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Dienstag, äen 2S. Juli 1S24 Ar. 17S IS. Jahrgang 6 ^luer Tageblatt W-Ls- Anzeiger für öas Erzgebirge MMZ «sprech. flnphluS N». SS. «.el»me.P.Mn^e»«.l»p^nI,e, -ramm,, Lageblatt flueerzgetirge. Enthalten- -le amtllchen Sekanntmachungen -es Kate» -er Sta-t ««- -es Amtsgrrkchts Aue. posisiheck.Konto, ftmt Leipzig«,. ISS». Der Lösung entgegen? Die grobe Flottenparade von Spithead hat vor 10 Jahren «inen entscheidenden Wendepunkt bedeutet. Sie war das Signal nach Petersburg und Paris: Wir sind bereit. Der Krieg war damit eine vollzogene Tatsache geworden. An der gleichen Stelle hat am Samstag wieder eine gewaltige Flottenschau stattgefunden. Ihr äußerer Anlaß war die Ausstellung des englischen Weltreiches. Und wieder scheint sie einen Wendepunkt zu bedeuten. Auf der Fahrt nach Spithead haben zwischen den Premierministern Unterredungen l'attgefunden, die offenbar geeignet sind, die bisher ungelösten Probleme einer etwas rascheren Lösung entgegenzuführen. Noch sind die Dinge dem einzelnen nicht klar und übersicht lich genug, um schon ein Urteil zu fällen. Vielfach ist man nur auf Mutmaßungen angewiesen oder auf Meldungen französischer Blätter, bei denen man nie genau weiß, wo Tatsachen und Wünsche miteinander verschmolzen werden. Besonders der „Matin", der am ausführlichsten über das in Vorbereitung befindliche Kompromiß berichtet, ist eine etwas rrübe Quelle, ist es besonders, wenn wichtige französische Interessen aus dem Spiel stehen. Zwei Fragen waren es vor allem, die in der vergangenen Woche die Teilnehmer der Konferenz mit ernsten Sorgen erfüllte: dt« Frage der Sanktionen und die Einladung an Deutschland, voll berechtigt an den weiteren Verhandlungen ttilzunehmen. Herriot, der immer sehr ängstlich nach Paris sieht und auf seinen Vorgänger Poincare größere Rücksichten nimmt, als für die Konferenz wünschenswert ist, hat sich durch einen juristischen Unterausschuß bescheinigen lassen, das die Einladung an Deutschland aus dem Versailler Vertrage mit unbedingter Bestimmtheit folgt. Sie kann für den bloc national nunmehr als unvermeidliches Uebel gelten. Damit war man einen Schritt weiter da die Voraussetzung für Annahme des Londoner Protokolls durch Deutschland die Zulassung zu Verhandlungen war. Ein Diktat hätte kein deutscher Staatsmann an der Themse entgegengenommen. Da rollte am Freitag Macdonald auch di« Frag« d«r militärischen Räumung de» Ruhrgebiete»- auf, die ja von Marr und Stresemann in London selbst- verständlich angeschnitten worden wäre- Aber es ist für Herriot leichter, der Erörterung zuzustimmen, wenn die amerikanischen und englischen Bankiers es als Sicherheit für ihre Anleihe fordern, als wenn deutsche Minister es zur Voraussetzung ihrer Zustimmung machen. Theunis Me Herriot haben die Erörterung nicht mehr abgelehnt, sie sind jetzt bereit, auch diese Forderung des Dawesberichtes zu erfüllen, wenn auch vermutlich über die einzelnen Termine und Etappen in den nächsten Tagen noch hart gestritten werden wird. Dafür hat Herriot aber die freie Hand bei Sanktionen als unbedingt notwendig gefordert, und so weil wir es übersehen können, von Macdonald auch zugebilligt erhalten. Folgerichtig ist diese Stellungnahme des englischen Ministerpräsidenten nicht, auch können wir nicht anerkennen, daß sich dieses Sonderrecht Frankreichs in den Rahmen des Versailler Vertrages fügen läßt. In London wird unter strichen, daß dieses Recht nur noch theoretisch besteht und daß Herriot persönlich jede Sanktion ablehnt.' Daran zweifeln wir garnicht, wir sind nur ungewiß, ob sein Nach folger sich an dies« platonische Erklärung gebunden erachten wird. Ebenso bedeutsam sind Fragen, die vorläufig noch hinter den Kulissen verhandelt worden sind, und über die wir noch im Dunkeln tasten. Es scheint, als ob die Franzosen, die mit besonderer Sorge dem 10. Januar kommenden Jahres entgegensetzen, an dem Deutschland seine Handels freiheit wiedererlangt, an diesem Punkte eingesetzt haben Pariser Meldungen sprechen mit bezeichnender Ueberein- stimmung davon, datz «in deutsch-französischer -«ndrlivertrag geschlossen werden soll, der dies« französische Sorgen behebt. Angeblich sollen sich auch die beiden amerikanischen Staats sekretäre Mellon und Hughes in der gleichen Richtung ein setzen wollen. An und für sich ist es ganz selbstverständlich, datz cin französisch-deutscher Handelsvertrag zustandekommt. Das ist für uns genau so wichtig wie für die Gegenseite. Da« endgültige Urteil hängt eben davon ab, wie die einzelnen Vertragsbestimmungen aussehen. Und noch ein» spielt ganz offenbar eine beträchtliche Rolle Die Frag« der interalliierten Schulden ist von der Tagesordnung drr Konferenz ausdrück lich ausgenommen worden. Da» hindert aber naturgemäß nicht, daß sie in kleinerem Kreis« dauernd erörtert wird. Hier stehen die Italiener Schulter an Schulter mit Belgiern und Franzosen. Wir wissen nicht, ob der „Matin" nur Wünsche ausdrücki, oder bereit» gut unterrichtet ist, wenn er von weit gehenden Zugeständnissen England» und Amerika» in dieser Frage spricht. Danach würden di« Zinsen auf Jahre htnau» erlassen und sogar die Summe — r» handelt sich für die Franzosen allein um 83'/, Milliarden Goldsranken — ntemal» im ganzen Umfang» mehr gefordert werden. Mae Donald soll dt« Streichung von ihrer Schulden, di« Frankreich in England zu bezahlen hätn, in Au»sicht gestellt haben, und Staat»s«kr«tär Hugh«« häsr« sich gleichfall» einem teilweisen Schuldenerlab geneigt gezeigt. Die Einladung Die Einladung erneut verschoben, — Die Geduld Deutschlands und seiner Regierung wird auf eine harte Probe gestellt. Die Einladung Deutschlands nach London läßt immer noch auf sich warten. Wie Reuter meldet, beschloß die am Montag nach- mittag zusammengetretene Konferenz die Frage der Ein- ladung Deutschlands den Leitern der alliierten Delegationen zur Entscheidung zu überlassen. Der Beschluß, Deutschland einzuladcn, ist jedoch endgültig gefaßt worden. Ehe aber die Konferenzarbeiten nicht genügend weit gefördert sind, wird es für zwecklos gehalten, die deutschen Vertreter herzubitten. Gleichzeitig wird mit dem Eintreffen der deutschen Delegierten auch die Ankunft der Reparations kommission vorgesehen. Das ist eine technisch schwierige Frage, da jede Regierung, um irgendwelchen Mißverständnissen vor zubeugen, ihren Vertreter in der Neparationskommission ein zeln auffordert, nach London zu kommen. Es wird für den Tag der Ankunft der deutschen Dele gierten, die nun für die zweite Hälfte der Woche erwartet werden, die Herstellung eines Dokumentes erwartet, das der Vollsitzung am Mittwoch überreicht werden soll und als Diskussionsgrundlage zu dienen hätte. Es wird aber an maß gebender Stelle betont, daß dieses Dokument der deutschen Delegation nicht in der Art eines Ultimatums vorgelegt werden soll. Das amtliche Communiquä enthält den voll ständigen Bericht, der von der vorigen Vollkonferenz ernannten juristischen Kommission. Dieser Bericht erklärt, nachdem er sich mit den Reparationsrechten und Verpflichtungen des Friedens vertrages von Versailles beschäftigt hat, daß Deutschland unter der Wirkung verschiedener Artikel dieses Vertrages mit Bezug auf gewisse Aktivstände seiner Wirtschaft sich freie Hand darüber Vorbehalte, ob es diese für seine Reparationsver pflichtungen nutzbar mache. Das Sachverständigengutachten unterscheide sich von dem Friedensvertrag darin, daß es ge wisse und besondere Finanzquellen namhaft mache, durch die Deutschland seine Zahlungen bestreiten könne. Was die beste Methode anbetreffe, die von den Alliierten angewandt werden könne, um mit Deutschland ohne irgend welche Verletzung des Friedensvertrages zu einer Einigung zu Für die Franzosen wäre das ein beträchtlicher Erfolg, da sie selbst mit der gesamten ihnen von Deutschland zustehen den Summe niemals die 33'/, Milliarden Eoldfranken auf bringen können. Ein solcher Erfolg würde für Herriot ge nügen, um wenigstens einen Teil drr Opposition zum Schweigen zu bringen, namentlich, wenn, wie es heißt, Amerika den europäischen Völkern noch darüber hinaus Kredite zur Stützung ihrer Währungen in Aussicht gestellt hat. Die Londoner Konferenz hätte also nicht nur das, nennen wir es einmal deutsch-französische Problem zu lösen, sondern die endgültige Befriedigung Europas in die Wege zu leiten. Die Aussichten sind heule etwas günstiger als vor Wochenfrist. Ein Pessimismus erscheint nicht mehr berechtigt, auch wenn ein allzu fröhlicher Optimismus noch immer voreilig ist. Di« Kompromißformel über Ruhrränmung und Sanktionen. Die Grundlage für das zwischen Macdonald und Herriot unter dem bestimmenden Einfluß des Staatssekretärs Hughes und des amerikanischen Schatzsekretärs Mellon zustande ge brachte Kompromiß ist nach einer Londoner Meldung folgende: 1. Deutschland wird in der heutigen Vollsitzung der Kon ferenz unter den Bedinguugen völliger Gleichberechtigung und bet Zusicherung voller Diskussionsfreiheit etngeladen, über die Aussetzung des Protokolls zur Wiederherstellung der wirt schaftlichen und finanziellen Einheit des Reiches zu verhanden. 2- In diesem Protokoll zwischen Deutschland und den Allttrrten oder in einem besonderen Protokoll der Alliierten unter sich gibt Frankreich bindende Erklärungen über die beab sichtigte vollständige Räumung des Nuhrgebieies ab. 8. England verpflichtet sich, dt« Bankier» zu veranlassen, sich mit der ersten Theunisschen Fassung, verbunden mit den Empfehlungen des ersten Ausschüsse», In der am Mittwoch veröffentlichten amtlichen Auffassung (also mit Ausnahme des K 4) al» Garantie für die Anleihe zufrieden zu geben, wenn Frankreich durch die an den Termin gebundene Räumung de» Ruhrgebiet«» und Deutschland durch seine in freier Ver handlung gegeben« Znstimmung zum Dawesplan die not wendigen Garantien für di« Ausschaltung der beiden Streit fragen — der Nichterfüllung und militärischen Gewaltan wendung al» Mittel -ur Erzwingung von Reparations zahlungen — geleistet haben. an Deutschland. Die Repko wird gleichfalls etngeladen. kommen, sei festzustellen, daß die künftigen deutschen Maß- nahmen zur Ausführung des der Konferenz vorliegenden Sachverständigengutachtens Gegenstand eines ganz besonderen Uebereinkommens sein müßten. Da der Friedensvertrag von Versailles die Reparationskommission zum ausschließlichen Sachverwalter der verbündeten Mächte für die Reparations zahlungen gemacht hat, sei es auch die Reparationskommission, die zu einer Uebereinkunft über diese Zahlungen mit Deutsch land zu kommen versuchen müsse. Auf der anderen Seite sei die Wiederherstellung der staatlichen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands keine An gelegenheit, die die Reparationskommission etwa» angehe. E» sei nicht die Reparationskommission, die deutsches Gebiet be setzt habe, und es sei auch nicht die Neparationskommission, die in der Räumungsfrage zu entscheiden habe. Diese Frage gehe lediglich diejenigen verbündeten Regierungen etwa» an, die deutsches Gebiet besetzt hätten, und die anderen ver bündeten Regierungen, die nunmehr beabsichtigen, an der Ver wirklichung des Sachverständigengutachtens teilzunehmen, und natürlich auf der anderen Seite die deutsche Regierung. Infolgedessen muß die Frage durch eine Einigung zwischen den verbündeten Mächten und Deutschland geregelt werden. Wenn das Sachverständigengutachten in die Tat umge-, setzt werden soll, muß ein Uebereinkommen zwischen den ver-' kündeten Mächten vorausgesetzt werden. Das treffe ins besondere für solche Fälle zu, in denen Deutschland eventuell gewisser „Verfehlungen" gegen seine Verpflichtungen über führt werden würde. Das sei eine durchaus und nur aus schließlich interalliierte Frage. Nichtsdestoweniger könne natür lich nicht abgestritten werden, daß die deutsche Regtemng mit Bezug auf die Aufnahme einer großen Außenanleihe gerade an dieser Frage eng interessiert sei. .Aus diesem Grunde sei es notwendig, der deutschen Regierung gewissermaßen «in Sanktionsprogramm bekannt zu geben, auf dessen Grundlage Deutschland mit den ausländischen Bankiers zu verhandeln in der Lage sein würde. Um die Forderung des Sachverständigengutachten» und seiner Annahme als Ganzes gerecht zu werden, schlägt die Kommission vor, die drei zur Beratung stehenden Haupt probleme in einem Protokoll zusammenzufassen und von der gegenwärtigen Konferenz unterzeichnen zu lassen- Der Bericht legt klar, daß diese angeführte Regelung unbedingt die Einladung sowohl der Reparationskommission, als auch der Vertreter der deutschen Regierung in sich schließt. Da» Pariser Kabinett stimmt dem Kompromiß zu. Basel, 28 Juli. Der Basler Anzeiger meldet aus Paris: Das Pariser Kabinett hatte am Sonntag abend seine Br» ratungen über das Londoner Kompromiß betreffend die Sank tionen und die militärische Räumung beendet. Um 7 Uhr wurden den Journalisten Informationen gegeben, daß das Kabinett den Londoner Vorschlägen zugestimmt hat, voraus gesetzt, daß Deutschland keine neuen Vorbehalte macht. Die Belastung äer Industrie aus äem Gutachten. Paris, 28- Juli. „Echo de Paris" veröffentlicht neue Einzelheiten über den deutschen Gesetzentwurf betr. dre Industrie- Obligationen, der soeben der Reparationskommission zugeleitet worden ist. Das Dokument umfaßt 30 Blatt, die in 11 Kapitel und 31 Paragraphen zerfallen. Alle deutschen Jndustriefirmen, die mehr als 60000 Mark Kapital haben, müssen di« Last der neuen Obligationen tragen. Die Groß industrie, umfassend Stahl, Eisen und Kohle, ist mit 20 Prozent verpflichtet, die Maschinenfabriken und elektrischen Werke mit 17, di« chemischen Fabriken mit 17 Prozent. Auch die Terttl- industrie soll mit 17 Prozent belastet werden. Die Gesamt» höhe der ausgegebenen Obligationen beträgt 6 Milliarden Goldmark. All« Obligationen werden ausgegeben von einer neuen Bank, der Bank für Industrie-Obligationen Der Auf sichtsrat besteht au» 14 Mitgliedern, vier Ausländern, drei Mitgliedern der N pko und sieben deutschen Delegierten, von denen vier offizielle Vertreter der Neichsregierung sind. Dies« 14 Mitglieder wählen einen Präsidenten, der mindesten» zehn Stimmen auf sich vereinigen muß. Ein besonderer Kommissar wird für die Dauer von fünf Jahren von der Reparation»- kommisston ernannt. Die deutsche Negierung haftet für sämt liche Obligationen, Zinsen und für die Amortisation. Sn 8 S heißt e»: Wenn die Zinsen oder die Amortisationrraten nicht ge zahlt werden, kann der Kommissar von seinem Recht Ge- brauch machen. Er kann nach einem Monat Verzug dt« not wendigen Summen von den Struereinkünften de» Reiche» vorweg erheben.