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p»gfch,«.K»nt»r -»ml Lttpzfg N». 1»0» Freitag. äen 22. Oktober 1S2S 21. Jahrgang Muer Tageblatt LUG -lnzeiger für -as Brzgebirge «n«h°U.n» »I. E'ch-, ... Der Stresemann-Mentäter vor Gericht. Der Spottvers: „Stresemann serwese man" ist ein Symbol!! » . rl l n, 20. Okt. TaS Schwurgericht III ver- .^"delte heute gegen die beiden früheren Angestellten wn Siemens u. Halske, Kaltdorff und Loren-, denen zur Last gelegt wird, einen Mordanschlag gegen den ReichSaußenmlnister i später einige beleidigende Briefe geschrieben. Darüber hat er sich geärgert und mich angezeigt. Ich habe den Spottvers „Stresemann — verwese man" gebildet. Tas ist ein Schlagwort, ein Symbol wie irgendein Reklameders, aber es ist nichts Ernsthaftes. Vorsitzender: Sie wollen da» also nur theoretisch erörtert haben. ' Stresemann geplant ! KU Haben. Die Sache stand vor kurzem schon einmal -ur Verhandlung an, mußte aber vertagt werden, da ein wichtiger Zeuge, der Mechaniker Funke, von dem die Angeklagten damals ein Flugzeug, zur Flucht er beten haben sollen, fehlte. Der von den Angeklagten geplante Anschlag ist seinerzeit durch einen Brief zur Kenntnis der Behörden gekommen, den Kaltdorff an den Münchener Rechtsanwalt Götz, einen Bekannten von ihm, geschrieben Hatte. In diesem Briefe kommt der Reim vor; ,.Stresemann verwese man." Dann heißt es wieder: „Ich habe zwei Offiziere, die mitmachen uns auch die Finanzierung ist allright. Tas Schwein muß gekillt werden. Ein Flugzeug ist auch zur Verfügung. Aus diesen Andeutungen weißt du, um was es geht. Die Tat geht auf mein Konto." Die Verhandlung nimmt mit dem Verhör deS An geklagten Kaltdorff ihren Anfang. Er hat eine be wegte Vergangenheit, ist einmal entmündigt gewesen, später aber wieder als zurechnungsfähig erklärt wor den. Während der Räterepublik in München war er dort im Kriegsministerium tätig und ist dann deshalb wegen Hochverrats zu 1^ Jahren Gefängnis verurteilt worden. Später hat er sich rechtsgerichteten Kreisen angeschlossen. Auch Lorenz war schon einmal ent mündigt, ist aber heute wieder im Besitze seiner gei stigen Kräfte. Zur Tat selbst gibt Kaltdorff an, er hat mit Gleichgesinnten nach der Konferenz in Locarno über die dort abgeschlossenen Verträge gesprochen und sei, wie jeder deutsche Mann darüber empört gewesen. In den Gesprächen sei die Verwunderung geäußert wor den, daß in dieser Sache noch nichts geschehen sei. Kalt dorff äußert sich dann über die Anklage. Nach der Lo? carnoafsäre war ich sehr wütend aus Stresemann wie alle Deutschen und ich sprach mit Lorenz darüber, daß auf Stresemann noch nicht geschossen worden ist, Lorenz meinte, es sei sehr teuer, ich meinte, es sei billig. Ich habe mich mit der Angelegenheit schriftstellerisch befaßt, erst in Form eines Filmes, dann in Form eines Romans. Ich 'kannte Lorenz nur ganz flüchtig und eö wäre ein Wahnsinn gewesen, mit ihm einen ernsthaften Plan zu schmieden. Ich sprach mit ihm nur die Mög lichkeiten durch mit Bezug auf den Roman, den ich schreiben wollte. Daß Stresemann ein Verräter ist, ist selbstverständlich. Vorsitzender: Von Ihrem Standpunkt an». Sie haben nun den Brief an den Zeugen Rechtsanwalt Götz nach München geschrieben. Angeklagter: Der Brief war ein Bierulk. Götz konnte ihn gar nicht ernst nehmen. Ich habe ihm § Angeklagter: Ja. Vorsitzender: Loren- hat aber bei der ersten Ver nehmung erklärt, Sie hätten die Besprechung einge leitet mit den Worten: ich will Stresemann ermorden Den Brief haben Sie in einem Kaffee geschrieben? Angeklagter: Ja. Vorsitzender: Loren- hat dann auch noch, unter- , schrieben: „Oberstleutnant a. I., mit treudeutschem j Gruß." Wenn Sie solche Briefe Treiben, man ' doch nicht an theoretische Erörterungen glauben. j Angeklagter Loren -: M habe die Sache auch nicht ernst genommen. Vorsitzender: Es scheint, daß Sie die Aeutzerungen j Kaltdorfss ziemlich ernst genommen haben. Angeklagter: ,Fch hielt Kaltdorfs für einen Spaß- ! macher oder für übergeschnappt. Als ich den Brief an ' Götz unterschrieb, war ich angetrunken. Die Handschrift von Kalldorfs war so schlecht, ich konnte sie gar nicht lesen. Ich habe einen Gruß unterschrieben. Ich habe die Sache nicht ernst genommen. Vorsitzender: Wie ist das mit der Finanzierung gemeint? Angeklagter: Das war nur, um Götz htneinfallen zu lassen. Vorsitzender: Aus dem „verwese man" geht doch klar hervor, was Sie gemeint haben. Angeklagter: Wenn ich einen Ulk mache, der als Ulk sofort erkannt wird, ist es kein Ulk mehr. Medtzinalrat Dr. Thhrenfurth erstattet das Gutachten über Kaltdorff, der in München und anderen Orten sehr oft auf seinen Geisteszustand untersucht worden ist. ES könne von einer Geisteskrankheit nicht die Rode sein, er neige zu Uebertretbungen und Renommieren. Gr ist anders als andere Menschen, aber von einer zentralen Geistes krankheit könne nicht die Rede sein, die die Anwendung des 8 51 rechtfertigt. — Medtzinalrat Dr. .Stürmer schließt sich den, Gutachten über Kaltdorff an. Lorenz sei zweifellos in der Jugend geisteskrank gewesen und eine gewisse Unstetheit sei geblieben. Man habe eS mit einer Defektkrankheit zu tun. Er ist nicht völlig gesund, aber verantwortlich! zu machen für das, was er tut. «k Der Staatsanwalt beginnt sein Plädoyer damit, daß er beantragt, beide Angeklagte fretzusprechen. Da« Gericht folgte dem Anträge des Staatsan waltes und sprach die Angeklagten frei. venttcbtum im Auslanäe. Wahlrecht der Ausländsdeutschen? Es durchläuft eine Notiz die Presse, daß die Frag, des Wahlrechts der Ausländsdeutschen anläßlich der Reformvor- schlüge für eine Abänderung des Reichstags-WahlrechtS von den zuständigen Amtsstellen noch nicht geklärt worden sei, und es wird darauf hingewiesen, daß „die Auslandüdeutfch- tumsverbände" (welche?) dieses Wahlrecht verlangten, von dem rund 1ü Millionen Ausländsdeutsche betroffen würden. Die Zahl ist unsinnig hoch. Zuverlässige Schätzungen ergeben, daß längst nicht einmal ein Zehntel dieser Zahl von au»- landsdeutschen Wählern in Betracht käme. Das Wahlrecht zum deutschen Reichstag könnte ja doch nur für deutsche Staatsangehörige in Frage kommen, und deren Zahl ist im Gegensatz zur Zahl der Stammesdeutschen im Ausland nicht so hoch, als das die genannte Ziffer von 1k Millionen Wählern auch nur im entferntesten erreicht wer den könnte. Es heißt übrigens, daß die Frage des Wahlrechts der Ausländsdeutschen selbst und seiner Möglichkeit noch wenig geklärt sei. Das Deutsche Ausland-Institut hat bereits früh zeitig, im Januar 1919, seine Aufmerksamkeit der Frage zu gewandt und hat ein Preisausschreiben erlassen, in dem die - ilniversitätsprofessoren Geheimrat von Anschütz - Heidelberg, von Blume-Tübingen, Geheimrat von Mendestsohn-Bart- Holdh-Hamburg, Partsch-Freiburg (inzwischen verstorben) und Strupp-Frankfurt a. M. Preisrichter waren. Die Frage des Wahlrechts der Reichsdeutschen im Ausland (und zwar auch solcher, die noch eine zweite Staatsangehörigkeit be sitzen) sollte nach der völkerrechtlichen wie nach der staats rechtlichen Seite hin untersucht werden. Positive Vorschläge über die praktische Durchführung, insbesondere über die Aufstellung von Kandidatenlisten und das Wahlverfahrew sowie eine rechtsvergleichende Darstellung waren erbeten. Auf dieses Preisausschreiben sind damals 1v Arbeiten eingelaufen. Die Arbeiten der Herren Dr. Brode und Dr. I Willms-Bonn wurden preisgekrönt, zwei weitere Arbeiten !von Dr. Kurtzig und Dr. Wohl zum Ankauf empfohlen. Alle S4 Arbeiten sind in der rechts- und staatswissenschaftlichen s Reihe der Veröffentlichungen de» Deutschen AuSland-Insti- I tuts als Band I erschienen (Verlag: Ausland und Heimat, Stuttgart, Haus des Deutschtums, Preis 1,KO Mark. Ihr« Lektüre bietet die einzige Möglichkeit, sich an Hand von praktischen Vorschlägen und grundlegenden Arbeiten über die gesamte Frage zu unterrichten. Alles, was inzwischen in Zeitungsaufsätzen an möglichen und unmöglichen Forderun gen in dieser Beziehung aufgestellt worden ist, geht auf jene grimdlegenden Arbeiten und Vorschläge zurück. Zusammenschluß der Siebenbürger Sachsen-Vereine. Der Verein der Siebenbürger Sachsen in Budapest „Transsylvania" feierte am 9. Oktober sein Züjährtges Be stehen. Den Bemühungen des Vereins ist cs gelungen, bei dieser Feier sämtliche Vereine der außerhalb der alten Hei mat Siebenbürgen wohnenden Sachsen zusammenzubringen und sie auch für die Zukunft zwecks gemeinschaftlicher Teil nahme an der siebenbürgisch-süchsischen Kulturarbeit in einen gemeinsamen Verband zusammenzufasstn. Es sind dies die Vereine der Siebenbürger Sachsen in Klagenfurt, Graz, Wien, München, Berlin und Budapest. Dieses Ereignis ver- spricht der Ausgangspunkt einer weiteren aufsteigendcn kul turellen Entwicklung zu werden. Das Vereinsfest gestaltet« sich insoweit zugleich zu einer Manifestation des Deutschtums in Budapest, als sich an dieser Feier außer dem Deutschen Männerchor auch der Verein der Reichsdeutschen und der Oesterretcher in Budapest beteiligte. Bemshekmee Prozeß am IS. November. Frankfurt a. M., IS. Okt. Bor dem französi schen Kriegsgericht in Landau soll am 15. November die Verhandlung wegen der Vorfälle in Germersheim stattsinden. Angeklagt ist neben den Deutschen, die den Zusammenstoß mit den: französischen Unterleutnant hat ten, dieser Unterleutnant Rone ter, der die Schüsse auf die Deutschen abgegeben Hat und Heute noch be hauptet, in Notwehr gehandelt zu haben. Die verteidt- ger der deutschen Angeklagten, T«. Führ au» Frank- fnrt a. M., und Dr. Grimm au» Essen haben heute dem Kriegsgericht in Landau den ersten Schrtftsatz übermit- telt." Dr. Führ ist bereit» in verschiedenen Fällen vor dem französischen Kriegsgericht in Landau aufgetreten, Dr. Grimm hat im Jahre 1988 die deutschen Ange klagten im THYssen-Pro-etz vertetdigt. Vie Stlbstvsmaltungsbewegung in No-Mtw!-. Landern, 20. Okt. Die im Zusammenhang m,t der Selbstverwaltungsbewegung in Nord.Gchle»wiN ver hafteten Leutnants HoelmaEnse^ Nn heute vormittag au» der Haft entlassen worden. Die AMagebehörde ivar der Ansicht, daß bis An gelegenheit jetzt so weit geklärt ist, baß die beiden «e hafteten auf freien Fuß gesetzt werdet Voruntersuchung in Tondirn ist jedoch .noch nicht Kein wechsel im Komman-o -er englischen Sesatzungstruppen. Paris, 20. Okt. Hava» dementiert in einer Meldung au» Wiesbaden die Nachricht, daß der kom mandierende General der englischen Besatzunqstruppen, General Tucane, demnächst durch General William He- necker ersetzt werden soll. vir Abmachungen -er Nelchor-glirung mit -er Ketchobahn. Berlin, 20. Okt. Zu den Abmachungen mit der Reichsbahn erführen die Blätter: 1. Der Wahlakt für den Generaldirektor und feinen Stellvertreter wird in Zukunft erst nach Fühlungnahme mit der Reichsregte- runa erfolgen. 2. Bezüglich einer engeren Zusammen- arbeit -wischen Bahn und Reich ist vereinbart, daß dem MeichSverkehcSintntster künftig die Tagesordnung der Tagung de» BerwaltungSrateS vorher -ugeht. Er kann dann die Punkt« bezeichnen, die ihn interessieren und darüber mit dem Gcnerardtrettor Rücksprache nehmen, kann auch fein« Auffassuni» in einer besonderen Zu- sammenkunft de» Verwaltungsrates dessen Mitgliedern L7nUL Ä-d«nfall. muß di« Auffastung^ Mt. ntüer» oem VerwaltungSrat mttgeteilt werden, «ine Teilnahme des Minister» an den eigentlichen Sitzungen As PEettungSeatzes ist vorl-uft- nicht vmUelehen. Ein deutsche» Studentenheim in Bukarest. Um den Studenten aus den deutschen Siedlungsgebieten Rumäniens, die an den Hochschulen von Bukarest studieren, eine entsprechende Unterkunft zu bieten, wo sie nicht nur kör. perlich gut untergebracht sind, sondern auch dem brutschen Gedanken erhalten werden können, hat die evangelische Ge meinde in Bukarest die Schaffung eines Heime» für deutsch sprachig« Studenten und Studentinnen der Bukarester Hoch- schulen ohne Unterschied de« Bekenntnisses beschloßen, da» Anfang Oktober der Bestimmung übergeben Word«» ist. Da- mit ist in anerkennenswerter Weise eine Einrichtung in» Leben gerufen worden, die in immer steigendem Maß« al» dringende Notwendigkeit empfunden worden war, da di« studierrnd« deutsche Hochschuljugend In der rumänischen Hauptstadt bisher eines entsprechenden Mittel- und Sammel- punkte» entbehrt hatte. «ine neue deutsch« Siedlung in Bißarabien. Wie sehr da» Deutschtum in Beßarabien auch heute noch von dem alten Kolonistengeist getragen wird, der die Ahnen divser Deutschen sett ISIS in den Steppen Beßarabien« Fuz fassen ließ, beweist die Gründung neuer Kolonien, die trotz de, Schwere der veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse durchgesührt wird. — Ursprünglich waren von der russischen Negierung in den Jahren ISIS—iSSL LS Kolo nien angelegt worden: e« sind die« die sogenannten „alten Kolonien". Al» sich aber di« Bevölkerung Ermaßen ver mehrt hatte, daß da« Land auch bei einer weiteren Teilung nicht mehr au«reichen wollt«, wurden von lSbl an neu« Siedlungen auf VuiSländrreien angelegt, di, entwedir käuf lich erwogen ob« aus «in« oieih« von satzren in Pacht «*