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21. Jahrgang Donnerstag» äen 11. Marz 192S Nr. SS Ein Vorschlag Chamberlains Sefprechung mtt Veutfchlon-. — Spanir« soll im Herbst einen Nat-sttz erhalten. Über anderen ähnlichen Ansprüchen, die plötzlich von allen Setten kommen würden, keine genügend feste Po sition Mehr. Außerdem würde mit einer wesentlichen Erweiterung des Rates die Versammlung jede Bedeu tung verlieren. Dieser Gefahr könnten die kleinen und mtttteren Staaten nicht gleichgültig entgegensetzen. Zrankrekch ist mit stch selbst beschäftigt. Paris, 9. März. Der Sonderberichterstatter des „Matin", Sauerwein, spricht sich über die Lage in Genf dahin aus, es sei ein großer Fehler gewesen, 48 Staa ten nach Genf zu berufen, bevor man die Sicherheit eines möglichen Kompromisses gehabt habe. Er, der Berichterstatter habe noch nicht ein Mitglied des Völker, bundes getroffen, das ihm klar gesagt habe, daß nach seiner Ansicht Deutschland den Vertrag von Locarno gebrochen habe dadurch, daß es iM.letzten Augenblick eine neue Bedingung, nämlich die, allein in den Völker« Hund einzutreten, gestellt habe. Sauerwein fährt fort, er habe noch nicht einen einzigen Delegierten mit Stimmrecht im Völkerbunds- rat gesehen, der ihm gesagt habe, er werde gegen Deutsch, land stimmen für den Fall, daß Deutschland seine For derung aufrechterhalte. Was werde sich also ereignen, wenn kein Unterhändler einzugreifen wage, oder wenn nicht Mussolini im letzten Augenblick seine Delegation eine entschiedene Haltung einnehmen lasse? ZS werde so sein, daß Deutschland einen ständigen Sitz erhalte, und daß selbst die Bewerber um! weitere ständige Sitze nicht die Verantwortlichkeit übernehmen wollten, Deutsch land das zu verweigern. Sauerwetn behauptet alsdann von neuem, daß nach der Abstimmung Polen, Brasilien und Spanien sich zu- rücktziehen werden, und er droht auch, wie das in den letzten Wochen von nationalistischen Blättern, wieder holt geschehen ist, mit einer Annäherung Polens an Sowjetrußland. Wenn andererseits Deutschland nicht siege, werde die deutsche Delegation nach Berlin zurück, kchren, und das Werk von Locarno werde zusammen- Vrechen. Europa werde dann wiederum in feindliche Lager gespalten sein. Das alles könne eintreten, wenn Frankreich nicht die Möglichkeit habe, einzugreifen. Also Man erkenne in Genf, welche Unordnung die Abwesen heit Frankreichs Hervorrufen würde. vle Enteignung Marlenbaüs vor Sem völkerbuuS. Berlin, 10. März. Wie die Blätter aus Prag melden, wird in Genf voraussichtlich auch die Enteig nung Marienbades zur Verhandlung kommen. Eine von deutschen Parlamentariern der Tschechoslowakei ge machte Eingabe ist laut „Voss. Ztg." vom Völkerbunds sekretariat als besonders dringlich erklärt und einem aus je einem Vertreter Schwedens, Englands und Zta. lienS bestehenden RechtStomitee zur Behandlung zu gewiesen worden. Großer internationaler Monarchistenkongreß in München! Wie „Matin" meldet, soll in München ein inter nationaler Kongreß der Monarchisten vorbereitet werden. Etwa ein Dutzend russischer Monarchisten sei aus Paris und London in München eingetrossen. Mit ihnen wür»' den sich deutsche und ungarische Monarchisten vereinigen. Großfürst Kyrill werde eine Besprechung mit Kron prinz Rupprecht von Bayern Ende März in der Schweiz haben. Ver König von gruppten besucht im Mai London. Kairo, 10. März. König Fouad von Aegypten wird der Einladung König Georgs V. nach London folgen und am 28. Mat Kairo verlassen. Vie spanische Eroberung in Marokko. Wir Meldeten gestern, daß eine spanische Abtei lung das Torf Dar-Rai genommen hat. Tie französische Presse kann nicht genug die Be deutung dieser Eroberung Preisen. Das Dorf zählt un. gefähr 12 Familien, beherbergte aber bis vor kurzem da» Hauptquartier der Ristruppen tm Abschnitt Tetuan.! Bedeutungsvoller ist, daß durch die Linnahmtz dtese- PlatzeS die Artilleriestellung der Kabylen zurückvsrlegt werden muhte und Tetuan dadurch außerhalb de» Feuer bereiche» rückt. Für die Zukunft glaubt dte französi- sche Presse groß« Erfolge an den Fall von Tär-Rei knüpfen zu können. i Dr. Lurtius Über äie Arbeit äes ' Neichswirtschaftsministeriums. Berlin, 9. März.. In der heutigen Sitzung -«» HaushaltSousschusse» de» Reichstage» ergriff im «er lauf der Beratung de» Haushalt» de» ReichAvirtfchaftU. Ministeriums RöchswirtfchastSminlftrr Dr. Sartin» das Wort und führte u. a. aus: Einigkeit hat darüber geherrscht, daß der Abbau , tm Reich SwtrtschaftSmtniste» rium allzu radikal gewesen ist. Nachdem da» Ernäh- rungs- und Landwirtschaftsmtnistertum abgespalten war, betrug die Kopfzahl des Ministerium» 829. Heut« be. trägt sie 342. Die Kräfte sind bi» auf die äußerste Grenze der LetstungSfGigkeit angespannt. Sie reichen nicht au», um die Aufgaben der unmittelbaren Zukunft' sachgemäß zu lösen. Ich verweise dabei aus dte Wirt- schaftsenquete. Lazu tritt in erster Linie die Aufgabe der Weltwirtschaslskonserenz und ihre Auswirkungen, auf die wir den größten Wert legen müssen. Mit diesen Fragen hängt die ganze internationale WirtschaftSewt- wicklung zusammen. Wir stehen hier por neuen Ge staltungen, die vielleicht auf internationale Kartellver- einbarungen hinauslaufen. Mit den vorhandenen Kräf ten de» ReichswtrtschaftSmtnisteriumS werden sich dies« Aufgaben nicht lösen lassen. Di« Frage der Delega tionen zu den Vorbereitungen der Handelsverträge de- antwortete der Minister dahin, daß nach Möglichkeit! von solchen Delegationen abgesehen werden soll. Wenn es aber notwendig sei, müsse auch die Zuziehung von Arbeitervertreiungen ermöglicht werden. Bezüglich der Handelsvertragsverhandlungen mit Frankreich erwähnte der Minister, daß sie am 14. Januar angefangen und zu weitgehenden Uebereinstimmungen schon geführt hät ten. ES ständen aber auch noch große Positionen offen. Was dte Verhandlungen mit Spanien anlangt, so hab« die dortige deutsche Delegation vor einiger Zeit der spanischen Delegation einen Vorschlag unterbreitet, auf den aber bisher eine Antwort nicht eingetrossen sei. Bezüglich der Verhandlungen mit Polen mistse betont werden, daß nicht ost und nachdrücklich, genug darauf hingewiesen werden kann, daß die Ursache für die un genügenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Po len und Deutschland bet der polnischen Regierung zu suchen sei. Deutschland habe immer den Wunsch, einer Verständigung mit Polen vertreten, und die Wieder aufnahme der Verhandlungen werde noch im Laufe dieses Monats erwartet. Zu den Fragen der Binnenwirtschaft, dte der Mi nister unter Hinweis auf seine in einigen Tagen zu er wartende Rede im.Plenum des Reichstages nur kurz berührte, erklärte er, dte Frage der Rationalisierung sei zuzuspitzen auf die Frage des ReichSkuratorium», wobei eine Erhöhung der Mittel von 500 000 Mark auf 1,5 Millionen Mark für das ReichSkuratorium zu be grüßen sei, weil sich durch dte Heranziehung geeigneter Kräfte dte Kosten auf etwa diese Höhe abstellen würden. Mit diesen Mitteln würden auch die Rationalisierung», arbeiten für das Handwerk finanziert, dessen Spitzen« organtsationett im ReichSkuratorium vertreten seien. Tie Frage des Kartellwesens hänge mit der Rationalisierung zusammen. Er habe inzwischen eine Sachverständigen kommission für die Revision der Kartellverprdnung in seinem Ministerium einiberufen. Er werde aber vor Abschluß der Arbeiten auch den Kartellbeirat de» Reichs tages einberufen. T«r Minister kommt dann auf die Fragen des Preisabbaues und der notwirtschaftlichen Maßnahmen zu sprechen. Dien Gesetzentwurf Wer den Preisabbau würde die Regierung nicht zurückziehen, sondern .ihn verbessert voclegen. Etwa am 20. oder 21. März würde der Reichswirtschaftsrat fein'Gutachten zu den, verbesserten Entwurf abgeben können. ' Zur Frage des Bauprogramms und der Baustoff. Preise erklärt der Minister: Wir müssen versuchen, so rasch wie möglich aus der Wohnungszwangswirtschaft wieder herauszukommen und zu diesem Zwecke die Mt«^ ten langsam steigern. Daher kommt es darauf an, die Bautätigkeit soweit zu steigern wie nur irgend möglich. Aus der HauszinSsteuer stehen in diesem Jah-re für diese Zwecke etwa 700 Millionen zur Verfügung. Dir» Reichswirtschaftsministerium glaubt, daß mtt den Mit teln der HauszinSsteuer und den Mitteln de» privaten Bamnarktes, um irr Anbetracht der Möglichkeit in ver stärktem Maße erststelltge Hypotheken dem Baumarkte zur Verfügung zu stellen, ausreichend gebaut werden könne. Ueber das Ausmaß der Hilf« für den Mittel- stand sagte der Minister: Man darf erfreulicherweise feststellen, daß der Wiederaufbau der Kreditgenossen- schaftm des Mittelstandes erheblich voranaeschrttten ist. Die erste Rate der Re'.chskredit« wäre im Sommer 1923 »urückzuzahlen? ich hoff«, binnen kurzem hedanntaeben Auer Tageblatt e^o»»««»» «»«.blatt fto»,rzg.biro.. Enthalten- »l, amtlich«» Bekanntmachung«, Rate» Stadt an- de» Amtsgericht« fit». p»nfche«-«»«w ftm, r»wrtg N,.1"< Genf, 9. März. Der englische Außenminister EhaMberlain ist heute nachmittag um V.6 Uhr im Ho tel Metropol erschienen, um den Reichskanzler Dir. Lu ther und Reichsaußenminister Dr. Stresemann einen Besuch abzustatten. Chamberlain hat den deutschen De legierten dabei einen neuen Vorschlag über die Behänd-1 lung der Ratsfrage gemacht, der starke Beachtung ver dient, und zwar soll eine gemeinsame Verhandlung zwischen den im Völkerbundsrat vertretenen Mächten unv Deutschland über die Frage der Erweiterung des Völkerbundsrates angebahnt werden. Nach ChawberlatnS Absicht soll, um dte Verhand lungen zu beschleunigen, schon morgen vormittag eine gemeinsame Besprechung der im Rate vertretenen Mächte, sowohl jener, die einen ständigen, sowie jener, die einen nichtständigen Sitz innehaben, Mit den deutschen Dele gierten stattfinden. Dabei soll eine Lösung erreicht wer den. die dem deutschen Standpunkt Rechnung trägt, aber euch Spanien befriedigt. Die Absicht der Westmächte geht dabin, einerseits Deutschland zu der Zusicherung zu bewegen, daß bei der Herbsttagung des Völkerbunds gegen die Verleihung eines ständigen Ratssitzes an S panien keine Widersprüche erhoben werden würden, anderseits aber Schweden zu bewegen, auf seinen gene rellen Protest gegen eine Vermehrung der Ratssitze zu vernichten: denn jedes Einvernehmen zwischen den Rheinlandpaktmächten und Deutschland , würde gegen standslos bleiben, wenn Schweden bei seinem prinzi piellen Protest verharren würde. Ta Schweden nicht ständiges Mitglied deS Völker- bundrateS ist, würde eine vom Völkerbundrat mV Deutschland erreichte Verständigung auch.Schweden ein begreifen. so daß ein einzelner Protest der schwedische Delegatton einen Kompromiß nicht über den Haufen werfen würde. Eine UnterkommMon zur Prüfung -es -rutschen flufnaftmegefuches. Genf, 9. März. In der sogenannten Aufnahmv- kommission, das heißt der ersten politischen Kommission der Völkerbundversammlung, wurde heute nachmittag unter Vorsitz von Chamberlain die Einsetzung einer Unterkommission beschlossen, die sich mit der Prüfung des deutschen Aufnahmegesuches zu befassen hat. Me Unterkommission soll nach dem Vorschläge Chamber lains bestehen aus Vertretern der folgenden Staaten: Frankreich (Paul Boncour), Italien (Grandi), Japan lJshtt), Belgien (Vandervelde), Kuba (Aguero), ,Nor- wegen (Nansen), Griechenland (Rufos), Bulgarien (Bur gess), Irland (Fitzgerald), Jugoslawien (Ntntschitsch), so-1 wie aus dem Präsidenten der Kommission Chamber lain und dem Vizepräsidenten Loudon (Holland). Tie Arbeiten des Unterausschusses werden, wie da» seither immer üblich war, nicht öffentlich sein. Ter Zeitpunkt für die nächste Sitzung des Unterausschusses ist noch nicht bekannt. Auch ist eS noch nicht sicher, ob bereits zu der nächsten Sitzung des Unterausschusses ein deutscher Vertreter zugezogen werden wird. Keine militärischen BeSenken gegen die Aufnahme , Veutschlan-s. Genf, 9. März. Ter ständige militärische MS- schuß des Völkerbundes hat sich heute vormittag mit dem Aufnahmeantrag Deutschlands beschäftigt und sich dahin ausgesprochen, daß die militärischen Verhältnisse Deutschlands durch die Bedingungen des Versailler Ver trages bestimmt sind. In unterrichteten Kreisen wird erklärt, daß bei der Ausarbeitung des Gutachtens des ständigen militärischen Ausschusses de» Völkerbundes keine Schwierigkeiten zu erwarten sind, da e» stch le- diglich uM die Einhaltung von Formalitäten handelt. Vie Schweiz gegen eine Vermehrung -er Ratssitze. Genf, 9. März. Bei einer begründeten Darle gung des schweizerischen Standpunkte» zur Frage der Ratserweiterung betont da» ^Journal de Geneve" noch mals, daß die Schweizer Delegation sich einer Erwei terung widersetzen würde, dte über dte Zuteilung eines s andigen Ratssitze» an Deutschland hinausgchen würde. Der schweizerische Delegierte, Bundesrat Motta, müßte, wenn Pie Frage vor dte Versammlung kommen würde, seine auf der Bölkerbundsversammlung 1928 geäußer ten Bedenken sn noch nachdrücklicherer Form al» damals wiederholen und aufrechterhalten. Die ««fahren wä ren freilich bedeutend geringer, wenn e» sich nur um einen ständigen RatSsttz für Spanten handelte! da dem aber nicht so fei, so hätte dte Versammlung gegen-