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/luer Tageblatt 20. Zahr^ang Donnerstag» clen 26. November 192S Nr. 274 vt» »,» P«N»,»U, f», ftu, un» U»««-«at »» *.I»»f«nnt>«, »u„ »itrtl», »»>«!,«« v »,l»pf,nnt,, »4 <»l»»f«nn>», «mtUch, 8«Il« « r«l»,ramm», rag.diatt ftu»,r,g»btrg». enthalte»- -le amtltchra Brkanotmachoageo -er Nair» -er Sta-t aa- -r» Amtsgericht» Ku»» p»stlch»«'«»nt, Km» r.tpztg Nr. 14»» Anzeiger für öas Erzgebirge Locavno-Debatte im Reichstag. Bon Wels bis Scholz für Locarno. — Die grotze Erklärung des Auhenministers' Mibtrauensantrag der Deutschnationalen. Berlin, 24. November. Der Reichstag begann seine Locarno-Debatte schon um 10 Uhr vormittags. Den ReiGen eröffnete der so zialdemokratische Abgeordnete Wels, der den Vertrag von Locarno als einen Wendepunkt der europäischen Politik bezeichnete und der Hoffnung Ausdruck gab, daß von jetzt ab ein neuer Geist die Völker beherrschen werde. Unter scharfer Polemik sowohl gegen die Teutsch« nationalen wie gegen die Kommunisten verteidigte er die Annahme des Vertrages von Locarno, dem seine Partei zustimme als den Beginn eine» unter der.sieg reichen Fahne des Sozialismus geeinigten Europas. Tann kam der deutschnationale Abgeordnete Graf Westarp zu Wort, der auf das bestimmteste versicherte, daß die Deutschnationalen die Locarno-Vorlage einstim mig ablehnen werden, ohne sich in ihrer Haltung durch scharfe Angriffe der Gegenseite irremachen zu lassen, Selbstverständlich glaube niemand im Ernst, daß die Deutschnationalen sv wahnsinnig sein würden, das wehr lose deutsche Volk in einen Krieg mit seinen bis an die Zähne bewaffneten Nachbarn zu Hetzen. Auch die Deutschnationalen wollen Verständigung, aber dazu ge hört, d!aß die feindlichen Truppen von Deutschlands Boden entfernt und daß die Verständigung Deutschland den wirklichen Frieden, die Freiheit und die Gleich berechtigung bringe. ,Jm einzelnen begründete dann der Redner die ablehnende Haltung seiner Parteifreunde durch zahlreiche Momente. Tas wichtigste davon ist die Befürchtung, daß der Vertrag von Locarno einen aus. drücklichen Verzicht auf deutsches Land bedeute. Wenn das auch au» dem Wortlaut nicht klar hervorgeh«, so wolle seine Partei doch jede Möglichkeit einer derartigen Auslegung vermeiden, und.schon deshalb müßte sie ge gen den Vertrag stimmen. Weiter behauptete der Red ner, daß für die Annahme der Vorlage die verfas sungsmäßige Zweidrittelmehrheit notwendig sei, da dem Reiche die freie Entscheidung über Krieg und Frieden da durch genommen würde. Er verlangte vom Reichstags- Präsidenten daß er bet der Abstimmung ausdrücklich feststelle, ob die verfassungsmäßige Zweidrittelmehrheit erreicht sei. Sollte das nicht der Fall sein, dann würde sich seine Partei durch den Vertrag niemals gebunden erachten. Es folgte eine Erklärung der ZentrumSpartet, die der Abg. Fehrenbach abgab. Tarin wird die.Zu stimmung zu dem Vertrag von Locarno ausgesprochen^, unter ausdrücklicher Betonung, daß damit eine neue Unterschrift unter das Versailler Diktat nscht geleistet werde. Auch ein Rechtsverzicht auf deutsche» Land Klara Zetkin, die kommunistische Reichstagsabgeordnete, die seit zwei Jahren in Moskau gewesen ist und heute morgen in! Berlin eintraf, kommt zum ersten Male wieder in den Reichstagssaal. Die kommunistischen Abgeordneten -um drängen und beglückwünschen sie. Einer überreicht ihr, einen Strauß roter Nelken. Abg. Dr. Bredt (Wtrtsch. Vgg.): Der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund wird nach Tschitscherins Erklärung dazu führen, daß Rußland unS nicht mehr als neutrales Land ansteht. Dann ist uns der einzige Weg versperrt, der uns bisher noch offen steht, der Weg nach dem Osten. Die Zukunft gehört zweifellos dem Gedanken der Schiedsverträge und einer größeren Or ganisation der Völker. Heute aber lehnen wir den Ein tritt Deutschlands in den Völkerbund ab. .Wir beantra gen. daß die Völkerbundsfrage in einem besonderen Ge setz behandelt wird. Bei Ablehnung dieses Anträge» lehnen wir die ganze Vorlage ab. Abg. Graf Lerchenfeld (Bahr. VolkSP.): Grund-! sätzlich sind wir der Ansicht, daß die Zett gekommen ist, wo auch Deutschland dem Völkerbund angehören kann. Die Besetzung bleibt eine Gewaltherrschaft, auch wenn weniger französische Truppen im Rheinland stehen. Graf Neventlow (Völk.)! Locarno bringt uns weder eine Revision des Versailler Vertrage» noch eine Befreiung von der alleinigen Kriegsschuld. Durch den Locarno-Vertrag spielen wir im Verhältnis zu Ruß land die Nolle des kleinen Mannes. Selbstverständlich ist für die Locarno-Verträge eine Zweidrittelmehrheit des Reichstages erforderlich. Abg. Strasser (Natsoz.) behauptet, die Negie rung habe in Locarno einen Verrat am deutschen Land, an deutscher Ehre und an der deutschen Zukunft began gen, die der deutsche Reichstag sich jetzt anschick« zu sanktionieren. Die Locarno-Vorlage wird dann dem auswärtigen Ausschuß überwiesen. Am Donnerstag soll die zweite Lesung beginnen. Morgen kleinere Vorlagen. Berlin, 24. Nov. In der heutigen Sitzung des Reichstages gab Außenminister Dr. Stresemann spl- gende Erklärungen ab: ' Meine Damen und Herren! Der.Herr Vorredner hat in seinen Ausführungen zum Ausdruck gebracht, daß man zweifelhaft darüber sein könnte, ob .der Weg, den die deutsche Außenpolitik im letzten Jahre gegangen, sei, ein richtiger gewesen wäre. Er hat insbesondere die Frage aufgeworfen, ob man nicht mehr hätte erreichen können, wenn man der Anregung gefolgt wäre, die vor etwa fünfviertel Jahren, im September vorigen Jahres, auf der Völierbundstagung in Genf an Deutschland cr- bilden: Wie wird eS mit unserem Verhältnis M Ruß? land, wenn wir im Völkerbund sind? Können wir m den Völkerbund eintreten, wenn wir nicht eisten Per manenten Sitz im Völkerbundsrat haben? Müssen wir uns, wenn wir diese grundsätzliche Bereitwilligkeit aus» sprechen, nicht davor schützen, daß sie etwa als eine frei' willige Anerkennung des Versailler Vertrage» oder alS eine Anerkennung irgendeiner moralischen Schuld von Deutschland, soweit sie in diesem Vertrag zum Ausdruck gebracht ist. gedeutet wird? Insofern kann man, Herr Kollege Koch, wohl nicht sagen, daß wir einen besseren Weg gegangen wären, wenn wir damals sofort dem Völkerbund beigetreten wären. Wir konnten uns auch nicht telegraphisch anmelden, sondern e» kam darauf an. diese Fragen zu klären. Tie Regierung des Herrn Reichskanzlers Luther ist in bezug ans den Völkerbund in keiner Weise von den Linien abgewichen, die wir damals in einer Sitzung fest- gestellt haben, der der verstorbene Herr Reichspräsident Ebert vvrgesessen hat. Es ist eine vollkommen gerade Linie seit jener Zeit durchgehalten worden. Nun könn ten Sie, Herr Kollege Koch, Mir noch entgegenhalten r Wenn du glaubtest, daß dieser Weg -um Ziele führt, war cö dann nötig, darüber hinaus andere Bedingungen ein- zugehen. Meine Damen und Herren I Es ist kürzlich» und zwar in einer meiner Partei,nahestehenden großen deutschen Zeitung, dem Zweifel Ausdruck gegeben wor den, ob bei einem Fehlen der deutschen.Initiativ« mit einem einseitigen Zusammengehen der Alliierten ge gen Deutschland zu rechnen gewesen.wäre. Ties« Frage wird restlos gar nicht geklärt werden können? wenn aber der Herr Kollege Koch davon sprach, daß ein Volk in der Außenpolitik zu den Führern Vertrauen haben müsse, dann kann man doch auch dem Amt, da» nun einmal dazu bestimmt ist, die Weltvorgänge zu be obachten Glauben schenken, wenn e» zu der Ueberzeu- gung gekommen ist: es war Zett für ein deutsche» Ein greifen, wenn nicht ein einseitiges Eingreifen der an deren Seite gegen un» erfolgen sollte. Ich darf zum Beweise dafür auf die Präambel zum Vertrag von Lo carno Hinweisen und auf jenen Artikel 31 de» Versail ler Vertrages, der un» zwang, alle» anzuerkennen, wa» die Alliierten etwa beschließen würden, um ihrerseits an die Stelle der aufgehobenen belgischen Neutralität neue Verträge zu setzen. TaS verbreitetste französisch« Blatt ! brachte, als Locarno zu Ende war, zum Ausdruck: Hät ten hie Deutschen sich in Opposition begeben, wäre Pi« Paraphierung nicht von allen Nationen erfolgt, wär« Herr Briand trotzdem nicht mit leeren Händen nach Paris gekommen, sondern dann hätten sich die alliierten Nationen unter sich geeinigt. .Wenn man in der Prä ambel den Gedanken deS Artikel» 31 wieder auftauchen sieht, in einer von der änderen Sette porgebrachtvn Formulierung, dann sieht man doch jedenfalls darau», daß, solange das Sicherheitsbedürfnis Frankreichs, mag man von unserer Seite aus zu ihm stehen^ wie man will, nicht befriedigt ist. solange Frankreich einen Restan spruch auf eine zusätzliche Sicherheit geltend macht«. und Vblk sei in dem Vertrag nicht enthalten. Als eine notwendige Folge der Verträge erachtet die Partei die Befreiung der zweiten, und dritten .Besat zungszone und bedauert, daß die volle Freiheit d«r deutschen Verwaltung im besetzten Gebiet nicht erreicht worden ist. Darauf erklärte namens der Deutschen Volkspartei der Abg. Scho lz ebenfalls die Zustimmung zu deml Ver tragswerk von Locarno. Wertvoll sei e», daß die Ver träge von Locarno auch eine fühlbare Erleichterung für das Rheinland bringen, doch erwartet die Deutsche Volkspartet von der NeichSregierung, daß sie Wetter an° diesem Gebiete eifrig tätig sein werde. Eine Anerken nung der KrtegSschuldlüge sei durch den Vertrag vo V Locarno nicht erfolgt, .doch wird die NeichSregierun g aufgefordert, beim Eintritt in den Völkerbund erneu I den deutschen Standpunkt in dieser Frage. darzulegen I Am Schluß seiner Rede wandte sich Dr. Scholz g« I gen die Deutschnationalen. Stürmische Heiterkeit ries! er hervor, al» er sie bat, die in den Berliner Straßen? bahnen jetzt angebrachten Bitten und Warnungen zu beherzigen, wobei er insbesondere zwei von diesen Sät zen zitierter „Spring nicht ab während der Fahrt" und „Nimm Rücksicht auf andere". Mess Mahnungen wurden selbst von den Deutschnationalen mit lebhafter Heiterkeit ausgenommen, die stöh allerdings sofort in große Unzufriedenheit verwandelt«, als dev Redner sich allen Ernstes für die Zukunft verbat, daß den Anhän gern de- Vertrage» von Locarno in der peutschnatto- nalen Press« die vaterländisch« Gesinnung abgesprochen werd«. Dann kam der Kommunist Thälmann zu Wort, der erklärte, sein« Partei würd« freudig dem Vertrag von Locarno »ustinnnen, wenn «r wirklich der interna tionalen Arbeiterschaft «in« Besserung ihre« Loses und dis national» griiheü hrächt». gangen sei. Vielleicht — so habe ich den Herrn Vor-- redner verstanden — hätte man dann bet einem Eintritt in den Völkerbund alle diejenigen Fragen lösen können, die unter so großen Schwierigkeiten von dem.Februar memorandum an bis zum heutigen Tage zum Pakt von Locarno geführt haben. Mir liegt daran, gegenüber dieser Fragestellung folgendes festzustellen: Aus der Tagung de» Völker bundes im September vorigen Jahre» ist allerdings ein Appell an Deutschland ergangen, dem Völkerbund betzu treten und zwar ist dieser Appell erhoben worden, von dem Ersten Minister Englands, von Herrn Macdonald. Dieser Appell ist damals der deutschen Negierung ganz überraschend gekommen, da gar kein Zweifel vorliegt nach den Erklärungen, die die damaligen drei Londoner Delegierten - Marx, Dr. Luther und ich — übereinstim mend abgegeben haben, daß unsere Erwartungen, bei unserem vterzehntägtgen Aufenthalt in London, irgend eine Andeutung über den Wunsch ve» Eintritt» Deutsch lands in den Völkerbund, nicht in Erfüllung, gegangen ist. Aber, Herr Kollege Koch, die damaltD deutsche NeichSregierung ist dieser Anregung, al» st« kam, sofort nachgegangen. Sie werden sich der Zett erinnern, da Herr Nansen bet dem Herrn Reichskanzler Marx in Sig maringen erschien. Die damaligen.Anregungen haben ja auch zu einem Dokument geführt, das heute noch im Mittelpunkt d«r Politik steht, nämlich zu dem September- Memorandum an den Völkerbund, worin wir dargelegt haben, unter welchen Gesichtspunkten wir im Völker, bund mitzuwirken wünschen. Ta» Entscheidende an die sem Memorandum war zunächst die Erklärung der grundsätzlichen Bereitschaft Deutschland» zum Eintritt in den Völkerbund, die hier klar und deutlich ausge sprochen wurd«. weiter war aber von Bedeutung, da schon damals für un» die Fragen auftauchten, die jetzt den Gegtnstand so heftig»k iiämpf» im d»utsch»n von- die ihm sowohl der englische Ministerpräsident wie die Führer der englischen Opposition durchaus zuerkannt hatten, über uns stet» das Damoklesschwert einer .sol chen einseitigen Regelung geschwebt hätte. Wenn man unter diesen Gesichtspunkten den Versuch betrachtet, diese einseitige gegen pnS gerichtete Politik umzuwandeln in ein Gegenseittgkeitsabkommen, das auch einen Gegon- seitlgkettSschutz in sich schlösse, wird man v» objektiver beurteilen, als e» vielfach heute geschieht, wo ich oft! die Empfindung habe, als wenn man nicht Vergangene» und Gegenwärtiges miteinander vergleicht und -bwägtz sondern lediglich die Frage stellt: WaS ist an Unerträg lichem in der Gegenwart noch übrig geblieben? Da» ist unzweifelhaft unendlich viel? aber die Abtragung die se» Unerträglichen wird auch die Aufgabe einer Politik von Jahren, einer ganzen Zukunft-Politik de» deutschen Volke« und de» Deutschen Reiche» sein müssen. lEehr richtig! in der Mitte und link».) Ich darf etngehen aus di« Einwendungen,, die heute Graf Westarp in seinen durchaus auf sachliche» Kritik beruhenden Au»führung«n zu dem gemacht hat, was er als Grundlage de» ganzen «ertrage» ansah, waKauch unzweifelhaft die Grundlage de» ganzen vertrage» ist, nämlich die Frage der Sicherung der Grenz« im Westen. Wenn ich Graf Westarp recht verstanden hab«, so hat er gesagt, er anerkenne durchaus die Auslegung der deut» schon NeichSregierung. Etwa» «ehnliche» la» ich gestern auch in einem großen Blatt, da» sonst di« Politik der Negierung am gehässigsten bekämpft, imBerlin«« Lo- kalanzeiger". Ab«r er wie» darauf hin, die Aukegung der anderen Seit« sei «in« ander». Sein» Freund» uw, terbrachen den Reichskanzler, al» er gestern »Mirt», ihm sei nicht bekannt, daß von autoritative» «rite di» D^gs and»,» äMM-t würden al- dsi UN-.