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Nr. 291 Sonntag» äen 14. Dezember 1924 19. Jahrgang /luer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge I rag,blatt flu«rzg,btkg». Enthalten- -le amtliche« Sekanntmachungen -es Nate» -er StaSt UN- -es flmtsgerlcht» flue. p.st5»xk'K»iue' flm r*i»te o». Iss» Vie pmeiwrer beim keichrkan)Ier. Marx erneut gegen den Siirgerblodr. — kln Kabinett rerckenkeia? Berlin, 12. Dezember. Der Reichskanzler hat l>eute um 11 Uhr vormittags die Führer der Koalitionsparteien crnpfangen. Es waren erschienen für die Deutsche Volkspartei Scholz, Zapf und Curtius, für das Zentrum Stegerwald, Peter Spahn und Becker-Arnsberg, für die Demokraten Koch und Erkelenz. Bei der Besprechung des Reichskanzlers mit den Führern der Kvalitionsparteleu legte der Kanzler eingehend die Gründe d«, warum er für seine Person die Bildung 'einer BürgerbloLregicrung ablehnc, und machte daun den Parteiführern Mit teilungen über die bisherigen Verhandlungen des Kabinetts, dir zu dem bekannten Rücktrittsbeschlusj gesiiyrt l>aben. In der Aussprache lehnten die Demokraten eine Beteiltgung an einer Rechtsregierung einmütig ab. Der volkspartet- liche Abgeordnete Scholz teilte nochmals die Entscheidung des Vorstandes seiner Fraktion mit, daß sich seine Partei nur an einer Regierungsbildung auf rein bürgerlicher Grundlage beteiligen werd«. Die Zentrumsführer konnten noch keinerlei Erklärungen für ihre Fraktion abgeben, da die Fraktion erst am Mittwoch nächster Woche zusammentrcten wird. vle Haltung -er Veutschnatlonolen. Reichskanzler Marx empfing gestern nachmittag ge^ gen l/eb Uhr die Vertreter der Toutschnationalen VolM- Partei. Erschienen waren die Abgeordneten Winkler, Hevgt, Graf Westarp und Schiele. Tier Kanzler sFgte den Tieutschnationalen in eingehenden Ausführungen seine persönliche Auffassung über die auf Grund der Wahlen zu befolgenden Richtlinien bet der Regierungs bildung dar. Gr wie» auch bei diesem! Empfang dar auf hin, daß die Wahlen, auch wenn man von der stär keren Wahlbeteiligung absehe, zweifellos einen Ruck nach links gebracht hätten, der eine offenkundige Bestätigung der bisherigen Politik bedeute. Mit Rücksicht auf diese Tatsache halte er eine Bürgerblockregierung außenpoli tisch für untragbar. Der Kanzler teilte den Deutsch nationalen noch formell den Rücktrittsbeschluß des Ka- bine'i.S mi. Tie Dcutschnaiionalen begnügten sich mit der Entgegennahme der Erklärungen des Kanzlers. Sie sind auf die Erwartung des Reichskanzlers, ihm gegen über zu den politischen Fragen Stellung zu nehmen,, nicht eingegangen. Ter Kanzler hat von einer direkten Frage an die Deutschnationalen, wie sie sich zur Regie rungsbildung stellen und welche Politik sie zu treiben i gedächten, zunächst abgesehen. . Vas Zentrum gegen -en Sürgerblock. Berlin, 12. Dez. Wie aus parlamentarischen Krei sen hier verlautet, wurde die Stellungnahme Her Zen«l trumSfraktion des Preußischen Landtages, die sich für die bisherige große Koalition aus Zentrum, Demokraten, Sozialdemokraten und Deutscher Volkspartei in Preußen aussprtcht, in einer gemeinschaftlichen Sitzung, die am Freitag abeno Mit Mitgliedern der NeichStagsfraktivn abgehalten wurde, gebilligt. Wie weiter verlautet, wurde bet dem heutigen Empfang der deutschnationalen Parteiführer beim Reichskanzler nicht die Frage der Re gierungsbildung besprochen, 'vielmehr wurden neben rein technischen Fragen — wie die der Vorbereitung der ReichsiagStagung — einige andere politische Fragen, die der Mtlitärkontrolle und die des Völkerbundes, be handelt. < ! . i ! . ii Graf Lerchenfelö! Deutschland ködert die llsumung von Köln. > Bo-schststerbesuch in Loudon. Genf, 12. Dezember. Das Pariser „Zovrnal" meldet aus London, daß der deutsche Botschafter in einem persönlichen Schritt bei Baldwin am Mittwoch die offiziellen Ansprüche Deutschlands auf Räumung der Kölner Zone am 16. Januar 1425 geltend gemacht habe. Man habe dem Botschafter eine klare Antwort nickck gegeben mit Rücksicht aus den bevorstehen den Bericht der Entwaffnungskommission in Deutschland, von dem auch der englische Standpunkt abhängig gemacht werde. RMdigendrr Stand der Ubriistung Deutschland;. Part», 12. Dez. Auf Grund einer.amtlichen.In* formatipn stellen dte Blätter übereinstimmend fest, daß die Veröffentlichungen der ,Dailh Mail" über eilten an geblichen Bericht der Kontrollkommission an dte Bot* schafterkonferen- und die alliierten Regierungen den Tatsachen nicht entsprechen und außerordentliche Ueber- tretbungen enthalten. Sin Bericht der tkntrvllkomnis. klon istüberhaupt noch nicht verfaßt worden. Die aUi- trnen Regierungen sind über den Stand der Nitstungs- kntrolle in Deutschland kdfgLch durch die lauf en eingestellten Regierung 'verbleiben könnte. Ganz sicher aber würde die Partei nicht in der Lage sein, auf einen solchen persönlichen Abmarsch Rücksicht zu nehmen. DaS Blatt erwähnt den Gedanken, den Grafen Lerchcnfeld an die Spitze einer Nechtsblockregicrung zu stellen und, bemerkt: „Graf Lerchenseld würde in Linern Reichs-! kabinett mit den Deutschnationalen nicht Führer, sondern Geführter sein. Ein Grandseigneur, der bei den treff lichsten persönlichen Eigenschaften so stark wie er jeder politischen Leidenschaft und des rücksichtslosen..aktiven Willens ermangelt, vhne dte im Kampf der.Parteien nichts zu erreichen ist, der kann ganz sicher Außenstehen den für die Haltung einer Regierung unter ^eutschna- tionalem Einfluß keinerlei Sicherheit bieten." Vie nationale Gefahr -es Vürgerblocks. Washington, 12. Dez. Die Schwierigkeiten der deutschen Kabinettsbildung werden hier mit allergröß tem Interesse verfolgt. Dte Bildung des Bürgerblocks wird als ungünstig bezeichnet, jedenfalls als weit un günstiger als Pie Wiederherstellung des Kabinetts Marx in seiner jetzigen Form. Ein Vürgerblockkabinett würde zweifellos hier als monarchistisches Kabinett betrachtet werden, was den Glauben an Deutschlands Friedfertig keit aufs schärfste erschüttern könnte. Die.Folge würde sein, daß wettere Investierungen von amerikanischem Kapital als gefährlich angesehen werden würden. Auch die wirtschaftliche und soziale Struktur'.Deutschlands wird als unstabil betrachtet, sollte die größte und hier als bestorganisiert angesehene sozialdemokratische.Partei tn scharfer Opposition zur Regierung bleiben. Vie Einberufung -es Reichstages. Berlin, '12. Dez. Die Pressemeldungen über eine Einberufung Kes Reichstages für den 22. oder 23. De zember sind falsch Nach einer Mitteilung des Keichs- ministerium'S des Innern kann dte endgültige Feststel lung des Wahlergebnisses erst am 27. Dezember erfol gen. Dieses Endergebnis mnh aber vorlicgen, ehe der Reichstag einberufen werden kann. Montag nachmittag, den 15. Dezember, tritt der Ausschuß für Wahrnehmung der Rechte der Volksvertreter (Ueberwachungsausschuß) zusammen. Er wird sich mit verschiedenen Fragen be schäftigen. Für Tionnersiag, den 17. d. M., ist der Ausschuß für die Personalabbauverordnung elnberu,fen. vierzehntägigen Mitteilungen der Militärkonirollkom- misston umerrichteü Eine hohe militärische Persönlich keit tpklürte dem „Matin", daß, wenn auch Deutschland nicht allen Verpflichtungen vollkommen nachgekommen sei, der Stand der deutschen Rüstungen zu Besorgnissen keinen Anlaß gebe und eine unmittelbare Bedrohung der französischen Sicherheit nicht darstelle. Tiie Ver öffentlichung der „Daily Mail" und das . Echo, das sie in der französischen nationalistischen Presse gefunden hat, entpuppt sich trinner mehr als ein rein.politisches Manöver, .das da- „Oeuvre" al» geheime Brunnenver- gtftung bezeichnet. . > > '' . i> > I ! . > r / England drängt auf Entscheidung in der Kontrollfrage. London, 12. Diez. Der diplomatische Vertreter des „Tiailh Telegraph" verzeichnet eine peinliche Ueberra« schung in hiesigen amtlichen Kreisen über das Borlie gen von Meldungen, über den Bericht der Kontrollkom mission, der sich vielleicht um 4 bi» .5 Wochen aus un bekannte» Gründen verzögere, mit der offenbar der britische Hauptdelegierte tn der Kommission, der in London weilt, nichts zu tun hat. Tiie legale Position der Alliierten in der Kölner Zone werde sehr delikat sein, denn der 10. Januar verstreiche, ohne Daß aus Grund des vorgelegten Berichtes der Kontrollkommission eine Entscheidung in der Räumungsfrage getroffen wor den sei. London bemühe sich daher, rechtzeitige «Vor* leqnng-rr er-telen. ... > Dir llridmagrmbl im Istrir MstsaAfm und die Deuifcvdemolnatea. Bon Alfred vtödauf, M.dM. > Die Partei de« „Totgesaglen", dte nach Inseraten der Deutschen Volkspartei „in doller Auflösung" befindliche deutschdemokrattsche Partei, hat sich im Reich nicht nur behauptet, es .füllen iHv auch von den durch Mrkero Wahlbeteiligung -in-ugekvmmenen SO neuen RetchStag»- lmandateu allein 4 zu; sie hat prozentual ebenso zn- Penommen, wie dte deutsche volkspartei und stärker als dte Deutschnationalen, deren Zuwachs von 7 Man daten noch nicht den dritten -eil de» Verluste» der ihnen nahestehenden völkischen und ,Deut.fchfdztale» (26 Mandate) aus macht. Nur tn vier von den SS Wahl kreisen haben dte Leutschdemokraten eine Stimmenäd- nähme zu verzeichnen. Darunter befinden sich, während der Kreis Leipzig mit einem Plus von 6000 Stimme« abgeschlossen hat, die beiden anderen sächsischen Wahl kreise Dresden (ein Minus von 12000) und Chemnitz (ein Minus von 2800). An Dresden liegt der Grund für den Rückgang wesentlich darin, daß dte Wirtschafts partei, die anderwärts meist schon bet den Maiwahle» in Wettbewerb trat, hier erst jetzt auftauchte. In Chem nitz (Westsachsen) ist der Stimmenrückgang kein einheit licher gewesen. In Zwickau-Stadt und -Land, Chemnitz« Stadt und -Land, Stollberg-Land und einigen Städten, insbesondere Crimmitschau, Ltchtenststtn-Tallnberg, ist eine — teilweise sogar erhebliche — Sttmmenzunahme der Demokraten zu verzeichnen, dem aber Lin stArkemtz Rückgang im Vogtland und obere» Erzgebirge (Stadt und Land Ännaberg) gegenübersteht. Da» Ergebnis für dte Partei Mit dem geringen Minus von 2800 kqm jeden falls nicht überraschend, es stellt sich angesichts her be sonderen Verhältnisse im Wahlkreise al» ein Hreuvolletz Sichbehaupten der Partei dar. Tenn in keinem anderen Wahlkreise ist der Kampf gegen sie mit solcher Heftig keit, Gehässigkeit und Verlogenheit geführt worden, als gerade in Westsachsen. Hatten es im Mai die Deutsch demokraten nur mit den Deutschnationalen und völki schen zu tun, so gesellte sich Kiesen jetzt hie heutjßhO Volkspartei Hinzu. Die Tatsache, daß diese Partei in den Regierungen des Reiches, Sachsen» und Preußen» mit den Te-lnokraten gegen die Deutschnationalen steht, bekümmerte die volksparteilichen OrtSveretn« im Wahl kreise nicht, eS bekümmerte sie. nicht, haß sie, wenn ft» die Demokraten u. a., wie es in Chemnitzer Inseraten geschah, als ^Geschmeiß" bezeichneten, damit jAr eige nes -test beschmutzten, da ja ihr Stresemann tn der Reichsregierung mit Leuten von diesem, .Geschmeiß", mit Geßler und 'Hamm, zusammenstht. GS kam der deutschen Volkspartei zustatten, daß das Bürgertum, speziell tn Sachsen, zum größten Teil noch in den Politischen Kin derschuhen steckt; sonst hätte eine Partei, deren eirtztg feststehendes Prinzip die Grundsatzlosigkeit ist, ehre emp findliche Niederlage erleiden müssen. Neben den Deutschnationalen war dte Volkspartei in der Lage, tn ihrem fast ausschließlich gegen die Demokraten gerichteten Kampfe mit gewaltigen Geldmitteln arbeiten zu können, dte ihr nach ihrer Rechtsschwenkung von der Industrie zur Verfügung 'gestellt wurden. Wer während der WaHl- zeit die auswärtige, z. B. die Liresdner und Leipziger Presse verfolgt hat, dem wird ausgefallen sein, daß dort nicht annähernd bas schwere Jnseratengeschütz gegen die Deutschdemokraten aufgefahren Korden ist wie gerade iM Wahlkreis Westsachsen». Nimmt man Hinzu, daß dte gesamte bürgerliche Tagespresse in Westsachsen Mit ganz wenig Ausnahmen, vor allem die in Chemnitz und Plauen, tn ihrem redaktionellen Teil.weit ^mehr di« ss-sTemokraten bekämpft, als dte Sozialdemokraten und Kvimnunisten, so kann es nur wunder nehmen, wie Pt« Deutschdemokraten im Kampfe gegen eine -solche Urb«- Macht immer noch Wer 85 000 Stimmen im Kreis-.ha ben aufbrtngen können. Nur deshalb, weil Fe über eine»! ansehnlichen Stamm überzeugter Anhänger ver fügen, an denen alle Verleumdungen «prallen; ttsches Treibholz befindet sich nicht bei ihnen. Die deutsch« Volkspartei Hat falsch gerechnet, ..Wenn sie glaubte, auf der Weide der Deutschdemvkraten grase» zu können. Ihren Gewinn von IS200 Stimmen Hatzte ebenso wie die deutschnattonale Partei, nur aus beM Lager der Völkischen (— 81 400), der DeutschsozialeN (— 700) und der Wirtschaftspartet (— tzOOO) gezogen. Die Völkischen sind trotz threS unerhörten Aust tretens im Reichstag«, insbesondere auch gegen iHv. Stresemann, im Wahlkampf von der deutschen Volks partei mit keinem Wort angegriffen worden, nur Pie Deutschdemvkraten haben neben den Sozialdemokraten den Kampf gegen die Ludendorffpartei geführt. Bezeichn nend ist es, daß die au» Bayern nach dem Vogtland und Vestsachsen herüberzetragene Hitler-Ludendorffbe- wegung hier sich noch mit über SO Prozent WatzOa- fkrnde» vom '4. Mai, tn Plauen sogar mit SV.Profit, Lite „Frankfurter Zeitung" schreibt, daß die neuer lichen Versuche, wenigstens Dr. Geßler als Fachmtnister für ein RechtSblockkabtnett zu gewinnen, aussichtslos sein dürften, da Geßler nicht, ohne seiner Partei und damit sich 'selbst untreu zu werden, in einer weiter rechts Das Zentrum hält seine erste Framonssitzung am 17. Dezember 'ab. ' ' > i - ! > i'