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Ireitag» äen 6. Juli 192S Mer Tageblatt MLM /lnzeiger für -as Erzgebirge MM «Ivmm»r Laerdla« fto,»rMblrs« Enthalten- -ke amtlichen vekanntmachnngeu -es Rates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts /ine. p»stsch«ck-e»nt»r statt Leipzig «,. Nr. I5S Freitag» äen S. Juli 192S 23. Jahrgang UKkll Ruhige Aussprache Wer -ie Regierungserklärung I mit bei Ver- !N ^b«tr von uaä takl st. I. 873. tten Ker l Werk- solcher, i-ervor- tigwar. > an die Firma Berkzeug- )/8. erbeten. llWen »st hat i ch 1. M. R. irlic >6«:linkt Licker- kl!!!!!!!!!!!! Berlin, 4. Juli. Nach einer kurzen GeschäftS- ordnungsdebatte eröffnete Dr. Brett scheid als Ver treter der größten Fraktion, der Sozialdemokratie, die Rednerliste. Breitscheid Gelt «S für nötig, den Cha rakter des jetzigen Kabinett- genau zu umschreiben und die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion zu be gründen. Er sah sich dazu durch! die Zwischenrufe der Kommunisten veranlaßt, die ihn mehrmals zu pole mischen Aeutzerungen reizten. Dann sprach Graf Westarp. Es siel auf, wie charf der deutschnationale Führer sich die Forderungen der größeren deutschen Länder zu eigen machte. Be kanntlich konnte man früher von den Deutschnationalcn oft auch Aeußerungcn hören, die durchaus in der Rich tung des Einheitsstaates lagen; aber damals.haben sie das getan, weil sie aus der Zentralisierung Machtvor- teile für ihre Partei und ihrs Anhänger in den Rem tern ziehen zu können glaubten. Unvorsichtig war es vom Grasen Westarp, daß er sich dann über den Still stand der Außenpolitik äußerte, denn er hatte dabei nicht bedacht, daß dieser Stillstandzeit l i ch genau mit der Teilnahme der Deutschnationalen an der Re gierung zusammenfällt. Von einem Zotlabbau will der Führer der Rechten nichts wissen. Das Zentrum ließ als seinen Vertreter T.r. Perlitius sprechen, der seit einigen Monaten mit L'orliebe in den Vordergrund gestellt wird. Perlitius gab für seine Fraktion eine wohlabgewogene Erklä rung ab, deren Sinn der ist, daß sich das Zentrum nach seiner guten, alten Tradition für alle Fälle die Hände frei halten und von einer abschließenden Stellungnahme einstweilen nichts wissen will. Die Aus führungen über das Schulgesetz lassen die Deutung zu. daß das Zentrum, da es einer seinen Wünschen nicht entsprechenden Lösung nicht zustimmen könnte, lieber damit einverstanden wäre, daß es in den nächsten Jah ren noch nicht zu einer gesetzlichen Regelung kommt. ES hat jedenfalls nicht angekündigt, daß, es selbst einen Vorstoß unternehmen wolle, dagegen hat es sich ein deutig gegen jede Erleichterung der Ehescheidung aus gesprochen. Für die Kommunisten sprach ein Neuling, der thüringische Abgeordnete Ewert. Es ist lediglich! zu erwähnen, daß er einen Mißtrauensantrag seiner Par tei zu begründen hatte. Was das Zentrum kknn, kann die Deutsche Volkspartei auch. Dr. Scholz fühlte sich berufen, die äußere Form der Regierungserklärung zu bekritteln. Die Forderung aus eine Umbildung der preußi schen Regierung wurde erneuert. Während aber die Volkspartei in Preußen mindestens zwei Ministerien mit ihren Leuten besetzen will, .möchte sie im.Reiche die Ressorts radikal zusammenlegen, als ob etwa der Ausgabenkrets eines ReichsministeriumS kleiner und unwichtiger sei, als jener eines LSndermintsteriumS. An der Frage des EinheitSstaateS kann sich die Deutsche Volkspartei dagegen nicht den Deutschnationa len anschließen. Sie würde sich höchstens mit, einer Rückgabe der finanziellen Selbständigkeit abfinden. Immerhin ist diese Verbeugung gegen rechts bezetchi- nend. Ohne einen Auftrag zu haben, lud Scholz di« Wirtschastspartei zur Beteiligung an der Regierung, «in. Frisch und mit seinem gewohnten Humor sprach, der Demokrat Haas, der manche treffend« Formu lierung fand und in seiner liebenswürdigen Art der Deutschen Volkspartei einige bittere Wahrheiten sagte. Drewitz, der Führer der Wirtschaftspartei, und der Bayerische Volkspartetler Leicht schlossen die erste Rednergarnttur ab. MS ihr Ergebnis ist zu buchen. Laß Sozialdemokraten und Demokraten versucht haben, die anderen Parteien auf di« Koalition .festzulegen, daß sich aber Zentrum und Deutsche Volkspartei und Bayerische Volk-Partei freie Hand Vorbehalten haben. Vie parlamentarische Lage. Berlin, 4. Juli. Die parlamentarische Lage nach Abschluß des ersten Teile» der Aussprach« über die Regierungserklärung, die in der heutigen Reichstags- sttzung erfolgte, ist durch die Einbringung eine» kom munistischen und eines deutsthnationalen Mißtrauens antrages sowie eines nationalsozialistischen Vertrauen»« antrages gekennzeichnet. Angesichts der Erklärung de» Vertreters der Nationalsozialisten, daß sein« Partei selbstverständlich kein Verträum zur Regierung habe und durch das Verlangen eine» Vertrauensvotums nur di« notwendige Klärung herbeiführen wollt«, wird sich der Aeltestenrat erst noch Mit der Zulassung des na- erwartet man für morgen die Einbringung eines An trages, wonach der Reichstag die Programmerklärung der neuen Reichsregierung billigt. U-eber diesen An trag als den weitergehenden müsse zuerst abgestimmt werden. Mit seiner Annahme wären die Bertrauens- und MitztrauenSanträge erledigt. ES ist noch, nicht sicher, ob der Antrag gemeinsam von den in der Re gierung durch Minister vertretenen Parteien oder von den Sozialdemokraten bezw. von diesen zusammen mit den Demokraten etngebracht werden wird. Das Zentrum ließ in der heutigen Sttzung erklären, daß «S die Re gierungserklärung zur Kenntnis nehme. Es wird aber in parlamentarischen Kreisen erwartet, daß Zentrum und Deutsche Volkspartei dem BilltgungSantrag, gleich gültig wer ihn einbringt, zustimmen werden. VerhanSlungen über -ie Ausführung -es Regierungsprogramms Berlin, 4. Juli. Während der politischen Aus sprache im Reichstag finden zwischen Mitgliedern des Kabinetts und den Parteien bereits Verhandlungen über die Ausführung des Regierungsprogramm» statt. Bei der Besprechung, die Reichsjustizminister Koch heute nachmittag mit Vertretern der Fraktionen über die Amnestiefrage hatte, wurde, wie im Reichstag ver lautet, eine Annäherung erzielt, die wahrscheinlich auch den Teutschnationalen die Zustimmung möglich, machen wird. Außerdem wurde über die Fragen der Lohn steuer verhandelt, und eS heißt, daß auch dieses Pro blem schneller gelöst werden wird, als man ursprüng lich angenommen hatte. Berlin, 4. Juli. Der RkichSarkeitsminister Wtssell hat alsbald nach seinem Amtsantritt sei nen unterstellten Behörden seine Auffassung von dem sozialen Empfinden kundgegeben, das sie den Kriegs beschädigten und Kriegshinterbliebenen gegenüber .in die Tat umzusetzen haben. Er hat den seinerzeit von der Oeffcntlichkeit lebhaft begrüßten Erlaß! seines Amts vorgängers über den Verkehr zwischen Versorgungs dienststellen und Versorgungsberechtigten eindringlich in Erinnerung gebracht und die Erwartung ausgespro chen, daß die Arbeit der Behörden und Beamten von dem Bewußtsein ihrer hohen sozialen Aufgabe getragen werde. Grundlegend für die gesamte VersorgungStätig- keit müsse die Auffassung sein, daß die Beschädigten und die Hinterbliebenen über förmliche und gesetzliche An sprüche hinaus ein Recht auf Werktätige Hilfe hätten. Richtschnur für den gesamten Dtenstverkehr sei demnach,: Jede Sorge für das Wohl der Versorgung Begehrenden und unermüdliche Dienstbereitschaft auch in den kleinsten Dingen. Die Ausführungen des Ministers bringen deS wetteren beachtliche Fingerzeige über die vertrauens volle Gestaltung der Beziehungen zwischen den Ver- sorgungsdtenststellen und den Organisationen der Ver sorgungsberechtigten. Wertvolle Ergebnisse ließen sich! insbesondere durch mündliche Aussprachen und gegen seitigen Erfahrungsaustausch gewinnen. Vie wiener presse zur -eutschen Regkerungs- Erklärung. Wien, 4. Juli. Die Blätter beurteilen das Pro gramm des KabtnetteS Müller-Franken iM zustim menden und anerkennenden Sinn«. Tie „Reichspost" sagt, die Regierungserklärung Labe wegen der Zusam mensetzung des KabtnetteS hinsichtlich! wesentlicher in nenpolitischer Probleme einen Kompromißcharakter, doch bestehe wegen der Fortführung der bisherigen Außenpolitik Einheit und Geschlossenheit. StresemannS Politik sei von der neuen Regierung als das stützende Gerüst des ganzen Baues übernommen worden. Tie Regierungserklärung sei ein Rahmenprogramm, sie lasse erkennen, daß sich die Regierung nicht als ein Provi sorium betrachte. Die ,Mue Freie Presse" erwähnt, man habe den Eindruck gewonnen, daß mit Müller- Franken ein Mann das Wort ergriffen habe, d«r keine Politik von heute auf morgen macht. Bon größter Wichtigkeit sei der wirtschaftliche Teil seiner Rede, in den sich nicht die leiseste rein sozialistisch« Note ein geschlichen habe. Das „Neue Wiener Tageblatt" nennt die Erklärung Müller-Frankens eine staatSklug« Rede, aus der man entnehmen müsse, daß sich die neue Re gierung Nicht als Provisorium ansehe. Aus der Red« lieh« sich nicht erkennen, daß der Leiter dieser Regie rung ein Sozialdemokrat sei. Seine Rede zeige, daß man ein entschlossener Vertreter der Arbeiterschaft und zugleich .«in nationaler und auf die Gesamtheit d«S pariser Aeitungsstimmen über -le -eutsthe Regierungserklärung. Paris, 4. Juli. Die Erklärung der neuen Reichsregierung findet besondere Beachtung bet der un abhängigen und linksstehenden Press«. So schreibt „Mattn": Zum ersten Male hat der Verzicht auf den Gedanken der Revanche offiziell auf der Tribüne de» Reichstages formuliert werden können. Hermann Mül ler hat aus diesen Prämissen die erwarteten Schluß, folgerungen gezogen. Gr besteht auf der möglichst ra schen Räumung der noch! besetzten rheinischen Ge biete und des Saargebietes, aber er unterstreicht ganz besonders, welche Bedeutung es für die Verständi gungspolitik haben kann, einen Entscheid Mer die Räu mung der zweiten Zone zu treffen. Hermann Mül ler, so schreibt „Oeuvre", habe Forderungen aufgestellt, die man erwartete. Nunmehr müßten di« Alliierten ihr Programm festlegen. Die rechtsstehende Presse fin det. daß der sozialdemokratische Reichskanzler Hermann Müller nicht anders gesprochen habe als ein bürger licher Reichskanzler. So schreibt „Avenir", er habe immer wiederholt, daß die deutschen Sozialdemokra ten auf außenpolitischem Gebiet« dasselbe Endprogramm hätten wie alle anderen Parteien einschließlich! der Nationalisten. Die ministerielle Erklärung Hermann Müllers bestätige, .daß die Sozialdemokraten, wenn sie an der Macht sind, dieselbe Taktik gegenüber dem Aus lande verfolgten wie. die Volksparteiler. ,Kcho de Paris" charakterisiert die gestrige Erklärung der neuen Reichsregierung als die Forderung zur sofortigen und Gratisräumung des Rheinländer. „Figaro" schreibt, der neue deutsche Reichskanzler bereite allen Illusionen der französischen Internationalisten durch! die gestrig« Erklärung im,Reichstag ein Ende. „GauloiS" schreibt, mit Offenheit lehne die neue deutsch« Regierung von vornherein die Diskussion über die SicherhettSgaran- ticn und über die Entscheidung für das Rheinland ab. Es sei nicht mehr die Rede von einem ehrlichen Han del auf dem Grundsatz des Gebens und Nehmens, e» handle sich um einen Tauschhandel, bet dem Frankreich aufgesordert werde, alles für nichts aufzugeben. Amerika zur -rutschen Regierungserklärung. Washington, 4. Juli. Dis Regierungserklä rung, die Reichskanzler Müller im Reichstag .verlesen hat, wird hier allgemein mit großer Aufmerksamkeit geprüft. Ter Hinweis darauf, daß! auch die neue Neichsregierung an der bisherigen äußeren Politik fest halten werde, hat, wie dem Vertreter von WT8. im Staatsdepartement mitgeteilt wurde, Befriedigung her vorgerufen. Mit besonderer Genugtuung wurde die Ankündigung des Reichskanzlers begrüßt, daß Deutsch land bereit sei, den Kellogg-Pakt zu unterzeichnen. Man gab bei dieser Gelegenheit der Hoffnung Aus druck, daß, nachdem Deutschland als erster Staat sein« Zustimmung geäußert habe, nunmehr die anderen Staa ten bald Deutschlands Beispiel folgen werden. In einer Besprechung der Programmred« des Reichskanzlers Hermann Müller betont di« „Neu- hork World", niemand könne behaupten, daß noch ein Grund vorhanden sei, um die Besetzung der Rhein lands bis zum vertraglichen Termin aufrecht zu er halten. Die Behauptungen des letzten Berichts de» Generals Guillaumat seien in Nichts zerflossen. Der Druck im Lande auf Herabsetzung der Rheinlands« sat- zung habe die englische öffentlich« Meinung Ausdruck gegeben, die den Augenblick herbeiwünscht, wo der deutsche Boden besatzungsfrei ist. Die letzten Reichs- tagSwahlen, so klärt das Blatt weiter, haben den offe nen Sinn des deutschen Volkes kundgetan dadurch, daß die Extrem-Deutschnationalisten ein Drittel Stimmen verloren. Der Hauptgrund für Frankreich, die Rhein lands weiter besetzt zu halten, sei der Wunsch, ein Handelsobjekt zu haben, das, wenn nicht Deutschland, so doch den englischen und amerikanischen Gläubigern gegenüber Dienste leisten soll«, sonst lasse sich dis Be satzung in keiner Weise verteidigen. Ver Reichskanzler erwk-ert. Reichskanzler Hermann Müller wird laut „Voss. Ztg." am Donnerstag im Reichstag noch einmal da» Wort nehmen, um auf die Kritik, die die einzelnen Parteiredner an der Regierungserklärung geübt Haven, zu erwidern. Wahrscheinlich! wird er nach der Red« des zweiten deutschnationalen Sprecher» in die Debatte ein greifen. Vie neue« Minister beim Relchsprästüeateu. Berlin, 4 Lult. Reichspräsident von Hin denburg empfing heute vormittag den Retchstnnen- Minister Severing und den RetchSarbettSmtnister Misskll«