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so. )shr,iavg Freitag, äen n. Dezember 1S2S Mer Tageblatt MLM Anzeiger für öas Erzgebirge ZZM »»»>«>" <attz«ltn>» »I« «MUch«» Sttoielmocho»-«» -»» Ko»« »« «M m>» -«» >>>». Nr. s,r Das Urteil im Dolchstotzprozetz. V1« ntts »srstts gestern meldeten, tst der Redakteur Martin Gruder derurteilt »norden. — Diesen Abschluß hatte man «»»wartet, da In Grude» direkt mit willen die schwersten Beleidigungen gegen Eoßmann «rbod und den Schutz das Paragraphen ISS ausgab, um endlich einmal die.Dolchstoßlegende" aushurollen. Nn de» Begründung -rißt rat «Die Beweioaufnahm« war sehr umfangreich. Sin« gvotzs Anzahl von Zeugen und don Sachverständigen wurde vernommen, «ine Reih« von Urkunden wurde verlesen. Da» Ergebnis der Beweisaufnahme mag nach der «inen oder anderen Richtung auch für den Zweck der Geschichtsforschung dienlich sein, im Privatklan«« Verfahren ist es nur in dem durch den Zweck dieses Ber- fahrens begrenzten Umfange auszuwerten. Für das Privatklageverfahren ist demzufolge unter Beachtung der Bestimmungen des ß 901 RStr.Pr.O. au» dem Er- gevnts dar Beweisaufnahme nur festzustellen r 1. Bewusst und absichtlich auf die Zertrümmerung der deutsche»» Wehrmacht gerichtet« Handlungen hinter der Front sind in den späteren Krtegszeiben erfolgt. Zu diesen Handlungen zählen tnsdesondere di« Verbiet- tung pvn ylngschriften, Flugblättern mit einem den Kampfwtllen zu lähmen bestimmten, mit einem auf« rührerischen und Mißstimmung erzeugenden Inhalt, re. voluttonär« Propaganda in Wort und Schrift mittels Handzettel und von Mund zu Mund, Meutereien im Heere und in der Marine, auch einzeln« Streik», tnSbei. sonder« Streiks in der Rüstungsindustrie. 9. Solche Handlungen sind — abgesehen von der Berbrettung von Flugschriften durch die Feinde —, sei es in der Form von Aufforderungen, sei es in der Form unmittelbarer Beteiligung von Angehörigen der USP. und von Angehörigen noch Wetter link» stehender Grup pen vorgenommen worden. S. Ter Kampfgeist de» Yrontheeres ist überhaupt nur in vereinzelten Fällen durch solche Handlungen be einträchtigt worden. Ter Geist der Truppen in der Etappe, der Geist des au» der Heimat kommenden, für die Front bestimmten Ersatzes ist durch solche Hand- lungen erheblich geschädigt worden. Der Ersatz ver- stand es im letzten Jahre de» Kriege» vielfach, nicht mehr bis zur Front vorzukommen. 4. Ter Kanrptzetst d„ mit dem Feinde ständig tn Berührung stehenden Teile der Marine, insbesondere der Geist der Unterseebootsbesatzungen, ist vortrefflich geblieben. L«r Geist der Mannschaften der in den Hei mathäfen liegenden Schiffe ist unterwühlt worden. Al- Ende Oktober ISIS nach Anordnung der SeekriegSlei- tung die Hochseeflotte zu einem Vorstotz gegen die Feinde auslaufen sollte, zu einem Dorstoh, der nach Ueberzeu- gung der höheren Mariuefachleute aussichtsreich gewe sen wäre, die Lage des Frontheeres hätte entlasten und damit wohl auch bessere Vorbedingungen für den Ab schluß de» Waffenstillstandes und des späteren Friedens hätte schaffen können, ist unter der Mannschaft offen« Meuterei ausgebrochen. Ter Flottenvorstotz ist unter blieben. Tie Kampfkraft des Heeres und der Flotte hat durch diese Handlungen sehr große Einbuße erlit ten. ES hat vielleicht ein verhetzter Teil der Industrie- arbettcrschast, wie auch ein verhetzter Teil der anderen Volksgenossen den Sieg aus innerpolitischen Gründen nicht mehr gewollt. Die Masse der Industriearbeiters die Masse der anderen Volksgenossen haben ihn gewollt. 5. Welche Bedeutung der im Nachlaß Kurt Eisner» im bayrischen Ministerium des Aeutzern aufgesundenen Ueberstcht „Ausstellung der Summ« der vom 2ö. Sep tember bi« zum 18. November ISIS «tndeMhttet» Schecks" von rund zusammen 164 787 028 Mark beizu messen ist, ist zurzeit mit Sicherheit nicht klärbar. An haltspunkte dafür, daß diel« Beträge aus de« feindli ch«» Ausland« stammen, fehl«». Der Inhalt der H«fte 7 und 9 d«« „Süddeutschen «vuatshefte" geht teilweise übe« dies« Feststellungen hinan». S» finden sich in ihnen verschiedentlich v«r- «llgemeinerunge«, di« nicht gerechtferttgt sind. D«r Privatkläger har in dgr Hauptverhandlung ausdrücklich erklärt, er habe di« Vorwürf« gegen di« Mehrheits sozialdemokraten nicht «rheben wollen. In den Heften hätte das bedeutsamer zum Ausdruck Vomrnen müssen. Di« Darstellung in d«n Heft«n ist teilweise irrig und unrichtig. Unrichtigkeiten und Irrtümer finden sich aber auch in anderen geschichtlichen Darstellungen. Auch die zurzeit in großer Anzahl erscheinenden Erinnerung«« sind r«nst»»rdigksizen einzelner nn den Breisnissen ho lender» »BeUtztee Kersintn lind AUwelse nicht gen» frei davon. Di« geschichtlichen Ereignisse d«s Weltkriegs liegen noch viel zu kurz zurück, als daß sich setzt schon alle di« zu «iner Erforschung und «inigermatzen sicheren Feststellung notwendigen Unterlagen herbethrtngen lie ßen. Ti« Archiv« der Feinde sind »'.Wh nicht all« ga- öffnet. Die Mängel der beiden H«fte könne« aber noch lange nicht, wie der Angeklagte meint«, als „bewußt« Fälschung««" bezeichnet werden. Tiie beiden H«fte sind nicht ein» er schöpfende Tarstellung der Ursachen de» Zusammen- brruhes, sollten e» auch nicht sein, wie au» den Worten der Einleitung des Heftes 7 unschwer entnommen wer den kann. Es ist deshalb unzulässig, au» dem Umstand, daß Tatsachen, die al» Ursachen oder al» besonder» aus schlaggebend« Ursachen de» Zusammenbruche» zweifel los gewertet werden müssen, in den Heften nicht oder nur nebenher erwähnt sind, den Schluß zu ziehen, der Privatkläger hab« „bewußt di« Ceschicht« gefälscht". Ter Angeklagte will mit der Aufnahme der Ar tikel nur berechtigte Interessen wahrgenommen hab««. Er behauptet, mit dem Inhalt der beiden Heft« sei der sozialdemokratischen Partei, der Partei, der jr ange- höre, den Führern der sozialdemokratischen Partei, mit denen ihn persönliche Freundschaft verbind«, und auch ihm selbst, der «tn Menschenalter für di« sozialdemo kratische Partei gearbeitet und geopfert habe, der schwere Vorwurf der Erdolchung der Front im Rücken und der Herbeiführung de» Zusammenbruche» im Einverständnis mit dem Feinde gemacht worden. Er behauptet weiter, mit den Artikeln sollte dieser Vorwurf abgxwehrt wer den. „Wahrnehmung berechtigter Interessen" ist auch für Vertreter der Presse nur gegeben, wen« der Ange klagte entweder eigene Interesse« oder -um mindesten solche Interessen, die infolge besonderer Verhältnisse die eigenen berühren, wahrgenommen hat. Die Zuges- Hörigkeit zu einer politischen Partei erfüllt diese For derung noch nicht. Tie Freundschaft zu den Führern der sozialdemokratischen Partei er stillt diese Forderung, erst dann, wenn sie sich über eine Politische Freundschaft er hebt, was nicht sicher ist. Der Angeklagte ist in den beiden Heften weder anit Namen genannt noch sonst erkennbar gemeint. Er begründet den von ihm behaup teten Vorwurf mit Rücksicht auf sein Verhältnis zur sozialdemokratischen Partei. Nach seiner glaubhaften Versicherung hätte er deshalb insoweit mit der Auf nahme der Artikel vermeintlich« berechtigte Interessen gewahrt. Aus der Form der Aeutzeru«gen, der gehässi gen und höhnenden Aui-druckSweise geht aber bw Ab sicht und das Vorhandensein einer Beleidigung unztvei- felhaft hervor. Tie Aeutzerungen bleiben deshalb straf bar. Sie bleiben eS infolge der Form auch dann, wenn sie als tadelnde» Urteil über ein« wissenschaftliche Lei stung des Privatkläger» angesehen werden wollen. Die beleidigenden Wendungen sind gesucht gehässig und überlegt grob. Der Angeklagte hat ihrs außerge wöhnlich ehrverletzende Wirkung durch den am ersten Tag der Hauptverhandlung versteckt erhobenen, am letzten Tag der Hauptverhandlung allerdings wesentlich ab geschwächten unbegründeten Dorwurf der Bestechlichkeit des PrivatMgerS zu schärfen sich nicht gescheut. Tie Beleidigung ist durch mehr oder weniger vollständigen Abdruck der Artikel durch andere Zeitungen in besonder» wette Kreise gedrungen. Ter Angeklagte konnte mit der ausgedehnten Weiterverbrettung rechnen und hat sicher lich damit gerechnet. Alle» Vu» ist straserschwerend. Di« beleidigenden Aeuherungen sind gebraucht wor den während de» Wahlkampfe» und bet Abwehr von al» schwer« Vorwürfe empfundenen Ausführungen. Da» ist strafmildernd, U» berechtigt allein dazu, von d«r angeficht» d«r außerordentliche« Schwer« .,d«r Ehre«, kränk««- — an sich geboten«« Verhängung «twL Frei heitsstrafe Abstand zu nehmen. Unrer Berücksichtigung der nicht sonderlich günsti ge« wirtschaftliche« verhältntss« de» Angeklagten ist deshalb eine Geldstrafe von 30bü Reichsmark gegeben. Lite Geldstrafe ist tm Fall« der UuetnSringllchkeft tu eine Gefängni»straf« von SV Tagen ümzuwandel«. «eil zur Straf« verurteilt, hat der Angxklagw auch di« Kosten d«s Verfahren» zu tragen und VW d«m Privatkl«o«r erwachsenen Auslagen zu erstatt««. Di« Beleidigung ist öffentlich begangen. Dem Privatkläger ist deshalb di« Befugnis zugesprochen, di« Verurteilung d«s «ngiklagttn auf s.tn« Kost«« öffentlich b-Dmtt zu Machen. Die Abfindung der MstenhSuser. Von bllsred Brodaus Mitglied des Reichstages. Da» Kapitel Justiz und Republik" ist eins der übelst« in der Eichicht« de» republikanischen Deutschland. Die deut sche Republik leidet nur allzusehr daran, daß ihr Berufsrichter, tum nicht innerlich auf den neuen Staat eingestellt ist. Die Magen darüber tn der Presse und den Parlamenten bezog« sich bis jetzt auf di, Rechtsprechung in Strafprozess« mit politischem Charakter ober Einschlag. In Hunderten vou EinzelMen hat sich gezeigt, daß hier di, Rechesprechmrg «ine andere ist, j« nachdem eS gegen Uebeltät« von recht» oder gegen solche von link» geht, je nachdem da» verletzte Rechtsgut die Ehre von Monarchisten oder die von Republi kanern, di, Ehre von Würdenträgern des alten Systems oder di, von solchen beS neuen ist. Da» Uebel der antirepublika- nischen Einstellung von Gericht« ist aber auch in Zivil- Prozessen mit politischem Einschlag in die Erscheinung getre ten, nämlich in den Prozessen, die immer zahlreicher von früher regierenden Fürstenhäusern gegen ihre ehemaligen Länder geführt werden. Nur ou» antirepublikanischer Vor eingenommenheit ist es zu erklär«, wenn Gerichte Abstn- dungsverträge, die -wisch«« Fürsten und Staaten geschlossen worden find, auf Anfechtungsklage der Fürsten hn al» „gegen die guten Sitten verstoßend" für nichtig erklärt haben; nur an» monarchistischer Einstellung ist es zu erklären, wenn ein Gericht dem vormaligen Herzog von Meiningen die Ende ISlK vertragsmäßig zugestanden,, St» jetzt noch geschul dete, infolge der Inflation völlig entwertete Abfindung von 10 Millionen auf denselben Betrag in Goldmark, also, da da- mal» schon 10 Millionen Papiermark nur etwa b Gold-Milli onen betrugen, auf 800 Prozent ausgewertet hat. Die Oeffentllchkeit in Deutschland ist an solch« Fürsten- prozess« ziemlich achtlos vorübergegangen, bi» ein Gerichts urteil der letzten Wochen in erschreckender Weise die Gefahr, die tn solcher Rechtsprechung liegt, vor aller Augen geführt hat. ES ist dies da» ReichSgerichtSurteil, welches dem frühe ren Herzog von Gotha, dem zufolge Erbfolgegejrtze» zur Re gierung gelangten englischen Prinzen Karl Eduard, Herzog zu Albany, Graf von Clarence, Baron Artlow, ungeheure Sachwerte zugesprochen hat, indem eS au» formalen Grün den das seinerzeit vom Land Gotha erlassene Abfindungs gesetz für nichtig erklärte. Das Urteil hat vor allem deshalb so sehr befremdet, weil eS Privatrechtstitel von sehr zweifel haftem Wert als gültig anerkannt hat; find doch dem englischen Prinzen n. a. auch die Landesbibl'othek (!), die Sternwarte (!), die in Jahrhunderten entstandenen Gothaer Kunstinstitut« (!) sowie die wertvollen Schmalkaldener Forst« mit zuge sprochen worden, die der König von Preußen seinerzeit dem Gothaer Herzog als Anerkennung für die von gothaisch« Truppen im Kampf Preußen» gegen das engb'sch-hannoversche Königshaus geleistete Waffenh'.lfe geschenkt hatte, also für Dtmste, die in Wirklichkeit die Landeskinber von Gotha ge leistet hatten. Summum jus, summa injuria. DaS formal« Recht, auf die Sp'he getrieben, wird zum größten Unrecht, hier zum Unrecht am schwergeprüft« deutschen Volk. 23 Prozesse sind eS, die von Angehörig« der sieben «ho- mal» regierenden Fürstenhäuser gegen da» arme Land Thüringen mit höchstaeschraubten Ansprüchen angestrengt wor den sind) Fallen, wie zu befürcht«, die noch ausstehend« Urteile so aus, wie die bereits ergangenen, so wirb Thüringen bankerott, schon die bereits vorliegend« Urteile auf Zahlun gen laufender hoher Summ« setzen Thüringen außerstande, den Etat noch zu balancieren. So ruft in ihrer Berzwe flung die rechtsgerichtete Regierung in Thüringen nach Re chShilfe nachdem einer der Minister schon d e Ansprüche des englischen Prinzen als für das Land unerträglich, als ein „Versailler Diktat" bezeichnet hat. Die bisherigen Prozeßersolge der Thüringer Fürsten famili« lassen befürchten, daß auch andere bereits abge- funben« Fürstenhäuser mit Erfolg die abgeschlossen« Abstn- dungsverträge als „unsittlich" anfechten oder daß sie tm Klageweg Aufioertungen erstreik«, wie sie gewöhnlichen Sterblichen nicht zuteil werd«. De bisherig« Urteil« 1« den Fürstenprozessen find Wetter auch geeignet, tn den Fäl len, wo die Abfindung noch in der Schwebe ist, wt« tn Preußen, die Ansprüche der Fürstenhäuser auf das äußerst« zu steigern. Maßlose Ansprüche, die wett über das hinaus- gehen, was zum standesgemäßen Unterhalt «forderlich ist, find von den Hohenzollern bereit» gestellt. Der «ntrnwärtts« preußischen Regierung ist es verübelt werde«, daß sie «ach dem Scheitern eine« früher« vergle/chßverschlegs «eit d« HabcnzMem eine« «en«, de« Landtag noch zu« G««h«t- gung vorzulegenden Vergleich geschlossen Hst, von d«r zur zeit nur soviel bekannt ist, daß er für b'r Hohenzollern noch viel günstig« ist, als der erst« von Wilhelm H. adgelehnt« Vorschlag. Aber «S wird bei dieser Kritik verkannt, daß sich der preußische Staat in einer üblen Zwangslage befindet; «r muß nach allen Erfahrungen mit den Fürstenprozesien be fürcht«, baß di, Hoh«zollnn mit ihrtn maßlosen Ansprüchen tn vollem Umsang obsiegen, wenn «s zum gerichtlichen Aus- trag kommt. ...... Wenn «ß verhindert werden soll, baß den «hemoliM Fürstenhäusern wert« zugesprochen werben, di« den Gesamt betrag von «iner Milliarde Mark noch erheblich. Übersteigen, s» gibt es nur «Inen weg. S» muß «in Reichsgeietz komm«, bss die Länder ermächtigt, di, Abfindung der WrtznhäH» dittch ÜünWiM hmeftßtt »ü ttjM dich die Mtt ts