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Nr. 25S Donnerstag» äen 4. November 1926 21. Hahrgang Mer Tageblatt n.hmn, «I, No-'-«,«« Mnzerger fm -as Erzgebirge rriigramm«: roo.blan flu«rrzo-dirg. Enthalten- -le amtlichen Sekanntmachungen -es Nates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts ^lur. pofifch,«.«,»!»: Nmt r»«ps«s Nr. 1«»S Die kommende Erwerbslosenfürsorge. Richtlinien der Berlin, 2. Nov. Im Unterausschuß des sozial politischen Ausschusses des Reichstages gab ein Vertre ter des ReiLöarbeitöiilinisterS die Richtlinien der Re gierung wie folgt bekannt: Die Netchöregierung ist bereit, in der unterstützenden Erwerbslosensürsorge bis zmn stl. März 1!)27 die Bezüge sämtlicher Hauptunler- stllvnngoeinpsänger (Ledige und Familienväter) um ltt Prozent zu erhöhen, den Unterschied zwischen allein stehenden und nicht alleinstehenden Arbeitslosen zu be- fettigen und die nicht alleinstehenden auf das Niveau der alleinstehenden zu heben, die obere Grenze für aie Erwerbslosensürsorge so zu gestalten, daß auch das vierteKind den vollen Zuschlag erhält, durch bindende Vorschriften stcherzustellen, das,, die Prüfung der Be- dürf.sgleit gleichmäßig und entgegenr.nnmend gehand habt wird, zu verchüten, dass Arbeitsstellen mit fort- tausender voller ArbeitStätigkeit im Wege der Pflicht arbeit brset-.t werden, sernec unverzüglich Vorlagen für gesetzliche Regelungen zu machen, nach denen das Wo. chcngeld und der EntbtiidungSlostenzuschlag der Ehefrau nicht aus die ErwerbSlvsenunterstützung des Ehemanns angerechnet werden, iin Wege einer Krtsenfürsorgc die Ausgesteuerten, soweit sie noch arbeitsfähig und arbeite willig sind, für die Tauer des Winters in der Erwerbs, lvsenfürsorge verbleiben. Tie Lasten der Krisenfür sorge sollen zu sieben Zehntel vom Reich, zu drei Zehn tel von der Gemeinde getragen werden, für die anderen Erhöhungen wird Vas Reich zur Abgeltung der höheren Posten den Ländern einen angemessenen Pauschalbetrag zur Verfügung stellen. In der Arbeitsbeschaffung und Reichsregierung. Produktiven Erwerbslosensürsorge sollen die eingelei teten Massnahmen nachdrücklich fortgeführt werden. Tsm besonderen Notstand im besetzten und geräumten Gebiet bet der Durchführung- von Notstandöarbeiren soll Rechnung -getragen werden. Bet her Vergebung öffentlicher Arbeiten und Lieferungen innerhalb und ausserhalb de» ArbeitSb^schassungSprvgramms soll er neut daraus hingewirkt werden, daß keine Uebcrstunden geleistet und, soweit neue Arbeitskräfte gebraucht wen den, sie vom öffentlichen Arbeitsnachweis entnommen werden. Tie Regierung erklärt sich weiter bereit, die berufliche Ausbildung, Fortbildung und Anpassung der Erwerbslosen, insbesondere d.r jugendlichen Er werbslosen, mit verstärkten Mitteln zu fördern und da, bet auch die Jugendlichen etnzubeztehen, die noch kei, nen Anspruch aus ErwcrbSlosenuntcrstützung haben, ganz allgemein aber bei den Landesregierungen sich mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, daß. die Gewerbe, nussichtsbcamten bet der Bewilligung von Ueberstunden mit Rücksicht auf die ungünstige Lage des Arbeit«, ma' stcS größte Zurückhaltung üben und daß. die Staats« anwaltschasten bei der strafrechtlichen Verfolgung- von Zuwiderhandlungen gegen die ArbeitSzeitvorschriften Nlit aller Strenge vorgehen. Die NetchSregterung wird weiterhin um eine abschließende Regelung durch mög. lichst baldige Verabschiedung der Arbeitslosenversiche rung bemüht sein. Tie Denkschrift über die Maßnah men zugunsten der älteren Angestellten soll dem Reichs« tage, wenn irgend möglich, noch im November zugehen. Dee rasende Faschismus. Mord über Mord. — Der Gelynchte nicht der Mörder! Nom, 2. Nov. Im Zusammenhang mit dem An schlag aus Mussolini fanden in einigen Städten Italiens Kundgebungen gegen umstürzlerische Elemente statt. In Genua wurden zwei Personen getötet. In Cagliari tö tete der antifaschistische Abgeordnete Lussu einen Fa schisten, der auf den Balkon seiner Wohnung gestiegen war und eine Rede an die Manifestanten hielt. Lussu wurde verhaftet. R eva p e l, 2. Nov. Bei einer religiösen Feierlich keit, die zu dem Zwecke stattsand, um Gott für die Er rettung Mussolinis zu danken, führte Kardinal AS- calcst, Erzbischof von Neapel, aus: Zum vierten Mas hat die Vorsehung das Leben Mussolinis gerettet. Es gibt .lecher ein Geschick, das sich an ihm erfüllen soll zum Heil für unser Italien und vielleicht für die ganze Welt. Ist er sich dieser hohen Aufgabe bewußt? Die Verachtung der Gefahr, die Gelassenheit seine» Geiste» und die unbeirrbare Festigkeit, mit denen er sein große» Wiederaufbau-Programm entwickelt, zeugen dafür. An- gefstcht» dieser Erwägung ist e» unsere Pflicht, mitzu arbeiten, damit das Werk der Vorsehung vollendet werde. Daher keine Vergeltungsmaßnahmen, keine Ra che, aber Sammlung und Gebet, wie sie sich schicken für ein starke» und christliche» Volk. Ich fordere Euch auf. Gott dafür zu danken, daß der Anschlag gescheitert ist, denn Gott hat erneut Italien gerettet, indem er da» Leben de» Ministerpräsidenten schirmte, und ick)! sorvere Euch auf, zu beten, daß er uns immer setuen göttlichen Schutz erhalt«. Genf, 2. Nov. Hier werden italienische Mel dungen lebhaft besprochen» die auch «in« gewisse Be stätigung in Nachrichten italienischer Zeitungen zu ha be» scheinen, denen znsoige der gelyncht» angebliche Attentäter Zamboui gar »ruht der wirkliche Attentä ter sein soll. Diese Nachricht erscheint so ungeheuerlich, daß wir sie mit allein Vorbehalt wtedergebcn. Bologna, L. Nov. Die Präfektur teilte in den ersten Morgenstunden folgende wetteren Einzelheiten über den Berüber de» Anschlages aus Mussolini und seine Familie mit. Der Täter Anteo Zambont ist un- gesähr 10 Jahre alt. «ein Vater Mammoly Zambont ist Buchdrucker und hat seinen ständigen Wohnsitz in Bologna. Anteo, der feit mehv al» einem Jahr einer faschistischen Jugendorganisation angehärte, war in der letzten Jett dieser Organisation lerngeblieden. heilige Lynchjustiz. Die italienische Presse schlägt ganz scharfe Töne an und möchte all« Gegner de» Faschismus geköpft wissen. Außerordentlich bezeichnend ist ein Leitartikel des „Imperv" mit der Uebcrschrist „Heilige Lynchjustiz". In dem Arrikel heißt es, da» faschistische Italien habe für sich einmal widerstandsfähige Nerven, dann die göttliche Vorsehung, da» Schicksal und die bewährte Un- verwundbarkett seines Führers. Aber zur Vernichtung der Gegner sei sofortige, anonyme, vernichtende Lynch justiz absolut nölig, welche auch die letzten Spuren der Personen auSttlge, die sich zum Schlage gegen den Fa schismus erhoben hätten. Jedenfalls würde da» Be spiel von Bologna gegenüber den. in Frankreich woh- nenden infamen Menschen, die Mörder gegen Mussolini ausgesondt hätten, seine Schuldigkeit tun. Aber Musso lini solle sich nicht zu häufig im Volke zeige», da sonst die Attentate nur zunehmen würden. Mehrere oppo sitionelle Blätter sind verboten worden, neben ihnen auch die Turiner „Stampa". Verschwörung gegen Mussolini aufge-eckt. R o m, 2. Noo. „Lavoro d'Italia" berichtet aus Nizza, daß dort eine Verschwörung italienischer Emi granten gegen da» Leben Mussolini» ausgedeckt und zwei Emigranten berhaftet worden seien, die bereit» Vor kehrungen für die Rückkehr nach Italien ««troffen hat ten. Die «Grenzen würden scharf überwacht. Verhaftungen revolutionärer Spanier un- Italiener. Pari«, 2. Nov. Wie die Agence Havn« ans Perpignan meldet, hat die Gendarmerie in per Gegend von Perptgnän Vst Spanier und Italiener berhaftet, die einer revolutionären spanischen Brrelntgung ange- hllreu sollen. verbot -er letzten -eutschen Zeitungen in Sü-tirol. Frankfurt, L. Rov. Au» Bozen wird geschrie ben: Die Regierung hat bi« letzten deutschen Leitungen, die Wochenblätter „Der Vurgrgväskür'', „Der Bslks- Hot»" und „Tie Dolomiten" ohne Begründung verboten Strafantrag cles Staatsanwalts im sememorclprozetz. Landsberg a. d. W., S. Nov. Im Fememord- Prozeß beantragte der Oberstaatsanwalt gegen Erich Klapproth wegen gemeinschaftlichen Morde» die Todes strafe, gegen Oberleutnant Schulz wegen Anstiftung zum! gemeinschaftlichen Mord gletchfall» die Tode»strase, ge gen Glaser wegen Beihilfe zum Mord zwei Jahre Zucht haus, gegen Raphael wegen Beihilfe zum Mord und wegen Meineids insgesamt sieben Jahre Zuchthaus, ge gen Willi Klapproth wegen Beihilfe zum Mord drei Jahre Zuchthaus, gegen Bogel wegen Beihilfe zum Mord und Meineid drei Jahre drei Monate Zuchthaus wegen Körperverletzung und Nötigung gegen die Ange klagten Schiburr ein Jahr sechs Monate Gefängnis, gegen Fricke sechs Monate Gefängnis, gegen Grätz vier Monate Gefängnis, gegen Becker neun Monate Gesänge niS. Gegen Rehm läßt der Staatsanwalt dis An klage fallen. der bayerische Innenminister bei Külz. Auf Einladung de» Reichsinnenminister» Dr. Külz war gestern der bayrische Innenminister Stütze! zu einer Besprechung in Berkin. Wie die „vossische Zei tung" zu berichten weiß, wurden alle zwischen dem Reiche und Bayern schwebenden Angelegenheiten be sprochen, darunter auch grundsätzlich« Fragen, die Ver hältnisse zwischen Reich und Ländern betreffen. In der Besprechung wurde zwischen den Ministern Heber« einsttmmung über die Behandlung dieser Fragen her gestellt. öejprechung -er Lan-esstnanzmknister. Berlin, 2. Nov. Auf Einladung de» RetchSmi- nister» der Finanzen traten heute die Landessinanzmt- ntster im Reichsstnanzmtnisterium zu einer Erörterung der schwebenden Fragen de» Finanzausgleich» zusammen- Es bestand allgemeine Ueberrtnsttmmung darüber, daß lediglich eine vorläufige Lösung der Finanzausgleichs fragen in Betracht komme. ES wird eine Lösung ver sucht werden, die unter Feschalten an den bestehenden Grundlinien de» Finanzausgleichs den Besonderheiten der finanziellen Lage während der UebergangSzett durch geeignete Maßnahmen Rechnung trägt. Zranzöstsche Willkür. Andernach 2. Nov. Der Film „VaS deutsche Mutterherz", der in einem hiesigen Lichtspieltheater zur Ausführung gelangen sollte, wurde von der französi schen Gendarmerie nach der ersten Vorstellung bean standet. Dem Inhaber des Lichtspieltheater» wurde untersagt, den Film, der da» Mutterleib im Weltkrieg schildert, weiter zu spielen. (!) (E» wäre an der Zett, daß Briand der Willkür de» französischen Militärs ein Ende bereitet.) NkeSeraufnatzmeverfahren km Zolle tzölz! Der Retchsbegnadtgungsausschuß verhandelte ge stern über den Fall Max Hölz, der im Juni 1921 zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden war. Dem „Vorwärts" haben einige der HauptbelastungS- zeugen gegen Hölz erklärt, baß sie ihr« damals in der Aufregung gemachten Aussagen heute nicht mehr aus- rechterhalten können, insbesondere soweit sie die Tö tung des Landwirte» Heß betreffen, für die Hölz lebens längliche Zuchthausstrafe erhalten hatte. Der Ausschuß beschloß, sich zu vertagen. S» soll zunächst abgewartet werden, welche Erfolge die Verteidigung im Wiederaus- nahmrversahren erreicht. de» Nekchskommissor für -i« Inteenattsnate Sau--iu»st»llung. Nach einer Insormattm Vr» „Berliner KageblatteS" ist zwar die Kandtvatur des Reichskanzlers a. D. Dr, Wirth vom Werkbund voraeschkagen worden, an an deren Stellen halt« man aber die Srnennlung einer Persönlichkeit für notwendig, die bereit» eine unleug bare Erfahrung im AuSstellungStvesen besitze und schon organisatorisch an große,» internationalen vku-stellun- gen tetlgenommen habe. Man nenne in diesem Zu sammenhang die Namen de» Staatssekretär» a. D. Üe- wald und de» Reichsministers a. D. Albert. gettungizensur in Rumänin». Die Regierung hat ein« streng, Zensur der Leitungen ann,ordnet, um zu verbindern, daß ununterbrochen tenden» Mse Meldungen üb,» die Reis» de, Königin in Amerika ge bracht werden.