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Anzeiger für -as Erzgebirge Freitag, cken 20. August 1S26 21. Zshrgrmg Nr. 1S3 Spanien verzichtet auf den ständigen Ratssitz und wünscht Verlängerung der halbstündigen Sitze Die Rückgabe von Eupen und Malmedy Ein belgisches Dementi fünf Stimmenthaltungen abgelehnt. Tiafür stimmte Frankreich mit seinen anderen Verbündeten, während die englischen, amerikanischen und deutschen Sachverstän digen dagegen waren. Brüssel, 18. Aug. Tie belgische Regierung stellt formell die Meldung des Pariser „Neuhork Herald" in Abrede, daß Belgien eine Summe Von eineinhalb Mil liarden an Holland angeblich! schulde, und daß gegen wärtig zwischen Belgien und Deutschland über ein Ab kommen betreffend die Rückgabe von Eupen und Mal- medh verhandelt würde. Das „Berliner Tageblatt" schreibt: Ein Teil der französischen Presse führt eine heftige Polemik gegen die belgische Regierung, der die Absicht einer Rückgabe von Eupen-MalmedH als Gegenleistung für eine finan zielle Beteiligung Deutschlands an der Stabilisierung des belgischen Franken zum Vorwurf gemacht wird. Es ist bekannt, daß das Heer der französischen Nationa listen in jedem Falle in Aufregung gerät, sobald .ein Werk des Friedens, das den Geist van Locarno über zeugend demonstriert, in den Bereich einer vorsichtigen Erörterung rückt. Bemerkt werden aber muß, daß dies mal der Kamps mit tendenziösen Falschmeldungen ge führt wird, gegen die Einspruch zu erheben ist.. Eine solche Nachricht ist die Meldung der Pariser» .Ausgabe des „Neuhork Herald", der von Deutschland die lieber« nähme einer phantastischen Schuld an Belgien in Höhe von 1,5 Milliarden RM erwartet und die Frage Eupen- MalmedH mit der vielbesprochenen Aufwertung der deutschen Markbestände in Belgien verknüpft sehen möchte. Alle jene, die eine umfassende Verständigung Belgiens mit Deutschland wünschen, bewahren gegen über dieser Gerüchtetreiberei Schweigen. Weder auf deutscher noch auf belgischer Sette besteht Neigung, die berufsmäßigen Giftmischer in ihrem Gewerbe zu unter stützen. Wohnungsausschuß -es Reichstages. Berlin, 18. Aug. Der RetchStagSauSschuß für Wohnungswesen nahm nach umfangreicher AuS- Vke Strafrechtsreform vor -em Reichsrat. Ter Gesetzentwurf über die Strafrechtsreform ist jetzt dem Reichsrat zugelettet worden, der mit den Be ratungen des Entwurfes im Oktober beginnen wird. An den Beratungen über die Strafrechtsreform nimmt LberreichSanwalt Dir. Ebermaher als Sachverständiger teil, .und zwar auch nach seiner am 1. September er folgenden Pensionierung. Die Meldung, daß Ebermaher einen besonderen Posten als Reichskommissar für die Strafrechtsreform erhalten habe, entspricht nicht den Tatsachen. das . . spräche folgende Entschließung an: Der Ausschuß nimmt Kenntnis von den Plänen der Retchsregierung bezüg lich der Vorbereitung eines für eine Reche von Jahren maßgeblichen Wohnungsbauprogramm» und einer an dauernden Sicherstellung der für den Wohnungsbau er forderlichen öffentlichen Mittel und erwartet, daß vor der endgültigen Feststellung der Richtlinien dem Woh- nungLauSschuß Gelegenheit gegeben wird, dieselben einer Prüfung zu, unterziehen. Berlin, 18. Aug. Die deutsche Regierung wird in der Genfer Studtenkymmtssion, die am 30. August erneut zusammentritt, durch ihren Botschafter in Pa rt», Dr. von Hoefch, vertreten werden. Ministerial direktor D«. Gau», der im Mai an den Arbeiten der Studtenkvmmtssion ebenfalls tetlgenommen hat, bleibt diesmal in Berlin als juristischer Berater der Reichs regierung, die in den ersten Septembertagen nach dem Abschluß der KommissionSarbett endgültig zu prüfen ha ben wird, ob die Voraussetzungen für den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund und für die Entsendung einer deutschen Delegation nach Genf gegeben sind. Während vor einigen Tagen besonders von der englischen Presse eine gefährliche Zuspitzung des neu aufflammenden Streites um die ständigen Ratssitze und damit,etne lebensgefährliche Krise des Völkerbundes selbst besorgt wurde, ist die Auffassung heute wesentlich ruhiger. Auf spanisches Verlangen wird die Studienkommisston noch einmal zusammentreten. Aber schon die Tatsache, daß die Kommission selbst auf den 30. August etnbe- rufen werden wird, also nur eine Woche bis zum Be ginn dec VölterbundSversammlung übrig bleibt, beweist, daß man s mit ernsthaften Komplikationen nicht rechnet und nicht eine so weitgehende Aenderung der Kom missionsbeschlüsse vom Mai ins Auge faßt, daß die Ent sendung der deutschen Bölkerbundsdelegation nach Genf in Frage gestellt werden könnte. Nach den neuesten Meldungen hat Pie »spanische Regierung nicht die Absicht, einen ständigen RatSsttz zu fordern und dadurch die schwierigste Frage noch» ein mal aufzurollen. Die Absicht Spanten« soll vielmehr dahin gehen, zu verlangen, daß die halbständigen Ratissitze statt auf drei auf fünf Jahre verlängert werden, so daß bet dem Rechte her Wiederwahl der spa nische Sitz aus zehn Jahre gewährleistet wäre. Außer dem soll aus den KommtssionSbeschlüfsen vom Mat jene Bestimmung eliminiert werden, die eine frühere gleich zeitige Kassation aller nicht ständigen Ratssitze ermög licht. Diese Bestimmung hat sich, wie Man weiß, haupt sächlich gegen Brasilien gerichtet. Aber auch die Verlängerung der Mandatsdauer der halbständigen Sitze von drei auf fünf Jahre wird si cherlich auf den scharfen Widerspruch der keinen Staaten Schwedens, Norwegens und der Schweiz stoßen, über den kaum hinwegzukommen sein wird. Die Haltung de» deutschen Vertreters in der Studienkommisston wird die gleiche sein müssen wie im Mai. Trotzdem! sich Po len sehr stark bemüht, die nordischen Staaten umzu stimmen, ist kaum anzunehmen, daß, die Studienkom- Mission im August zu wesentlich anderen Resultaten gelangen wird als im Mat. Man rechnet mit einer kurzen Dauer der KommtssionStagung, da die Aufnahme Deutschlands schon in einer der ersten Sitzungen des Völkerbundes beschlossen und unmittelbar darauf voll zogen werden soll, die deutsche Regierung also spätes stenS bis zum 4. September davon in Kenntnis gesetzt sein muß, daß die Voraussetzungen für ihren Eintritt gegeben sind. vor einem griechisch-rumänischen Zreunüschastsverlrag. Athen, 18. Aug. In politischen Kreisen verlau tet, daß die griechische Regierung unverzüglich Verhand lungen mit Rumänien wogen Abschlusses eine» grie chisch-rumänischen FreundschaftSvertrage- aufnehmen wird, der in seinen Grundlinien dem griechisch-südsla- Ein Anschlag gegen -ke ostoberschleßscste Autonomie. Nach einer Meldung de» Krakauer „Kurjer Cod ziennh" soll der schlesische Wpjewode Bilskh und der Marschall des schlesischen Sejm im Einvernehmen mit dem Verband der schlesischen Aufständischen, dem West markenverein und dem polnischen Lehrerverein einen Antrag auf Aufhebung der Autonomie der Wojewod schaft Schlesien gestellt haben. keine militärische Sewertung -er Han-elsschiffe. Wie au» Genf gemeldet wird, wurde in der gest rigen Nachmittagssttzung de» Unterausschusses für Ma- rtnefragen der AürüstungSkommission die militärische . Bewertung der Handelsflotte mit sieben gegen fünf bet! wischen Abkommen gleichen soll. I/luer Tageblatt MM Anzeiger für Sas Erzgebirge rao-dlall Enthalten- -le amtliche« Sekamttmachmrge« -e» Rate» -er Sta-t an- -es Amtsgericht» Arm. poftfches-twmv n-a «pW M.ISHG Der finanz-Gellinälmgspl-n PoinearLs. Die ersten Maßnahmen de» Finanxninkster» und Minister präsidenten lasten erkennen, welche Methode Herr Poincar» zu bestlgen gedenkt, um die französische Währung auf einen gesund:» Stand zurückzuführen. Wie sein Vorgänger Caillaux, sucht er als nächstwichtigen Punkt die Stabilisierung zu er reichen. Doch die Wege dahin find verschieden. Herr Caillaux strebte nach dem Borbtlde Belgien» di« Stabilisierung auf massive, schnelle, ja überraschende Art an, indem er mittels starker Ausländsanleihen, die der Banque de France hochwertige Devisen verschaffen sollten, zwecks Rück- führung des Franken auf den gewünschten Stabilisierungs kurs, wonach er die Währung auf diesem Punkte einige Zett halten würde. Gleichzeitig mutzt« das Budgetgleichgewtcht unbedingt gewahrt bleiben. Dieser ersten Etappe wäre die zweite gefolgt, während welcher der Zwangskurs aufgehoben und die Umwechslung der Papiersranken in Gold oder voll wertigen Devisen durchzuführen gewesen wäre, unter gewissen Bedingungen, für die Herr Caillaux an der ähnlich erfolgten Auswertung in England ein Beispiel nehmen konnte. Diese in Belgien versuchte Methode ist mißglückt. Herrn Potncarös Methode ist bei gleichem Ziele wesend lich verschieden. Er geht zunächst etappenweise vor und strebt in der ersten Matznahme nicht allein das Gleichgewicht de» Budgets an, sondern sucht ein Uebergleichgewicht zu schaffen, das ihn vor allen Rückschlägen in dieser Beziehung sicherstellen soll. Diese erste Operation ist ihm überraschend gut und schnell gelungen. Für 1926 hat er etwa 2300 Millionen, für 1927 ungefähr 5700 Millionen Eingänge durch Steuern beschafft. Die Ueberschüsse an Steuern — es sind deren über neun Mil liarden votiert — fließen der AmortisationSkaste zu. T» bleibt hier nur die Frage offen, ob es Herrn PotncarS aelingen wird, dis Steuerhinterziehung so zu unterbinden, Katz die Rentabilität der geschaffenen Steuern keinen Fehlbetrag ergibt. Ter zweite Abschnitt seiner Anstrengungen gilt der Ver hinderung der Kapitalausfuhr, welche, wenn sie nicht zu einem grotzen Teil gelingt, die Anstrengungen zur Stabilisie rung von vornherein in Frage stellen würde. Aber damit ist die Aufgabe nicht erschöpft. Es handelt sich auch darum, da» bereits entwichene Kapital dem Lande wieder zuzuführen. Denn die begüterten Franzosen, wie vor ihnen die Deutschen, haben Teile ihrer Vermögen in Devisen angelegt und sowohl deren Ankauf seinerzeit die Frankenbaiste beschleunigte, so würde auch! der Verkauf oder die Rückkehr einen günstigen Einfluß auf den Franken im Gefolge haben. Diese Rückkehr des Kapitals läßt sich jedoch nicht erzwingen. Potncarö ver sucht also, nach der These Bokanowskis, das Vertrauen der Hochfinanz zurückzuerobern. Ob es ihm gelingen wird? ES ist dies das zweite Fragezeichen der Gesundungsoperation de» Ministeriums der Nationalen Union. Die dritte Anstrengung des Finanzmtnisters geht dahin, die innere schwebende Schuld zu konsolidieren, d. h. es zu ver hindern, daß die Inhaber von Bons du Trssor diese Schatz scheine zur Einlösung vorlegen. Die Drohung der kurzfristig gen Bons wirkt in der Tat lähmend auf die Kassengeschäfte des Schatzamtes. Zur Abschwächung dieser Drohung hat PoincarS die Amortisationskaste geschaffen. Doch auch hier bleibt das Abwehrmittel problematisch, da deren Fonds un genügend sind. Die Erlaubnis der Neuausgabe von fünf Mil liarden kurzfristigen Bons erhöhen die innere Schuld, wenn sie auch vorläufig einer direkten Einlösung Vorbeugen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Konsolidierung durch die Mutationen des Tabakmonopols stellt demgegenüber eine greifbare Konsolidierung dar und ist geneigt, die andere Maß nahme zu ergänzen. Doch auch hier hängt vom Gelingen der Kalkulation alles ab. Immerhin darf nicht vergessen we den, daß bei einer gelingenden Konsolidierung die Schuld nicht abgetragen ist, und es anderer Mittel bedarf, die Gefahr gänzlich zu beseitigen. Als vierter Punkt käme nach oben angeführten Operatio nen die Stabilisierung des Franken in Betracht. Wie sie Herr Poincarö vorzunehmen gedenkt, sei es in Anlehnung an den Goldfranken, den er zu schaßen beabsichtigt, sei es durch Aufwertung oder durch fremde Stützung, darüber zu schreiben wäre verfrüht, da der Finanzminister sich darüber noch in kei ner Weise geäußert hat, wozu er auch plausible Gründe an führen könnte. Die Theorie der Anlehnung an einen unter der Hand geschaffenen Goldfranken bietet allerdings die größ ten Möglichkeiten. PoincarS hat «in Gesetz geschaffen, das der Banque de France erlaubt, Devisen gegen Neudrucke von Papierfranken zu hundert Prozent Gegenwert einzukaufen. Er hat auch mit der trügerischen Fiktion aufgeräumt: „Franken ist gleich Franken". Laut Gesetz von letzter Wock« zahlt heut« die Banque de France jedem Franzosen, der ein Zwanzigfrankenstück an ihren Schalter bringt, 12o Papier sranken — morgen vielleicht nur noch hundert Papierfranken, das hängt vom Wechselkurs ab; aber die gesetzliche Fiktion „Franken ist gleich Franken" gilt nicht mehr. Wenn der Franzose, der heute der Banque de France einen Louis bringt 120 Papierfranken erhält, warum soll denn dann der Fran zose, der dem französischen Staat vor dem Kriege zwanzig Goldfranken geborgt hat und besten Forderung heute fällig wird am anderen Schalter nur zwanzig Papierfranken zurück- erhalten? Sobald der Franken von heute nicht mehr gesetzlich identisch ist mit dem Franken von gestern und von vorgestern — und dies geht aus dem Gesetz der letzten Woche mit aller wünschenswerten Klarheit hervor — so ist der Schuldner von Goldsranken au» der Vorkriegszeit auch nicht berechtigt, sei-