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Donnerstag, äen 30. September 1S2S 21. Jahrgang Mer Tageblatt Attzklgrr Mk Has ^^^8 »-«>«-» «-q-itto» «, amtlich«, 0a«m,«amcha»^» »« «atu »« Statt m>» »u «Ma^ttcht» M». au <"- >«- Nr. 228 Amtlicher Bericht über Germersheim. Die Erregung im Rheinland. Frankfurt a. M., L8. Acht. Die durch den Regierungspräsidenten der Pfalz über den tragischen Zwischenfall in Germersheim angestellte Untersuchung Hat folgendes einwandfreie Bild von den Vorgängen in der Nacht zum Montag ergeben: In der Nacht zum 27. September wollten vier sunge Leute, die von 8—12 Uhr in verschiedenen Wirt schaften verkehrt hatten, sich gegen 1 Uhr nach Hause begeben. Sie trugen weder Waffen, noch waren sie betrunken. GS war auch nicht zu irgend welchen Zu sammenstößen oder auch nur zu einem Wortwechsel vorher mit den Franzosen gekommen. Außerhalb der Stadt., am Ludwtgstor, sahen die jungen Leute einen Zivilisten stehen, der sie aufmerksam beobachtete. Aus der Gruppe der vier Leute löste sich darauf Holzmann und näherte sich dem Unbekannten, der ihm etwas in französischer Sprache zurief, was aber Holzmann nicht verstand. Der Franzose schlug dann nach Holzmann mit einer Reitpeitsche und gab, ohne daß von leiten des Angegriffenen etwas geschehen wäre, aus einer Pi stole zwei oder drei Schüsse ab, von denen einer Holz, mann ins Gesicht traf. Die Gruppe der jungen Leute kehrte darauf um, um Holzmann, der nur leicht verletzt war, in» Kran kenhaus zu bringen. Unterwegs begegnete ihnen der Fuhrmann MatheS, dem sie den Vorfall erzählten, und der daraufhin vorschlug, auf den Franzosen, der die Straße herunterkommen müsse, zu warten und seine Personalien festzustellen. Der Franzose kam auch und ging an der Gruppe vorbei, die ihm dann in einiger Entfernung folgte. Als die jungen Leute den Fran zosen beinahe eingsholt hatten, drehte er sich um und drohte zu schießen. Zwei der jungen Leute flüchteten darauf. MatheS und ein gewisser Hermann Fechter, der neugierig geworden war, schloß sich an MatheS an, und beide gingen weiter hinter dem Franzosen her. Dieser drehte sich wieder um und rief den Deutschen zu: „Attention! Kommen Tie nicht heran! Gehen Sie zu rück!" In diesem Augenblick schoß der Franzose, der den fungen Holzmann verwundet hatte, nach Mache- und Fechter aus einer Entfernung vyn etwa vier Metern. Er traf.MatheS in den Kopf. Passanten, die sich in zwischen einfanden, bemühten sich um den Schwerver- mundeten; aus den Nachbarhäusern kamen die aufge schreckten Bewohner heraus. Ta fielen eine Reihe wei terer Schüsse, von denen zwei den Ernst Müller tra fen, und zwar einer in bett Arm und der zweite in» Herz. Müller brach sofort tot zusammen. Kur- vorher Hatte sich ein zweiter französischer Zivilist eingefunden, der ebenfalls MatheS und Fechter ausgefordert Hatter „Bleiben Sie stehen! Gehen Sie zurück!" ES ist festgestellt worden, daß sämtliche Schüsse aus der Waffe des Unterleutnants Roucier vom fran zösischen Artillerieregtment Nr. 311 abgegeben worden sind. Mit den wetteren Erhebungen sind die deutschen Gerichtsbehörden, der Beztrksamtmann und ein beson- derS von Speyer entsandter RegierungSkommissar be auftragt. Die Obduktion der Leiche Müllers, die von den deutschen Gerichtsbehörden bereits angeordnet wor den war, mußte auf Veranlassung des französischen Platzkommandanten zunächst ausgesetzt werden. Sie hat nunmehr heute vormittag stattgefunden, und zwar wur- de sie von deutschen Aerzten im Beisein französischer Militärärzte vorgenommen. Ter Befund ist biß zur Stunde noch nicht bekanntgegeben. In der vergangenen Nacht hat sich leider «in neuer Zwischenfall tnGermerSheim ereignet. Ein Brückenwkirter erstattete Anzeige, daß aus einem Automobil, das anscheinend von einem Franzosen ge steuert wurde, ein Schuß auf ihn abgegeben worden sei. Auch diese Angelegenheit, die noch nicht geklärt ist, ist Gegenstand von Untersuchungen fetten» der deutschen Be hörden. Die Presse de» besetzten Gebietes nimmt bet Be- sprechung des Zwischenfalle» in Germersheim im all- gemeinen Stellung zur Besatzungsfrage und stellt da bei fe-, daß solche Zwischenfälle, die geeignet sind, die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich zu zerstören, sich ereignen werden, solange e» über haupt eine Besetzung gibt. Der „Mainzer An zeiger", ein Blatt also, da» im Hauptquartier de» Ober befehlshabers der Rheinarmee erscheint, sagt u. a.: „Dieser ewige Konfliktstoff liegt im BesahungSsystem als solchem. Es ist einfach unmöglich für die franzö sische Armeelettung, über jeden einzelnen Soldaten zu wachen, damit sich solche Zwischenfälle vermeiden lie ßen." Das Blatt zieht dann aber auch zu dem Ger- mershetmer Zwischenfall die politische Konsequenz, wenn e» schreibt: „Sollte der Gang der Untersuchung beweisen, daß die Schuld wieder bei einem Angehöri- gen der Armee liegt, so muß die Forderung de» besetz ten Gebiete» aus Abzug der Besatzung-truppen zu einem ! Notschrei werden, der nicht ungehvrt verhallen kann. Das eine kann jetzt schon gesagt werden: So geht e» nicht weiter. Die Rechtlosigkeit der deutschen Bürger drängt dazu, eine grundlegende Aenderung vorzuneh men, die sich nicht aus Einzelheiten beschränken darf, sondern zu einer Abschaffung de» ganzen Besatzung»- Meins führen muß. Dieser Vorfall hat einen Anlaß gegeben, in der Besatzungsfrage noch entscheidendere! Schritte al» bisher zu unternehmen. Wenn etwa» die! Notwendigkeit einer raschen Räumung der Rheinland«! erweisen kann, so dieser Vorfall. FrtedenSreden fchüt-! zen nicht vor solchen Bluttaten. FrtedenStaten können allein ihnen ein Ende machen. Der Zwischenfall vor dem Vuvwirtlgen Ausschuß. Sowohl von deutschnattonaler wie von kommuni stischer Seite ist, wie gemeldet wird, beabsichtigt, in der nächsten, für den 7. Oktober angesetzten Sitzung de» Auswärtigen Ausschusses außer den Besprechungen über. Genf und Thotrh auch den Zwischenfall Germer-Heim I zur Sprache zu bringen. Rirche unä VSlkerbunä. Sine bemerkenswert» kirchliche Kundgebung Von einem bekannten evangelischen Pfarre» wird geschrieben r l In der letzten Nummer der kirchlichen Rnndfchan für da» Gesamtgebiet de» deutsche« evangelische« Kto- chenbundeS „Da» evangelische Deutschland" veröffent licht der Generalsuperintendent der Kurmark, Dr. Otto Dibeliu», einen Aufsatz über »Mrche und Völker bund" .der es verdient, in der weitesten vefsentlich- keit beachtet zu werden. Den« eg Hat bisher lebhaft befremdet, daß so wenige evangelisch« Pfarrer für den Völkerbund öffentlich und mit Energie «ingetreten sind. Es mußte jedem gesund empfindende» Mensche» seltsam erscheinen, daß gerade di« mit demj Amt der Persöhnun betrauten Männer in Teutschland sq wenig Verständnis für die erhabene Idee de» VülkerfriedenS zeigten. Mit klugen Worten sucht natürlich Dibeliu» die» zunächst zu rechtfertigen. Geistreich deutet er so die btthertg« nationale Befangenheit der Kircher „Der Glaub« Sann nicht die Liebe -um Nächsten überspringen, >u« hie Fernsten lieb haben zu können". Er weist darauf hi», daß sich der Völkerbund zunächst al» eine Institution erwiesen habe, deren Entscheidungen die Wmpörung de» deutschen Volke» erregten. Man wird ihm beipflicht«» müssen, daß e» für unser deutsche» Empfinden nicht an geht, nach Art der englischen und amerikanischen reli giösen Einstellung den Geist de» Völkerbünde» mit de« Geiste Gotte» zu identifizieren und da« Zeitalter h«» Völkerbünde» mit dem Rufe zu begrüßen r Da» Reich Gotte» ist nahe Herbeigekommen! Auch unsi Freunden des Völkerbünde» hat diese Institution immer nur al» Mittel gegolten, um Zustände herbetzuführen, die nur auf sittlichen und religiösen Wegen erzielt werde« kön nen. Aber nun war es unser« Sorg«, daß sich die evangelischen Pfarrer Deutschland» dies« AufiglSe ent ziehen zu wollen schienen, während die angelsächsischen Kirchen sofort in ihrer Weise Hand an» Werk gelegt hatten. Da Ist «» denn eine aufrichtige Freude, daß Ntbe- ltu» in feinem Artikel die Parole auSgtbt: Mitarbeit dir Kirche für da» Ideal de» Völkerbunde»! Da« Ideal, um da» e« Letzt: Befriedung der Welt und Beschrän kung de» Machtgebrauch» durch die Rücksicht aus die Lebenstnterefsen anderer Völker — wie solle ein« Kir che de- grundsätzlich verneinen! Er schreibt» „Jetzt ist Deutschland in den Völkerbund elngetreten. Deutschland hat vor aller Welt den Willen bekundet, auf der Grundlage dieser Organisation mitzuarbeiten an einer Neugestaltung der Welt. Ob der Schritt richtig war oder nicht, steht nicht mehr zur Erörterung. Der Schritt ist ge tan. Und damit ist eine völlig neue Lage geschaffen." Richtig bezeichnet er als Aufgabe Deutschlands, „das Ideal deS Völkerbundes in seiner Reinheit zu vertreten", diese kirchliche Forderung ist zugleich die beste deutsche Po litik. Dibelius verkennt nicht, daß eS vielen Geistlichen schwer fallen werde, umzulernen; aber e» müsse fein. Deutschland braucht die Mitarbeit der Kirche, denn feine e'gene,, Mitarbeit im Rate der Völker kann nur dann fruchtbar fein, wenn sie aufrichtig und ohne Vorbehalt ge schieht." Ta» sind trefflich« Worte. ES wäre eine Illusion, wollten wir meinen, daß sie mit einem Schlage von heute auf morgen allenthalben beherzigt werden. Aber eS wäre auch ein Irrtum, den Artikel de» General- Stresemann am Rhein. Berlin, 28. Sept. Reichsaußenmintster TV. Stresemann hat Montag abend Berlin verlassen und sich nach RüdeSheim begeben, wo eine Vorkonferenz zu dem Parteitag der Deutschen Volkspartet stattfindet. Von dort begibt sich der Minister nach Köln, Die Rück kehr nach Berlin erfolgt nach dem bisher vorliegenden Plan am Montag nächster Woche. Am gleichen Lage dürfte auch Reichskanzler Dr. Marx von seinem kurzen Erholungsurlaub wieder in Berlin eintrefsen. Der nächste Kabinettsrat wird wahr scheinlich für den ö. Oktober anberaumt werden. Freytag» Abschied von Bukarest. Gestern morgen hat der bisherige deutsche Gesandte n Bukarest, Hans Froytag, Rumänien verlassen, um sei nen neuen Posten im Auswärtigen Amt in Berlin anzutreten. Die Regierung gab Frrytag zu Ehren ein Diner, das am Sonntag im Außenministerium stattfand. Sämt-iche M> - gi eder des Kabin tts, sowie alle hier beglaubigten Missions chefs haben daran teilgenommen. Am Bahnhof waren sämt- ltche fremden Gesandten erschienen, sowie in Vertre'ung des Ministerpräsidenten der stellvertretende Ministerpräsiden Eoanda, in Vertretung des im Ausland befindlichen Außen ministers Ftzrst Gautaeuzin». De Monzie über die deutsch-französische Annäherung. Paris, 28. September. In der heutgen Sitzung des Gen ralrats des Departements Lot hielt der Präsident Sena tor de Monzie eine Ansprache, in der er zur Frage der deutsch französischen Annäherung u. a. sagte, er freue sich über die bevorstehende Abschaffung des Regimes der Kontrolle und des Zwanges und darüber, daß das vollendet werde, was er vor Locarno während seines Berliner Aufenthalts im September 192k> auf moralischem Gebiete varzukereiten beigetragen hab«, de Monzie kündigte weiter an, daß man trotz der bestehenden außerordentlichen Schwierigkeiten in einigen Monaten mit der Möglichkeit eines französisch-rusflichen Vertrages rechnen könnte, dessen Abschluß aber keinerlei Zustimmung Frankreichs zur Methode der Sowjets in sich schließen werde, der der Occident sich nötigenfalls mit aller Energie widersetzen werde. Dime» zu den Reden Poineares. London, 28- September. Times sagt in Besprechung brr letzten Reden Poincares, daß der Standpunkt Poincares in der Frage der Schuld am Kriege von der öffentlichen Mei. nung in England und in allen anderen alliierten und asso ziierten Ländern geteilt werde. Poinrare sei gezwungen ge- wesen, Behauptungen zurückzuweisen, die, wenn sie ohne Widerspruch geblieben wären, als Werkzeug hätten benutzt werden können, um wesentliche Bestimmungen de» Versailler Vertrage- zu untergraben. Die Schuld Deutschland- sei die moralisch« Grundlage vieler der Bedingungen, di« der Frte- densvertrag seskgelegt habe. k superintendenten der Kurmark für den Husarenrttt ein»» Außenseiters zu halten. Er spricht nur au», wa» die Ueberzeugung der Verantwortlichen Stellen Ist. Rückkehr der deutschen Delegation aas Genf. Die deutsche Delegation ist aus Genf in Berlin unter Führung des Staatssekretärs v. Schubert, des Ministe rialdirektors Dr. Gaus und des Abgeordneten Prälat Dr. Kcws eingetroffen. Zur Begrüßung waren auf dem Bahn- Hof erschienen: Reichsminister Dr. HaSltnde, im Auf trage des von Berlin abwesenden Reichskanzlers der Staats sekretär in der Reichskanzlei Dr. Pünder, vom Auswärtigen Amt die Ministerialdirektoren Dr- Köpke und Dr. Wallrath, der stellvertretende Pressechef, Vortragender LegattonSrat Zechlin, sowie mehrer« Beamte des Auswärtigen Amte». die englische Politik gegen Rußland. London, 28. Sept. Zu der Möglichkeit, daß nach der Ankunft Krassin« in London feiten» der Sowjet- reni^rung der Versuch gemacht würde, die zwischen den beiden Ländern bestehenden noch ungelösten Fragen zu regeln, verlautet, daß dis Haltung der britischen Regie rung gegenüber Rußland unverändert sei.. Man werd« Krassin Mitteilen, daß dte konservativ« Regierung nicht in der Lage sei, den seinerzeit zwischen den Vertretern der Sowjetunion »nd ^er damaligen britischen Regie rung vereinbarten «evtrqg Aut-u-eißen.