Volltext Seite (XML)
21. Jahrgang Sonntag» cken 22. August 1S2S Nr. ISS /luer Tageblatt MW- Anzeiger für -as ErWebirge r.l'gram»«» «agrdiatt stu^grdirg». EathaUraö -k amtUchra V»ka«Ü«achi>agR» ör» Rat«« örr Statt attö ö«s Mattgrrtcht» !P»stM»«'«»°" n*ir«>p;'g o,.i4»e Dev Religionsstvett in Mexiko. Reue Zusammenstötze. — Auswanderung von Ordensangehörigen. Mextko, 20. Aug. Infolge politischer Ausein andersetzungen kam es gestern in Mexiko zu einer Schie ßerei zwischen mehreren Kongreßmitgliedern. Eine Person, ein gewisse« Oberst Garcia, wurde getötet, zwei Abgeordnete und ein Zeitungsverkäufer schwer verletzt. Der frühere Gouverneur Garido erhielt einen Schuß ins Gesicht. Da die Schießerei auf offener Straße und in belebter Gegend am Nachmittag erfolgte, bemächtigte sich der Passanten eine Panik. Präsident Calles hat aus das Schreiben des me xikanischen Episkopats, in dem die vorläufige Außer kraftsetzung der ReligionSdekrete bis zu einer Entschei dung durch den mexikanischen Kongreß vorgeschlagen worden war, nunmehr eine Antwort erteilt. Calles erklärte, die Aufhebung der Dekrete durch! ihn sei nicht möglich, da er die Verfassung nicht ändern könne. Auf Grund seiner politischen Anschauungen könne er zudem! dem Kongreß einen Antrag betreffend Aenderung.der Neligionsgesetzgebung nicht einbringen. Die vom! mexi kanischen Klerus geforderten Freiheiten seien int übrigen von der Verfassung garantiert. G Wie „Journal" aus Madrid Meldet, sind an Bord des Schiffes „Satrustegut" gestern in Cadiz eine Anzahl Angehöriger verschiedener mexikanischer religiöser Or ganisatoren etngetroffen, die aus Mextko geflüchtet sind, und die sich nach Vigo, Barcelona, Saragossa und an deren spanischen Provinzen begeben wollen. Erklärungen Vr. kiülz' zur Ablehnung äes Volksbegehrens. Berlin, 20. Aug. In der Freitags-Abendaus gabe des „Berliner Tageblattes" veröffentlicht Neichs- tnnenmtnister Tr. Külz einen Artikel, in dem.er u. a. folgendes ausführt: Ter Antrag des Sparerbundes und des Hypotheken gläubiger- und Sparerschutzverbandes auf Volksbegeh ren Kbec höhere Aufwertung der öffentlichen Anleihen, Hypotheken usw. habe aus zwingenden gesetzlichen Grün den .abgelehnt werden müssen. Inhalt und Zweck des Haushaltes sei, die Ausgaben und Einnahmen des Rei ches auf der Grundlage einer geordneten Finanzwirt- schaft im Gleichgewicht zu erhalten. Durch Annahme des dem beantragten Volksbegehren zugrunde liegenden Ge setzes würde sowohl die Ordnung der Finanzwirtschaft durch den Haushaltplan wie das Gleichgewicht des Haus haltes vernichtet werden. Wenn bereits ein Volksbe gehren über Ermäßigung irgend einer kleinen .Steuer wegen der unmittelbaren Wirkung auf das Budget und wegen d^S die Reinheit der Abstimmung trübenden eigenen finanziellen Interesses der Abstimmenden un zulässig sei, so könne eine solche unmittelbare Vernich tung des Haushaltvlanes auf dem Wege des Volksbe gehrens nicht als zulässig erachtet werden, nur deshalb- weil die formelle Einsetzung der Mittel unter den Aus gaben nicht beantragt sei, während doch tatsächlich die zusätzlichen Ausgaben für den Haushaltplan gesetzlich und ausweislich vorgcschriebcn würden. Ein Gesetz, das die gesamte finanzielle Grundlage des Haushaltplanes materiell verändere, sei inhaltlich zweifellos ein Gesetz über den Haushaltplan und deswegen dem Volksbegeh ren der beantragten Art verfassungsmäßig entzogen. Art und Maß der Aufwertung seien letzten Endes keine Rechtsfragen, sondern eine Frage der staatswirtschaft lichen Möglichkeiten. Wenn man eine die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigende Aufwertung gesetzlich einführen wollte, so würde man den Opfern der Infla tion nicht nur nicht helfen, sondern würde durch Ver nichtung unserer Wirtschaft und durch neue Inflation sie und das ganze Volk wirtschaftlich endgültig zerrütten Abreise einer rujstschen Delegation nach öerlkn. Moskau, 21. Aug. Eine Delegation des Zen tralgewerkschaftsrates der Sowjetunion ist heute zur Teilnahme an der Tagung des englisch-russischen Komi tee nach Berlin abgereist. Vernichtung -es Glaubliches über Mißhandlungen von deutschen Eingeborenen. Berlin, 20. Aug. Wie die „Vossische Zeitung" aus dem Haag meldet, teilen südafrikanische Blätter aus Windhuk mit, daß die gesetzgebende Versammlung des südafrikanischen Territoriums (ehemals Deutsch-Südwest afrika) einen Antrag des Abg. Staükh angenommen hat, wonach das britische Blaubuch über Mißhandlungen von deutschen Eingeborenen, das 1k)18 erschien, in allen Archiven und öffentlichen Büchereien zu vernichten sei. da das Buch zur Kriegspropaganda gehöre. Die An nahme des Antrages erfolgte einstimmig. Nevlflon im Volksopfer-Prozeß. Ta die Angeklagten Meißner und Löffler von ihrem Rechtsmittel der Revision Gebrauch gemacht haben, so wird, wie die Blätter melden, der Volksopfer-Prozeß wahrscheinlich nunmehr in dritter Instanz den zustän digen Strafsenat dos Reichsgerichts beschäftigen Vas Verfahren gegen Justkzrat Elaß. Wie eine Korrespondenz erfährt, ist die Vorunter suchung gegen Justizrat Claß wegen Hochverrats ab geschlossen und die Akten sind der Reichsanwaltschaft zur Prüfung und Beschlußfassung zugeleitet worden. Ursprünglich lies das Verfahren unter denk Rubrum „Claß und Genossen", und zwar erstreckten sich die Ermittelungen auch auf Major a. D. von Sodenstern, Oberst a. D. von Luck und Oberst a. D. Knauer. Im Verlaufe des Verfahrens wurden die Ermittlungen aber gegen alle Beteiligten, mit Ausnahme von Justtzrat Claß, eingestellt. Nelchskanzler Dr. Marx in Sreslau. Breslau, 20. Aug. Gestern abend uM 9.20 Uhr traf mit dem fahrplanmäßigen Berljner TpZug Reichs kanzler Tw. Marx in Breslau zur Teilnahme am Deut schen Katholikentag ein. In seiner Begleitung befanden sich der badische Staatspräsident Trunk und der Zen trumsabgeordnete Herold. verbot -er Zeitschrift Stahlhelm. Berlin, 20. Aug. Wieder Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat der Oberpräsident der Provinz Sachsen das Erscheinen der Zeitschrift „Ter Stahlhelm" aus Grund der einschlägigen Bestimmungen des Nepublik- schutzgesetzeS auf die Tauer von sechs Wochen verboten. verbot der Greiffenberger Nachrichten. Breslau, 20. Aug. Der Oberpräsident der Pro vinz Niederschlesien hat die in Löwenberg in Schlesien erscheinenden Greiffenberger Nachrichten auf Grund des 8 21 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922, Neichsgefetzblatt Teil I, Sette 585 (Herab würdigung der verfassungsmäßig sestgestellten republi kanischen Staatsform Preußens durch Beschimpfung von Mitgliedern der republikanischen Regierung Preußens) auf die Dauer von drei Wochen und zwar vom Donners tag, den 19. August bis Mittwoch- den 8. September einschließlich verboten. von -er Genfer KommWon für MMtärfragen. Genf, 20. Aug. Die Kommission für Militär fragen der vorbereitenden Kommission für die Abrü stungskonferenz hat die Beratung ihres Gutachtens über die in Aussicht genommene Uebereinkunft über die Be schränkung der Rüstungen abgeschlossen. Ferner erör terte die Kommission die Aufnahme einer Bestimmung in die künftige Uebereinkunft, wonach! jedem Staate das Recht erteilt werden.sollte, gegen jede Signatarmacht ! Klage zu führen, wenn diese die Uebereinkunft nicht ge nau durchführte, sowie die Ausgestaltung des Beweis verfahrens für derartige Klagen. Nach! eingehender Be ratung konnte jedoch darüber keine Einstimmigkeit er zielt werden. Aus der Aussprache geht hervor, daß ! Frankreich, Finnland, Belgien, die kleine Entente, Po- , len und Bulgarien für die Einführung von Kontroll- ! maßnahmen sind. Die Minderheit der Kommission,. ! darunter auch die Delegierten mehrerer Großmächte, ! sprach sich gemäß der Stellungnahme ihrer Regierun- l gen gegen die Ueberwachung ihrer Rüstungen aus und stellte sich auf den Standpunkt, daß es selbst in techni scher Hinsicht unmöglich, sei, den UeberwachungSdtenst zu organisieren, den sie als „internationalen General staat" geschlossen bezeichnete. franirrrirk «nä <li« Oangerkrsg». Di, Wünsche Spanien« in Nordafrika rufen in Frankreich lebhaften Protest hervor. Wir bringen nachstehend die Ausführungen eine« französischen Blattes, die den Unwillen recht deutlich erkennen lassen. Tanger, um dessen Besitz im Lause der Jahrhun derte die Völker de» Mtttelmeere» von den Römern unter Kaiser Claudiu» über die Portugiesen im 15. Jahrhundert, die Spanier, Engländer und Franzosen bis ins 20. Jahrhundert gekämpft hatten, wird wieder einmal der Grund diplomatischer Verhandlungen sein. Sq will es der spanische Diktator Primo de Rivera. Kaum daß er mit Hilfe der französischen Truppen in Chechauen etngezogen ist, aus dem er sich vor zwei Jahren unter dem Verlust von 20 000 Mann hatte zu- rückziehen müssen, kaum auch — und dies ist wohl der ausschlaggebendere Faktor — daß er den Freundschaft». Pakt mit dem mussolinischen Italien abgeschlossen hat, erhebt der spanische Diktator die Stimme, um durch die Forderung deS internationalen Frethasen» Tanger ein Problem aufzurollen, da» die Diplomaten der Welt in den Jahren 1904 und 1905, die größten Schwierigkeiten hatten beizulegen. Die gesamte französische Presse äußert sich in der abfälligsten Weise über diesen „Theatercoup", hinter dem man die Hand Italiens vermutet. Man betont in Parts insbesondere, daß Tanger einem internationalen Regime unterworfen sei, und daß diese» Regime von Frankreich als endgültig betrachtet werde. Ohne Zwei fel, meint z. B. der „Petit Paristen", hat sich Primo de Rivera wohl gehütet, bet dem jüngsten Aufenthalt in Parts ypn dieser seiner Absicht etwas laut werden zu lassen. Heute, kaum eine Woche nach dem Abschluß de» FreundschaftKPaktes mit Italien . . .l Wie begründet nun Primo de Rivera seine Forde rung ? In einem Interview, das er der spanischen Zei tung „ABC" gemährte, heißt es folgendermaßenr „Spanten ist überzeugt, daß eS ungerecht und zu gleich ein Irrtum war, Tanger und den Landstreisen nördlich davon von deM spanischen Protektorat in Ma rokko auszuschließen, erklärte der General., Er be trachtet dies als einen Mangel an Vertrauen in den Wert seiner Verwaltung und seiner Ehrlichkeit., Rach einer 15jährigen Anstrengung in Marokko, wo wir 40 000 Menschen und über 500 Millionen Pesetas ge opfert haben und in Anbetracht dessen, daß wir wäh- irend des Krieges unter dem Druck de» Neutralität»r<- gimes sehr gehindert waren, wenn unser Wunsch, Tan ger unserem Protektorat anzugltedern, nicht erfüllt wer den sollte, so werden wir uns fragen Müssen, ob e» sich tatsächlich lohnt, jedes Jahr einige 200 Millionen Pesetas verwenden zu sollen für die Aufrechterhaltung einer Zone um Tanger, die ja doch immer der Aus gangspunkt neuer Intrigen sein wird, und obendrein den marokkanischen ^Stämmen die leichte Möglichkeit bietet, sich mit Waffen zu versehen. Die ganze Welt wird nie was Tanger anbelangt beruhigt sein, solange nicht die Verwaltung dieser Stadt, der Bucht und der Besitzun gen Spanien anvertraut sind." Ob diese angeführten Gründe, die übrigen- wohl von den wenigsten interessierten Mächten geteilt werden, diesen Staaten als zwingend genug Vorkommen, und das Statut von Tanger einer Revision zu unterziehen oder Stadt und Gebiet einfach den Spaniern zu über lassen, möchten wir dahingestellt sein lassen. Tjie Forderung des spanischen Machthabers läßt jedenfalls klar erkennen, daß der mit Italien abgeschlos sene Pakt geheime Klauseln enthält, die geeignet schei nen. dem noch vor kurzem lendenlahmen Vorherrsche« auf der Phrenäenhalbinsel, in beunruhigender Weise das Rückgrat zu stärken. Tä aber Frankreich zur Zett 47 Prozent des Import- und 65 Prozent de» Export. Handels von Tanger in Händen hat, und andererseits England in der Inbesitznahme Tanger» durch Spante» eine Gefährdung setneS Mittelmeerhandels und zuletzt seines Jndienweges erblickt, so dürfte das Verlange« Prtmos einstweilen ein frommer Wunsch bleiben. Eine spanische Erklärung kn -er Tangerfroge. Madrid, 20. Aug. Angesicht» der gegenwärtig in Tanger herrschenden gespannten Lage erklärt eine offiziöse Verlautbarung, da diese Schwierigkeiten Mit der Wiederaufnahme der Tangerfrage auf dem Gebiete der internationalen Politik zusammenfielen, müsse man vermeiden, daß gewisse mißtrauische Köpfe glauben könn ten, Spanien habe die in Tanger herrschende Unruhe hervorgerufen, um die Unwirksamkeit des Tangerstatut» und die Notwendigkeit einer Aenderung de» dortigen Regime» zu -eigen.