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Nr. NS 22. Jahrgang Mittwoch» äen 18. Mai 1927 Mer Tageblatt MZW Anzeiger für öas Erzgebirge DM L«l»^amm«r «agrblatt fiu«r,g«birg< Enthalten- -ke amtlichen Bekanntmachungen -es Rates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts Aue. postschrck.gsnt»: Nmt Leipzig n». ltz», Die Deutschnattonalen Hüter der Republik? Ein Tag der Würdelosigkeit. Verl in, 16. Mat. Der Initiativantrag der Re gierungsparteien über die Verlängerung! des Republik- schutzgesetzes aus zwei Zähre wurde vom Reichstag in erster und zweiter Lesung mit den Stimmen aller Par teien gegen die Stimmen der Kommunisten und Bötkt- schen angenommen. » Man kann sich denken, daß die Abstimmung der Dcutschnattonalen für das NepubMschutzgcsctz größte Ueachtttttg sand. Ironische Zurufe unterblieben, ob wohl die Situation direkt zu solchen herausst'rderic. Selbst die lautesten Schreier waren sprachlos, daß die-" jcnigen, die seit acht Jahren gegen den neuen Staat schimpfen und schmähen, die die Flagge dieses Staates „Schwarz-Not-Senf" bezeichnen, für ein Schuhgcsetz dieses Staates und feiner Flagge cintreten. Ja noch mehr: sic stimmten gegen die Rückkehr des Kaisers, selbst Graf Westarp stimmt mit, der am p'2. November 1020 in einer Ncichstagsrede seine unver brüchliche Treue zum ehemaligen Kaiser beteuerte!! — Ohne .die Tentschiiativualeu ob dieses Umfalles schmähen zu wollen, must man sesistellen, daß, die Po litik deutschnatioualer Abgeordneter wenig gemein Hai mit dem weiste deutschnatioualer Wähler. Die SM» Ur ftsWUchm RsM'Wfg m Lsvtzs«. Trinksprüche. London, 16. Mai. Auf dem heutigen Staats bankett im Buckingham-Palast zu Ehren des französi schen Präsidenten brachte der König einen Trinkspruch aus, in dem er u. a. sagte: „Vor mehr als sechs Jahren drückte ich hei ähnlicher Gelegenheit meine "Zuversicht aus Frankreich und das britische Reich für das große Merk der Wiederherstellung in demselben Geiste gegen seitigen Vertrauens und loyaler Freundschaft zu sehen, der sie während des Krieges erfüllt hatte. Mein Ver trauen ist gerechtfertigt gewesen. Unsere Länder wer den fortfahren, in der Sache deS Friedens zusammen- zuarbetten. Ihr Besuch in London, Herr Präsident, ist ein offenkundiges Zeichen der Entente cordialc, die so glücklich zwischen unseren beiden Ländern besteht." — Präsident Doumergue antwortete in herzlicher Weise, „Tie Entente cordiale und das Bündnis während des Krieges haben zwischen Frankreich! und England eine unlösbare Bande geschaffen, die die künftigen Geschlech ter als heiliges Erbe erhalten werden. Dank dieser En tente Habe sich ein internationales Werk durchführen lassen, das schon jetzt fruchtbar an Ergebnissen und reich a:r Aussichten ist. Morgen wie heute werden wir fortfahren, alle unsere Anstrengungen für die Verteidi gung. für die Konsolidierung und die Organisation des Friedens zu vereinigen, um der Weit die Wiederkehr furchtbarer Erschütterungen zu ersparen." Englische Slätterstkmmen zum Gesuch Voumergues. London, 16. Mat. lieber den Besuch Doumer- gueS und Briands in London schreibt „Datlh Chronicle" u. a-, Chamberlain und Brtand Hütten den Wunsch, die Stellung Stresemannü gegenüber den extremen kon servativen Elementen in seiner Regierung zu stärken. Aber Briand Habe auch! aus andere französische Ansich ten als seine eigene Ansicht Rücksicht zu nehmen. — „Daily Retos" glaubt, daß Briand und Chamberlain die Rheinlaiidsrage erörtern werden. Leider verschlech tere Deutschland, wie so oft, seine eigene Steilung. In diesem Zusammenhang führt duü Blatt u. a. Pie Etckhl- Helmkündgebung an. — „Times" schreibt dem franzö sischen Besuch keinerlei außergewöhnliche Politische Be deutung zu, während „Daily Telegraph" n. a. ausführt: Tie englische Diplomatie ist gerade jetzt allzusehr in An spruch genommen, uni sich mit der neuen dentsch-sran- zvsischen Krisis zu beschäftigen. Gleichzeitig wird aber Besorgnis wegen der persönlichen Stellung Strescmanns empfunden. Es besteht kein Wunsch, ein enttäuschtes Deutschland in die Arme Moskaus zu treiben. — Nach „Morningpost" b-ildct die englisch-französische Freund schaft den Eckstein der französischen Politik. Diejenigen, die England im Interesse Deutschlands von Frankreich trennen möchten, mögen enttäuscht darüber sein, daß die beiden Länder noch immer au ein gewisses Zusammen gehen glauben. Wir dürfen auch heysen, daß angcsichts- der Gefahren, die jetzt die westliche Zivilisation von Osten her bedrohen, Frankreich, und England einsehen werden, daß in ihrer Einheitsfront die peste Gewähr für Sicherheit liegt. pariser Glätter zum LonSoner Gesuch Grian-s. Paris, 16. Mai. Zur Reise Briands nach Lon don schreibt „Echo de Paris": Die französische und die englische Negierung beurteilen die deutschen Angelegen heiten beinahe gleich,. .Hinsichtlich der chinesischen Frage haben sie ihre eigene Stellung eingenommen und wer den sie nicht ändern. Allerdings blieben dann noch ver schiedene Probleme, wie beispielsweise die italienisch südslawische Kontroverse, die gewiß eingehend geprüft und zu nützlichen Erläuterungen Anlaß geben wird. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß die beiden Minister sich an Besprechungen allgemeiner Art halten werden. „Oeuvre" vertritt den Standpunkt, daß bei der jetzigen Reise Briands cs sich nm die Notwendigkeit han dele, zn bestätigen, daß trotz sehr begreiflicher Meinungs verschiedenheiten Frankreich und England die Entente cordiale für unlösbar halten. > „Gaulois" schreibt, Pie erste Fra»c, die in London zu lösen sei, sei die Frage der Rheinlands. Auf England gestützt, werde Frank reich alle Garantien, die es als Vorbereitung für eine staffelweise Zurückziehung der Besatzungtruppen aus denn Rheiniaube haben mässe, verlangen. KaufkrafLhebung der Landwirtschaft. Gchlusrsitzung des Genfer Landwirtschaftsansschuffes- Mens, 16. Mat. Die heute vom Landwirtschafts- auSschuß in seiner Schlußsitzung angenommene Ent schließung über die allgemeinen Fragen in Bezug aus die Förderung der Landwirtschaft erinnert daran, daß die Verringerung der Kaufkraft der Lmidwirtschusl Vie industrielle Produktion direkt beeinflußt und deshalb eine ber Ursachen der Arbeitslosigkeit ist. Die Ent- schlteßunL stellt dann sest, daß die Hebung der Land wirtschaft zunächst eine Angelegenheit der Landwirte selbst ist, wobei den kleinen und mittleren landwirt schaftlichen Betrieben der Zusammenschluß in Genossen- schäften von Erzeugern und Verbrauchern empfohlen wird. Der Zollschutz soll sowohl für die Landwirtschaft al» auch für die Industrie aus «in unerläßliches Min destmaß herabgesetzt werden, wobei daran erinnert! wird, daß in Ländern, wo die landwirtschaftliche Entwicklung mit der industriellen Entwicklung nicht Schritt gehal ten Hat, sondern dürch diese behindert worben ist, eine fchrÄvM tztrabfGuris der Ml» aus di« Industrie- erzeiignlsfc besmiders günstige Wirkungen für den land wirtschaftlichen Fortschritt haben würde. Das Regime der Ausfuhrverbote und Ausfuhrzölle und die häufigen Aendernngen der Zollsätze sollen möglichst endgültig anfgegeben werden. Dein Landwirt s"ll ein gerechter Verdienst durch Regelmäßigkeit nud Beständigkeit der Preise gewährleistet werden. Der Völkerbund wird aus gefordert, daß in allen seinen Organen, die mit wirt schaftlichen Fragen betraut sind, der Landwirtschaft immer eilt ihrer Bedeutung entsprechender Platz, ein- geräumt wird. Les weiteren soll durch den Völkerbund ein möglichst umfassendes und auf alle Länder anwend bares System der landwsrtschastlichen Buchführung und periodischer landwirlschnstitcher Slatistileu vorbereitet werden. Schließlich wird eine Weltenqnete für alle wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und technischen Verhältnisse in der Landwirtschaft »ev einzelnen Län de« durch den VÜPerdunv verlangt. Mege zum Sinkeilsstaat. Re-e -es Innenministers Vr. Apelt ln Gautzen. Bautzen, 15. Mai. Ueber das Thema „Auf dem Wege zum Einheitsstaat" sprach am Sonntag auf der Landestagung der Sächsischen Jüstizamtsmänner Innen minister Dr. Apelt. Im Mittelpunkte der politischen Diskussion stehen gegenwärtig die Fragen PartikulartS» muS, UuilarismuL, Einheitsstaat, Bundesstaat. Wohl sei die Weimarer Verfassung stark unitaristisch, der Ein heitsstaat sei aber mit ihr nicht gekommen. Er müsse erstrebt werden, wenn auch Politiker und Bürokraten ihm Hindernisse in den Weg legten. Der Einheitsstaat dürfe aber auch nicht übereilt hcrbeigesührt werden, auch solle er nicht ein Zcntralstaat werden wie Frankl- reich, sondern ein dezentralisierter Staat mit starker Ge- sumtleitung. Dabei spielten drei Probleme eine Rollei 1.. das Verhältnis dcw Reiches zu Süddeutschland, wo bei die Gegensätze zwischen Bayern und dem Reiche in leister Zeit nicht zuletzt durch die baycrnfreundliche Handlung in ber Fiuanzauögleichsfrage des Reiches we sentlich gemildert worden seien; 2. das Verhältnis zwi schen dem Reiche und Preußen, zwischen denen sich ein Gegensatz erst in letzter Zeit wieder schärfer herauSgv- bildet haben. Mit diesem Problem würden wir in den nächsten Jahren schwer zu ringen haben; 3. daS Ver hältnis zwischen Preußen und den norddeutschen Staa ten. Das Verhältnis zwischen Preußen und den kleinen Staaten werde sich bald klären, da diesen infolge ihrer finanziellen Not nichts weiter übrig bleiben werde, al» sich Preußen auzuschließen. Das Verhältnis Preußen» zu den Hansastädten werde nicht so leicht geregelt wer den können. Es gäbe drei Wege, zum Einheitsstaat zu kommen: Die allmähliche Erweiterung der Reich»- kompeteiizcn (Vereinheitlichung des SteüervechtS, der Justiz- und Finanzverwaltung), wobei namentlich in kulturellen Fragen nicht so weit gegangen werden dürfe. 2. Ein Ausgehen des Reiches in Preußen, wobei aber die Mittel- und Sttdstaaten nicht zu haben sein würden und 3. die insbesondere von Praktischen Verwaltungs beamten geforderte Schaffung von Ncichslänpern. wo bei sich jedoch der wenig erwünschte Dualismus zwischen Ländern mit und ohne Eigenstaatlichkeit Herausstellen würde. Gegenwärtig sei am empfehlenswertesten eine Zwischenlösung in Gestalt des Staatenhauses. Diese» Staatenhaus wevde das Negionalshstem erhalten, dem Verwaltungsapparat vermindern und den PartikulariS- mns überwinden. Wann wir hierzu kommen würden, hänge davon ab, ob und wie stark der Wille hierzu im deutschen Volke vorhanden sei. Gerüchte um -as Reichsschuigesetz. Berlin, 16. Mai. Wie den Blättern mttgeteilt wird, ist eö nicht richtig, daß Netchstnnenmtntster von Keudell einen Ausschuß von Sachverständigen zur Kor« berettnng des Neichsschulgesctzes zusammenberuscn hat. Ferner ist gemeldet worden, daß die Beteiligung de» Freiburger Univei silätsprofessvrS Dc. Krebs an den Vorbereitungen in Aussicht geuommen sei. Eine solche Absicht hat nie bestanden. §ür ein Justizmlnifterlum ln Oesterreich. Wien, IG Mai. Eine Abordnung der richter lichen Beamten sowie der Rechtsanwälte und Notare sprnch heute beim Bundeskanzler Dr. Seipel vor, um Ihm den Wunsch nach Schaffung eines selbständigen Justizministeriums zu übermitteln. Bundeskanzler Dir. Seipel versprach, alles zu tun, daß, die Vortage des be treffenden Gesetzentuuirse« im Nationalrat mit tunlich? ster Beschleunig«:»« erledigt wird. Reue poinisch-russtsche GrenzzwtschensäUe. Warschau, IG Mat. „Glos Prawdh" meldet! In den L slmnrten sind ln den letzten. Tagen wiederum zwei Fälle von Beschießungen polnischer Grenzwachen durch bolschewistische Pairouilleu zn verzeichnen. Beide Male wurde jedoch trotz lebhaften Feuer« auf polnischer Seite niemand verletzt. Glutiger Zusammenstoß zwischen Amerikanern un- Liberalen in Nicaragua. M anagua, 16. Mat. Ein Kapitän und ein Sol dat ber amerikanischen Marine wurden gestern abend In einem Uainpf mit einem Trupp Liberaler bet Leon getötet und mebv're Seesoldaten verwundet. Di» Li beralen verloren sechs Lot». > «