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/wer Tageblatt 20. Jahrgang Sonntag, cken 22. November 1S2S Nr. 271 Kabinett Luther tritt nach -em 1. Dezember zuriiS la" rt Weltkriege von den worden sind. Ver« besonders durch die Landkriegs", für den die Behandlung der wonach der Recht auf sich Italien berief) auch den Rechts- Bcrlkn, 20. November. Wie der „Vorwärts" mittelst, hat Reichskanzler Dr. Luther bei dem heutigen Empfang der Parteiführer erklärt, daß das Reichskabinett nach der Unter zeichnung des Vertrages von Locarno in London dem Reichs präsidenten seine Gesamtdemission unterbreiten werde. Die neue Regierung müsse so gebildet werden, das; sie auch inner lich zu dem neuen internationalen Vertragswerk steht. Der Reichskanzler hatte heute vormittag zunächst die Vertreter der Sozialdemokraten und der Demokraten, sodann die Führer der Regierungsparteien empfangen. Jnnerpolitische Fragen wurden bei diesen Besprechungen nicht angeschnitten, es wurde über die Grundlage der Mehrheit für die Gesetze über den Locarnovertrag und den Eintritt Deutschlands in den Völker bund verhandelt, die teilweise bereits im Gange, zum anderen Teil noch in Vorbereitung sind, ein wichtiges Verhandlungs instrument. Tmrch die mit Italien erzielte Einigung über wichtige landwirtschaftliche und industrielle Er zeugnisse ist eine sichere Grundlage für die Verhandlun gen mit anderen Ländern geschaffen, die an einer ver träglichen Regelung dieser Fragten gleichfalls starkes In teresse haben. Es ist zu hoffen, daß die in dem vorlie genden Vertrag getroffenen Zollabreden auch unsere Verhandlungen mit anderen Staaten wesentlich erleich tern werden. Ter Vertrag stellt sich im ganzen als eine Siegelung dar, bei dem Deutschland aus dem langen und zähen Ringen als völlig gleichberechtigter Vertragsgeg ner hervorgegangen ist. Die Reichsregierung hofft, daß der Vertrag in der Ihnen vorliegenden Form nicht nur dazu Beiträgen wird, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien enger und reger zu ge stalten, sondern auch auf politischem Gebiet die beiden großen Völker einander näher zu bringen. Auch aus diesem Grunde legt die Reichsregierung entscheidenden Wert auf eine möglichst rasche Verabschiedung des dem Hause vorliegenden Gesetzentwurfes. Im Zusammenhang mit meiner Bitte uM beschleu nigte Erledigung des Handelsvertrages mit Italien bitte ich auch noch zwei Punkte der morgigen Tages ordnung des Reichstages vorweg berühren zu dürfen. Es handelt sich um zwei andere Tarifabkvmmen, die kürz lich abgeschlossen sind, nämlich das Uebcreinkommen vpm 3. Oktober 1925 zwischen dem Deutschen Reich und der ^Republik Oesterreich zur Regelung einzelner Zollfra- igen sowie um das vorläufige Zollabkommen vom 6, November 1925 zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz. Vie erste Neichstagssttzung. — Ne-e Stresemanno. Berlin, 20. Nov. Der Reichstag trat heute nach mittag nach längerer Pause wieder zusammen. Auf der Tagesordnung steht als erster Punkt die erste und zweite Beratung des deutsch-italienischen Handelsver trages. Neichsaußenminister Dr. Stresemann führte in Begründung der Vorlage u. a. aus: Bevor das Haus in Beratung des Gesetzentwürfe» Mer.den Handels- und Schißsahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Italien und die Verlängerung des vorläus gen deutsch-italienischen Handelsabkommens eintritt, möchte ich mir einige einleitende Worte gestat ten. Aus der Tatsache, daß der vor nicht ganz drei Wo chen abgeschlossene Vertrag bereits heute dem Reichs tag zur Beschlußfassung vorliegt, mögen Sie ersehen, welchen Wert die Rcichöregierung auf die rascheste Ver abschiedung des Gesetzentwürfe» legt. Der Vertrag ist der erste große Vertrag mit umfangreichen Zolltarif abreden, der nach dem Inkrafttreten der Zolltarifnovelle geschlossen worden ist. Bet den Beratungen dieser No velle ist von der Reichsregierung wiederholt erklärt wor den, daß die darin enthaltenen Zollsätze im Wege von Handelsvertragsverhandlungen herabgesetzt werden sol len. Tas Ergebnis der deutsch-italienischen Verhand lungen, das Ihnen heute vorliegt, hat gezeigt, daß die Zollnovelle ein brauchbares Instrument für Handels- Vertragsverhandlungen ist. Auf landwirtschaftlichem Gebiet ist es gelungen, und das verdient bei Verhand lungen mit einem landwirtschaftlich so stark interessier ten Lande wie Italien besonders hervorgehoben zu wer den, eine zu weitgehende Senkung der Zölle, durch die; die einheimische Produktion bedroht wurde, zu verhin dern. Ich verweise hier insbesondere auf die Regelung der heiklen Weinfrage, bei der dem. Schutzbedürfnis des notleidenden deutschen Weinbaues in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden ist. Auch auf indu striellem Gebiet, wo die Wünsche Italiens sich auf einige Gebiete beschränkten, ist es gelungen, die wesentlich wei tergehenden Wünsche der Gegenseite abzuwehren. Wenn bet einzelnen Positionen, wie bei der Kunstseide, hier bis an die Grenze de» für die deutsche Industrie noch Erträglichen gegangen werden muhte, so waren diese Zugeständnisse notwendig, um ein Scheitern des Ver trages zu verhindern. Von den von Italien gemachten Zugeständnissen können wir als sachlich wie handelspoli tisch wichtigstes Ergebnis die Gewährung der unein geschränkten Meistbegünstigung buchen. Damit ist dem Kon der deutschen Handelspolitik stet- verfolgten Grund satz, daß deutsche Waren im internationalen Güteraus tausch mit den Erzeugnissen anderer Staaten zu gleichen Bedingungen in Wettbewerb treten müssen, erneut zum Stege verholsen worden. Die sachliche Bedeutung die ses Ergebnisses liegt darin, daß Deutschland, nachdem eS durch die Bestimmungen de- Versailler ^Vertrages jahrelang einseitig di« Meistbegünstigung gewähren mußte, ohne seinerseits in den Ländern der alliierten und assoziierten Mächte den übrigen Staaten gletchge- stellt zu sein, nunmehr in vollem Umfange gleichberech tigt diesen Staaten zur Sette tritt. Das bedeutet im Handelsverkehr mit Italien für die deutsche Au-fuhr den Benutz der zahlreichen Zollcrmäßigungen, die Italien in sieben Tarifverträgen anderen Ländern bereits zuge standen hat. Darüber hinaus sind für wichtige deutsche Industrien Zollzugeständnisse aus eigenem Recht erstrtt- ten worden, die zusammen mit den sich au» der Meistbe günstigung ergebenden Vorteilen «ine Verbesserung der deutschen Handelsbilanz gegen Italien erhoffen lassen. Die Bedeutung de» Vertrage« erschöpft sich aber nicht in der Regelung der handelspolitischen Beziehungen zwi schen Deutschland und Italien. Der Vertrag bildet viel mehr für die gesamte deutsch« Außenhandel-Politik und di» zahlreiche» weitere» Hündelsdertragiwerhandlungen, für sind entsprechend getroffen worden, und ich möchte deshalb meine Bitte, um möglichst umgehende Verab schiedung des Handelsvertrages mit Italien schon heute dahin ausdehnen, daß ich bitte, auch die Beschlußfassung über die genannten beiden Abkommen mit Oesterreich und der Schweiz so zu beschleunigen, daß eS möglich ist, sie gleichzeitig mit unserem Handelsvertrag mit Ita lien in Kraft treten zu lassen. Mit Oesterreich haben wir bei Abschluß des Tarifvertrages vom 12. Juni 1924 vereinbart, daß die damals auf unseren Wunsch osseugebliebenen Zolltarifpositionen für landwirtschaft liche Erzeugnisse nach Inkrafttreten der deutschen Zoll tarifnovelle in einem besonderen Ergänzungsabkommen geregelt werden sollen. Diese Verhandlungen haben kürzlich bereits begonnen. Sowohl wir alS auch Oestor reich hatten aber den Wunsch, einige ganz besonders dringliche Zollfragen schon vor Abschluß der jetzt schwe benden Verhandlungen zu regeln. Aus diesem Grund ist das erwähnte Uebereinkvmmen vom! 3. Oktober d. I getroffen worden. In diesem ist einerseits durch eine ! Herabsetzung der deutschen Zölle für Rindvieh, das zu Nutz- und Zuchtzwecken aus dem österreichisches Grenz gebiet in die bayrischen und württembergischen Grenz gebiete eingcführt wird, die Möglichkeit gegeben wor den, die durch den Abtrieb des Viehes von den Almen veranlaßten Verkäufe auf Grund von ermäßigten Zoll sätzen abzuwickeln. Andererseits ist eine Erhöhung der in unserem Abkommen mit Oesterreich vom 12. Juli v. I. vereinbarten deutschen Zollsätze für Hanfgarn er reicht worden, eine Regelung, aus die wir uns bereits bei den Handelsvertragsverhandlungen Mt Italien ha ben berufen können. Mit der Schweiz werden wir Zolltarifverhandlungen Ende dieses JahreS oder Anfang nächsten JahreS beginnen. Auch hier Hat sich beiderseits das Bedürfnis herausgestellt, schon vor Abschluß dieser Verhandlungen gewisse Zollfragen vor läufig zu regeln. Auf schweizerischer Seite war dieser Wunsch dadurch hervorgerufen, daß die neuen deutschen Zollsätze für eine Reihe wichtiger schweizerischer -Aus fuhrartikel die schweizerische Ausfuhr nach Deutschland stark behinderten. Auf deutscher Seite bestand einmal der Wunsch, möglichst bald einige Einfuhr hindernde Zollsätze des schweizerischen Gebrauchstarifs von 1921 herabgesetzt zu sehen, andererseits die deutsche Ausfuhr vor evtl. Auswirkungen de» kürzlich veröffentlichten schweizerischen vorläufigen Grenzzolltarif» möglichst weitgehend zu sichern. Aus diesen Gründen ist das! vor. läufige Zollabkommen vom 6. November geschlossen worden in dem die deutschen Zölle für eine Reihe wich tiger schweizerischer Ausfuhrwaren ermäßigt worden sind und indem andererseits von 1921 herabgesetzt und eine größere Anzahl von Sätzen diese» Tarif», die in dem neuen Tarif erhöht worden sind, uns gegenüber gebunden hat. Die Bereinbarüngen über die deutschen Zollsätze im österreichischen und im schweizerischen Abkommen betref fen zum Teil dieselben Waren, Wer die auch im Han delsvertrags mit Italien Abreden getroffen worden sind. E» erscheint daher dringend erforderlich, um Reibungen in der Praxi» zu vermeiden, daß di« ZoNzugeständniss«, die jpir in den drei genannten Verträgen gemacht ha ben, gleichzeitig in -rast treten. Vorbereitungen hier. Abgrenzung des polnischen Nunltionsörpots - auf öer wefterplatte. Genf, 20. Nov. Ter Präsident de» Danziger Ha senausschusses hat nach einer Mitteilung de» Obertom- nrtssars des Völkerbundes in Tanzig an den General sekretär des Völkerbundes einen Entscheid über die bis her strittige Abgrenzung des polnischen Munittonsde- pots auf der Westerplatte gefällt, vor dessen Erlaß die Ansicht de Romazzos al» Sachverständigen eingeholt worden war. . > 1 Schlagworte äes Völkerrechts. Bon Professor Dr. Ed. Heilsron, Geheimer Justiziar. (Schluß.) Viele Staatsverträge sind nur für Friedenszeiten be- stimmt, z. B. die Handels- und Niederlassungsverträge, die Zollverträge, durch welche der selbständige („autonome") Zoll, tarif eines Landes zugunsten eines Bertragslandes verändert wird. In solchen Verträgen findet sich auch vielfach die „Meistbegünstigungsklausel", wonach jeder Vertragsstaat an den Vergünstigungen teilnimmt, die später in anderen Ver- trägen einem anderen Staate etwa -ugestanden werden sollten. Solche auf den Frieden zugeschnittene Verträge stehen unter der, bet der Frage der Aufwertung so viel besprochenen Klau sel der veränderten Umstände (Clausula rebus sic stanttbuS); sie treten also automatisch außer Kraft mit KrtegSbeginn. Andere Verträge sind gerade für Kriegszeiten bestimmt und treten erst in Kriegsfällen in Wirksamkeit. Dazu gehören vor allen: die auf den beiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 beschlossenen Abkommen, deren Vorschriften aber, wie schon eingangs bemerkt, im Fetndstaaten sehr willkürlich ausgelegt letzungen derartiger (für den Landkrieg „Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Seekrieg durch die „Abkommen über feindlichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der „Feindselig keiten", „über die Umwandlung solcher Schiffe in Kriegsschiffe", „über die Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts" usw. getroffener) Vorschriften wird in der Regel mit der Kriegsraison („nocessils de guerre") entschuldigt, durch den Krieg hervorgerusene Notstand, das Selbsterhaltung (der „sacro egoismo", auf den zur Begründung seines Abfalls vom Dreibund das Abgehen von geschlossenen Verträgen und von regeln der Kriegführung (der „Kriegsmanier") gestattet. Der Zug der Zeit geht, im Bewußtsein der verheerenden Folgen eines modernen Krieges selbst für den Siegerstaat, auf die Auffindung von Möglichkeiten zur Vermeidung der Entscheidung von Staatsstreitigkeiten mit den Waffen. Die bisherigen auf den Leiden Friedenskongressen gemachten Ver- suche, einen internationalen Gerichtshof zu schaffen, der, mit Zwangsgewalt ausgestattet, ähnlich tätig werden könnte wie die eingangs geschilderten staatlichen Organe innerhalb eines einzelnen Gemeinwesens, haben zu keinem Ziel geführt. Nun mehr ist durch den ersten Teil des Versailler Vertrages die Bölkerbundsatzung und durch den Vertrag zu Locarno der Versuch erneut ausgenommen worden. Zwei Einrichtungen sind hierbei auseinander zu halten: der Garcmtirvertrag und die SchtedsgerichtSverträge; zwischen beide schiebt sich noch eine dritte Form: der garantierte Schiedsvertrag. Durch den Rheinpakt verpflichten sich die vier Vertragsstaaten Deutsch land, England, Frankreich und Italien, keinerlei gewaltsame Acnderung der Westgrcnzen vorzunehmen. Ferner schließt Deutschland mit Belgien und mit Frankreich und ebenso mit Polen und der Tschechoslowakei SchtedsgerichtSverträge ab, wonach die Staaten verpflichtet sind, „alle Fragen, bei denen die Parteien über ihre beiderseitigen Recht« im Streite sind, in einem schiedsgerichtlichen Verfahren auszutragen" (obliga torisches Schiedsgericht). In den sonstigen Streitfällen (be sonders denen, die die Unabhängigkeit, Unversehrtheit de» Ge biets oder andere höchste LebenSinteressen betreffen oder die von überwiegend politischer Bedeutung sind und sich deshalb für eine Entscheidung nach ausschließlich rechtlichen Grund sätzen nicht eignen) ist ein Vergleichsverfahren vorgesehen. DaS Schiedsverfahren endet mit einem Schiedsspruch, dem die Parteien sich unterwerfen müssen, da» Vergleichsverfahren nuc mit einer Feststellung, die lediglich al» Rat aufzusassen ist. Bei den Schiedsverträgen mit Polen und der Tscheche verlangte Frankreich in Locarno die Uebertragung der Garantie. Da nach wäre Frankreich berechtigt gewesen, bei Streitigkeiten Über die Boraussetzung des Schiedsverfahren» gegen Deutsch land vorzugehen und wieder „Sanktionen", d. h. Gewaltmah regeln, anzuwenden, zu denen e» nach den Westvtrträgen nicht mchr berechtigt ist. p«tte»,tt« für ... Nu« U«««««u» »» au^ »Irtt», N»i«>»«a »5 »,l»pf«»ul„, Nittumi.pittt»«»« »»«Ich» L«M « Vltpfiuulg«. kelegramm», Tageblatt ftu«rzg«blrg». Enthalten- öl» amtlichen vrkaootmachoogra -er k^ate» öer Staöt oaö öe» Amtsgericht» ^iue. P»gschr»'K»ot« »mt LKpztg Nr. iee» LM-- Anzeiger für Sas Erzgebirge