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fluer Tageblatt IS. Zechrgsng Sonnabenä, äeu 2S. Juni 1S24 Ar. I4S MKM Mnzeiger für bas Erzgebirge L^«g,a««„ ras.»,«« ft—«»»v. EKttzalWKö öl« «ntUch«, -»»«»Mach»«-«» ö« «at— öy» «taöt «lö ö« MM»-««lcht« D». pefiMe»»»—, ft»,o». Mnf Zahre nach Versailles. Bon Dr. Külz M. d. R. Am 28. Juni sind fünf Lahre verflossen, seitdem Deutschland den Gewaltakt von Versailles über sich er sehen lassen mutzte. Ein seelisch und körperlich durch die furchtbaren Leiden und Entbehrungen eines ge schichtlich beispiellosen Krieges zermürbtes Volk war er barmungslos der Willkür und Gewalt seiner .Feinde vreiSgegeben. Fünf Lahre Leidensweg Liegen hinter uns. Auf Versailles sind weitere Etappen gefolgt; das Ultimatum von London, der Verlust pon Oberschlesten, die Besetzung Les RuhrgebteteS kamen als zwangsläufige Auswirkungen des verlorenen Krieges. Demütigungen und Bedrückungen der unerhörtesten Art stießen das deutsche Volk in die Tiefen eines modernen Sklaven« t »ns. Nichtswürdig der Deutsche, der die Lage seines Volkes nicht als schmachvoll empfände! An heißen Mü den, den Weg .ins Freie zu finden, hat eS nicht gefehlt. > w überall wohin es den Schritt lenkte, wehte dem utschen Volke ein verpesteter Lufthauch! entgegen. Erst al diese vergiftete Luft de» Hasses und der Verblendung ii / auf unsere Feinde selbst zurückschlug, kam /ihnen l n.',sam die Erkenntnis, Paß man andere .Methoden wählen müsse um die- Frucht des Steges einzuheimsen. A.if vielfachen Konferenzen versuchte man, .solche Me- ihoden zu finden. Deutschland war dabet zunächst nur Obiekt und nicht Subjekt der Verhandlungen. Vor zwei Jahren schien es erstmalig! so, als sollte Die Vernunft ich langsam eine Gasse bahnen. Wir hatten damals al; Außenminister einen Staatsmann von besonderen Qualitäten. Walther Rathenau, der,-vor zwei Jahren am 24. Juni 1922, durch ein schmachvolles Verbrechen dem deutschen Volke geraubt wurde, .war der erste deutsche Minister, der den Weg zum Verstand unserer ehemaligen Gegner gefunden hatte.. Auf der Konferenz von Genua war seine groß angelegte. Psycho logisch klug abgesttmmte Rede das Ereignis der Tagung schlechthin Es ist jhm und uns in der dann folgenden Zeit zunächst nicht beschteden gewesen, die damals an- gebahnte Verständigung weiter zu führen. - Ter sinn loseste politische Mord, der fe begangen wurde, nahm uns den Staatsmann, der am ehesten in der Lage ge wesen wäre, durch seine Besonnenheit und durch seine überragende Erfassung und Behandlung der außenpo litischen Realitäten einen Gegenpol zum französischen Vernichtungswillen zu schaffen, in einem Augenblicke, wo Der französische Imperialismus »um letzten Schlag ausholte. Unendlich viel Schwere» ist seitdem über Deutschland gekommen. Aber der im Ruhreinbruch! am stärksten zunr Ausdruck kommende Wahnsinn war «doch als solcher so sinnfällig und so ungeheuerlich, daß er auf seine Urheber zurückschlug,, .und daß er der Welt und dem französischen Volke die Augen öffnete. .So wurde dieser Nuhrkrteomicht nur der tiefste Punkt unserer Er niedrigung und unserer Leiden, sondern auch der Wende punkt. Mur Narren könnten den Wandel verkennen, der sich in der politischen Einstellung der Welt und unserer ehemaligen Feinde zu Deutschland in den letzten Dtonaten vollzogen hat, und der sich mit einem einzigen Satze erschöpfend dahin kennzeichnen läßt, daß an Stelle des politischen Vernichtnngswillen» der wirtschaftliche ErhaltungSwtlle getreten ist. Unsere Gegner von gestern wollen Nutznießer einer wieder in Ordnuno gebrachten deutschen Wirtschaft werden ? sie an den Erträanissen unserer Wirtschaft teil nehmen zu lassen ist das Opfer, mit dem die Freiheit von Rhein und Ruhr erkauft, .mit der eine neue poli tische und wirtschaftlich« Lebensmöglichkeit geschaffen werden kann. Gewiß, dieses Opfer drückt hart auf.Seele und Leib eines bisher freien Volke», aber ohne ein solches wird sich der Weg in» Freie niemals öffnen. Alle dte..welche in der Presse und in den Parlamenten gegen die Politik der Verständigung zu Feld« ziehen, sollten doch bedenken, daß es nach einem verlorenen Kriea kür da» unterlegene Volk nur zwei Möglichkeiten aibtr entweder einen neuen Krieg in der Hoffnung auf einen besseren Au»aano »u führen oder mit den bis herigen Gegnern zu einer Verständigung ^u gelangen. Selbst dteientaen die ohne einen neuen Krieg «ine end gültige Sicherung der deutschen Zukunft nicht kür mög lich halten, werden einen solchen Krieg bei der gegen- wirtigen Gruppierung der Machtverhältntsse al- einen absurden Gedanken verwerfen müssen. Daraus ergibt sich auch für sie die zwingende Notwendigkeit, eine Po litik der Verständigung zu fördern. Ein weiteres kommt hinzu. Einigen wrr un« nicht mit den Gegnern, so bleibt e» auf der anderen Sette bet der Politik der 0o- loschen und wirtschaftlichen Sanktionen mit ihren ab- wlut tödlichen Wirkungen r einigen wir un», .so kommt a^nz gewiß für un» nicht sofort «in Paradies auf Erden, aber «S kommt doch eben die Möglichkeit einer Sntla- stung und Entspannung. Für Deutschland gilt eS, Pie für uns fetzt erstmalig in London und Parts günstiger gewordene.Kon junktur schnell und entschlossen auszunut. - en. Wir dürfen nicht verkennen, daß die dort zur Zeit am Ruder befindlichen politischen Strömungen ebenso von nationalistischer Verblendung bekämpft werden, wie eS in Deutschland mit einer Politik der Vernunft und Besonnenheit geschieht. Kür unsere Politik kommt es fetzt darauf an. alles auS dem Wege zu räumen, was in Frankreich und in England den Gegnern einer Ver ständigung mit uns Waffen in die Hand geben kann. Unter diesem Gesichtswinkel ist.auch die Frage der ab schließenden Militärkvntrolle zu betrachten. Der Ton, in dem die betreffende Note an un» gehalten ist unter scheidet sich stark von der Gehässigkeit und Überheblich keit früherer Kundgebungen, daß unsere Antwort darauf wesentlich erleichtert wird. Wer in Deutschland den aufrichtigen Wunsch hat, den für Heer und Volk gleich unwürdigen Zustand einer dauernden Mtlitärkontrolle beseitigt zu sehen, dem darf das Opfer dieser einmali gen und letzten Schlußredision nicht zu groß sein. Eine Ablehnung würde mit einem Schlage die alte Mär von dem gewalttätigen, .jederzeit zur Friedensstörung be reiten Deutschland wieder aufleben lassen.. Unsere va terländischen Verbände und unsere der körperlichen Er tüchtigung der Jugend dienenden Organisationen soll ten soviel Klugheit und Vaterlandsliebe besitzen, um zu erkennen, daß gerade jetzt jede nach außen erkennbar werdende militärische Aufmachung ^und Aktivität von Uvbel .ist. Lernen wir doch endlich! einmal, .daß nicht nur auf.dem offenen Markte, sondern auch hinter ver schlossenen Läden nachhaltig gearbeitet werden kann. Auf.der internationalen Konferen'z die für den 16. Juli in London in Aussicht genommen ist wird Deutschland ein anderes Frankreich und ein anderes England finden können al» in Versailles und als auf früheren Konferenzen, wenn eS die» selbst will. Willenlos sahen wir un» bei gleichen Anlässen in der Vergangenheit Diktaten und Ultimaten ausgesetzt? für die neue Londoner Konferenz ist ln dem Sachverständi gengutachten von vornherein eine erträgliche Berhand- lungSgrundlage geschaffen. Wir selbst.können viel dazu beitragen, welche Atmosphäre in London herrschen wird. Der Reichstag steht in dieser Beziehung vor un geheurer Verantwortung. Bisher macht eS freilich, nicht den Eindruck, als ob sich alle Abgeordneten dieser schick salsschweren Bedeutung der zu treffenden Entscheidun gen bewußt wären. Wenn jetzt schon bet Verhältnis- mäßig geringfügigen Anlässen der Reichstag, der «ine Stätte politisch-geistigen Ringens sein soll, sich, herab würdigt zu einem Schauplatz, .wo man sich, mit.Un flätigkeiten überschüttet und an die Gurgel .springt dann kann man nur mit schwerer Sorge den bevor stehenden Verhandlungen über die Schicksalsfrage unse res Volke» entgegensehen. Ter äußer« Verlauf der Verhandlungen eine» Parlamente» läßt stet» auf den sittlichen Ernst.schließen, mit dem seine Mitglieder an die Erledigung ihrer Pflichten herantreten. Den Par teien der Mitt» erwächst gegenüber dem deutschen Volke täglich dringender die Pflicht, . die parlamentarische Kerntruppe einer besonnenen -und verantwortungsbe wußten Politik zu bleiben. Sin Reichstag,, der die vor handenen außenpolitischen Möglichkeiten selbst zer schlägt. begeht ein Verbrechen am deutschen Volk? ein Reichstag, der der Regierung Fuf dem Wege der Ver ständigung folgt, wird die Pforte zu einer erträglichen Zukunft öffnen. Cin Mcum-Ulttmatum. Die Fr ei tag. Besprechung en der Ruhroertreter mit der Mirum hatten bi» Mittag insofern ein« allgemeine Uebor- raschung gebracht, al« mit keinerlei Zugeständnissen der Regie zu rechnen ist. Die vorgeschlageiie Verlängerung mutz bi» spätesten« Montag angenommen sein. Zu den am heutigen Sonnabend beginnenden Verhand lungen der Ruhrindustrie mit der Mirum erfährt die „Ver- qlsch.M«rkische Zeitung", daß eine Einwilligung der deutsch« Berqseiter in eine Verlängerung der Mtrumverträg« au«ge. schlossen sei. Die Werk« Wien ihre letzten Kredite verbraucht, zur weiteren «erwirtschastuag de« Reste» der ihnen anver- trmtten Kapitalien könnten die Industriellen unmöglich dre «wnd bieten. Die Verantwortung dafür, was au» dieser SI timtion entstehen werde, fall» den Regierungen zu, da ledinst^ durch Verhandlungen zwischen der deutschen und ft-niM»«»— Regierung eine siir di- Industrie tragbar, Regelung an ^t^» >er Mikumverträge treten könne. OGG «Md dl, Ruhr-«u»gewiesen«n tURÜtl. Hava» meldet aus Düsseldorf, General Degoutte habe auf Anweisung du französischen Regierung Vor kehrungen getroffen, um die gleichzeitige Rückkehr sämt liche« in de« kranMschen Zone de» Ruhrgebiet» und auch im Brückenkopf Köln Ausgewiesenen bi» auf einige Ausnahmen zu ermöglichen. Dies- Entscheidung, sei am 27. Juni den Beteiligten mitgeteilt worden^ De» wei teren seien Strafetnstellungen zugunsten der wegen Teil nahme am passiven Widerstand Verurteilten angevrdnet worden, denen binnen kurzem die endgültige Begnadi gung .folgen werde. Republikanisch« knnSgebung im besetzten Gebiet. Vorai,«slch'I»<i>e L «lnahwe dr» RelcheprSsldenten. Zu der großen republikanischen Kundgebung. Pie für den 6. Juli in KöntgSwinter geplant ist hat auch Reichspräsident Ebert sein Erscheinen zugesagt. Auch der frühere RetchSmtnister Sollmann wird er scheinen. Wie verlautet, wollen Reichspräsident Ebert und Sollmann in KönioSwinter Reden an die Adresse des französischen Ministerpräsidenten Herriot halten. In nationalistischen französjschen Kreisen wird diese Ver anstaltung voreilig kommentiert.. Gs wird die Frage aufgeworfen, warum Ebert und Sollmann nicht im un besetzten Gebiet republikanische Kundgebungen abhalten, wo ije doch angebrachter seien. Reichstag Di« Rot der Londwittschoft. Da» Plenum des Reichstag» trat Freitag mittag 12V» Uhr zusammen. Am RegierungStisch nahm Srnäst, rungsmtnister Graf Kanttz Platz. Bor Eintritt in die Behandlung per Interpellation über die Notlage der Landwirtschaft erledigte man die Wirtschaftsverträge mit Litauen und Estland sowie die Verträge mit den glei chen Staaten über die Regelung der mit den Ereignissen de» Weltkriege» zusammenhängenden Fragen. Der Deutfchnattvnale Freiherr v. Frehtag-Loring. Hoven stimmte den Verträgen zu. Einspruch Müsse, da gegen erhoben werden, daß die litauische Regierung noch vor Inkrafttreten de» Memel-Statut» sich die schwersten Eingriffe in da» Lehen der Memeldeutschen erlaub«. Der Nationalsozialist Graf Reventlow äußert Be. denken namentlich hinsichtlich.des ostjüdtsch-n Zustrom». Die Verträge wurden daraufhin in zweiter Lesung angenommen gemeinsam mit einer wirtschaftspolitischen Entschließung folgenden Wortlauts r Die ReichSregte« rung wird ersucht, bei ferneren Verhandlungen mit Ss> land >>urch-usetzen, patz Pie in Estland enteigneten Grundbesitzer mit deutscher Reichsangehörigkeit nach den selben Grundsätzen entschädigt werden wie; die meist begünstigten Grundbesitzer mit anderer Staat-zuge- Hörigkeit. Dem Antrag de» GeschäftSordnungSauSschusse» auf Haftentlassung de» Kommunisten Schlecht wurde zuge- stimmt. Dann wandte man sich.per Aussprache über die Notlage der Landwirtschaft zu. Auf per Tagesordnung stehen 87 Interpellationen und Anträge aller Parteien. Die Redezeit wird auf »/i Stunde festgesetzt. Man hofft die Debatte noch heute zum Abschluß zu bringen. Der Deutschnationale Schiele weist al» erster Redner darauf hin, daß die große Anzahl der Anträge und Interpellationen Zeugnis dafür ablege, um welch« gro ße Gefahr e» sich b«i der Not der Landwirtschaft handle. Die Belastung der Landwirtschaft sei unerträglich., Der Hinweis auf die Entschuldung der Landwirtschaft wäh. rend d«r Inflation schlage gegenüber der im Vergleich zur Vorkriegszeit ungeheuerlichen Gteuerbelastung ^tcht »durch. Dio gesamte Steuerb«lastung betrage etwa S Prozent de« Vermögen». Heute laste bereit» wieder eine Hypothek von 6^1 Ü Milliarden auf der Landwirt schaft Ferner habe sie ihr gesamte» flüssige» Betrieb» kapital von 4 bi» b Milliarden Genossenschaftsgelder verloren. Der Viehbestand s«i ganz erheblich zurückgegangen. Die Landwirtschaft stehe vor einer völligen. Geldleere. Solans« kein« entsprechende Au»fuhrstetgerung ptntret« werde man die Auslandskredite ebenso wenig zurück!' zahlen Können wie di« Rentenbankkredtte. Die Preis« insbesondere für Getreide feien weit unter den Frie denspreisen und 80 Prozent unter den Weltmarktprei sen. Der Redner fordert die Beseitigung der letzten Reste der Zwangswirtschaft und trat für da» alte System der Magazinwirt.schaft de» großen Preußenkünig» ein. Dadurch werde vor allem auf den Getreidewucher «in Druck autzgsstbt werden. vor allem verlanae seine Partei schleunig eine di, deutsche Produktion schützend« Zollgesetzgebung, Dor Sozialdemokrat Schmidt-Köpenick glaubt fest- stellen hu müssen, daß e» den Landwirten gut geh«. Li« sinkenden Getreidevreis« und da» stark, Getreideanzebot Mrt er darauf zurück, daß die Landwirtschaft da« G» treid« seinerzeit zurüchpehalttn habe, um dw Umlag« A "b - richtig Ist, daß im Land, wirtschaftsmintstuftum ein, «vrlag, für landwirtschaf»