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Mit zur Beratung gestellt sind auch die Mißtrauensvoten der Deutschnationalen, d er Völkischen und der Kommunisten, sowie der Antrag der 'Deutschnationalen und der Wirt schaftlichen Vereinigung, die Frage des Eintritts' in den Völkerbund in einem besonderen Gesetz zu regeln. s» Die zweite Lesung der Gesetzesvorlage über den Vertrag von Locarno wurde eingeleitet mit einer geistreichen Rede des sozialdemokratischen Abgeordneten Landsberg, der sich mit aller Schärfe gegen das.Ver halten der Deutschnationalen Partei wendete, die erst alle Schritte gebilligt haben, welche zum Abschluß des Paktes führen sollten, dann aber, aus Furcht, die Sache im Stich ließ. Tas ist gerade so, al« wenn ein Loko motivführer einen in Not geratenen Zug verläßt, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. (Zuruf recbts: Un erhört!) Ein Scheitern der Verhandlungen wäre eine Katastrophe für Deutschland gewesen und hätte einen Pakt gegen Deutschland zur Folge gehabt, der schlimmer als der Versailler Vertrag gewesen wäre. (Sehr richtig! links.) Die Politik der Deutschnationalen gleicht der Wilhelms II. Wenn eS wahr ist, daß einer ihrer Mi nister geschluchzt hat, als er den KabinettSrat verließ, so verstehe ich das nicht, denn ihre Politik ist sehr trocken. (Heiterkeit.) Gras Westarp hat angekündigt, daß er den „Vorwärts" verklagen will. Wenn er das tut. dann möge er sich wenigstens einen besseren Verteidiger nehmen, als er selbst es ist. (Zuruf rechts: Machen Sie es doch! Heiterkeit.) Nein, die Herren sind vorurteils los genug, sich immer andere jüdische Anwälte zu suchen. (Große Heiterkeit im ganzen Hause.) Der Pakt von Locarno würde für uns erheblich an Wert verlieren, wenn ihm nicht bald die Aufhebung der Besetzung des RheinlandeS folgt. (Große Unruhe rechts, lebhafte Zwischenrufe.) Hat Graf Westarp in irgendeinem Stadium der Verhand lungen an die Möglichkeit geglaubt, daß Locarno sofort die Räumung des RheinlandeS bringen würde (Graf Westarp nickt bejahend), dann sind sie in höherem Grade von der Locarno-Psychose erfaßt gewesen als wir auf der Linken. (Stürmische, minutenlange Heiterkeit.) Der Damm^des Mißtrauens und des Hasses ist zu stark, als daß er auf den ersten Streich fallen könnte. Ter Damm der Verständigung aber ist noch ganz schwach, und an seinen Früchten werden wir erst erkennen, daß hier die richtige Politik gemacht worden ist. (Lebhafte Zustim mung links.) Die Teutschnationalen scheuen die Verantwortung, wir aber stehen aüf dem Standpunkt, daß man Popu larität nur zu dem Zwecke erwerben solle, um sie aufs Spiel zu setzen, wenn es nötig ist. Meine -Partei hat stets den erhabenen Gedanken der Verständigung ver treten un,d immer darauf hingewiesen, auch ist einer Pe riode, wo die Vertreter dieses Gedankens deswegen an ihrem Leben bedroht wurden. (Sehv wahr! links.) Wir werden jetzt, wo die Annäherung möglich ist, diesem Ge danken nicht untreu werden. Aus rein taktischen Grün den haben wir eine Zeitlang daran gedacht, in diesem Reichstag die Teutschnationalen dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen. Wir dachten, daß sie das Spiel vom 29. August vorigen Jahres wiederholen würden. Das wäre eine schöne Illustration des Satzes gewesen: Ueb im mer Treu und Redlichkeit! (Stürmische Heiterkeit.) Wir wurden uns aber klar darüber, daß taktische Erwägun gen bei grundsätzlichen Entscheidungen nicht ausschlag!- gebend sein dürfen. Die Deutschnationalen haben, wie das famose Protokoll der Sitzung der Konservativen be weist, noch vor kurzem geglaubt, daß höchstens sechSl Män- ner in ihrer Partei Gegner de» Vertrage»! von Locarno sind. (Zwischenrufe: Ta« ist ja jüdischer Schmu«! TaS ist LozzelaS! Tas ist ja ein gestohlene» Protokoll.) Meine Herren, wenn Sie von Diebstahl sprechen, so kann doch nur gestohlen werden, wa« vorhanden ist. > (Lebhafte« Sehr gut! und große Heiterkeit links.) Wir halten e« jetzt, da die Teutschnationalen versagen, für § unsere heilige Pflicht, wieder einmal in die Presche zu springen. Graf Westarp hat allerdings einen Anfang der Besserung konstatieren zu können geglaubt, und er hat erklärt, daß ein erheblicher Anteil daran die drei deutschnattonalen Minister hätten, die jetzt au» dem Amt geschieden sind. Ich glaube, mit dem gleichen Recht könnt« auch Herr Retchsjustizministtr Freuten da« Ver dienst d«r Besserung für sich in Anspruch nehmen. (Stürmische Heiterkeit im ganzen Haust.) wenn etwa« dazu beigetragen hat, die günstigen Wirkungen de» Ver trages von Locarno zu verhindern, dann ist eS das Ver halten der Deutschnationalen. (Lebhafte Zustimmung links.) Ich finde ja ihr Mißtrauen gegen das Halten von Versprechen subjektiv begreiflich und gerechtfertigt. (Große Heiterkeit.) Ader es gibt schon noch Männer, die ihr Wort halten. Die geradlinige, ehrliche Fortsetzung der ursprünglichen Politik wird Deutschland und der Welt zum Nutzen gereichen. Sie, meine Herren Deutsch nationalen. werden noch eines Tages den Pakt, den Bie heute verschmähen, annehimen müssen, wenn Sie wie der in die Regierung kommen wollen. Tie Kommunisten sollten sich davor hüten, hier gegen den Vertrag von Locarno aufzutreten mit der Erd klärung, daß sie das als klassenbewußte Proletarier tun müßten. Zn diesem Kampfe gegen Locarno stehen doch die Kommunisten auf der Seite der Teutschnationalen. Und daß die Deutschnationalen klassenbewußte Proleta rier sind, werden wohl selbst die Kommunisten .nicht behaupten. (Große Heiterkeit im ganzen Hause.) Wir wollen keinen Krieg mit Rußland, wiv wollen mit ihm in Frieden und Freundschaft leben. Würden wir wirklich den Krieg mit Rußland wollen, warum hätten sich dann unsere Delegierten so sehr be müht das Durchmarschrecht der VölkerbundSsatzung von Deutschland abzuwenden? Auf die Frage, ob die Zwei drittelmehrheit für den Vertrag von Locarno notwen dig ist, brauche ich nicht näher einzugehen. Uns könnte eS ja sehr recht sein, wenn die Reichsregierung gezwun gen würde, wegen Mangels der Zweidrittelmehrheit den Reichstag aufzulösen. Tann könnten wir an daS Volk appellieren, und diesem Appell würden wir mit großer Ruhe und lebhafter Freude entgegensehen. Im übrigen aber ist die Begründung der Deutschnattonalen nicht' stichhaltig. Wohl sind durch den Eintritt in den Völ kerbund die Voraussetzungen zu einer Kriegserklärung berührt, aber doch nicht das Recht der Kriegserklärung. Was kostet uns nun der Pakt? Einen Verzicht auf den Krieg, den wir nicht wollen und können. Selbst Graf Westarp hat zu meiner Freude erklärt, daß wir diesen Krieg nicht wünschen, und er hat erfreulicherweise nicht hinzugefügt: zurzeit. (Große Heiterkeit links.) WaS bringt uns aber der Pakt? Ich will ganz.absehen von dem Eintritt in den Völkerbund, der es uns ermöglicht, für die deutschen Minderheiten, für das Saargebiet und für die Abrüstung zu wirken. Aber der Pakt reduziert die Kriegsgefahr aüf ein Minimum, er hat den großen Vorteil, daß jetzt Streitigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich durch ein Schiedsgericht erledigt werden müssen, also auch Streit über den Versailler Vertrag oder das Rheinlandabkommen. DaS bedeutet das Ende aller Sanktionen, denen wir gegenüberstanden. Was nützen uns denn die Rechtsansprüche auf die Räumung der ersten Zone, die wir gewiß besitzen, wenn wir nicht die Möglichkeit haben, sie durchzusetzen? Und drittens bringt uns der Vertrag von Locarno die Aussicht auf eine baldige Herstellung der völligen Freiheit der Rheinprovinz. (Sehr wahv! links.) Wenn da« ganze Deutschland die Rheinlande freimachen kann von dem furchtbaren Truck, der auf ihm lastet, dann sind wir ver pflichtet es zu tun. Wa» würde denn geschehen,? wenn der Pakt scheitert? Tie alte Rechtlosigkeit würde bestehen, und jeder Regierungswechsel in Frankreich könnte zu neuen Drangsalierungen und zu einem völli gen Zusammenbruch des armen besetzten Lande»' führen. TaS sollten die Rechtsblätter ihren Lesern sagen und nicht, daß Hindenburg durch den Vertrag von Locarno der Entente ausgeliesert wird. (Sehr gut! link».) Deshalb ist wohl Hindenburg An hänger de« Vertrages. (Große Heiterkeit.) Ich will ihn nicht als GtdeShelfer für unseren Standpunkt heranziehen. Aber unsere Ge nugtuung werden Sie begreifen, wenn wir ihn jetzt al» Anhänger de» Vertrages sehen, nachdem wir bei seiner Wahl ganz andere Töne gehört hatten. Die deutschnationale Politik hat sich als unsittlich und da mit al« unmöglich erwiesen. (Stürmische,Unterbrechun gen und Pfuirufe recht«. Zuruf; Jüdische Frechheit!) Wir stimmen dem Vertrage zu und hoffen, daß seine An nahme unser Land und der Welt zum Segen gereichen wird. (Stürmischer Beifall und langanhaltende» Hände klatschen bet den Sozialdemokraten.) Hierauf sprechen die Abgeordneten Wa llraf (Dn.), Schneller (Komm), Dernburg (Dem.), Hampe (Wirtsch. Vgg.), Dr. Bah er doofer (Bahr. VP.) und Hennig (Völk.). G» folgt dann die Abstimmung üver den Artikel der die Zustimmung zum Loenrnovertrag aulfpricht. Tie Abstimmung ist auf Antrag WW^Nkschitatio- nalen namentlich. Für den Artikel stimmen di« Sozial demokraten, die Deutsche Volkspartei, da« Zentrum, die Demokraten, die Bayrische Volkspartei und die Mehr heit der Wirtschaftlichen Vereinigung, insbesondere die Vertreter des Bayrischen Bauernbunde« und die Deutsch hannoveraner. Dagegen stimmen die Deutschnattonalen, die Völkischen, die Kommunisten und eine Minderheit der Wirtschaftlichen Vereinigung. Ter Artikel 1 wird mit 271 gegen 159 Gtimnten angenommen. Artikel 2. Es steht dann zur Abstimmung Artikel 2, wonach die Reichsregierung ermächtigt wird, die zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund erforderlichen Schritte zu tun. «Zunächst wird abgestimmt über den deutsch nationalen Antrag, der folgendes hinzufügt r Zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund bedarf es eine« besonderen Gesetzes. Vor der Abstimmung legt Abg. Leicht (Bahr. BP.) dem Hause folgende Entschließung vor: Tie Reichsregierung wird ersucht, von der Er mächtigung des Artikels 2 nur Gebrauch zu machen, wenn sich durch die weiteren Tatsachen die Auffas sung der Regierung bestätigt, daß die Gegenseite in den schwebenden Fragen, insbesondere den Fragen der Rheinlands, eine Politik der friedlichen,Verständi gung befolgt. Ter Redner fügt hinzu, daß sich seine Fraktion bis zur Entscheidung über diese Entschließung heute bei der Abstimmung über Artikel 2 der .Stimme enthalten werde. — Tie Abstimmung über die Entschließung fin det am Schluß der Freitagsttzung statt. Der deutschnationale Antrag wird mit 242 gegen 169 Stimmen bet 19 Enthaltungen ab gelehnt Es folgt dann die Abstimmung über den Abände rungsantrag der Wirtschaftlichen Vereinigung, der die gleiche Forderung enthält Md Artikel 2 folgend« Fas sung geben will: Tie Ermächtigung der Reichsregierung, die für den Eintritt des Deutschen Reiche» jn den Völker bund erforderlichen Schritte zu tun, wird durch be sonderes Gesetz geregelt. Tie Abstimmung über diesen Antrag ist gleichfalls namentlich. Der Antrag wird mit 245 gegen . 170 Stimmen bei 19 Enthaltungen abgelehnt. Es folgt dann die Abstimmung über Artikel 2, wonach die Reichsregierung ermächtigt wird, die zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund erforderlichen Schritte zu tun. Dieser Artikel wird in einfacher! ^Ab stimmung gegen Deutschnationale, Völkische, Kommu nisten und einen Teil der Wirtschaftlichen Vereinigung angenommen. Artikel '3. Angenommen wird auch Artikel 3, wonach diese» Gesetz mit dem apf die Verkündigung folgenden Tags in Kraft tritt. Tamit ist die zweite Lesung des Locarno- LgesetzeS erledigt. Freitag 12 Uhr dritte Lesung de» Locarnogesetze«. iE !, ' ' Zwischenfall lm baperlschen Lan-tag. München, 26. Nov. Im Verlaufe der heutigen Aussprache im ZwtschenauSschuß des bayrischen Land tages über die Anträge betreffend den Locarno-Vertrag und den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund kam es zu einem Zwischenfall. Der völkische Abgeordnete Wagner machte lebhafte Zwischenrufe, alS Ministerprä sident Dr. Held, der in die Debatte eingegrtffen hatte, erklärter Es ist unangebracht, Stresemann Borwürfe zu machen, wie sie hier erhoben worden sind. Einenf Mann, .mit dessen Politik man nicht einverstanden ist, kann nicht darum ohne wettere« vorgeworfen werden^ daß er da« deutsche Volk verraten hat. Ich bedauere da» auf dg» tiefste. Politische Gegnerschaft berechtigt nicht zu sagen, daß Stresemann.ein Landesverräter ist. D«r Abg. Wagner rief dem Ministerpräsidenten zu, er möge sich doch in die Seele der Bevölkerung der ab getrennten Gebiete versetzen. Er könnte e» versteh««, wenn ^in ausgewiesener Elsaß-Lothringer Stresemann über den Haufen schießen würde. Lieser Zuruf löste lebhafte Entrüstung au«, und man hörte Rufe wie» „Genau so wie bei Rathenaul Dieselbe Verhetzung, die zum Morde führen muß!" der -gutfch-rtOfchr hon-elsvertra- vom Neichsrat angenommeri. Berlin 26. Nov. Im RetchSrat Wurp« der Gesetz entwurf über d«n deutsch-russischen Handelsvertrag nach einem kurzen Restrat de» «uDschußbertchterstatstr» an genommen. . . ! , !