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Anzeiger für -as Erzgebirge Freitag» äen 1. August I924 IS. Jahrgang Nr. I7S wurde ange- unter- Die Das französische Regierungsblatt Quotidien beglückwünscht Herriot dazu, daß er durch Einbringung seiner beiden Kam« promißvorschläge die große „demokratische Geste" getan hab«, die Frankreich von ihm erwarte. Wir Deutschen können uns diesen Glückwünschen leider nicht anschließen, da wir in den „Herriot'schen Kompromißvorschlägen beim besten Willen nur wenig Spuren wahrhaft demokratischer Gesinnung, dagegen recht viel Erzeugnisse Poincare'schen Geistes erblicken können. Der französische Kompromtßvorschlag über die Sanktionen ist ungewöhnlich lang und kompliziert und in seinen Auswirkungen noch nicht völlig abzuschätzen. Die Vorschläge über die Sachlieferungen und das Uebertragungs- komitee scheinen uns Abänderungen des Dawesgutachtens zu Gunsten Frankreichs darzustellen, dessen Unveränderlichkett die Voraussetzung für die deutsche Zustimmung ist. Ganz undiskutabel sind auch die französischen Vorschläge über di« Räumung. Herriot macht sich hier vollständig den poincare- schen Standpunkt zu eigen, wonach die Räumung des Ruhr gebiets in demselben Tempo erfolgen soll, in dem die deutschen Eisenbahn» und Jndustrteobligattonen flüssig gemacht werden. Und er mutet darüber hinaus den Engländern zu, die Be» setzung der Kölner Zone, die nach dem Versailler Vertrag am 10- Januar nächsten Jahres aufhören müßte, bis zur Räu mung des Ruhrgebiets durch die Franzosen zu verlängern. Das einzige Zugeständnis von praktischer Bedeutung ist, daß Herriot einen festen Endtermin für die vollständige Räumung des Ruhrgebiets, nämlich den 18. August 1926 festsetzt. Unter dem Druck des Senats und seines Ministerkollegen, General Rollet, hat Herriot die Bahnen der Poincare'schen Politik eingeschlagen, der Politik der bewaffneten Schulden eintreibung, deren Bankerott er als Oppositionsführer in so treffender Weise gekennzeichnet hat und die sich mit dem Geist und dem Buchstaben des Dawesberichtes nicht vereinbaren läßt. Nach dem „Daily Telegraph" würde also das Ruhrgebiet nach Empfang einer Summe von Eindreiviertel Milliarden geräumt sein. Sollte es aber Deutschland nicht gelingen, dieses Kapital aufzubringen, so würde das Ruhrgebiet gleich wohl bis 15. August 1926 geräumt sein, vorausgesetzt, daß Deutschland „alle seine Verpflichtungen nach dem Dawesver- trage erfüllt habe. Nach der „Times" sind „zur Durch führung der unsichtbaren Besetzung etwa 30000 Mann nötig. An anderer Stelle ist zu lesen, daß die Franzosen in London das Gerücht verbreiteten, daß „die ganze Besetzung schon heute unsichtbar sei." Englische» Kompromiß in der Ränmnngsfrag» k Paris, 31- Juli. Nach dem Londoner, Berichterstatter des „Quotidien" scheint man in gewissen englischen Kreisen geneigt, Frankreich und Belgien folgendes Kompromiß vor zuschlagen: Falls die Besatzungsmächte bereit wären, ihre militärische Besetzung In spätestens einem Jahr zu beendigen, berechnet vom Tage des Inkrafttretens des Sachverständigen planes an, so würde die englische Regierung ihrerseits sich damit einverstanden erklären, die militärische Besetzung der Kölner Zone bis zur Zurückziehung der französtsch-belgischen Truppen aus dem Ruhrgebiet aufrecht zu erhalten. Schwere« Konferenz-Zwischenfall. London, 31. Juli- Im offiziellen Young-Komitee zur Kontrolle des Dawesplanes hat es gestern einen schweren Zusammenstoß zwischen den französischen und deutschen Mit gliedern gegeben. Die Verhandlungen des Ausschusses sind )amtt auf dem toten Punkt angelangt. Die Deutschen nehmen an der Sitzung nicht mehr teil. Es handelt sich hierbei um einen Ausschuß, der mit der Konferenz nicht in direktem Zusammenhang steht In diesem Ausschuß wird darüber verhandelt, wie der Zugriff der Reparationsgläubiger auf die Einnahmen au» den Zöllen und die Verbrauchsabgaben für Bier, Zucker, Tabak und Branntwein formuliert werden soll. Da» Mleum-Dlktat verlängert- Düsseldorf, 31. Juli. Heut« wurde von der Sechser kommission und der Mieum da» bisherige Abkommen mit folgenden Abänderungen verlängert: 1- Da» neue Abkommen gilt bi» zu dem Zeitpunkt, der von dem im Sachverständtgenplan vorgesehenen Reparation»- zahlungsagenten bestimmt wird. Indessen kann dir Sechser kommission vom 1k. August an den Vertrag mit fünftägiger Frist kündigen. 2. Die Aus- und Einfuhrabgaben, sowie die Zu- und Ablaufsgebühren, di« im Juli in Kraft waren, «erden vom 1. August an aus die Hälft« herabgesetzt. S. Die lausend, Kohlensteuer «trd vom 1. August an auf Sk Pfennig ermäßigt. London, 31. Juli. Der französtsch-belgische Räumungs vorschlag beruht, wie bereit» gemeldet, auf dem alten Gedanken, daß da» Ruhrgebiet nur gemäß dem Eingang der deutschen Zahlungen zu räumen sei, so daß di« Räumung ! wiederum in Etappen vor sich gehen soll. Der späteste § Termin, bi» zu dem di« Räumung vollendet sein soll, ist ! der 1ü. August 1926, wobei es „den Deutschen Vorbehalten London, 31. Juli. Der französische Vorschlag von- dem ersten Komitee der Konferenz einstimmig nommen. Der von britischer Seite heute vormittag breitete Abänderungsvorschlag wurde zurückgezogen, französischen und britischen Delegierten beglückwünschten sich zu dem Erfolge der gegenseitigen Anstrengungen. Dem Ver treter der Agentur Reuter wurde von einem Delegierten er klärt, baß die große Schwierigkeit der Konferenz nunmehr überwunden sei. Um V,5 Uhr nachmittags trat der Rat der Sieben im Unterhause zu einer Besprechung zusammen. Das dritte Komitee muß noch über die Transfer-Frage berichten. Wenn dieser Bericht günstig ausfällt, so ist, wie verlautet, die Konferenz, soweit die Alliierten in Betracht kommen, als be endet anzusehen und kann eine Einladung an die Deutschen als unmittelbar bevorstehend betrachtet werden. Natürlich müßten, wie Reuter hinzufügt, zuvor die Bankiers ihre Ansicht zum Ausdruck bringen. Der über die Annahme des französischen Memorandums herausgegebene amtliche Bericht besagt: Im Laufe des heutigen Tages haben die erste und die dritte Kommission Sitzungen abgchalten; jedoch wurden in der Vormittagssitzung keine Beschlüsse gefaßt. Dagegen wurde in der Nachmittagssitzung des ersten Komitees einstimmig ein Beschluß gefaßt, über den ersten Paragraphen des französischen Kompromißvorschlags. Hiernach wird für den Fall des nicht einstimmigen Beschlusses der Neparattonskommission ein Schiedsgericht vorgrschlagen, das aus drei Mitgliedern be stehen und durch einstimmigen Beschluß der Reparations kommission ernannt werden soll. Ist für die Ernennung ein einstimmiger Beschluß nicht zu erzielen, so wird der Präsident des Haager Schiedsgerichtshofes die drei Mitglieder ernennen. Der Präsident des Reparationsschiedsgerichts soll ein amerikanischer Bürger sein. Ueber das Abstimmungsver fahren dieses Schiedsgerichtes sind keinerlei Vorschriften ge troffen, so daß ein Majoritätsbeschluß möglich erscheint. Die Rechte Frankreichs, in bestimmten, nicht mit dem Dawes bericht in Zusammenhang stehenden Fällen, selbständig Sanktionen zu ergreifen, erscheinen auch nach diesem Vorschlag gewahrt zu sein- Das dritte Komitee (Sachlieferungskommission), welches sich mit den beiden anderen Paragraphen des französischen Vorschlages zu befassen hatte, hat bisher seine Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Die von ihm zu behandelnden Fragen stellen den schwierigsten Teil der Aufgabe dar, nämlich die Entscheidung der Frage, in welchem Umfange Sachlieferungen von Deutschland zu leisten sind und in welcher Weise die Ueberweisungen vorgenommen werden sollen. Auch hier scheint man für den Fall, daß Streitigkeiten bet der Durchführung bestehen, Schiedsgerichte einzusetzen. Demnach sollen vier Schi«d»gericht< eingesetzt werden und zwar ein Schiedsgericht für die Ganktionsfrage, ein zweites für den Fall, daß die Neparattonskommission zu keinem Beschluß über die Aus legung des Dawesplanes kommen kann; ein drittes wird über die privaten Verfehlungen bei den Sachlieferungen entscheiden; ein viertes ist zur Erledigung von Meinungs verschiedenheiten zwischen der deutschen Regierung und dem Ueberwetsungsausschuß in Aussicht genommen. Alle diese Vorschläge sind bi» auf den ersten zwar noch nicht endgültig angenommen worden, jedoch hört man, daß die Arbeiten gut fortschretten. Man ist sich grundsätzlich darüber einig, daß der Minorität jederzeit die Möglichkeit ge geben ist, gegen einen Majoritätsbeschluß Berufung einzu legen. Demnach hat auch Deutschland die Möglichkeit, jeder zeit gegen einen Beschluß Berufung bet. dem Schiedsgericht einzulegen. Mer Tageblatt »Z-L- Anzeiger für -as Erzgebirge WZM sprech - «vsihivS «r. »nunm,, Las^ta« ftvee^gedirge. Enthalten- ülr amtliche« -»kaatltrnachrwgr« -es Kate» -er Sta-t««- -es Amtsgerichts An». poM«ck-»ooto: flau Leipzig a». IN*. vw'cks AuSnühung unserer vollen ProduktiönSkapazität wesent-, bleibt, durch rascher« Zahlung eine baldige Räumung zu -ich erleichtert werden. Die gegenwärtigen Kreditschwierigke^ erwirken. Folgende Mäumung.baten sind vorgesehen: ten sind zweifellos durch die Unübersichtlichkeit der Steuer- ^Ersten»: dl« Räumung de, Hagener Gebiete, nach Unter- und sonstigen Verpflichtungen und den häufigen Wechsel dec I zeichnung der Anleihe von 800 Millionen Doldmark, zweiten» gesetzgeberischen Maßnahmen erhöht worden. > des Dortmunder Gebiete» nach dem Absatz von Eisenbahn- m- I-M» di- mm». °d si- i«, im Sinn» der vorstehenden Anregungen sich der Ueberwmdung Doldmark, dritten». Räumung de« Bochumer Gebiete» nach . „ der »riss vonÄustii«, Handel und »«werb» anzunehmen d«m Absatz weiterer 700 Millionen Doldmark der gleichen 4. Um den Umsatzsch«,«rigr«it«n, unt« denen di« Zech«, oder w,lch« sonstigen Maßnahmen ste zu diesem Zweck, durch- Schuldv.rschttibungen, vierten»! die Räumung de. Eisen,r im Monat Juli,zu leiden batten, Rechnung zu ttag«n, «ird zuführen gedenkt^ ' Dedtete» nach dem Absatz Weiterer 700 Millionen Goldmark. di« Kohlensteuer für diesen Monat auf KO Pfennig «rmLßi-t. Vie UrdttMMng gtrMktsgMriMse. Ei« demokratische Anfrage. Die demokratische ReichStagSfraktton hat angesichts der großen Notlage der deutschen Wirtschaft folgende Anfrage im Reichstag etngereicht: „Industrie, Handel und Gewerbe, die mit der Landwirtschaft die Aufgabe haben, zu einem großen Teil die dauernden öffentlichen Lasten aufzubringen und die ausreichende Beschäftigung der Bevölkerung im Inlande zu gewährleisten, befinden sich in einer schweren Krisis. Gesunde und entwtcklungswürdige Unternehmungen sind in Zahlungs stockungen geraten; tritt nicht schnellste Abhilfe ein, ist ihr Er liegen mit allen schädlichen volkswirtschaftlichen und sozialen Folgen zu befürchten. Die Ursachen liegen zwar einerseits in der unge klärten außenpolitischen Lage und der noch nicht beendeten Umgruppierung der weltwirtschaftlichen Wechselbeziehungen der verschiedenen Länder zueinander, zu einem großen Teil aber auch in dem Mangel an pfleglicher Behandlung und In der inneren Unetnhettltchkeit unserer Gesetzgebung, die keiner lei organischen Zusammenhang mit Natur und Eigenart der genannten Produktionsstände kennt und insbesondere auf steuerlichem Gebiet sie in einer durchaus unrationellen Weife in Anspnrch nimmt. Die Beobachtung folgender Gesichtspunkte erscheint uns seitens der Gesetzgebung gegenüber Industrie, Handel und Ge- werbe sofort notwendig: 1. Während der Jnflntionsperiode haben die Betriebe ihr eigenes mobiles Betriebskapital fast völlig verloren. Die durch die Verringerung der Kapital grundlagen jetzt herbeigeführten Produktionsmethoden führen zu einer unökonomischen Verwertung der Produktionsmittel und zu einer die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutsch lands zerstörenden Preisbildung. a) Die in Deutschland zur Verfügung stehenden Kcedtr. mittel sind beschränkt. Umsomehr müssen daher die öffentli chen Kassen und Kreditanstalten angehalten werden, die bet ihnen sich ansammelnden oder verfügbaren Mittel voll und zu gemessenen ZinSsävvN.'unter Verzicht auf spekulative An. läge und durch Vermittlung der kreditregelnden Tätigkeit der Reichsbank der Wirtschaft zuzuletten, dies gilt insbesondere für diejenigen Kassen, die ihre Mittel aus öffentlichen Abgaben »tchen. b) Gleichviel wie sich in der näheren oder späteren Zu kunft die Grundlagen des Zentralnotentnstituts gestalten, wird eS seine Aufgabe sein, durch Rückkehr zu einer kredttregelnden Bankpolitik unter Wahrung der Stabilität der Währung veu legitimen Kreditbedürfnissen von Handel, Gewerbe und In dustrie Genüge zu tun, wobei zur Ermäßigung des Produk ttonsverteuernden Zinsfußes die Bank durch Heranziehung ausländischer Hilfe, ihre Mittel verstärken kann. Hier wird es sich naturgemäß.nur um sine Zwtschenperiode handeln, da diese Kredite aus der Wirtschaft wieder reproduziert werden müssen. c) ES kann keine Rede davon sein, daß sich die Erwerbs- stände in irgend einer Form ihrer Verpflichtung entziehen, in äußerstem Maße ihrer Leistungsfähigkeit zu der Auf. bringung der sich auS der inneren Lage des Landes und seinen äußeren Verpflichtungen ergebenden Lasten beizutragen. Eine pflegliche Behandlung — nicht zuletzt im Interesse der dauernden Sicherung der öffentlichen Ftnanzwtrtschaft — muß dabÄ aber durch folgendes beachtet weren: a) Die Steuern müssen! sich der Eigenart der einzelnen Erwerbsstände möglichst organisch anpassen. Ihre Aufbringung muß mit möglichst we nig Aufwand Seim FiskuS wie auch beim Steuerpflichtigen selbst erfolgen. In der Festlegung der Einkommen, bezw. Kör- verschaftssteuerpfltcht ist die gegenwärtige Einschätzung ledig lich nach Umsatzkennzeichen ohne Berücksichtigung des damit verbundenen Gewinns oder Verlusts sofort durch Rückkehr zu einer Veranlagung nach Am tatsächlichen Bctriebserfolgen umzugestalten. Die in Betracht kommenden Steuerstundungen sind den Zahlungsbedingungen des Wirtschaftsverkehrs anzu passen. Die Umsatzsteuer selbst kann in der gegenwärtigen Höhe nicht aufrecht erhalten werden. Wenn durch die Um satzsteuer auch nur annähernd die gewaltigen Erträgnisse aufgebracht werden sollen, muß das System der Umsatzsteuer grundsätzlich verändert werden, b) Die mechanische Kumu. lterum» von Etnhett-steuersätzen seitens der verschiedenen öffentlichen Gewalten muß unmöglich gemacht werden; durch Gesetz oder retchSrechtliche Richtlinien sind den Erwerbsstän den hierfür ausreichende Sicherheiten zu geben, cs Der ge. l-owärtigen Zahlungsstockung im Wirtschaftsverkehr must durch allgemeine Anweisungen im Sinne von StundungSer- leichtcrungen und weitgehende diesbezügliche Bevollmächtigung der unteren Finanzbehörden Rechnung getragen werden. Wenn es gelingt, durch eine pflegliche Behandlung der Pro. dukiionSstände die einzelnen Betriebe wieder ertragSfähig zu m'chcn, wird die Heranziehung von ausländischen Krediten Herriots Memorandum angenommen. Die französischen Raumungsvorschläge. — Verlängerung der Micum-BertrSge.