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21. Jahrgang 1. Dezember. Dr. Etresemann wird am der Sitzung de« BölkerbundSrate» nach Zur gleichen Zeit reisen der englische und der erkläre aber ganz offen, daß ei» generelle» Verbot der Oberprüfstell« frelgegekenen Film» durch ein dem Reichsrecht nicht vereinbar wäre. bayrische Regierung hat aber der RetchSregte- rung gegenüber erklärt, daß tn ihrem Vorgehen gegen den Potemsin-Film „kein generelles Verbot" liege und dass das Verbot nur aus ortSpoltzeiltchen Gründen er folgt sei, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten." (Lachen links.) „Ich muß die Beantwortung für das bayrische Vorgehen zunächst der bayrischen Regierung überlassen. Sie wird zu prüfen haben, ob sie die bestehenden Be stimmungen auch wirklich richtig angewendet hat. Je denfalls habe ich bereits die bayrische Regierung auf gefordert, ihr Vorgehen einer nochmaligen Nachprüfung zu unterziehen." (Große Unruhe links.) Tie Verhandlung wird darauf abgebrochen und auf Donnerstag vertagt. hat aber Bayern getan, und Württemberg hat eben- falls ein sogenanntes moderierte» Verbot de» Potemktn- Films erlassen. Ich sage Ihnen noch einmal. Herr Minister. Sie mußten hierzu Stellung nehmen, und Ihre Aeußerung, aus Württemberg hätten Sie noch keine amt. ltche Auskunft erhalten, bedeutet für mich ein Aus- weichen. Hier im Hause ist der zuständige Minister Württemberg», der ZcntrumSabgeordnete Bolz, anwe send, und Sie hätten sich bet ihm unterrichten können. Ueberdtes aber hat Herr Bolz im württembergischen Landtag bereits am 29. Oktober den Fall amtlich so behandelt, daß eine Verletzung der Reichsverfassung durch Württemberg auch offensichtlich geworden ist. Ich verlange von Ihnen al» berufener Hüter der Reichsverfassung, daß Sie gegen diese Verletzung der Reichsverfassung seitens Bayerns und Württembergs hier klar Stellung nehmen. Nicht, daß Sie nun eine RcichSexekutlon nach Bayern oder Württemberg voll- Aber Sie haben hier zu erklären, daß Bayern und Württemberg die Reichsverfassung durch ihr Bor- gehen verletzt haben." RetchSmtnister Tr. Külz erwiderte: „Ich will mtck der Pflicht, diese Dinge hier klar und deutlich zu besprechen, durchaus nicht entziehen. Aber ich war der Meinung, daß ich am besten die Sache erst behandele, wenn die Mitteilungen von Bayern und Württemberg zusammen abgeschlossen vorliegen. Und das ist seitens Württembergs noch nicht der Fall. Den Rat, Persön lich mit dem Minister Fühlung zu nehmen, kann ich nicht befolgen. Ich muß den üblichen amtlichen Ver kehr tnnehalten, und die zuständigen Instanzen Würt tembergs haben amtlich noch nicht gesprochen. - „Ich «In-S von Land mit Die Potemkrn-Debalte im Reichstag Das bayrische und württembergische Verbot. Eine Denkschrift Stresemanns. London, 1. Dez. Der diplomatische Berichter- statter des „Daily Telegraph" veröffentlicht heute den Text einer Denkschrift, die Dr. Stresemann vor einiger Zeit an die Mitglieder ve« vüttekbund»rate» gerichtet hat und tn der der deutsche Außenminister feststellt, daß die deutsche Regierung sich sede Prüfung der deub. schen Entwaffnung gefallen lassen wird, die der völ. kerbund»rat mit Stimmenmehrheit beschließen sollte. In der Denkschrift wird jedoch darauf -ingewiesen, daß ein solcher Beschluß de» Vvlkerbundsrate» nur ge faßt werden kann, nachdem bestimmte Umstände die An. iinhme rechtfertigen, daß Deutschland seinen Abrüstung«. Verpflichtungen nicht nachgelommen ist. Der Frieden»- vertrag gibt, wie die deutsche Denkschrift heworhebt, keinen Anhalt für die Einsetzung ständiger Kontroll organe tn der entmilitarisierten Zone de» Rhetnlande», und e» wird daraus htngewiesen, daß die Befugnisse, die der Vvlkerbund»kommission erteilt werden sollen, über dte Rechte htnau»geh«n, di» der deutschen Regie- rung tn ihren Beziehungen zu deutschen Staatsbürgern verfassung»gemäß zustehen. Var pwblem ärr stsnsumNnamiemng. Bon Dr. rer. pol. Han» Rahn, Volkswirt R. D. v. Die WirtschaftSkrist» und die damit verbundene Absatz- not hat im deutschen Einzelhandel den Wunsch auskommea lassen, die amerikanischen Methoden de» Kreditkäufe» auch bei uns anzuwenden. Abzahlungsgeschäfte gab e» bereit» vor dem Krieg« und ihre Bedeutung für die Volk-Wirtschaft war in der Borkrieg», zeit nicht gering. War doch der Umsatz dieser Geschäft«, di« sich in der Hauptsache mit dem Verkauf von Möbeln oder ganzen Ausstattungen an weniger bemittelte Kreise befaßten, ungefähr einhalbmal so groß als der der Warenhäuser (etwa 200 bis 250 Millionen im Jahre). Amerika blieb e» dann Vorbehalten, in großzügiger Weise das System der Kon'um- finanzierung weiter auszubuuen. Ford, der Automobilkönig, führte tn weitgehendstem Maße die Finanzierung im Au.o- Mobilgeschäft durch. , Jetzt ist man nun, veranlaßt durch verschiedene Studien- reisen deutscher Einzelhandelsführer, auch bet uns dabet, der- artige Methoden anzuwenden. Es haben sich kürzlich tn Ber- lin und auch in anderen Städten Bankinstitute aufgemacht, die kreditwürdigen Konsumenten einen bestimmten Kredit (z. B. in Höhe des Monatsgehaltes) einräumen. Der Kre ditnehmer erhält nun ein Scheckbuch in ber Höhe de» kredi tierten Betrages und kann nun in all den Geschäften, dte mit dem Kreditinstitut in Verbindung stehen, Einkäufe tätigen. Die wirtschaftlichen Verbände des Einzelhandel» haben sich zu dieser Frage ablehnend geäußert. So hat in einer Mitglicberversammung die Hauptgemeinschaft de» deut chen Einzelhandels einstimmig folgenden Beschluß gefaßt: „Das Probem der Konsumfinanzierung für den Einzel handel liegt, je nach Bezirk, Fachgruppe und Betriebsform ganz verschieden. Die Hauptgemeinschaft als Zusammen fassung des so verschieden gelagerten Einzelhandels muß e» daher ablehnen, sich an den Fragen der Kundenkredttgewäh- rung tälig zu beteiligen." Auch im Berliner Einzelhandel, der ja durch sein Ab kommen mit der Citag die Erörterung in breitere Buhnen gelenkt hat, ist die Stellungnahme nicht einheitlich. Die Sächsische Einzechandelsgemeinpchaft hat sich ähnlich ausgesprochen. Die Frage, ob man Barzahlung verlangen — und lieber weniger umsetzt — oder ob man Kredit gewähren und damit den Kundenkreis und den Umsatz vergrößern soll, muß nach folgenden Gesichtspunkten beantwortet werden: Einmal kommt es auf den Kaufgegenstand an, zu dem der Kredit benötigt wird, zum anderen auf die Kreditwürdigkeit des Kunden selbst. Eine Konsumfinanzierung auf den täglichen Verbrauch, auf Lebensmittel, kleinere Bekleidungsstücke auszudehnen, ist gewiß bedenklich und sollte nur tn ganz bestimmten Fällen eintreten. Freilich befassen sich tn England die Konsum vereine auch mit der Finanzierung dieses Bedarf», der fast einer „Ernährung auf Pump" gleichkommt. In Deutschland verlegt man sich jetzt im Abzahlungs geschäft mehr auf die Dinge, die wohl eine längere Leben», dauer besitzen, aber mehr zu den „Annehmlichkeiten" de» Lebens und nicht zu den notwendigsten Bedürfnissen de» Lebens gehören, als da sind Motorräder, Klaviere, Sprech- apparate, Staubsauger usw. Es ist aber meisten» nur di« Scheu der Käufer, für einen Gegenstand, ber nicht unbedingt notwendig ist, eine so hohe Summe anzulegen. Es wäre vielleicht zweckmäßig, eine Liste der Gegen stände aufzustellen, zu deren Anschaffung Kredit gewährt werden würde. Doch damit kommt man kaum der Lösung näher. Denn für einen höheren Beamten oder einen b«- güterten Fabrikanten ist z. B. ber Kauf eines Anzuges durch- aus keine Angelegenheit, zu der er ein Finanzierungsinstitut tn Anspruch zu nehmen braucht, dagegen kann der Kauf von ein paar Arbeitsstiefeln für einen Arbeiter, der au» irgend welchen Gründen diese sofort benötigt, sehr wohl einmal mit Hilfe eines Kredite» berechtigt erscheinen. Es kommt näm- lich bei der Konsumlnanzicrung — und damit kommen wir zu dem zweticn Punkt - weniger aus den Gegenstand, al» auf die Per'on an, die Kredit nimmt B<-schrSnrungund g«. wissenhafte Auswahl de« Personenkreise». d«r kreditfähig ist, muß bet der Konsumfinanzierung da» wesentliche sein. Nur dadurch wirkt sich auch bi« Kreditgewährung sMM Segen für dte Kreditnehmer au», wenn man bedenkt, daß die Abzahlungsgeschäfte vor dem"All- von 10 bi» 1b Pro,, rechneten, daß Prozehkosten und Mahn- gebühren diesen Ausfall nicht bezahl er Raten noch wet er erhöhten, wird darüber rein Zweisel b-stehen daß eine der- artige Methode nicht verbilligend, sondern sehr stark ver- teuernd für die Käufer dieser Abzahlungswaren wirken mußt«. Die Verluste, die dte Abzahlungsgeschäfte natürlich vorher in den Preis der Waren Df* Qualität sank au, den denkbar ntedrtOen den trua der Käufer. Darum müssen da» AuSfallrmko uno die Kosten bet der Konsumstnanzierung mbglichst ^rig ge halten werden. Nur dann bietet die Konsumfinanzierung für Einzelhändler und Käufer wirklich Nutzen. Letzten Ende» ist jedoch U beach en, daß di»s, Methode der Konsumbefriedtgung nicht Allheilmittel sür^eherrschende Abfatznot ist, sondern daß Stärkung der Kaufkraft weitester Bevölkerungskrets» mit däzukommen muß- Berlin, Freitag abend Genf absahren. slnnMche Außenminister nach Genf. Parts, 1. Dezember. Nach gewissen, zwar noch sehr iwrslchtig gehaltenen Andeutungen der hiesigen Morgenpresse scheint sich in der sranzösischen Außenpocitik, vielleicht aus l iuem Gefühl der J'olierung heraus, ein Umschwung vorzu- bereiten, der sich sowohl aus die Viermächtekonferen, nach der Genfer Bölkerbundstagung, al» auch auf die Enlwaffnunga- rage bezieht. Es müsse allerdings gleich betont werden, das, ble Anzeichen, die für diesen Umschwung bisher vorliegen, stttsichilich der EntwasfnungSfrage schwach sind. Der Quai d'Orsay ließ gestern abend beim täglichen lleesseempfang schon durchblicken, das, Brland, entgegen den Isisherigen Mitteilungen, unter gewissen Voraussetzungen zur Leilnahiue an eiiwr Konferenz zu Vieren zwischen ihm, öbnniberlaiu, Stresemann und Mussolini bereit „Peilt Parisien", dessen gute Beziehungen -um Quai d Orsay nicht noch besonder» betont zu werden brauchen, nnterntmmt heute, den sran ösischen Standpunkt näher äu präzisieren. Von vornherein betont er zwar, daß noch nicht» für et c Zusammenkunft die er Art endgültig festgelegt sei, aber er gibt dann doch gleich h nterher zu, daß e» im Grunde genommen nur an Mussolini l ege, dte auf der Völrerbund-ratStagung in Gens erfolgt« Zusammenkunft Brtand», Lhamberlain« uns Stresemann» zu einer Unterhaltung zu auSzugestallen. E» lieg» ja auch nur am Due», daß im „Kielwasser der Rat»- Die Bierlanderkonserenz. Mussolini noch nicht entschlossen. tagung" eine Unterhaltung zwischen ihm und Brland, Auge In Auge und offenen Herzen», erfolgen könne. Briand werde sich dem sicherlich nicht entziehen. , Nachdem in der gestrigen Sitzung de» Reichstage» eine einmalige Bereitstellung von zwei Millionen Mark von Netchöwegen für Ktnderspeisung bewilligt worden, begann die zweite Beratung des Etats des RetchSinnen, ui uisteriums mit einer sozialdemokratischen Interpel lation uver bas Verbot de, Potemkin-FIlm« in Wtirttembern und Bayern über den Kopf der Reichs- Obcrprüfstelle hinweg. m Crispien (Soz.) beschuldigte in seiner Begründung der Interpellation die beiden Ländcrregte- jungen der Mißachtung des Reichsrechts, was der Staat», autoritär jedenfalls schädlicher sei als der Film den man mit der Begründung der Gefährdung der Staats- «uiorität verbietet. NeichSinnenminister Tr. Külz erhob sich zur Ver- !tcidi iung seines Ministeriums und besonders des an gegriffenen ObcrregierungSrateS Mühleisen, der al» ------- Hauptgegner des Films gilt und von Crtspien auch so! führen, bezeichnet wurde. Dr. Külz erklärte, das Ministerium "" habe sich mit der bayrischen und württembergischen Re- gternng tn Verbindung gesetzt. Sobald eine solche Ant- wort vorlicge, sei er bereit, die Interpellation zu bc- antworten. Diese „Antwort" löst aus der Linken großen Unwillen ans. besonders, da der württembergische In- nenminister Volz, von dem Külz sich die Antwort ho- len könnte, auf seinem Abgeordnetensitz im Plenum unter seinen Zentrumstollegen sitzt. Abg. Tr. Philipp (Tntl.) erklärt, er kenne per- sönlich den Voteinkin-Film nicht, aber wenn durch ihn tatsächlich die alte Autorität im Heere gefährdet werde, dann lci das Verbot gerechtfertigt. Die Interpellation beweise nur, wie notwendig eine Revision der Berfas- sungöbestimmungen sei, die das Verhältnis zwischen Reich und Ländern regele. Am Schlüsse der allgemeinen Aussprache kam cS -u einem heftigen Zusammenstoß zwischen dem sozial demokratischen Abgeordneten Tr. Landsberg und dem Neichsinnenminister Dr. Külz. Abg. Dr. Landsberg wandte sich sehr scharf gegen den NeichSminister des Innern, weil er heute einer klaren Besprechung des Vorgehens gegen Bayern und Württemberg in der Angelegenheit des Potcmktn-FtlmS ausgewtchen sei. Landsberg sagte: „Die Sache ist durchaus klar, und Neichsinnenminister Külz konnte nicht nur. er mußte heute sprechen. Einigkeit herrscht wohl zwischen dem Minister und mir darüber, daß eine Entscheidung der rzilm-Oberprüfstelle für das ganze Reich gilt, und daß, wenn dte Oberprüfstelle einen Film fretgegeben hat, ein Land nicht das Recht hat, den Film zu verbieten. Ta» Auer Tageblatt /Anzeiger Dr Has Erzgebirge WWW Aeitag, äen 3. Dezember 1926