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Nr. 106 Sonnabenä» äen 7. Mai 1927 22. Jahrgang « p/i-,',.. ».n-mÄW »I» 1 amtUch« g.ll. « pf«nn>,». /^UMAkk Dk ötlS EkMkö!kAt «"ch°u°n» -Ech-, s.k°n°.m°chu°°°° ... n°.» ... «...... ... v. Siemens spricht auf der Weltwirtschaftskonferenz Güteraustausch der Rationen. — Zwangswirtschaft und ihre Folgen. — Arbeitslosigkeit. ! I ! Genf, 8. Mai. Zn der Heutigen Normittagösitzung der Weltwirt' schaftskvnferenz hielt v. Siemens, der Präsident de» riteichswirtschaftsrateS, eine Rede, in der er u. a. aus- führter Die große wirtschaftliche Notlage hat Wohl in allen Ländern das Verständnis für die Bedeutung der Wirt schaft reifen lassen. Tie Wirtschaft stellt die Grundlage slir Staat und Gesellschaft dar. Tas wirtschaftliche Le den spielt sich nun in den wenigsten Ländern nur inner halb der eigenen Grenzen ab. Der Heimatsmarkt hat in den meisten Ländern, besonders in solchen mit starker landwirtschaftlicher Produktion, eine ausschlaggebende Bedeutung. Industrie und Landwirtschaft sind auf das das stärkste voneinander abhängig. Es must jedoch aus vielen Gründen auch ein 'ebhastejr Austausch zwischen den einzelnen Volkswirtschaften auf die Dauer für alle die günstigste Entwicklung er möglicht werde. Eines der ernstesten wirtschaftlichen und politischen Probleme ist die nach dem Kriege in Europa eingetretene Arbeitslosigkeit, die in der Hauptsache durch die Plötzlich eingetretcne Verteuerung der Arbeitskraft hervorgerusen worden ist. Es ist die große Frage, was sozial berechtigter ist, dafür zu sorgen, dast möglichst viele Menschen Arbeit haben, wenn auch! zu einem etwas geringeren Einkommen, oder daß diejenigen, die im Besitz Von Arbeit sind, möglichst viel verdienen und dann von diesem Verdienst zur kärg lichen Unterhaltung der anderen abgeben. v. Siemens ging dann zur Frage der interna tionalen Verständigung zwischen gleichartigen Industrien über, die nur durchführbar sei, wenn zunächst national« Verständigungen herbetgeführt würden. v. Siemens betonte sodann, dast es unbedingt not wendig sei, für den internationalen Wirtschaftsverkehr eine Definition der Begriffe zu schaffen. Wenn man sich verständigen wolle, müsse man zunächst die gleiche Wirt» schaftltche Sprache sprechen. Es müsse versucht werden, auch auf die Wirtschaftswissenschaft ein MaMstem zu begründen, das auf der ganzen Welt Gültigkeit Habe. Zum Schluß, berührte v. Siemens die Frage, ob die bisherigen Formen die einzig richtigen und möglichen wären. Er glaube auch hier, dast der Stein der Weisen noch nicht gefunden sei und daß an ihrer Weiterbil dung ernsthaft, aber mit größter Vorsicht, gearbeitet werden müsse. Die Prügeleien der Nationalsozialisten. Ein unerhörter Terror. — Auflösung des Gaues Berlin-Brandenburg. vorhanden sein. Man kann mit Recht sagen, dast das Gedeihen jedes Volkes in starker Abhängigkeit von dem Gedeihen der anderen Völker steht. Gerade in Europa ist durch die schweren Erschütterungen der Wirtschaft der Nutzeffekt der gesamten Wirtschaftsmaschine erheb lich herabgesetzt. ES ist die wichtigste Ausgabe der Re gierungen der verschiedenen Länder, Ordnung und Ruhe in die wirtschaftlichen Verhältnisse im eigenen Lande und in die wirtschaftlichen Beziehungen mit den an deren Ländern zu bringen und so ihren Völkern einen möglichst hohen und gesicherten Lebensstandard zu geben. ES ist der Zweck dieser Konferenz von Wirtschaft lern,, den Politikern die Grundformen der Mrtchast mrsruzoitlmen, damit die bestehenden wirtschaftlichen Hemmungen ab gebaut und der natürlichen Entwicklung freierer Spiel raum gewährt werden kann. Seit Beginn des Krieges hat die Wirtschaft stoßweise plötzliche Aenderungen er litten. Tas Räderwerk der Wirtschaftsmaschine ist stark in Unordnung gebracht. Um die Gefahr eines völligen Versagens zu verhindern, sind gewaltsame Eingriffe - als ' Zwangswirtschaft bekannt — teilweise unvermeidlich gewesen. Jetzt ist diese Zwangswirtschaft meist aus der Erkenntnis, dast sie hemmend wirkt, aufgegeben worden. In Deutsche land besteht freilich, noch, eine Zwangswirtschaft auf den Gebieten der Miete und der Löhne. Die Zwmgswtrt- schast auf dem Gebiete der Mieten hat zur Folg' gehabt, dast das Bauen in der Praxis 90 Prozent teurer ge worden ist als vor dem Kriege, während die sonstige Warenverteuerung etwa 35 Prozent über der Vor kriegszeit beträgt. Die BoeinMiMg der Wirtschaft durch die StaatslcitUuaen ist heute viel größer als vor dem Kriege. Hierdurch, ist eine starke Beeinträchtigung der natürlichen Produk- tionsbedingungen zum Schaden der Lebenshaltung der Bevölkerung etngetreten. Weiterhin sind die Produk- tionsstätten aus Kriegs, und Jnslationsgründen wett über das notwendige Mast vermehrt. Die Wirtschaft hat nicht immer schnell genug den Mut gefunden, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Staats hilfe bedeutet aber nur Unterstützung eine» Wirtschafts zweiges auf Kosten der anderen. Gänzliche Aufrecht erhaltung von an sich nicht mehr lebensfähigen Ge bilden hemmt aber den technischen Fortschritt und die gesunde Entwicklung. Wenn auch! in Europa mäßig regulierend« Faktoren Im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr berechtigt wä ren, so würden doch alle Uebertretbungen in ihrer Ge- samtwtrkung nur die Lebenshaltung der Bevölkerung hierabsetzen. Aehnlichen Einfluß, Haben auch! die nicht ans wirtschaftlichen Gründen entstandenen internatio nalen finanziellen Verpflichtungen. Ihre Erfüllung kann auch nur durch! vermehrten Export vorgenommen werden. Die» macht eine Umstellung der Produttton er forderlich auf der gebenden wie nehmenden Sette, und hat daher eine Rückwirkung auf alle am Weltmarkt be teiligten Länder. Die europäischen Völker sind besonder» auf dau ernde geschäftliche Beziehungen angewiesen und es ist ein Hohe» Ziel, diese Beziehungen so zu gestalten, dast Wir berichteten gestern bereits kurz vor den Zusammenstößen im Krtegervereinshaus in Berlin und sind heute in der Lage, eine ausführliche Dar stellung zu geben. D. Red. Tie Nationalsozialistische Arbeiterpartei hatte am Mittwoch! abend eine Versammlung im Kriegervereins haus in der Chausseestraße einberufen, in der Tr. G öb bels, der Führer der berüchtigten Nationalsozialisti schen S. A.-Abteilungen, als Redner auftrat. Der Saal, der etwa 3000 Personen faßt, war stark besetzt. In sei nen mehrstündigen Ausführungen, die sich durchweg gegen die Politische Linke und die Linkspresse richteten, forderte Göbbels die anwesenden Nationalsozialisten u. a. auf, die Wohnungen der Verantwortlichen Redakteure sämtlicher linksgerichteten Tageszeitungen auszukund schaften, um diesen Herren bei Gelegenheit einen „tat kräftigen" Besuch abzustatten. Als hier ein Pfarrer Stucke einen Zwischenruf machte, wurde er auf Aufforderung des Redners von einem nationalsozialistischen Rollkommando in Stärke von 20 Mann überfallen, mit Biergläsern zu Boden geschlagen, auf pem Boden liegend mit Füßen getreten und dann aus dem ^aal geschleift und die Treppe hinunterge worfen. Man brachte ihn ins Augustahospttal, wo seine Kopfwunden genäht und verbunden wurden. Zm wetteren Verlaufe der Versammlung, bei der Tr. Göbbels seine früheren Drohungen wiederholte und noch! steigerte, wurde der anwesende Redakteur Hen ning vom Scherlverlage von den Nationalsozialisten erkannt, ebenfalls überfallen, zu Boden geschlagen und aus dem Saal geworfen. Henning erlitt Verletzungen am Klopfe sowie eine stark blutende Fletschwunde im Gesicht. Er wurde von Poltzeibeamten auf das nächste Revier gebracht, wo er Anzeige erstattete. Zn dem Augenblick, als Dr. Göbbels den gleich falls im Saal anwesenden Redakteur der „Roten Fahne" anrief und ihm drohte, dast er am nächsten Tage Be such nätionalsozialtstischer Rollkommandos in seiner Wohnung empfangen würde, entstand im Saale ein ungeheurer Tumult, der durch die Nachricht hervorge- rufen wurde, dast aus Anzeige des Redakteurs Henning ein starkes Polizeiaufgebot aufztvhe. Bald darauf erschienen drei Hundert-Mannschaften Schutzpolizei, besetzten unter Führung de» Major» He ber und de» Kriminalkommissars der Abteilung l A, Dr. Stumm, die Eingänge de» Saale» und umstellten da» gesamte Gebäude. Major Heber sprang auf einen Tftch Md rief mit lauter Stimme in den Saal, dast die Polizei die Nachricht erhalten Habs, dast eine große Anzahl der anwesenden Nationalsozialisten mit Waffen zu der Versammlung erschienen sei. Er forderte infolge dessen die Anwesenden auf, den Saal einzeln durch! eine Kette von Schutzpolizisten zu verlassen, wobei jeder einer genauen Untersuchung nach! Waffen unterzogen werde. Auf diese Aufforderung de» Major» hin ent stand im Saale ein ungeheurer Lärm, die NationalsozMsttn brachen von de« Stühlen die «eine ab und machten Miene, der Aufforderung einzelner Füh rer Folge zu leisten, sich auf die Schutzpolizisten zu stür, -en und sie au» dem Saal« zu schlagen. Durch! da» ener gische Auftreten der Polizetbeamten wurde ihr« Absicht jedoch verhindert und sichtlich ernüchtert ltvsten sich die Nationalsozialisten auf Waffen untersuchen. Bei elf Teilnehmern wurden Waffen gefunden, außerdem wur den im Saale verstreut Trommelrevolver, ein Terzerol, Schlagringe, Gummiknüppel, feststehende Messer und ähnliches aufgefunden. Insgesamt wurden 36 Gegen stände, die als Waffen angesprochen werden müssen, beschlagnahmt. 29 Personvn wurden zwanasgestellt, von denen sich elf wegen Mitführens von Waffen zu ver antworten haben werden, die übrigen, weil sie sich! den polizeilichen Anordnungen nicht gefügt oder Wider stand geleistet haben. Die 29 festgenommenen Natio nalsozialisten sind nach ihrer Vernehmung wieder auf freien Fuß, gesetzt worden. Entgegen der ursprünglich,en Annahme befanden sich die Urheber der schweren Miß handlung des Pfarrers Stucke und des Angriffe» aus einen weiteren Versammlungsbesucher nicht unter ihnen, doch konnten aus Grund der Zeugenaussagen in dieser Richtung bereits Spuren gewonnen werden, die wahr scheinlich zur Festnahme der Täter führen werden. Ermkttelungsverfahren gegen Vr. Goebbels. Berlin, 5. Mai. Gegen den Leiter der Bev- sammlung, Dr. Göbbels, ist von der Polizei ein Ermit» telungsverfahren wegen Aufreizung zu Gewalttätig? ketten und wegen Bedrohung eingelettet worden. verbot -er Natkonalfozkallftlsthe« Veutsthen Arbeiterpartei für Serlin. Berlin, 5. Mat. Auf Grund der Reichsverfas sung, des Reichsvereinsgesetzes und des Allgemeinen LandrcchteS hat der Polizeipräsident von Berlin den Gau Berlin-Brandenburg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei mit ihren Unterorganisattonen aufgelöst, weil die Zwecke dieser Organisationen den Strafgesetzen zuwtderlaufen. Diese Anordnung tritt sofort in Kraft. Vie Grün-e. Wie die Blätter hören, stützt sich! die Auflösung de» Gaues Berltn-Brandenburg vor allem darauf, dast Füh rer und Mitglieder der Partei in unverhüllter Form zu Gewalttätigkeiten gegen politisch ^Andersdenkende aufgcsordert haben und vielfach! auch! zur Tat geschrit ten sind, so bet den Vorfällen auf dem Bahjnhof Ltchter- felde-Ost, bet dem Ueberfall auf friedliche Passanten an der Kaiser.Wtlhelm-Gedächtntsktrche usw. Der preußi sche Ministerpräsident Braun erklärt in der „Mov- genpost" zu den nationalsozialistischen Ausschreitungen, Einmal und nicht wieder! Diese auf Gewalttätigkeiten gegen Andersdenkende gerichtete und in der Organi sierung von Ungesetzlichkeiten sich! erschöpfende Bewe gung werden wir in Berlin unh in ganz Preußen im Keime ersticken. Der preußische Innenminister Grze- stnskt schreibt in Per „vossischen Zeitung", Für di« Veranstaltung de» Stahlhelme» am 7. und 8. Mai in Berlin haben die Vorgänge in der Versammlung de, Nationalsozialistischen Arbeiterpartei meine» Grachten» keine Bedeutung. S» wäre daher falsch, wenn di« Be völkerung Berlin» sich auf Grund der Vorgänge üb«, den kommenden Sonnabend und Sonntag beunruhigen würde.