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lin st b» Kranring -s-. Stockholm, 24. Februar. Der schwedische Minister Branting ist heute mittag 12,37 Uhr gestorben. Karl Hjalmar Branting ist nur 64 Jahre alt gewor den. Als Sohn eines Stockholmer Professors am 23. Novern- oer 1860 geboren, war es dem „schwedischen Bebel", wie man den Führer und Organisator der schwedischen Sozialdemo» kratis! im Norden so gern nannte, nicht an der Wiege ge» sungen worden, daß er dereinst berufen sein sollte, die Arbei terschaft politisch zu organisieren und während mehr als ernes Vierteljahr Hunderts ihr unumstrittener Führer zu sein, wenn sich auch um den sungen Studenten, der in Uppsala Studiengenosse des jetzigen Königs von Schweden war, bereits alle die Elemente sammelten, die, mit dem Bestehenden unzu» frieden, sich berufen fühlten, Welt und Dings zu reformieren. Seine Neigung zum Kritisieren war es auch, die den jungen AmmanuensiS des Observatoriums in Stockholm schon früh zeitig der Presse in die Arme trieb, dem die nach sozialistischen Prinzipien geleitete Zeitschrift „Tiden" (die „Zeit") willig ihre Spalten öffnete, deren verantwortlicher Redakteur er bereits mit 23 Jahren wurde. Im Jahre 1887 übernahm er die Redaktion des „S o zia ld em o k rat e n", dessen Mitarbei ter er bereits seit zwei Jahren gewesen war Md der er mit geringen Unterbrechungen während der folgenden 30 Jahre voraestanden hat. Im parlamentarischen Leöen Schwedens machte er zuerst im Folketing von 1803/66 als Führer der- Opposition von sich reden und bat seitdem ohne Unterbrechung der Zweiten Kammer deZ Reichstags angehört. Im Jahre 1913 wurde Branting zum Staatsrat er nannt und übernahm daZ Finanzministerium im damaligen liberalen Kabinett, dem er bis 1917 angehörte. Im Jahre darauf bildete er als Ministerpräsident sein erstes Kabinett, in dem er zugleich das Ministerium des Auswärtigen inne hatte,, das jedoch im Jahre 1920 infolge mangelnder Unterstützung^ der Liberalen gestürzt wurde. Schon im Jahre darauf kehrte das Ministerium Branting zurück und hielt sich trotz der star ken und scharfen Opposition bis zum April 1923, in dem Branting durch den Konservativen Trygger gestürzt wurde, dem er in der denkwürdigen Sitzung „Kampf auf Leben und Tod" ansagte. Die Ablehnung der Tryggerschen Heeresvor- lage im Sommer 1931 und die dieser folgenden Neuwahlen brachten ein drittes Kabinett Branting ans Ruder, das frei lich außer seinem Chef und dem Finanzmtnister Thorson be deutend schwächer ausfiel als die beiden ersten Brantingschen Reairrungen und sich infolge der bereits Anfangs Oktober be merkbar machenden Krankheit des Ministerpräsidenten in der Hauptsache ohne diesen behelfen mußte, wenn auch die Richt linien für die Haltung der Regierung bei den parlamentari schen Beratungen, wie die Regierung im Januar selbst mit- teilte, noch von Branting selbst aufgestellt werden konnten. Seit 1921 gehörte Br.rnting als Vertreter Schwe. denS der Dblkerbundsversammlung an. in dessen Rat er im Jahre 1922 delegiert wurde. Lei der Neu. Wahl der beiden Mitglieder des Völkerbundsrates im Jahre 1923 wurde er für die beiden nächsten Jahre mit grober Mehrheit wiedergewählt, konnte jedoch an den im Oktober beginnenden letzten Verhandlungen bereits nicht mehr teil nehmen, mußte sich vielmehr bei diesen durch den Außenmini ster Unden vertreten lasten. E!n grlrchisch-MslawlfNes Sünönls. Belgrad, 24. Februar. Zwischen Südslawien und Griechenland ist ein neues, gegen die Türkei gerichtetes Ab- wehrbündnis geschlossen worden. Das Bündnis ist von Wich tigkeit, da Serbien noch nicht den Friedensvertrag mit der Türkei unterzeichnet hat und Griechenland sich dadurch die volle Mitwirkung SüdslawienS im Falle eines Krieges mit der Türkei sichert. . . . Die britisch« Regierung billigt das Abkommen, daS ihrer Ansicht nach da» Gleichgewicht auf dem Balkan aufrecht er- halten und ein Gegengewicht gegenüber der Türkei und Jta- kisv bilden wird. Linder über Sie imieraeittM SemeiWakt. VnMlich de» Banketi» de» ReichtzderbandeS der Wutschen Presse 'tut Hotel Esplanade in Berlin führte Reichskanzler Dr. Luther in feiner Erwiderung auf eine Begrüßungsansprache au», die Regierung habe zum Volke einmal den ju ristischen Weg, der durch die Verfassung gegeben fei, dann aber auch den Weg, der ganz unmittel bar berühre Mit der Wirklichkeit in Volk und Land. In diesem Sinne sei seine Rundreise durch Deutschland in den letzten W'vHen lehrreich gewesen. Sie habe ihm Gegensätze wst Zusammenhänge gezeigt. Ab- schlitz und dieser Rundreise sei der heutige Übend, an dem L>,r .jänze deutsche Presse versammelt sei. Die. Presse, so führte der Reichskanzler aus, ist die große Mittlerin zwischen Regierung und Volk.. „Ich bin ge- logentlich gefragt worden: Was versteht ihr eigentlich Unter sachlicher Politik. Mit dem Worte sachlich« Po-- litit ist nch» andere» gesagt als die»: Wir wollen als Regierung den pflichtmäßigen Standpunkt jeder Regie- ru rg, die ohne irgendwelche Ablenkung nur auf da» Gan.e sieht, mit aller Kraft und ohne Rücksicht auf die Parteistellungen durch usühren versuchen. Unsere Po litik ist eine Politik der Synthese, der Zusammenfas sung, und damit der Gewinnung eines neuen Stand punktes zum Wetierooranschreiten de» Volkes. In den großen Fragen der Außenpolitik gibt es kaum Gegensätze und in ihrer praktischen Entwicklung findet sich da deutsche Volk in außenpolitischen Tiingen zu dessen all- verneinen Richtlinien immer wieder zusammen. Wir wollen alle glS Ziel ein deutsches Vaterland, gesund und stark nach außen und innen. Wir müssen «S auf bauen und wir wollen es aujbauen unter Berücksichti gung und unter Begründung auf die geschichtlich gege benen Tatsachen, aus denen da» deutsch« Volk zusanv' mengewachsen ist. Ein Gegensatz in reiner Form ist nirgends vorhanden, auch nicht zwischen Individualis mus und Sozialismus. E» gibt keinen Sozialisten, der nicht die starken 'Kräfte des Individualismus anwenden will, der nicht Pen Tüchtigen an die Stelle führen wilL wo er wirken kann. Es gibt auch keinen Individualis mus, der nicht weiß, datz große Bande, die der sozia listischen Denkform entspringen, in, Sraatsfragen leben dig werden müssen. Auch in den großen Gegensätzen der Weltanschauungen handelt es sich um ein Neben- einanderleben. Hier hat die Politik die Aufgabe, daß dis Weltanschauungen miteinander im Frieden ringen können, jede um ihre innere Steife, und in «besonn vor« im Wettbewerb zwischen den beiden christlichen Konfessionen stkutz dafür gesorgt werden .daß di« tzeMetnsamen groben Ge danken de» Ehristentum» zu starker .Aus wirkung kommen. Die schwerste Aufgabe für die Presse, so führte der Reichskanzler au», liegt darin, wo wirklich unser Volk in starken Gegensätzen einander ge- genübersteht. auch dem Standpunkt des ande ren die erforderliche Gerechtigkeit zuteil werben zu lassen. Die doktrinäre Zuspitzung etwa Mischen Zentralismus und Föderalismus steigert stets den Gegensatz und hemmt die sachliche Entwicklung. Wir widerstreben solchen doktrinären Zuspitzungen, und ich habe neulich wach meinem Münchner Besuch mit Be hagen gelesen, daß man ganz zufrieden war mit dem was ich gesagt habe, obwohl man nicht glaubte, mich als einen Föderalisten in Anspruch nehmen zu sollen. Tie große Gefahr Ist die, daß, in den Parteiprogrammen die doktrinären Zuspitzungen ein Uebermatz von Bedeutung gewinnen und patz auf diesem Wege Hypothesen auf ein mal eine Macht werden, die nicht bindet, sondern,,zersetzt Da» ist im Partetdenken bi» zu einem gewissen Grade unvermeidlich, wird aber bet uns durch die politische Einrichtung der Verhältniswahl unterstrichen, tu der sich notgedrungen der NaMpf um Grundsätze abspielon mutz. To andere« abnormen Verhältnissen können sich hie Parteien nicht mehr zu starkem Handeln entschließen- und dann entstehen jene Ermächtigungsgesetze, wie wir st« in Mei.Beispielen vor uns gesehen haben. Latz dies« Ermächtigungsgesetze in der Stunde der höchsten Not zustande kamen, war ein Beweis für die Kraft de» Reichstag», aber auch dafür, daß unter Umständen da» Parteipolitische im Leben des Volke» ausgeschaltet wer- den mutz. Di» Ermächtigungsgesetze waren auch nicht etwa eine Verleugnung unserer republikanischen Staats- MM, und ich habe schon damals daraus htngewiesen, jzatz da- Vorbild «Her Republiken, die alte römische Republik, für da» Ermächtigungsgesetz «ine ganz stereo- thpe Formel hatte, nämlich da» vtdeant eonsule». Uw» rum bi« tzrstzen Ausblick« und di, «roßen AWK 8» riSML i«M dnria, daß Tlckeka-Prozetz. Gewaltsam« Entfernung «in«« verteidig««,. _ ' Leipzig 24. Februar. Der 11. BerchandlungDtag brachte einen schweren Konflikt Mischen dem Vorsitzenden Dr. Niedner und den für die KPD. tätigen Anwälten. Der Präsident bezeichnet ein« Frag«, die Recht-anwatt Dr. Samter an den Angeklagten Szon gerichtet wissen will, alS den letz ten Vereinbarungen über die Befragung widersprechend. Ter Verteidiger erklärt nun, e» handle sich nicht UM eine Frage, sondern um einen Vorhalt, den er in recht- mähiger Ausübung seine« Mandat» zu machen habe. Darauf wird ihm vom Vorsitzenden da» Wort entzogen Rechtsanwalt Dr. Wolfs bittet den Vorsitzenden namens der KPD.-Bertetdiger, ihm Gelegenheit zu einer kurzen Aussprache zu geben. Da T«. Niedner die» ver weigert, verlas en die bezeichneten Anwälte ohne Ge- Nehmtgung den Saal, und dein Vorsitzenden bleibt nicht» anderes übrig, al» die Sitzung auf eine Viertelstunde zu unterbrechen. ! > Nach längerem Warten will der Vorsitzende namen» de- Gerichtshofes, der mittlerweile wieder seine Plätze eingenommen hat, mit, er hab« die Herren ausfor dern las en, sofort wieder zu erscheinen, widrigenfalls er ohne sie die Verhandlungen fortsühren werd«. Tte Sezessionisten erscheinen endlich wieder. MS ihr Sprecher erbittet Justizrat Dr. yränkl vom Präsidenten dis Erlaubnis, eine schriftlich, fixierte Erklärung zu ver lesen. Dr. Riedner "nmcht den. Vorbehalt, datz diese Er klärung keine Kritik an der BerhandlungSleitung ent halten dürfe, und der Reichsanwalt betont, daß die Ab gabe einer Erklärung Po« der angedeuteten Art straf- prozessual unzulässig sei. ' , > Nach weiterem Wortwechsel zieht sich her Gerichts hof zurück. Da» Ergebnis seiner Beratungen ist ein Ge richtsbeschluß, der da» Ersuchen um Genehmigung zur Abgabe einer Erklärung verweigert. Nun springt Dr. SaMter auf und schreit; „Vie wollen der Wahrheit den Mund verschließen!" Vorsitz ender: „Wenn Sie noch einmal eine der artige Bemerkung machen, werd« ich Ahnen gegenüber die Maßregeln ergreifen, zu denen der Gerichtshof durch Notwehr berechtigt ist!" Dir. Samt er; ,M« Notwehr ist ganz qus feiten der Verteidigung!" ' Rechtsanwalt Dr. Wolff beantragt, vor der Ber- nchmung zur Sache die von ihm vertretenen Angeklag ten jeweils darüber 'zu hören, wie die Untersuchung» Protokolle bei ihnen zustande gekommen seien., Durch dis bisher angewandte Praxis fühlten sich sein« Klien ten in ihrer Verteidigung derart beschränkt, daß sie mit dem Gedanken Umgingen, alle wetteren.Aus sagen zu verweigern, falls hier kein« Milderung etntreie. Auch dieser Antrag wird durch, Gerichtsbeschluß abgelehnt. ' > > > . Ter Hergang de» ganzen Streite» wird voM Präsi denten dem GerichtSschreiber MM Protokoll diktiert. Au» stizvat Dr. Fränkl bemerkt, datz er um der Verhandlung willen die Darstellung Lr. Niedner» trotz einiger Un genauigkeiten nicht beanstande. Dafür verursacht aber Tr. SaMter sofort eine neue Explosion. -Er erhält wunschgemäß das Wort M einem Antrags schickt sich dann aber an, eine Erklärung zu verlesen, die Mts den Worten beginnt: „Die nachstehend bezeichneten Ver teidiger haben sich . . ." Der Vorsitzende entzieht ihm das Wort und tut die«, da die erste» Aufforderung wir kungslos bleibt, noch ein Mette» und dann, ein dritte» Mal. Samter redet Wetter, und so bleibt dem Gericht«. Hof nichts anderes übrig, al» seinerseits den Saal zu verlassen, worauf nun Samter da» Schriftstück dem Ge richtsschreiber überreicht. Nach Wiederaufnahme der Sitzung wird der Ver teidiger ausgefordert, sich ba» Dokument wiederzuholen. Er weigert sich- und fügt eine neu« Provokation hinzu^ indem er dem Protokollführer ein Mette» Schriftstück überreicht. ' Vorsitzender; «echt-anwalt SaMter, kraft meine»Hau»r«cht» fordere ich.St« aufs, den Saal zu verlasse«. Dr. Samter; Ich Word« den Saal picht verlas sen, weil ich lm Interesse meiner Klienten mein Man dat pflichtgemäß .auszuüben hab«. > _ ! 1 Der RetchSanwalt stellt fest, datz, Dr. Samter durch sein Verhalten ha» Recht verwirkt hab«, Wetter in der vorliegenden Sach« al» Verteidiger zu fungiere» Nach abermaliger Weigerung Samter», der Lust forderung Dr. Niedner» Folge zu leisten, rüst dieser; .Herr Rechttonwalt Samter! Kraft meine« Amt«» al» Vorsitzender d«» «taavgerichtthost* fordere lchHW zuM letzt»» Mal» auf, den Vaal zu verl«fstn!".U> Davvr «in Leben wie unser jetzig«» «n» ununterbrochen neue Aufgaben stellt. Me Fortschritte der Technik haben eine ganz andere Gestaltung des sozialen Leben» hervorgerufen und die sozialen Aufgaben sind ungeheuer. Andere große Fragen erwachsen aus den Fortschritten de» Ver kehr», dessen Entwicklungen 'für die riächsten zehn Jahre gar nicht abgesehen werden können und die die tiefsten Rückwirkungen auf Vie politischen Gestaltungen Deutsch lands, Europa» und vielleicht der ganzen Welt haben werden. Aber im Mittelpunkte steht die große Aufgabe, die uns nun einmal durch den unglücklichen Ausgang des Weltkriege« geworden ist, die uns dadurch geworden ist, datz wir auf ganz neuen Wegen einen Wiederauf- stieg unseres Volke» durchführen müssen. Hier sind wir alle im Ziele einig. Wir wollen «in starke», wir wol len ein gesunde» Deutschland, da» seinen Platz wieder in voller Gleichberechtigung und in voller Anvrkerr- nung im Kreise der Völker einnimmt. Der Reichskanzler schloß rnit einem von d«r Der- sammlung begeistert ausgenvmmenon Hoch auf das deut sche Vaterland, an da» sich der Gesang de» Deutsch landliedes anschlotz. WW Donnerstag, cken 2S. Februar IS2L Dr. 48 Anzeiger für öas Erzgebirge amUIch» I.U. I« OAMslmUßi, «a,«Statt ft°en»'dirg». Euthalteaö öl» amtliche« Sekaaatmachoagra -«» Not»« -tt Staöt «aö -es Amtsgericht« Mm. p.chch«--x«at», ft». Nr. 11«