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21. Jahrgang Freitag, cken 21. Mai 192S Nr. IIS MEADßMDWMDGßfUr P>G HDtz»G»ffi«ßtO>G P-nt>«U»f»« «u, M«, un» u»,«,—« x -U-» »IkN,« tt «,I»»f,nn>,«, »«et»««.pl»II,«U« »» »»Itpkilnl,,, »«kl«», 1 «U»m»»k, »Mch, >«i» « »»«»pfixnig«. /luer Tageblatt MW- Anzeiger für das Erzgebirge r«i.sramm«, rao'biatt Enthalten- -k amtlich»« Srkauutmachuugr« de» «am, dr» Stadt vad -»« fimtsgertcht» Mm. pochch»ck.«»»t» n«t L»ip,tg Nr. 144» MiermMliikM M AMMe dn PMeim Fortsetzung der Loearno-Poltttt. — Flaggenverordnung und Fürstenabfindung. Berlin, IS. Mat. Bet Eröffnung der Reichs- tagssitzung verliest Reichskanzler Dr. Marx die Regie rungserklärung : Tie Reichsregierung, die am heutigen Tage dar die deutsche Volksvertretung tritt, setzt sich mit Aus nahme des Kanzlers aus denselben Männern zusammen wie das Kabinett Luther. Reichskanzler Dr. Luther ist aus unserer Mitte geschieden. Ueber drei Jahre hat er seine ganz außergewöhnliche Kraft in den Dienst des Reiches und des Volkes gestellt. Zunächst als Ernäh rungsminister, dann als Finanzmtnister und seit Ja nuar 1925 als Reichskanzler hat er bei außerordentlich > bedeutungsvollen Ereignissen auf die äußere und in-I nere Gestaltung Deutschlands entscheidend etngewirkt. Seine Kanzlerschaft wird ihren Wert in der Entwicklung der Geschichte behalten. Merksteine seiner erfolgreichen Tätigkeit sind London und Locarno, wo unter seiner richtunggebenden Anteilnahme Verhandlungen stattfan den, die zur.Sicherung des Völkerfriedens, zur politi schen und wirtschaftlichen Förderung Deutschlands ein gutes Stück Wegs weitergeführt haben. Es ist mir ein Herzensbedürfnis, auch an dieser Stelle wärmste Aner kennung der aufopfernden, selbstlosen und unermüdlichen Tätigkeit des Reichskanzlers Tir. Luther zum Klusdruck zu bringen. Zch glaube mit der Meinung Wetter Kreise dieses Hohen Hauses übereinzustimmen, wenn ich annehme, daß bei der Zusammensetzung des neuen Kabinetts eine ein gehende und umfassende Regierungserklärung nicht er- forderlich erscheint. Deshalb darf ich mich auf wenige Worte beschränken. Vas Kabinett wirü -le bewährte Politik -es Netches weiterführen. Diese Politik, die mit der Regelung der Reparations fragen in London begann, sollte ihren Abschluß in den Verträgen von Locarno finden. Wir hoffen, daß die Verhandlungen der Studienkommission in Genf dazu führen werden, die Locarnoverträge bald endgültig in Kraft zu setzen und Deutschland die Möglichkeit zu geben, als ständiges Mitglied des Völkerbundrates an dessen großen Aufgaben mitzuarbetten. Der zwischen Deutschland nnd der Sowjetregie rung geschlossene Vertrag fügt sich durchaus in diese Politik ein. Er ist ein Ausdruck der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und seinem großen östlichen Nachbarvolke und ein weiteres Glied in der Reihe der Verträge, die dem Frieden und der Festigung Europas dienen sollen. Obwohl keine verfassungsmä ßige Verpflichtung hierfür besteht, wird der Vertrag angesichts seiner Bedeutung demnächst dem Reichstag vorgelegt werden. Schwere wirtschaftliche Not, die sich insbesondere in der langdauernden und außer gewöhnlich umfangreichen Arbeitslosigkeit äußert, lagert nach wie vor ayf weiten Kreisen des deutschen Volkes!. Hier Abhilfe zu schaffen, wird auch von der gegenwär tigen Regierung, als vornehmste Pflicht betrachtet. Wenn ich nicht auf die Bedürfnisse und Wünsche der ptnzek neu Wirtschafts, und Berufskreise etngehe, so soll das nicht eine Geringschätzung darstellen. Wir werden ihnen bis an die Grenze des Möglichen entgegenzukommen stets bestrebt bleiben. Zwei Fragen allerdings erfordern nach meiner Meinung eine besondere Erwähnung. Ter Grund liegt in den Ereignissen der letzten Wochen. Ich weise zu nächst auf den von der Mehrheit des Reichstags ge faßten Beschluß hin, der das Schreiben des Herrn Reichs präsidenten zur Flaggenfrage begrüßt und im Einklang Mit diesem Schreiben den Wunsch nach Herbeiführung einer Einigung zu lebendigem Ausdruck bringt. Die Reichsregierung wird mit ganzer Kraft daran gehen, die Wege, die das Schreiben des Herrn Reichspräsidenten andeutet, .einzuschlagen und das durch jenes Schreiben gesteckte Ziel zu erreichen. Selbstredend wird hierdurch Bestand.und Durchführung der Verordnung de» Herrn Reichspräsidenten vom 5. Mai d. A., deren Rechtsgültig- leit nicht bezweifelt werden kann, in keiner Weise be rührt. Ferner möchte ich die Frage der fioselnon-rrfe-uns -wisihen -en Län-ern un- Sen vormals regieren-»!» Mstenhäusrrn nicht unerwähnt lassen. Her Termin -um Volksent scheid ist auf den 20. Juni anbevaumt worden. Tie grundsätzlich« Einstellung d« Lrichsregierung -tz dem dem Volksentscheid unterbreiteten Gesetzentwurf über die entschädigungslose Enteignung der Fürsten erleidet durch die Umbildung des Kabinetts keine Aenderung. Dir ReichSregierung wird deshalb auch den Gesetzent wurf, den,die frühere Regierung gemäß einem Kom promißantrag der Regierungsparteien dem Reichsrat un terbreitet und den dieser in der vorigen Woche mit -er verfassungsmäßigen Mehrheit angenommen hat, ,^>em Reichstag zur weiteren Beratung zuletten. Tie ReichSregierung bittet den Reichstag um seine Unterstützung in ihrem Bestreben, auf der Grundlage der republikanischen Weimarer Verfassung das Wohl ergehen des deutschen Volkes in all seinen Teilen zu fördern und die Einheit des Reiches unter gleichzeitiger Achtung der Rechte der Länder zu schützen. Nur in eng, stem verständnisvollen Zusammenarbeiten zwischen Re gierung und Volksvertretung ist das erstrebte Ziel zu erreichen. > * * * Vlr Aussprachen -er Parteien. Abg. Müller-Franken (Soz.)r Sucher war zwei, fellos eine starke Persönlichkeit. Wenn er dennoch schei terte, so, weil er die notwendige Fühlung mit dem Par lament nicht aufrechterhalten hat. Tas sollte für alle folgenden Regierungen eine Lehre sein. Für alle guten Patrioten ist es erfreulich, daß die Flaggenfrage, die Frage des Symbols des Reiches, das ganze Volk so stark erregt hat. Im alten Kaiserreich war der großen Mehrheit des Volkes die Flagge schnuppe. (Widerspruch rechts.) Sie (nach rechts) denken nur an das Reich der Neichen, das Sie unter den Hohenzollern hatten. (Bei fall links.) ! . Bei der Bildung des neuen Kabinetts sind die Parteiführer nicht gefragt worden. Das wird sich aber nicht vermeiden lassen, wenn man eine Regierung bil den will, die sich auf eine Reichstagsmehrheit stützt. Eine solche Mehrheitsregierung wird solange unmöglich sein, wie die Deutsche Volkspartei trotz aller platonischen Liebeserklärungen für die Große Koalition immer nur den Anschluß nach rechts sucht. Der letzte Absatz der Vereinbarungen mit dem Zentrum klingt doch so, als wollte man nur den Teutschnationalen zureden, um den Preis einiger Ministersitze nachträglich Locarno anzu erkennen. Wir sind durchaus einverstanden mit der Er klärung der Reichsregierung, daß sie die bisherige Linie der Außenpolitik weiter einhalten will. Wir wünschen den baldigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund auch im Interesse einer schnelleren Durchführung der Rückwirkungen im besetzten Gebiet. (Abg. Gras Revent- low (Völk.) macht verschiedene Zwischenrufe, welche der Redner zurückwetst. Als er darauf „Lüge" ruft, erhält Graf Reventlow einen Ordnungsruf. — Rufe links: „Ter ist ja krank!" - Heiterkeit links.) In der Flaggenfrage können wir uns nicht mit der Ankündigung des Ausschusses begnügen, der unter Zu ziehung aller möglichen Verbände und von Historikern und Heraldikern die Normung und Typung der Flaggen vornehmen soll. Wir werden einen Zntttattvgesetzent- wurf einbringen, der bestimmt, wie geflaggt werden soll. Wir haben Zustimmungserklärungen für unsere Haltung von vielen Ausländsdeutschen erhalten, von Angestell ten, Arbeitern und Werkmeistern. (Gelächter .rechts.) Sie (nach rechts) lassen freilich die arbeitenden Deutschen nicht als Vertreter des Deutschtums, sondern nur als Parias gelten. Relchsmlnkster -es Innern Vr. Külz gab als Vertreter deS ReichswehrministerS folgende Er klärung ab: Nach den Presseberichten über die Verhandlungen iM preußischen Landtag soll zwischen dem Nationalver band Deutscher Offiziere und den Sportverbänden eine Führerbesprechung stattgefunden haben. Zn einem Teil der Presse ist da» so dargestellt, als ob zwischen Reichs-,' wehr und üem.Nattonalverband sowie den Tportver. bänden eine Führerbesprechung stattgefunden habe. Dem gegenüber ist festzustellen, daß -wischen dem National, verband Deutscher Offiziere und der Reichswehr Verbin dungen nicht bestehen. Verbindung mit politischen Der- bänden ist streng verboten, wenn dagegen verstoßen wird, wird eingeschritten. Welter soll ein Major d. Zedlitz-Wartenberg auf Privatdtenstvertrag bei der Reichswehr angestellt sein und für Berlin Mittelsmann -wischen Verbänden und Reichswehr sein. Einen Major v. Zedlitz-Wartenberg gibt es bet der Reichswehr nicht. ES wird behauptet, daß vor Einstellung in die Truppe das Borlegen von Mitgltederbüchern von be stimmten politischen Verbänden verlangt worden sei. Zu meinem Bedauern habe ich feststellen müssen, daß in vereinzelten Fällen vor Einstellung von jungen Leuten in die Reichswehr von den betreffenden Truppenteilen bei Oberst v. Luck angefragt worden ist, ob der Betreffende sich in jeder Beziehung für die Reichswehr eigne. Oberst v. Luck war als Führer der Olympia bekannt. Die Olym pia ist ein Verband im Sinne von 8 36 des Wehrgesetze«. Die Anfrage bei Oberst v. Luck war unzulässig und ver stößt gegen die bestehenden Vorschriften. IM Interesse der Disziplin wird sn diesen Fällen rück sichtslos eingeschritten werden. Schließlich ist noch der Aufmarsch de» Sportverein» „Olympia" am 1. Mai in die Erörterung gezogen wor den, bei dem der Presse nahegelegt worden sei, die An-' Wesenheit -er ReichSwehrofftztere nicht zu erwähnen, Bon der Reichswehr ist eine derartige Aufforderung an die Presse nicht ergangen. Wohl aber ist ausdrücklich nochmals ein Verbot der Teilnahme ergangen. Eine Teilnahme von Retchswehrofftzteren ist nicht erfolgt. Zm übrlgen-wir- das Reichswehrministertum, falls ihm das Material unterbreitet wird, gründliche Unter suchung der Fälle etntreten lassen. Vas wichtigste ist -er potemkinstlm l Abg. Graf Westarp (Dn,): An der Regierung«, erklärung war das Wichtigste das, was verschwiegen wurde. Wir hörten kein Wort über die Gefahren der bolschewistischen revolutionären Bewegung, über den unerhörten revolutio- nären Skandal des PotemkinfilmS. In der Außenpolitik muß festgestellt werden, daß die in Genf Dr. Luther gegebenen Zu- sagen nicht gehalten worden sind. Von den Rückwirkungen im besetzten Gebiet ist nichts zu spüren. Wir können eine Regte» rungspolltik nicht unterstützen, die den sozialdemokratischen Forderungen entgegenkommt und auf die Unterstützung der Sozialdemokraten angewiesen ist. In den Fällen, wo die Sozialdemokraten sich der Regierung versagen, darf diese nicht damit rechnen, daß wir helfend einsprtngen. Die Mit- telparteien, besonders das Zentrum, müssen endlich einsehen, daß nur ohne und gegen die Sozialdemokratie regiert werden kann, nicht aber gegen die Deütschnationalen uno die hinter ihnen stehenden wirtschaftlichen und politischen Kräfte. Abg. v. Gusrard (Z.) verliest eine Erklärung, wo nach die Zentrumsfraktion der neuen Regierung ihre Unter stützung zusagt und ihr das Vertrauen ausspricht. Abg. D r. Scholz (D. Vp.) erklärt das Vertrauen seiner Partei für die Regierung mit besonderer Betonung der Zu- stimmung zu der angekündigten Durchführung der Flaggen- Verordnung. Abg. Schneller (Kom.) sagt dem neuen Kabinett den gleichen Kampf der Kommunisten an, welche diese gegen das bisherige Kabinett Luther geführt hätten. Abg. Haas (Dem.) erklärte: Tie deutsche demo kratische Partei betrachtet die Erklärungen des Reichs kanzlers als eine geeignete Grundlage zur Fortführung der Geschäfte und spricht der Regierung das Vertrauen aus. Die Partei begrüßt den festen Willen cher Regie rung, die bisherige Außenpolitik unverändert 'fortzus- führen und hofft, daß die Verhandlungen über die Schaffung einer deutschen EtnhettSflagge Erfolg haben werden. Die Schuld der Partei sei es nicht gewesen, wenn Hine gesetzliche Regelung der Fürstenabfindung nicht zustande gekommen sei. Abg. Leicht (Bahr. VP.) spricht der neuen Regie rung als der Fortsetzung der früheren das Vertrauen seiner Partei aus. Von den,Kommunisten und Völki schen sind Mißtrauensanträge eingegangen. In einfacher Abstimmung wird darauf ein Antrag des Zentrums, der Demokraten, der Bayrischen Bollspartei und der Deut schen Bollspartei angenommen, der lautet: Der Reichstag nimmt von der Erklärung der Reichs- regierung Kenntnis und geht über alle Anträge zur Tagesordnung über. Gegen diesen Antrag stimmten die Völkischen und Kommunisten. Die Teutschnationalen enthielten sich der Stimme. Ter Reichstag vertagte sich auf den 7, Juni. * o * Vlr Serlknrr preste zur Negieruagserklürung. Tie deütschnationalen Zeitungen nennen in ihren Kommentaren die gestrige vom. Reichskanzler Dr. Marx abgegebene Regierungserklärung dürftig und inhaltlos. Die „Deutsche Tageszeitung" sagt über die künftige Haltung der Teutschnationalen zu dem Kabinett, dessen UebergangScharakter von dem Blatt nochmals betont wird: Die politische Rechte wird nicht nur auf der Wacht, sie wird auch auf dem Sprung.stehen müssen. Sie hat die absolut klare und eindeutige Aufgabe, alle die Tendenzen zu unterstützen und ihrerseits zu ver stärken, die dem Abmarsch nach links widerstreben. Die taktisch« Durchführung dieser Aufgabe wird von Fall zu Fall entschieden werden müssen. Die,tägliche »und-