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^7 Nr. 1S4 23. Jahrgang Berlin, 2. Juli. Am Dienstag nachmittag wird Reichskanzler Müller sein Kabinett den» Reichstag mit einer programmatischen Erklärung Horstellen. Die neuen Mitglieder werden mit Ausnahme StresemannS vollzählig an der Sitzung teilneihmen. Die Regierungs erklärung ist entgegen den ursprünglichen Absichten sehr ausführlich und dürfte fast eine Stunde in Anspruch nehmen. Sie wird fast alle jene politischen Fragen berühren, die schon bei den interfraktionellen Bespre chungen über die Regierungsbildung ein« Rolle gespielt Haben. Am Mittwoch wird dann die große politische Aussprache beginnen, um voraussichtlich erst am Frei tag geschlossen zu werden. Es werden dabei zwei Red nergarnituren zu Worte kommen. Danach wird zunächst eine Pause von drei bis vier Tagen in den Plenarsitzungen eintreten, während dZren die Ausschüsse sich! mit den Aufgaben beschäftigen wer den, die ihnen der Reichstag noch! als dringlich über- weisen wird.. So wird der Rechtsausschuß bereits am Mittwoch dix Amnestieanträgs in Beratung nehmen. Die Amnestievorlage dürfte als erstes GesetzgebungSwerk nach der politischen Aussprache noch! vor den Sommer ferien, die von Mitte Juli bis zum Herbst dauern, ver abschiedet werden. Die neue Regierung will aber auch alsbald die Vorlage vor den Reichstag bringen, durch die im Sinne der Beschlüsse des Reichsrates der 11. August — der Tag der Weimarer Verfassung — zum Nationalfeiertag gemacht werden soll. Die Erklärung der neuen Regierung wird auch, wie das Nachrichtenbüro des VDZ. weiter hört, zu dem Verlangen der Parteien nach Senkung der Steuern Stellung nehmet». Die Frage der Lohnsteuer dürste dabei als vordringlich Merkantil werden. Die sozial- demokratische Fraktion Hatte bekanntlich während der Regierungsbildung die sofortige Senkung der Lohn steuer verlangt. Ob und in welchem Umfange diesem Verlangen Rechnung getragen wird, hängt zu einem großen Teil von der Stellung der übrigen Regierungs parteien und des ReichSratS ab. Die Prüfung des Er trages der Lohnsteuer im ReichSfinanzministerium hat ergeben. Haß mit nicht unerheblichen Mehreingängen gerechnet werden kann. Infolgedessen ist anzunehmen, daß die Regierung zu dieser Senkung der Lohnsteuer bereit ist. Dagegen dürfte der Reichsrat Bedenken er heben, wie das schon bei der letzten Lohnsteuersenkung im Dezember 1927 der Fall war. Diese Bedenken gehen aus der Tatsache hervor, daß 75 Prozent der Einkommensteuer Ländern und Gemeinden zufließen. Zertigstellung -er Regierungserklärung. Berlin, 2. Juli. Das Reichskabinett hat in seiner gestrigen Sitzung die RegierungSerklärunü fertig- gestellt. Heute um 11 Uhr ist da« Kabinett nochmals zu einer letzten redaktionellen Ueberarbeitung zusam mengetreten. Das neue Reichskabinett ist sich Lestern über die Regierungserklärung einig.geworden. Die Entscheidung, ob das Kabinett sich mit der Billigungsformel hegnü- gen oder ein Vertrauensvotum verlangen wird, wird jedoch, dem „Berliner Tageblatt" zufolge, erst heute fallen da die Fraktionen zu dieser Frage Stellung.neh men müssen. Die Regierungserklärung dürft«, nach dem genannten Blatt, auch an den Problemen der Verein heitlichung des Verwaltung»- und Verfassung-rechtes nicht vorübergehen. Dabei ist vielleicht an die Verein heitlichung des EtatSrechteS und an die einheitliche Vor bildung der Beamten, Richter und Rechtsanwälte ge dacht. Aus dieser einheitlichen Vorbildung ergibt sich eine erhöhte Freizügigkit. Much die Frage der ReichS- augehSrtgkett dürfte eine Roll« spielen. In der Schul frage war das Problem, eine Formel zu finden. Eine ernsthafte gesetzliche Lösung des Schulkonfliktes schei det für absehbare Zett aus. Die außenpolitischen Ausführungen werden sich insbesondere auf die Frage der Räumung der besetz ten Gebiete, di« Reparationsfrage und den Kellogg- scheu KriegSächtungSvorschlag beziehen. Der „Vorwärts" gibt einer längeren Mitteilung de« Sozialdemokratischen Pressedienstes über die Re gierungserklärung Raum. ES wird darin u. a. gesagt» Die Fragen der auswärtigen Politik, der Sozialpolitik, der Landwirtschaft, de» Mittelstände», der Finanzen und Steuern werden eine recht ausführliche Behand lung finden. ES wird gesprochen werden von der Re form tz-r Staatsverwaltung, der Abänderung de» Wahl system» im Sinne einer Verkleinerung der Kreise unter Aufrechterhaltung des BevhältniSwahlrechtS. Di« Bor- legung de» vom MeichSrat verabschiedet«» Gesetzent- Wurfe» über Pen Nationalfeiertag wird ang«kündigt. Gr» NMchh DÄd - L-Ä-rOssK ÄM Ars« SathüU««g eines Ebert-Verrkmals. Berlin, 2. Juli. In Bad Frankenhausen wurde unter starker Beteiligung der BEKrung ein von der Ortsgruppe de» Reichsbanner!« Schwarz-RokSvld gv setzte» Lenkwal de» verstorbenen «^chspEdentm Friedrich Ebert feierlich enthüllt. R*ich»tag»pvLsid«nt AHS» Ltrtt di« KsHrvrdL. Rus Sem Rechtsaussthust. ' 3uli. Der Rechtsau-schuß de- Reichs tages.ist für Dienstag, den 3. Juli, zu seiner ersten Sitzung einberufen worden. In dieser Sitzung wird der Ausschuß nur seinen Vorsitzenden wählen. Vorau»- sichtlich! wird wieder Abg. Dr. Kahl (D. BP.) den Vor- sitz übernehmen. Dio nächste AuSschußsitzung findet dann Mittwoch vormittag statt. Auf der Tagesordnung steht die Amnestiefrage. Vie Rebelten Ses Rekchswlrtsthaftsrates. Berlin, 2. Juli. Der vorläufige Reich-Wirt- schaftSrat veröffentlicht heute ein« Ueberstcht über die ihm zurzeit vorliegenden Arbeiten. Danach beschäftigt sich Her wirtschaftspolitische Ausschuß mit einem von dem Industriellen C. F. Siemen- eingereichten Ini tiativantrag betreffend Behandlung der wichtigen Fra- gen unseres binnenländtschen Verkehr« vom Standpunkt des volkswirtschaftlichen Interesse» und mit einem vom Reichswirtschaftsminister erbetenen Gutacht«n über die Führung des Meistertitel». Dem sozialpolitischen Aus schuß liegen Entwürfe eines Arbeitsschutz- und eine» BerufsauSbildungsgesetzeS zur Begutachtung vor. Ole Zraktkoussttzung -er V. N. v. p. Berlin, 2. Juli. Von der Deutschnationalen Volks- partei wird folgendes Communtquö ausgegeben: Di« Reichs- tagsfraktton der Deutschnationalen Volkspartei hielt am Montag, den 2. Juli vormittags eine Sitzung ab, die bi» in den späten Nachmittag währte. Gegenstand der Erörte rung im Verlauf der politischen Aussprach« war der in der „Politischen Wochenschrift" veröffentlichte Aufsatz -Monarchis mus" des Abgeordneten Lambach sowie die Neuwahl de» Fraktionsvorstandes. In der Angelegenheit Lambach wurde folgende Entschließung angenommen: Die deutschnattonal« Reichstagsfraktion behandelte in der heutigen Sitzung u- a. den Artikel. „Monarchismus", den der Abg. Lambach in der „Politischen Wochenschrift" veröffentlicht hat. Es lag «in« Erklärung des Abg. Lambach vor, wonach er mit seinem Artikel die Absicht verfolgt habe, als überzeugter Monarchist und in vollem Einklang mit dem deutschnationalen Pattei programm die Werbung für den deutschnattonalen Gedanken zu fördern. Die Fraktion ist der Ueberzeugung, daß der fragliche Artikel für diesen Zweck ungeeignet ist und mißbilligt ihn nach Form und Inhalt. Das Ergebnis der Wahl des Fraktionsvorstandes war folgendes: Zum Vorsitzenden der Fraktion wurde Graf Westarp wieder gewählt. Als stellvertretende Vorsitzende wurden die Abgeordneten Dr- Oberfohren und von Lindeiner- Wildau gewählt- Zur Führung der inneren Geschäft« d«r Fraktion wurde wie bisher Geheimrat Schultz-Bromberg be stimmt. Graf Westarp und die Stellvertreter nahmen di« Wahl unter lebhaften Beifall an. Ver Zoll Lambach. Berlin, 2. Juli. In der Sitzung der deutschnationa- len Reichstagsfraktion wurde nach längerer Aussprach« mit großer Mehrheit eine Entschließung angenommen, di« die Form der Veröffentlichung des Abgeordneten Lambach über Monarchie und Republik mißbilligt und den monarchistischen Charakter der Deutschnationalen Volkspartei betont, ohne daß jedoch in der Veröffentlichung ein Anlaß gesehen wird, di« Jraktionsgemeinschaft mit dem Abgeordneten Lambach, der sich persönlich zum Monarchismus bekennt, zu lösen- Sn deutschnationalen Kreisen wird, wie da, Nachrichtenbureau des VDZ. hört, angenommen, daß mit diesem Fraktton»- beschluß die Ausschlußanträge gegen Lambach erledigt sind und die Patteiinstanzen sich nicht mehr mit der Angelegen- hett zu befassen brauchen. Ausdruck gebracht. Schließlich wird auch mit der durch die Verhältnisse gebotenen Rücksicht «in mit den Grund sätzen der Verfassung im Einklang sichendes Schulge setz in Aussicht gestellt, wobei sich, freilich wohl alle Beteiligten darüber im klaren sind, daß es gute Weile haben wird, bis eine solche Vorlage an da» Parlament gelangt. Die Regierung betrachtet sich nicht als ein Provisorium oder als ein Kabinett auf Abbruch. Sie ist entschlossen, zu leben und lange zu leben. Sie setzt sich Ziele, die nur erreicht werden, wenn ihrem Dasein eine verhältnismäßig lange Frist gegeben wird. Da» hindert natürlich nicht, daß sie an der Absicht festhält, zu gegebener Zeit ihre Grundlage durch eine festere und nach außen in die Erscheinung tretende Verpflich tung derjenigen Parteien zu verstärken, die sich Heute noch nicht als eigentlich „gebunden" betrachten. Die Regierung muß das Vertrauen des Reichstages Haben, ob sie dabei aus dem Wort „Vertrauen" besteht, oder ob sie sich mit einer Billigung ihrer Erklärung zu friedengibt, ist für die Praxis von verhältnismäßig untergeordnetem Belang. Billigung wie Vertrauen öffnet den Weg zur Ausnahme der eigentlichen Megie- rungStättgkeit. G Berlin, 2. Juli. Der Aeltestenrat des Reichs tages wird sich am Dienstag mittag 12 Uhr erneut mit der Geschäftslage de« Reichstages befassen. Sämt liche ReichStagSsraktionen Haben für Dienstag.Frak- ttonssitzungen einberufen. Rmtsantritt ürs Reichsministers für Ernährung un- LanSwirtschaft. Berlin, 2. Juni 1928- Im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft verabschiedete sich heute Reichs- Minister Schiele von seinen Beamten mit warmen Worten des Dankes für die treue und vertrauensvolle Mitarbeit. Er sprach dabei die Erwartung aus, daß die im letzten Jahre zum Zwecke der Saniemng und Förderung der deutschen Landwirtschaft geschaffenen Grundlagen von dauerndem Werte seien und von seinem Nachfolger, mit dem er in Bezug auf die Fragen der Landwirtschaft, wenn auch nicht in allen Einzel heiten, so doch in den Zielen übereinsttmme, weiter ausgebaut würden. Gleichzeitig trat der neue Reichsminister Dietrich-Baden sein Amt an. Er führte sich ein mit einer kurzen Ansprache, in der er die Bedeutung der Landwirtschaft für unsere Volks wirtschaft, Volksernährung und Volkstum hervorhob und darauf htnwies, daß er als mehrjähriger parlamentarischer Berichterstatter für den Etat des Reichsministeriums für Er nährung und Landwirtschaft mit der hier in Frage stehenden Materie weitgehendst vertraut und daß ihm nach 26jähriger Tätigkeit als Staats- und Kommunalbeamter auch die formelle Abwickelung der Geschäfte keineswegs fremd sei. Er werde auf der von seinem Amtsvorganger geschaffenen Grundlage aufbauen und hoffe, daß er bei Durchführung der ihm ge- stellten schwierigen Aufgaben das Vertrauen der deutschen Land- wirtschaft finden werde- Die Beamtenschaft des Ministeriums bitte er um vertrauensvolle Unterstützung und Mitarbeit. Staatssekretär Dr- Hoffmann hob die Verdienste des scheidenden Ministers Schiele um die deutsche Landwirtschaft hervor und begrüßte den neuen Minister im Namen der Beamtenschaft. Steuerfenkungsanttag -er Veutsthen volkspartei. Berlin, 2. Juli. Dio ReichstagSfraktion der Deutschen Volkspartei Hat dem Reichstag einen Antrag zugehen lassen, per einen neuen Einkommensteuertarif verlangt in dem folgende Gesichtspunkt« berücksichtigt werden sollen: 1. Bei Lohnsteuerpflichtigen und bei den zu veranlagenden Steuerpflichtigen mit einem 8000 RM nicht übersteigenden Einkommen soll «ine durch schnittlich 20Prozentige Senkung de» Steu«rb«ttageS etntreten. 2. Bei Steuerpflichtigen mir «-irrem zwischen 8000 und 40 000 RM liegenden Einkommen soll ein« Senkung von 15—20 Prozent eintreten. 8. Bei den Höheren Einkommen soN die Grenze der Belastung 83Vst Prozent nicht übersteigen. 4. Der EingangSsteuersatz vivo» 10 Prozent ist beiz »behalten. G Berlin, 2. Juli. Neber daS Ergebnis der im Rechnungsjahr 1927 im Reiche vorgenommenen Buch- und Betriebsprüfungen ist dem Reichstag jetzt von dem früheren Reichsfinanzminister Dr. Köhler «in« Darstel- lung zugegangen, au» der sich ergibt, daß infolge dieser Prüfungen an Steuern und Geldstrafen «in Gesamtbe ttag von rund 125 Millionen RM der Reichsrasse mchr zuaeflossen ist. Die Mehrsumme beträgt bei den Reichs steuern insgesamt 106 964 909 RM, bet Landes-, Kir chen- und sonstigen Steuern 14 960 410 RM, Geld« ßraAn' 4 598 S7S SW. EL hLLdÄL stch dsb-i rncht »tioa /luer Tageblatt -E- RnZeiger für -as Erzgebirge «V—.e-ch-It«»»k«Mich«v-ka°°tm°cha°g«.»esN-.KSNa»,°°» " vsrr'MS /tue. Leipzig m. ISS» Mittwoch, äen 4. Juli 1S28 Die neue Regierung vor dem Reichstag ausschließlich um Steuerhinterziehungen, .vielmehr kam- in diesen Zahlen auch' Ergebnisse -um Ausdruck, die aus der abweichenden Beurteilung von Bewertung», rührm' Abschreibungsgebühren und dergleichen tzer- El« -emokratischer Rvtrag. , 2. Juli. Die demokratische Reichstag», fraktion ersucht in einem Antrag die Regierung, dafür Sorge zu tragen, daß in de» VerwaltungSrat der Deut schen Reichsbahn auch ein Vertreter d«r deutschen Bauernschaft und ein Vertreter de» Handwerk» ent sandt werden.