachten Antrag verlangt, daß In Zukunft von Deutschland die allgemeine Meistbegünstigung nicht mehr ge währt werden soll. Auf dieser allgemeinen Meistbegünstigung -aber beruht das ganze Handelsvertragssystem in Europa und zum Teil auch in der übrigen Welt. Ein System, mit dem wir immerhin erreicht haben, daß unsere Ausfuhr in den Iah- ren 1924 bis 1927 um 40 Prozent gestiegen ist. Wendet man das Rezept der Deutschnationalen an, so begeben wir uns in eine handelspolitische Vereinsamung, die vor allem uns großen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde. Es ist deshalb ver ständlich, daß die gesamte deutsche Industrie das deutschnatio- nale Rezept ablehnt, weil sie sich von eimr Verfolgung der bisherigen handettpolittschen Methode mehr verspricht. friecle cien Menschen. Line Entschließung des Weltklrchenkongresses. Der Weltkongreß Friede und Freundschaft in Prag durch die Kirchen hat nach viertägigen Beratungen im internationalen Komitee die mit Spannung erwartete Entschließung über die Abrüstung mit allen Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Der Antrag 'fordert, daß alle Staaten, die Mit glieder des Völkerbundes sind, ihre bewaffneten Kräfte gemäß dem Völkerbundspakt (!) einschränken und ein allgemeines Schiedsgericht anneihmcn. Die Kirchen werden aufgefordert, ihren sittlichen Einfluß zusam men mit dem Völkerbund und den eigenen Regierun gen dafür einzusetzen, daß mit aller Beschleunigung die dazu nötigen internationalen Abmachungen getrof fen werden. Weiterhin müsse es Aufgabe der Kirchen fein, ihre Kräfte und ihren erzieherischen Einfluß gel tend zu machen, damit die Völker fortan ihre brüder liche Solidarität und ihrs Verpflichtung zur zielbe- wußten Zusammenarbeit bejahen. Zunt ersten Male haben sich! so führende Vertre ter des kontinentalen und amerikanischen Protestantis mus, der englischen Kirchen, der griechisch-orthodoxen und der Missionskirchen des Fernen Osten» zu einer gemeinsamen Erklärung über eine aktuelle politische Frage zusammengeschlossen. Die deutsche Abordnung, die 58 Mitglieder umfaßt, ist einmütig für die Annahme dieser Erklärung .eingetreten. Die Forderung einer vollständigen Abrüstung, die von holländischer Seite ausgestellt wurde, ist fallen gelassen worden. Die Erklärung beschränkt sich! aus die Forderung einer be schränkten Abrüstung, wie sie der Völkerbundspakt vor- sicht. Der Präsident ^>eS Deutschen Evangelischen Ktr- chenausschusses und des Evangelischen OberkirchenrateS, Präsident. D. Dr. Kapler, hat sich zur Teilnahme an der Sitzung deS Exekutiv- und FortsetzungsauSschus- seS der Stockholmer Weltkicchenkonfcrenz nach Prag be- geben. Anzeiger für öas Erzgebirge -"-"-d«- «AHM.«» »,° »„ ... ... Nr. 204 Freitag, cken 31. Nugust 1S2S